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Nebenjob futsch? – aber meist nicht das Fahrverbot

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Ein Absehen vom Fahrverbot zu erreichen, wird immer schwieriger, und zwar auch dann, wenn berufliche Gründe geltend gemacht werden. Noch schwieriger ist es aber, wenn es „nur“ um den Verlust einer Nebentätigkeit geht. Dann ist in der Rechtsprechung das Absehen i.d.R. verneint worden. Zu verweisen ist da auf Entscheidungen betreffend einen Pizzalieferanten, betreffend einen Rentner, der auch Taxi fährt, betreffend die freiberufliche Nebentätigkeit eines Rentners als Architekt oder betreffend einen Rentner, der gelegentliche Warentransporte ausführt.

Zu der Frage hat sich jetzt auch das AG Lüdinghausen, Urt. v. 19.11.12 – 19 OWi-89 Js 1600/12-188/12 – geäußert. Schluss daraus: Wenn überhaupt kann der Verteidiger ein Absehen vom Fahrverbot nur dann erreichen, wenn es sich nicht „nur“ um eine Nebentätigkeit handelt, die den Lebensstandard des Betroffenen hebt, sondern die Nebentätigkeit den Lebensstandard sichert. Dazu muss aber umfassend vorgetragen werden und es müssen die „Zahlen passen“.

Die beim AG Lüdinghausen passten dem AG wohl nicht: Die Betroffene bezog eine Rente von 2000 € monatlich und musste Schuldentilgungsleistungen von 900 € erbringen. Ihren Lebensunterhalt besserte sie als Kurierfahrerin für Apotheken mit monatlich ca. 400 € auf.

Die Betroffene hat berufliche Härten durch das drohende Fahrverbot geltend gemacht. Bei einem Fahrverbot sei sie bei der Apotheke „sicher raus“. Das Gericht musste sich angesichts der Rente von 2000 Euro und der lediglich lebensstandarderhöhenden (nicht lebensstandardsichernden) Nebentätigkeit deren Verlust die Betroffenen fürchtet nicht weiter mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Kündigung durch die Apotheke tatsächlich droht.

Nun ja, kann man, muss man aber nicht so sehen. Immerhin gehen fast 50 % der Rente für die Schulden weg, ohne dass man sonstige Ausgaben kennt. Allerdings als durchschnittlich wird man das Einkommen wohl immer noch ansehen können.

 

AG Lüdinghausen: Kurz und zackig, aber m.E. falsch – das beschränkte Fahrverbot

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Das AG Lüdinghausen verurteilt mit dem AG Lüdinghausen, Urt. v. 14.01.2013 – 19 OWi-89 Js 1648/12-197/12 – den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 500,00 €. Zum Fahrverbot heißt es kurz und zackig:

Dem Betroffenen wird für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge mit mehr als 100 PS Motorkraft im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.“

Doppeltes Erstaunen, denn:

1.  Vom Wortlaut des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG  ist diese Entscheidung nicht gedeckt. Danach kann das Fahrverbot auf Kfz „einer bestimmten Art“ beschränkt werden. Maßgebend ist dabei nach h.M. in erster Linie die Einteilung der Fahrerlaubnisklassen in § 6 FeV. Beschränkt werden kann daher nur auf eine Fahrzeugklasse oder eine Unterart innerhalb einer Klasse. Der Verwendungszweck kann darüber hinaus nur dann als Abgrenzungskriterium berücksichtigt werden, wenn er sich eindeutig in der Bauart niederschlägt und damit eine eindeutige Abgrenzung zu anderen Fahrzeugen dieser Fahrzeugklasse ermöglicht. Nach der insoweit einhelligen Rechtsprechung ist daher eine Beschränkung etwa zulässig bei einem Einsatzfahrzeug der Feuerwehr (so vor einiger Zeit das OLG Düsseldorf). Eine Beschränkung ist hingegen nicht möglich auf ein bestimmtes Fahrzeug, Fahrzeuge eines bestimmten Eigentümers, Fahrten in bestimmten Regionen, zu bestimmten Zwecken oder bestimmten Tageszeiten (näher m. Deutscher in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche Bußgeldverfahren, 3. Aufl. 2012, Rn. 1013 ff). In diese letzte Gruppe fällt aber die Beschränkung, die das AG ausgesprochen hat, denn die Motorstärke eines Fahrzeugs ändert als solche offensichtlich nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Fahrzeugklasse und schlägt sich auch nicht in der Bauart nieder.

Zu all dem und der Abweichung von der h.M. leider nichts in der AG-Entscheidung; die Entscheidung hat keine Gründe. Und auch kein Wort, warum denn die Grenze gerade bei 100 PS (!!) gezogen wird. Warum nicht bei 90 oder bei 110. Art 3. GG und das Willkürverbot lassen grüßen.

2. Zweiter Grund für mein Erstaunen: Das Urteil ist rechtskräftig. Nun, dass der Betroffene kein Rechtsmittel eingelegt hat, ist nachvollziehbar, aber die Staatsanwaltschaft auch nicht? Von dort aus wird doch sonst i.d.R. jedes Absehen vom Fahrverbot zur Überprüfung beim OLG gestellt. Dieses aber nicht? Das verstehe, wer will.

Fahrverbot – kannst ja mit dem Nachtbus fahren

 

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Ich hatte gestern bereits auf das – AG Lüdinghausen, Urt. v. 05.03.2012 – 19 OWi-89 Js 102/12-12/12 – hingewiesen, und zwar betreffend Messung mit ESO ES 3.0. Den Hinweis greife ich auf und komme noch einmal auf die Entscheidung zurück, und zwar nun wegen der Rechtsfolgenseite. Im Verfahren hatte die Betroffene – ein Konditorlehrling – ein Schreiben ihres Ausbildungsbetriebes vorgelegt, in dem es hieß:

„Wunschgemäß können wir Ihnen bestätigen, dass Sie seit dem 01.08.2010 bei uns eine Ausbildung zur Konditorin absolvieren. Ihre Arbeitszeiten beginnen grundsätzlich nachts, manchmal um 01:00 Uhr, manchmal um 04:00 Uhr…. Bei der Urlaubsregelung müssen wir aus organisatorischen Gründen darauf bestehen, nicht länger als 2 Wochen am Stück Urlaub zu planen, damit alle anderen Auszubildenden ebenfalls in den Ferien ihren Urlaub nehmen können“.

Außerdem hatte sie darauf hingewiesen, dass die Fahrstrecke von ihrem Wohnort bis zu ihrer Ausbildungsstätte etwa 15 Km betrage und sie sie ohne Auto nicht zu ihrer Ausbildungsstätte kommen könne. Das AG hat das nicht gelten lassen, sondern:

„Das Gericht hat hierzu in der Sitzung eine Recherche im Internet in Gegenwart der Betroffenen und ihres Verteidigers angestellt und die Ergebnisse der Internet-Recherche urkundsbeweislich verlesen. Hierbei konnte festgestellt werden, dass der örtliche Verkehrsbetrieb RVM in unmittelbarer Nähe der Heimatanschrift der Betroffenen einen Bürgerbus zur Verfügung stellt, der auch nachts fährt, und zwar jeweils auch zu den Zeiten, zu denen die Betroffene zur Arbeit fahren müsste. Dieser Bürgerbus fährt bis zum Rathaus Nordkirchen. In einer zweiten Recherche hat das Gericht dann wiederum die Verbindung von Nordkirchen Rathaus bis nach Lüdinghausen Innenstadt abgefragt und das Ergebnis wiederum urkundsbeweislich verlesen. Auch hierbei ergab sich, dass nachts Busverbindungen zwischen Nordkirchen und Lüdinghausen durchgehend vorhanden sind. Die mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel des Nachts verursachten Unbequemlichkeiten sind jedoch hinzunehmen als typische und sogar gewollte Folgen eines Fahrverbotes, welches bekanntlich dazu gedacht ist, erzieherisch auf Verkehrsteilnehmer einzuwirken. Diese Unbequemlichkeiten sind jedoch nicht derart schwerwiegend, dass sie Härten wären, die zu einem Absehen vom Fahrverbot auch nur ansatzweise Anlass geben könnten. Dies gilt umso mehr, als die Betroffene durch Gewährung der vier-Monats-Abgabe-Frist des § 25 II a StVG die Möglichkeit hat, das Fahrverbot so zu legen, dass sie dieses zumindest bereits zwei Wochen in Schulferien verbüßen kann und sich dementsprechend nur zwei Wochen auf öffentliche Verkehrsmittel einlassen muss. Dem Gericht scheint dies nicht unverhältnismäßig. „

Nun, viel Mühe hat sich das AG ja in der Hauptverhandlung gemacht. Allerdings hat es dann keine Mühe mehr darauf verwendet darzulegen, warum auf die Betroffene nicht (auch nur) mit einer erhöhten Geldbuße eingewirkt werden kann. Dazu kein Wort, obwohl es m.E. nahe gelegen hätte. Es war (früher) auch mal Rechtsprechung des OLG Hamm, dass dazu das tatrichterliche Urteil Ausführungen enthalten muss. Das scheint aber wohl stillschweigend aufgegeben worden zu sein. Anders ist es nämlich nicht zu erklären, dass das Urteil des AG mit eine „OU-Verwerfung“ rechtskräftig geworden ist..

Messung mit ESO ES 3.0 – ein oder zwei „Lübecker Hütchen“?

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Geschwindigkeitsmessungen mit dem System eso ES 3.0 sind immer „interessant“ bzw. beschäftigen derzeit die Rechtsprechung. So auch beim AG Lüdinghausen. Dort hatte der Verteidiger gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung mit ESO ES 3.0 eingewendet, es sei erforderlich, dass die sog. Fotolinie durch zwei sog. Lübecker Hütchen markiert werde. Das hat das AG Lüdinghausen, Urt. v. 05.03.2012 – 19 OWi-89 Js 102/12-12/12 – nicht gelten lassen und dazu ausgeführt:

„Dem ist jedoch zu widersprechen. Die Bedienungsanleitung des genannten Messgerätes sieht ausdrücklich nur zumindest eine Markierung der Linie z.B. durch ein Lübecker Hütchen vor. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Dokumentation der Fotolinie für die Frage der Richtigkeit der Messung, d.h. der Richtigkeit des Messergebnisses ohne Relevanz ist. Vielmehr ist die Dokumentation der Fotolinie nur notwendig für die richtige Zuordnung des Messergebnisses, und zwar dann, wenn mehrere Fahrzeuge unmittelbar hintereinander her fahren. Hier ist jedoch auf das Messfoto Bl. 1 d.A. unten zu verweisen (auch hierauf wird nach § 267 I S. 3 StPO Bezug genommen), auf dem sich gerade nur das von der Betroffenen geführte Fahrzeug erkennen lässt. Zuordnungsschwierigkeiten sind damit nicht einmal ansatzweise ersichtlich.

Aus diesem Messfoto ergibt sich im Übrigen auch die von dem Messgerät gemessene Geschwindigkeit. Das Gericht hat nicht nur das Foto der Fotolinie und das Messfoto in Augenschein genommen, sondern auch das Datenfeld des Messfotos urkundsbeweislich verlesen. Hieraus ergab sich eine von dem Messgerät festgestellte Geschwindigkeit von 100 km/h, von der ein Sicherheitsabschlag von 3 km/h vorzunehmen war, so dass sich eine vorzuwerfende Geschwindigkeit von 97 km/h ergab.“

Ein Versuch war es wert, hat allerdings wohl zu Recht keinen Erfolg gebracht. Allerdings: Damit ist ESO ES 3.0 aber sicherlich nicht aus der Diskussion.:_)

Der Hase und die Geschwindigkeitsüberschreitung

Es ist gar nicht so einfach, zum heutigen Tag thematisch etwas zum Hasen zu bringen und dabei einen verkehrs- bzw. strafrechtlichen Bezug herzustellen. Dazu passt nun mal nicht der Streit um den Goldhasen.

Eingefallen ist mir dann aber AG Lüdinghausen, Urt. v. 19.01.2009 – 19 OWi -89 Js 1880/08-170/08, das ich – aus anderem Grund – immer gern auf Fortbildungen vorstelle. Dort ging es um einen Hasen, denn der Betroffene hatte sich wie folgt eingelassen:

„Ich war auf der oben genannten Straße mit ca. 75-80 km/h unterwegs als ich am rechten Straßenrand einen Hasen bemerkte, der für eine kurze Zeit meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Nach ein paar Metern raste der Hase nach vorne und überquerte einige Meter vor meinem Fahrzeug die Straße, so dass ich ihn aus den Augen verlor. Dieses Ereignis muss die Messung zu meinem Nachteil beeinflusst haben.“

Das AG setzt sich damit auseinander und verweist zunächst darauf, dass ein Hase auf dem Messfoto nicht zu erkennen sei. Dann heißt es weiter:

Wie bereits oben dargestellt, ist auf dem Messfoto ein Hase nicht zu erkennen, sondern vielmehr das Fahrzeug des Betroffenen. Zudem ist auf der Gegenfahrbahn unmittelbar im Bereich vor der Front des Betroffenen ein entgegenkommendes Fahrzeug erkennbar, so dass eine Überquerung der Fahrbahn durch einen Hasen nach Einschätzung des Gerichtes nicht glaubhaft ist, sondern als bloße Schutzbehauptung des Betroffenen zu werten ist. Ein unmittelbar vor dem Fahrzeug des Betroffenen querender Hase müsste nämlich auch eigentlich aufgrund der zwei sich begegnenden Fahrzeuge „unter die Räder“ gekommen sein. Hiervon hat der Betroffene allerdings nichts berichtet.

Im Übrigen bewegen sich Hasen üblicherweise nicht mit Geschwindigkeiten von nahezu 100 km/h. So heißt es etwa in einem Im Internet unter http://www.vu-wien.ac.at/i128/pub/weidwerk/valencak%20ruf%205-2005.pdf frei abrufbaren Beitrag „Wildtiere: Schnelligkeit entscheidet!“ der renommierten Wissenschaftler Mag. Teresa Valencak und Univ.-Prof. Dr. Thomas Ruf, erschienen in der Zeitschrift Weidwerk 5/2005 zur Geschwindigkeit von Hasen:…

„Bei besonders schnellen Tieren beobachtet man, dass die Muskelmasse eher nach innen Richtung Körperschwerpunkt verlagert wird, sodass die Unterläufe zart erscheinen, Oberschenkel und Hüfte dagegen von großen Muskelpaketen umgeben sind. Diese anatomischen Verhältnisse finden sich zum Beispiel sowohl beim Geparden als auch bei unserem einheimischen Feldhasen. Die „Leichtfüßigkeit“ dieser Tiere maximiert ihre Geschwindigkeit, da der äußere Lauf beim Rennen die größte Beschleunigung erfährt. Hasen sind etwa viermal schneller als Nagetiere der gleichen Körpergröße, wobei die hohe Geschwindigkeit von 72 km/h praktisch ausschließlich mithilfe der körpernahen Muskulatur der Hinterläufe und durch eine enorme Streckphase erreicht wird.“

Wer sich fragt, warum ich die Entscheidung auf Fortbildungen vorstelle. Nicht wegen des Hasen, sondern wegen der Ausführungen des AG zum Absehen vom Fahrverbot. Die sind m.E. falsch, allerdings vom OLG Hamm, das die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil verworfen hat, abgesegnet.