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Hilfe beim Vermeiden eines Fortsetzungstermins, oder: Fortsetzungstermin ist nicht „die Hauptverhandlung“

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Am Gebührenfreitag heute zwei AG-Entscheidungen, leider beide falsch.

Zunächst bringe ich den AG Herne-Wanne, Beschl. v. 07.06.2024 – 44 OWi 52 Js 120/24 (12/24) – zum Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG, wenn der Verteidiger dabie mitwirkt, dass ein Fortsetzungstermin entbehrlich wird.

Folgender Sachverhalt: Das Bußgeldverfahren ist in der Hauptverhandlung eingestellt worden, wodurch ein Fortsetzungstermin vermieden worden ist. Danach hat es dann Streit zwischen dem Vertreter der Landeskasse und dem Verteidiger des Betroffenen dahingehend gegeben, ob die Gebühr Nr. 5115, 5103 VV RVG entstanden ist oder nicht. Der Verteidiger hat sie in Ansatz gebracht. Dagegen hat der Bezirksrevisor geltend gemacht, dass zwar grundsätzlich eine Befriedungsgebühr auch entstehe, wenn bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden habe, jedoch könne sie nicht entstehen, sofern die Einstellung im Hauptverhandlungstermin stattfinde. Der Verteidiger hatte demgegenüber darauf verwiesen, dass die Einstellung rechtzeitig vor Beginn einer ggf. terminierten Hauptverhandlung erfolgen muss. Dies sei gegeben, da durch die anwaltliche Mitwirkung eine Einstellung zustande gekommen sei und damit ein weiterer Hauptverhandlungstermin zur weiteren Zeugenvernehmung entbehrlich geworden sei. Das AG hat sich im Kostenfestsetzungsbeschluss dem Verteidiger angeschlossen:

„In der von dem Vertreter der Landeskasse angeführten Fundstelle BeckOK RVG/ Knaudt RVG VV 5115 Rn. 7- 12 wird gerade auf den Hintergrund des Normzwecks der Vorschrift hingewiesen, wonach die herrschende Meinung, der der Vertreter der Landeskasse folgt, nicht folgerichtig sei. Die Norm verfolgt des Ziel weitere Hauptverhandlungstermine möglichst zur Schonung der Ressourcen der Justiz zu verhindern, sofern dies der Rechtsfindung nicht abträglich ist.

Es soll gerade der Anreiz geschaffen werden, dass ein Rechtsanwalt, der nachvollziehbar ein Interesse am Verdienen von Gebühren hat, Abstand davon nimmt, lediglich aus gebührentaktischen Erwägungen mangels Möglichen Einlenkens einen weiteren Verhandlungstermin erforderlich macht

Im vorliegenden Verfahren ergibt sich aus dem Vermerk des Vorsitzenden vom 21-04.2024 (Blatt 24 der Akte), dass grundsätzlich noch ein weiterer Zeuge in einem weiteren Termin hätte zur Vernehmung angestanden. Die Unterbrechung der Verhandlung hat also zielführend ergeben, dass eine Einstellung erfolgen konnte ohne die weitere Vernehmung des weiteren Zeugen. Hierdurch wird die Landeskasse durch die in Rede stehende Gebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer zwar belastet. Diese fällt jedoch geringer aus als eine weitere Verhandlungsgebühr. Diese Verminderung geht im Gegenzug zu lasten des Rechtsanwalts, der in einem weiteren Termin ggf. eine höhere Gebühr hätte verdienen können. .

Dieses ausgleichende Moment entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Es erfolgte daher die antragsgemäße Festsetzung.“

Wie gesagt: M.E. falsch. Zwar ist die Entscheidung in ihrer Tendenz und Argumentation sicherlich zu begrüßen. Denn es ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 5115 VV RVG – die Überlegung gilt ebenso für die weitgehend wortgleiche Nr. 4141 VV RVG – nicht recht zu verstehen, warum das Vermeiden eines neuen Hauptverhandlungstermins nach Aussetzung des Verfahrens zum Anfall der Nrn. 4141, 5115 VV RVG führt, das Vermeiden eines Fortsetzungstermins hingegen nicht (vgl. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 4141 VV Rn 45 unter Ziffer 14). Nur: Die h.M. in der Rechtsprechung geht leider in die andere Richtung und verweigert die Gebühr (OLG Köln, RVGreport 2006, 152 = AGS 2006, 339; LG Leipzig, Beschl. v. 9.4.2024 – 13 Qs 118/24; LG Siegen, Beschl. v. 3.7.2020 – 10 Qs 61/20, AGS 2021, 29 = VRR 2/2021, 26; AG Hannover, RVGreport 2018, 458 = AGS 2018, 561; AnwKomm-RVG/N. Schneider, VV 4141 Rn 54; Gerold/Schmidt/Burhoff, VV 4100 Rn 23; Jungbauer, DAR 2008, 738). Das dürfte im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift, wonach „die Hauptverhandlung“ entbehrlich geworden sein muss, zutreffend sein. Ein Fortsetzungstermin ist nicht „die Hauptverhandlung“.

ihc bin übrigens gespannt, ob der Bezirksrevisor die Entscheidung des AG hingenommen hat. Kann ich mir nicht vorstellen.

Wann haste gekifft II: AG Herne-Wanne zieht mit.,,

CannabisIch hatte gestern über den OLG Bremen, Beschl. v. 02.09.2013 – 2 SsBs 60/13 berichtet (vgl. hier: Wann haste denn gekifft?). In meinem Ordner hin g noch eine amtsgerichtliche Entscheidung, die ganz gut zu bzw. in den Beitrag gepasst hätte, die hatte ich aber leider übersehen. Also schiebe ich sie nach. Es ist das AG Herne-Wanne, Urt. v. 9. 8. 2013 – 11 OWi 54 Js 393/12-121/12, das die obergerichtliche Rechtsprechung zu § 24a Abs. 2 StzVG konsequent umsetzt. Der Betroffene hatte sich nicht zur sache eingelassen. Das AG konnte (nur) folgende tatsächliche Feststellungen treffen, dass nämlich dem Betroffenen am Tattag gegen 23.22 Uhr eine Blutprobe entnommen woden ist, die einen positiven Befund auf Cannabinoide ergeben hatte,und zwar wurden folgende Werte festgestellt:  THC: 1,7 ng/ml, THC-Metabolit (THC-11-OH): ca. 0,3 ng/ml, THC-Metabolit (THC-COOH, THC-Carbonsäure): 43 ng/ml.  Aus der polizeilichen Anzeige des Vorfalls ging zudem hervor, dass der Betroffene gegenüber den Polizisten angegeben hatte, letztmalig vor drei Tagen Cannabis konsumiert zu haben. Aus der OWiG-Anzeige ging ferner hervor, dass der Betroffene gegen 19.00 Uhr letztmalig Insulin gespritzt habe.

Das AG hat einen Sachverständigen beauftragt, der zum Ergebnis gekommen ist, dass THC normalerweise innerhalb von sechs Stunden abgebaut sei. Auch längere Abbauzeiten von 12, 24, bis zu 48 Stunden oder länger seien aber abhängig von der Gewöhnung des Konsumenten möglich. Der hier festgestellte Wert von 1,7ng/ml sei grundsätzlich auch drei Tage nach letztmaligem Cannabiskonsum möglich und auch für einen Gelegenheitskonsumenten nicht auszuschließen. Aufgrund der Befundkonstellation gebe keinen Beweis für einen Dauerkonsum des Betroffenen. Es könne durchaus sein, dass der Betroffene keine körperlichen Auswirkungen zum Tatzeitpunkt gespürt habe. Ausfallerscheinungen seien nicht bekannt.

Auf der Grundlage hat das AG unter Anwendung von in dubio pro reo den Betroffenen frei gesprochen, weil es ihm Fahrlässigkeit nicht hat nachweisen können.

Sicherlich ein Erfolg: Nur. Das dicke Ende kann natürlich – je nach Einlassung und den Angaben für Betroffene in den Fällen immer in Form der Fahrerlaubnisbehörde noch hinterher kommen.

Zusatz um 10.51: Ich kaufe ein „a“ und mache in der Überschrift aus „hste“ das „haste.

Der Fahrlehrer und sein Mobiltelefon

© Mac Dax - Fotolia.com

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Ist er oder ist er nicht – Führer des Kraftfahrzeuges – der Fahrlehrer.Die Frage stelle ich mir immer wieder, wenn Fahrschulwagen sehe, in denen auf dem Beifahrersitz telefonierende Beifahrer sitzen.Zu der Frage hat es vor einiger Zeit eine Entscheidung des OLG Bamberg (Beschl. v. 24.03.2009 – 2 Ss OWi 127/09) gegeben, die die Frage bejaht hat. Jetzt hat sich das Problem im AG Herne, Urt. v. 24.11.2011 – 21 OWi-64 Js 891/11-264/11 – noch einmal gestellt. Das AG Herne geht davon aus, dass der Fahrlehrer nur ausnahmsweise Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne der Bußgeldvorschriften/StVO ist. Nach dem StVG gelte zwar bei Ausbildungsfahrten der Fahrlehrer als Führer des Kraftfahrzeugs. Aus der entsprechenden Vorschrift sei jedoch nicht zu folgern, dass der Fahrlehrer in diesen Fällen als Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne der Bußgeldvorschriften aufzufassen ist. Der Fahrlehrer sei vielmehr nur dann „Führer“ eines Kraftfahrzeugs im Sinne des StVG, wenn sein Einwirken auf den Fahrschüler über die bloße Überwachung der Fahrt hinausgehe. Nur dann komme, wenn er ein Mobiltelefon benutzt, eine Ordnungswidrigkeit in Betracht. Denn für die straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung kommt es allein darauf an, wer das Fahrzeug eigenhändig führt.

Die Frage dürfte vom AG Herne-Wanne, Urt. v. 24.11.2011 – 21 OWi-64 Js 891/11-264/11 – wohl richtig gelost sein. Das OLG Bamberg hat sich mit dem insoweit in der Literatur bestehenden Streit nicht näher auseinander gesetzt.