Schlagwort-Archive: AG Dortmund

OWi III: Ausschaltung der StA im Bußgeldverfahren, oder: Das führt zu einem Verfahrenshindernis

Das AG Dortmund hat vor einigen Tagen den AG Dortmund im Beschl. v. 05.07.2018 – 729 OWi-100 Js 1/18-140/18 übersandt. Mit dem Beschluss habe ich Probleme 🙂 .

Es geht um eine (fehlerhafte) Vorlage der Akten im Bußgeldverfahren beim AG. Nach § 69 Abs. 3 OWiG übersendet nach einem Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid die Verwaltungsbehörde die Akten über die Staatsanwaltschaft an das AG, wenn sie den Bußgeldbescheid nicht zurücknimmt und sie nicht den Einspruch nach § 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG als unzulässig, z.B. wegen Fristversäumung, verwirft. Hier waren die Akten aber nicht über die StA, sondern unmittelbar von der Verwaltungsbehörde an das AG übersendt worden. Das AG hat deswegen wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt:

„Die weitere Verfolgung im hiesigen Verfahren ist ausgeschlossen, weil die Verwaltungsbehörde die Akte unmittelbar an das AG übersandt hat, aber nicht vorlagebefugt i.S.d. § 69 Abs. 3 OWiG ist. Nach dieser Vorschrift übersendet die Verwaltungsbehörde die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht. Die im vorliegenden Falle festzustellende Ausschaltung der Staatsanwaltschaft als im Zwischenverfahren nunmehr eigentlich zuständige Verfolgungsbehörde  führt nach Ansicht des Gerichtes zu einem Verfahrenshindernis, das wiederum eine Verfahrenseinstellung bedingt.

Das ist alles. Seine – für den Betroffenen – günstige Entscheidung hat das AG nicht näher begründet. Offen bleibt für mich, warum das AG das Verfahren nicht an die Verwaltungsbehörde unter Hinweis auf die mangelnde Vorlagebefugnis zurückgesandt hat. Das hätte den Weg eröffnet, dass dann ggf. noch ordnungsgemäß unter Einschaltung der Staatsanwaltschaft hätte vorgelegt werden können. Ob das dann noch rechtzeitig gewesen wäre, um die Verjährung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG zu unterbrechen, ist eine andere Frage.

Das AG hat zudem davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen. Das wird mit einem Hinweis auf § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO begründet. Dabei wird aber m.E. übersehen, dass hier das Verfahrenshindernis in der Sphäre der Justiz/Verwaltung liegt. Zudem dürfte der bloße Hinweis auf § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. (vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschl. v. 13.10.2015 – 2 BvR 2436/14 und Verfahrenseinstellung und Auslagenentscheidung, oder: Ermessen, das man hat, muss man auch ausüben).

Also: Für mich Fragen über Fragen….

Fahrverbot nach neuem Recht, oder: Günstige Abgabefrist auch im Altfall

© rcx – Fotolia.com

Und als dritte Entscheidung aus dem Bereich des Verkehrsstrafrecht, na ja aus dem Bereich der Entscheidungen mit verkehrsrechtlichem Bezug, das AG Dortmund, Urt. v. 25.05.2018 – 729 Ds-250 Js 2008/17 -92/18. Das hat den Angeklagten wegen zwei im Straßenverkehr begangenen Nötigung nahc § 240 StGB verurteilt. Es hat gegen den Angeklagten ein Fahrverbot nach § 44 StGB verhängt und dazu ausdrücklich in den Tenor aufgenommen, das auch für diesen „Altfall“ für dieses Fahrverbot auch die für den Täter günstige Abgabefrist des § 44 Abs. 2 StGB gilt:

„Zur Klarstellung hat das Gericht die Abgabefrist des § 44 Abs. II StGB in den Urteilstenor aufgenommen, obgleich es sich hierbei um eine eigentlich nicht „tenorierungspflichtige“ Vollstreckungsregelung handelt. Auch wenn die Reform des § 44 StGB erst nach den hier in Rede stehenden Taten stattgefunden hat, so musste nach Ansicht des Gerichtes die seit dem 24.8.2017 geltende tätergünstige Vollstreckungsregelung des § 44 Abs. II StGB auch auf Taten wie die vorliegende, die nach altem Recht begangen und geahndet wurden, Anwendung finden.“

„Die Antenne muss runter“, oder: Antenne noch auf dem Dach ==> Haftung

entnommen wikimedia.org
Author Hydro

„Die Antenne muss runter.“ Wer kennt den Satz, wenn er mit seinem Pkw in eine Autowaschstraße fahren will, nicht. Das hatte auch der Fahrer eines Taxis vor der Einfahrt in eine Autowaschanlage von den Mitarbeitern des Betreibers gehört. Der ist der Aufforderung aber offenbar nicht gefolgt und ist mit Antenne auf dem Dach eingefahren. Die Dachantenne ist dann während des Waschvorgangs des Taxis abgerissen worden. Sie verblieb in der Waschstraße und verfing sich wohl an einer der drehenden Bürsten. Hierdurch sind Schäden an anderen Fahrzeugen entstanden. Einer der Fahrzeughalter nimmt dann die Betreiberin der Waschstraße auf Schadensersatz in Anspruch, weil sei bzw. ihre Mitarbeiter nicht darauf geachtet haben, dass das Taxi mit der Antenne auf dem Dach in die Waschstraße eingefahren ist. Das Verfahren landet dann beim AG Dortmund. Das hat im AG Dortmund, Urt. v. 29.05.2018 – 425 C 9258/17 – die Waschstraßenbetreiberin verurteilt:

„Die Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin Schadensersatz gemäß § 280, 241 Abs. 2, 631, sowie § 823 Abs. 1 BGB.

Sofern der klagenden Partei kein Fehlverhalten bei der Benutzung oder ein defektes Fahrzeug nachzuweisen sind, wird vermutet, dass die Schadensursache im Organisations- und Gefahrenbereich des die X-Straße betreibenden Unternehmers liegt (OLG Frankfurt, NJW 2018, 637). Ein solcher Vorwurf wurde gegenüber der klagenden Partei nicht erhoben und ist auch nicht ersichtlich.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die vom Fahrzeug des Streitverkündungsempfängers abgerissene Antenne am Fahrzeug der Klägerin sowie an wohl noch ca. 9 weiteren Fahrzeugen entstandenen Schäden verursacht hat. Die Beklagte hat die Anlage, nachdem sie dies bemerkt hatte, auch sofort stillgelegt. Die Schäden sind dann von einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) bei allen Fahrzeugführern sofort aufgenommen worden und teilweise auch durch die im Bereich der Innenraumreinigung liegende Polierwerkstatt beseitigt worden. Das hat der Zeuge L2 bekundet und wird letztendlich von der Beklagten auch nicht mehr bestritten. Vor dem erkennenden Gericht ist noch ein weiteres Verfahren wegen des gleichen Vorfalls anhängig (425 C #####/####).

Die schuldhafte Pflichtwidrigkeit auf Seiten der Beklagten liegt hier aber darin, dass sie das Fahrzeug des Streitverkündungsempfängers hat in die Waschanlage fahren lassen, obwohl ihre Mitarbeiter bemerkt hatten, dass dieses Fahrzeug noch entgegen den allgemeinen Anweisungen vor der Einfahrt in die X-Straße eine Antenne auf dem Dach hatte. Insofern hat die Beklagte ihren eigenen Sachvortrag auch berichtigt. Sie räumt jetzt selbst ein, dass ihre Mitarbeiterin ganz am Anfang des Waschvorgangs bemerkt hatte, dass an dem Taxi die Antenne nicht abmontiert war. Soweit sie behauptet, dass ihre Mitarbeiterin dem Taxifahrer mitgeteilt habe, er müsse die Antenne beseitigen, reicht dies nicht aus. Eine solche Weisung muss auch kontrolliert werden. Es ist auf dem Gelände der X-Straße der Beklagten auch genügend Platz, um ein Fahrzeug, das noch einmal verlassen werden muss um eine Antenne abzuschrauben, dort abzustellen. Gerichtsbekanntermaßen werden solche Weisungen und Kontrollen inzwischen wohl auch von Mitarbeitern der Beklagten vorgenommen. Der erkennende Richter lässt sein Fahrzeug in der X-Straße schon seit vielen Jahren waschen und konnte bisher nie beobachten, dass die Mitarbeiter auf solche Dinge geachtet haben, zumal das Fahrzeug des erkennenden Richters auch einen auffälligen aber fest montierten Dachträger hat. Nach den Hauptverhandlungsterminen in den beiden vor dem erkennenden Gericht anhängigen Verfahren konnte der Richter aber beobachten, dass jetzt Fahrzeugführer vor ihm auf die nicht abmontierte Antenne angesprochen wurden und auch „herausgewunken“ wurden. Auch der erkennende Richter ist auf die Befestigungen an seinem Fahrzeug persönlich angesprochen worden.

Alleine der Hinweis der Beklagten, dass diese Teile abzumontieren sind, sei es durch die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ vor der Einfahrt auf das Waschanlagengelände oder durch persönliche individuelle Ansprache genügt nicht. Die Beklagte zu 1) hat insofern eine besondere Obhutspflicht auch zu Gunsten der übrigen Waschanlagenbenutzer. Diese haben keinerlei Chance, auf Fehlverhalten von Fahrzeugführern vor ihnen in irgendeiner Form zu reagieren. Unabhängig davon, dass sie ein solches selbst kaum bemerken, kann die Beklagte so offensichtliche Verstöße gegen ihre eigenen Regelungen leicht erkennen und die davon ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausschließen. Der Hinweis auf der Einfahrttafel kann allenfalls zu einem Mitverschulden des Fahrzeugführers, der sich nicht daran gehalten hat, führen, kann aber keine Schadensersatzansprüche ausschließen, die anderen Verkehrsteilnehmern und Benutzern der Waschanlage zustehen, die durch die Nichteinhaltung dieser Regeln, die von Mitarbeitern der Beklagten auch bemerkt werden, verursacht werden.

Nach alledem hatte die Beklagte am Vorfallstage ihren Geschäftsbetrieb nicht so organisiert, dass die Schädigung von Kunden soweit wie möglich ausgeschlossen war. Dies ist eine Pflichtwidrigkeit für die sie einstandspflichtig ist.“

Fazit: Man nimmt die Antenne besser runter…..

Erzwingungshaft, oder: Um zahlungsfähig zu werden, muss man sich nicht prostituieren

© Gina Sanders – Fotolia.de

Und dann noch mal etwas mit/zur Prostitution, und zwar der AG Dortmund, Beschl. v. 22.05.2018 – 729 OWi 49/18 [b]. Das AG hat einen Antrag auf Erzwingungshaft (§ 96 OWiG) abgelehnt:

„Die Stadt B betreibt gegen die Betroffene die Vollstreckung eines Bußgeldes i.H.v. 75 € wegen einer von ihr begangenen grob ungehörigen Handlung, nachdem sich die Betroffene am 06.01.2018 mittags mit einer männlichen Person am Nordmarkt in B auf einer öffentlichen Damentoilette aufgehalten hat. Ausweislich des Akteninhaltes ist die Betroffene „Wiederholungstäterin“. Es steht zu vermuten, dass sie sich dort prostituiert, um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Sie ist Osteuropäerin ohne festen Wohnsitz und  erhält ausweislich der vorgelegten „Niederschrift über einen fruchtlosen Pfändungsversuch“ vom 31.01.2018 keinerlei Sozialleistungen. Aus diesen Umständen ergibt sich zwanglos, dass sie gem. § 96 Abs. 1 Nr. 4 OWiG zahlungsunfähig ist bzw. sich allenfalls zahlungsfähig machen könnte, indem sie sich weiterhin prostituiert. Letzteres will und kann das Gericht jedoch nicht durch Androhung von Erzwingungshaft fordern.“

Die vom AG vorgschlagenen Leitsätze:

Bei einer obdachlosen Person, die keine Sozialleistungen erhält, bei der Pfändungsversuche fruchtlos verliefen und die offenbar lediglich Einnahmen durch Prostitution in öffentlichen Toiletten hat, kann Zahlungsunfähigkeit angenommen werden.

Die Möglichkeit sich weiter zu prostituieren, um hierdurch zahlungsfähig zu werden, führt nicht zu einer anzunehmenden Zahlungsfähigkeit.

Fahrverbot III: Wirtschaftliche Härten beim Selbständigen, oder: Die Schonfrist ist ein „Genuss“….

© AllebaziB Fotolia.com

Und zum Abschluss weise ich dann noch einmal auf das AG Dortmund, Urt. v. 04.07.2017 – 729 OWi-265 Js 968/17 -173/17 – hin. Über das habe ich vor kurzem ja schon einmal berichtet, und zwar wegen der Fragen zum Schuldspruch (vgl. hier: Das AG Dortmund, die Geschwindigkeitsüberschreitung und die Fahrtunterbrechung). Heute dann die Rechtsfolgen, und zwar das vom AG verhängte Fahrverbot. Der Betroffene war selbstständig tätig und hatte berufliche Härten geltend gemacht. Kein Erfolg:

„Der Betroffene hat wirtschaftliche Härten geltend gemacht. Er hat geltend gemacht, dass er eine Einzelfirma habe und keinerlei Angestellte. Er arbeite im Bereich des Ladenausbaus und sei dementsprechend auch in dieser Tätigkeit am Tattage in Dortmund gewesen. Im Jahre 2013, 2014 und 2015 habe er nur Verluste gemacht. Er lebe am Existenzminimum. Ohne Führerschein könne er seine Arbeit nicht nachgehen. Er habe zu Hause lediglich einen Büroraum, in dem er seine Planungen durchführe. Er müsse ansonsten in dem Bereich Münster, Osnabrück und auch im Bereich des Ruhrgebietes tätig werden. Er könne so nicht auf seine Fahrerlaubnis  verzichten. Derzeit habe er zwei größere Objekte in Münster und Osnabrück. Für ihn sei es insoweit nicht zumutbar, auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen zu werden.

Das Gericht hatte dem Betroffenen bereits in einem ersten Hauptverhandlungstermin ausdrücklich den Hinweis erteilt, dass er zu etwaigen wirtschaftlichen und beruflichen Härten nicht nur vortragen müsse, sondern auch derartige Härten glaubhaft machen müsse. Das Gericht hat den Betroffenen im Rahmen des Fortsetzungstermins darauf nach langem Warten auf das Erscheinen des Betroffenen ausführlich befragt und auch zu etwaigen mitgebrachten Unterlagen befragt. Der Betroffene erklärte, er könne keine Unterlagen vorlegen. Er habe keine Auftragsbücher dabei. Er könne keine Buchhaltung vorlegen. Er könne auch keine Unterlagen vom Steuerberater vorlegen und auch keine Einkommensteuerbescheide. Er könne derartige Unterlagen auch nicht kurzfristig besorgen.

Dementsprechend konnte das Gericht wirtschaftliche oder berufliche Härten tatsächlich nicht feststellen. Im Übrigen konnte der Betroffene tatsächlich auch nicht glaubhaft machen, warum er nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln seine Arbeitstätigkeit weiterführen könnte für die Dauer eines Monats, zumal er in den Genuss der Schonfristgewährung nach § 25 Abs. II a StVG kommt.“

Ist bei dem „viel beschossenen“ Hasen – immerhin fünf Voreintragungen – sicherlich vertretbar, einmal ist eben Schluss. Allerdings hat man so ein wenig den Eindruck, dass das AG über das Verhalten des Betroffenen verärgert war: „m Rahmen des Fortsetzungstermins darauf nach langem Warten auf das Erscheinen des Betroffenen “ und ob die „Schonfrist“ des § 25 Abs 2a StVG nun ein „Genuss“ ist, wird man diskutieren können/müssen. M.E. ist es kein „Genuss“, den das AG gewährt, sondern unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 2a StVG – zwei Jahre vor der OWi kein Fahrverbot – eine vom Gesetz zwingend vorgesehene Rechtsfolge für die Vollstreckung des Fahrverbotes.