Wie weit geht die Sachkunde des Gerichts? Immer wieder eine Frage, die die Praxis beschäftigt. Interessant in dem Zusammenhang die Entscheidung des OLG Koblenz v. 10.06.2010 – 2 Ss 48/10. Im Verfahren ging es um die Beurteilung des Reifegrades eines Heranwachsenden. Das LG hatte insoweit eigene Sachkunde in Anspruch genommen und die Frage selbst beurteilt.
Das OLG sagt:
- Ob ein Heranwachsender zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch einem Jugendlichen gleichstand, ist im Wesentlichen Tatfrage, wobei dem Tatgericht bei der Beurteilung der Reife des Heranwachsenden grundsätzlich ein Ermessensspielraum eingeräumt wird.
- Der Anhörung eines Sachverständigen bedarf es jedoch dann, wenn Anlass zu Zweifeln über eine normale Reifeentwicklung des betroffenen Heranwachsenden bestehen, insbesondere Auffälligkeiten in einer sittlichen und geistigen Entwicklung.“
Auffälligkeiten hat das OLG dann bejaht. Der Angeklagte hatte in früher Jugend eine ADHS-Erkrankung, die mit Ritalin behandelt worden war.