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Nochmals „Abgasskandal“, oder: Abzug von Nutzungsvorteilen beim deliktischen Schadensersatz?

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Und die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, betrifft noch einmal den Diesel/VW-Abgasskandal. Das OLG Hamburg hat im OLG Hamburg, Beschl. v. 13.01.2020 – 15 U 190/19 – noch einmal zum Abzug von Nutzungsvorteilen beim deliktischen Schadensersatz Stellung genommen. Wenn ich es richtig sehe – Zivilrecht ist nicht mehr unbedingt – meine Domäne 🙂 , liegt das OLG zwar grundsätzlich auf der Linie anderer OLG, wenn es dem Grunde nach einen Anspruch der Klägerin gegen VW als Hersteller des betroffenen Motors auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Täuschung aus §§ 826, 31 BGB habe. Die Klägerin muss sich zwar nach der Entscheidung auch eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, allerdings nur für die Zeit der vorbehaltlosen Nutzung des Fahrzeugs, d.h. heißt also nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie VW zur „Rückabwicklung“ des Kaufvertrags aufgefordert hat. Alles andere würde VW unbillig entlasten.

Ich beschränke mich hier dann auf den Leitsatz der Entscheidung:

Für den Fall, dass der Fahrzeug- bzw. Motorenhersteller dem Fahrzeugkäufer aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung Schadensersatz schuldet, kann ein Abzug von Nutzungsvorteilen (gefahrene Kilometer) im Wege der Vorteilsausgleichung aus Gründen der Billigkeit nur bis zu dem Zeitpunkt angezeigt sein, zu dem der Fahrzeugkäufer den Hersteller erstmals zur „Rückabwicklung“ des Fahrzeugkaufs aufgefordert hat.

Nach dem gestern geschlossenen Vergleich dürften sich diese Fragen (wahrscheinlich) kurz über lang erledigen.

Abgasskandal I: Daimler muss Schadensersatz zahlen, oder: Viel Spaß….

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Abgasskandal und kein Ende. So auch hier. Und heute dann zunächst mit dem LG Stuttgart, Urt. v. 09.05.2019 – 23 O 220/18 ). Das Urteil steht mal einmal nicht auf meiner Homepage im Volltext, es ist so lang 🙂 und da habe ich mir aus Zeitgründen die Aufbereitung für meine HP gespart.

Das LG hat in dem Urteil Daimler als Hersteller zur Zahlung von Schadenersatz  verurteilt, und zwar nach §§ 826, 831 BGB bei einem Dieselmotor eines vom Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (KBA) im Zuge des sog. „Abgasskandals“ betroffenen PKW.

Ich stelle hier nur die Leitsätze der Entscheidung ein. Rest über den o.a. Link bitte selbts lesen:

  1. Wird die Abgasrückführung, die zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx) in einem Kraftfahrzeug eingesetzt wird, bei niedrigen Außentemperaturen reduziert (sog. „Thermofenster“), stellt dies eine (unzulässige) Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 dar. Unerheblich ist, in welchem Maß die Abgasrückführung reduziert wird, da Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht nach dem Grad der Veränderung des Emissionskontrollsystems differenziert.2. Eine solche Abschalteinrichtung ist nicht ausnahmsweise nach Art. 5 Abs. 2 lit. a Verordnung (EG) 715/2007 zum Zwecke des Motorschutzes zulässig, wenn andere technische Lösungen – nach der jeweils besten verfügbaren Technik, unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich erheblich teurer sind – vorhanden sind.

    3. Nicht notwendig und damit unzulässig i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a Verordnung (EG) 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorgesichtspunkten nahezu ununterbrochen arbeitet (bei Außentemperaturen von unter 14° Celsius) und damit den Zielsetzungen der Verordnung zuwiderläuft.

    4. Für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a Verordnung (EG) 715/2007 trifft den Hersteller die volle primäre Darlegungs- und Beweislast (Fortführung LG Stuttgart, 17. Januar 2019 – 23 O 178/18; LG Stuttgart, 17. Januar 2019 – 23 O 172/18; LG Stuttgart 17. Januar 2019 – 23 O 180/18).

    5. Wird während des Durchfahrens des „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) eine erhöhte Menge an benötigtem Harnstoff (AdBlue) im SCR-System beigemischt, während dies im realen Fahrbetrieb nicht der Fall ist und beinhaltet die konkrete Softwareprogrammierung, dass die Regeneration von SCR-Katalysatoren, die für die Effizienz der Abgasreinigung erforderlich ist, beinahe ausschließlich in den ersten 20 – 25 Minuten des Fahrzeugbetriebes erfolgt, also der Zeit, die der übliche NEFZ-Zyklus braucht, stellt auch dies eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) 715/2007 dar.

    6. Neben der Täuschung der Verbraucher begründet auch die Täuschung des Kraftfahrtbundesamts (KBA) beim Zulassungsverfahren (EG-Typgenehmigungsverfahren) die Sittenwidrigkeit des Handelns des Herstellers gemäß § 826 BGB.

    7. Dem Hersteller obliegt eine sekundäre Darlegungslast bezüglich der Kenntnis des Vorstands vom Einsatz einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung.

    8. Folge der sekundären Darlegungslast ist zum einen, dass der Hersteller sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen kann, sondern die tatsächliche Vermutung in zumutbarem Umfang durch substantiierten Gegenvortrag erschüttern muss. Genügt er dem nicht, gilt der Vortrag der Klagepartei als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Im Rahmen der sekundären Darlegungslast obliegt es dem Hersteller auch, in zumutbarem Umfang Nachforschungen anzustellen. Sollte es ihm nicht möglich oder zumutbar sein, eine abschließende Klärung herbeizuführen, genügt es nicht, über das Scheitern zu informieren, sondern er hat vielmehr konkret mitzuteilen, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (Anschluss OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18).

    9. Der Anspruch gegen den Hersteller des Motors kann sowohl auf § 826 BGB als auch auf § 831 BGB gestützt werden („Wahlfeststellung“).

    10. Zu den Voraussetzungen zu § 826 BGB in den sog. „Abgasfällen“ (Anschluss an: OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18; OLG Köln, 3. Januar 2019 – 18 U 70/18)

    11. Zu den Voraussetzungen der Sprungrevision nach § 566 ZPO, für eine rasche höchstrichterliche Klärung bei grundsätzlicher Bedeutung.

Abgasskandal, oder: Rückabwicklung des Kaufvertrags und Zahlung von Nutzungsersatz

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Über den den BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 227/17 – zum VW-Abgassknadal hatte ich ja schon berichtet (vgl. VW-Abgasskandal II: BGH hat die “Faxen dicke”, oder: VW-Schummelsoftware ist Sachmangel – hier ist der Volltext). Dazu passt dann gut das LG München II, Urt. v. 15.02.2019 – 13 O 3243/18 – mit folgendem Sachverhalt:

Der Kläger hatte am 07.03.2013 bei einem Autohaus einen Pkw erworben. Das Autohaus stand in keinem gesellschaftsrechtlichen Verbund zum eigentlichen Beklagten – dem Hersteller. Hierbei war problematisch, dass in diesem PKW der Motortyp EA189 verbaut worden war. Mit der im Motor verbauten Software war eine Manipulation der Abgasrückführung möglich. Durch die Manipulation wurden die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Abgasgrenzwerte umgangen. Nach Bekanntwerden dieser Manipulation hatte das Kraftfahrt-Bundesamt die Beklagte aufgefordert gegen diese Abgasrückführung geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Hierauf hatte die Beklagte den Kläger kontaktiert, damit ein Termin für ein sog. Software-Update vereinbart werden konnte.

Im Verfahren hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu einer Zahlung in Höhe von 23.800 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW zu verurteilen. Weiterhin sollte festgestellt werden, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befinden würde. Zuletzt begehrte der Kläger die Zahlung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren durch die Beklagte. Der Kläger hätte den PKW bei Kenntnis der Sachlage nicht erworben. Weiterhin hatte er auf den ordnungsgemäßen Bau des PKW vertraut. Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Zum einen rügte die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des Gerichts. Zum anderen hatte nach Ansicht der Beklagten schon kein Schaden vorgelegen. Eine sekundäre Darlegungslast könnte nicht bestehen.

Das LG München II hat die Klage als zulässig und begründet angesehen. Hier die zu der Entscheidung passenden Leitsätze:

  1. Der Fahrzeughersteller erklärt konkludent mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs bzw. der Hersteller einer bestimmten der Zulassung unterliegenden Fahrzeugkomponente, wie es der Motor darstellt, mit dem Inverkehrbringen der Komponente, dass das jeweilige Produkt ohne Manipulationen den behördlichen Zulassungsprozess durchlaufen hat.
  2. Dass eine Software, die im Ergebnis dazu führt, dass nur auf dem NEFZ-Prüfstand eine bestimmte höhere Abgasrückführung stattfindet als im realen Fahrbetrieb, angesichts des Sinn und Zwecks von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 715/2007 zumindest möglicherweise als „Abschalteinrichtung“ im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EU) Nr. 715/2007 eingeordnet werden würde – unabhängig davon, ob die Software direkt auf das Emissionskontrollsystem einwirkt oder die Abgase von diesem bereits fernhält – war für die betreffenden Personen bei der Beklagten bei lebensnaher Betrachtung zumindest vorhersehbar und stellt eine vorsätzliche Täuschung des Kunden dar.
  3. Eine sittenwidriges Handeln liegt vor, wenn die Beklagte bzw. die für sie handelnden Personen eine den gesamten Weltmarkt betreffende Manipulation der behördlichen Zulassungsprüfungen in Gang gesetzt haben, um die eigenen und die Autos der Tochterunternehmen nur so oder zumindest kostengünstiger und/oder attraktiver als es sonst möglich gewesen wäre in Verkehr bringen zu können.
  4. In den Fällen, in denen eine juristische Person keinen verfassungsmäßigen Vertreter für eine bedeutsame wesensmäßige Funktion bestellt hat, liegt ein Organisationsverschulden der juristischen Person vor, mit der Folge, dass sich die juristische Person dann so behandeln lassen muss, als wäre die handelnde Person ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB; die Motorenentwicklung inklusive der Sicherstellung der Einhaltung der Abgasgrenzwerte bei einem Autohersteller ist eine bedeutsame Aufgabe in diesem Sinne.

Pkw mit Schummelsoftware geht zurück, oder: Die Luft wird dünner

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Und die zweite Entscheidung im „Kessel Buntes“ ist mal wieder eine zum Abgasskandal und der Frage des Rücktritts vom Kaufvertrag. Dazu hat das OLG Köln im OLG Köln, Beschl. v. 28.05.2018 – 27 U 13/17 – Stellung genommen. Fazit: Der Händler muss den Pkw mit der Schummelsoftware zurücknehmen.

Die Aussagen der Entscheidung kann man m.E. in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

1. Allein die Verwendung einer Software, die den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand erkennt und dort in einen Betriebsmodus mit geringen Stickoxid-Emissionen umschaltet, stellt einen Mangel dar, da der Käufer ein rechtmäßiges und redliches Verhalten des Herstellers erwarten dürfe.

2. Eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (§ 323 Abs. 1 BGB) ist eine solche von nicht mehr als sieben Wochen.

3. Dass der Mangel nicht unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB gewesen ist, folgt daraus, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung das Software-Update weder vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt war noch zur Verfügung stand.

Die Luft wird dünner….