Und dann heute am Samstag ein wenig Verwaltungsrecht.
Den Opener macht der OVG Lüneburg, Beschl. v. 2309.2024 – 12 PA 27/24 –, der sich mit der Frage befasst, ob die Rechtsänderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung durch das Cannabisgesetz bei vor dem 01.04.2024 verwaltungsbehördlich abgeschlossenem Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren Auswirkungen haben. Das OVG sagt: Nein:
„Die Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung durch das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (BGBl. 2024 I Nr. 109) am 1. April 2024 sind für den vorliegenden Fall ebenso unerheblich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – BVerwG 3 B 11.23 -, juris, Rn. 5) wie die Änderungen des § 24a StVG – namentlich in Gestalt der Einfügung eines Abs. 1a – durch das am 22. August 2024 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BGBl. I Nr. 266).
In Verfahren über Anfechtungsklagen gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt grundsätzlich derjenige des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – BVerwG 3 B 11.23 -, a. a. O.), hier also derjenige des Erlasses der Entziehungsverfügung vom 28. März 2022 durch deren Zustellung (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 10.8.2020 – 12 LB 64/20 -, DAR 2021, 164 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 31) am 30. März 2022. In Fällen, in denen die Fahrerlaubnisentziehung – wie hier – auf einer Verneinung der Fahreignung des Betroffenen nach Anwendung der Beweisregel (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2024 – 12 ME 19/24 -, DVBl. 2024, 1046 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 45, m. w. N.) des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV (i. V. m. § 46 Abs. 3 FeV) beruht, gilt allerdings die Besonderheit, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der nicht befolgten behördlichen Begutachtungsanordnung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt deren Erlasses ankommt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2024 – 12 ME 19/24 -, a. a. O., juris, Rn. 33, m. w. N.), und d. h. im vorliegenden Falle auf den Zeitpunkt der Zustellung dieser Anordnung am 12. Februar 2022.
War eine Begutachtungsanordnung zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig, ist in Anwendung der Beweisregel des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Entziehungsentscheidung gegebenen gesamten Sachlage, insbesondere der damals für die Nichtvorlage des geforderten Gutachtens maßgeblichen Gründe, deshalb auf eine Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden konnte, weil sich in der Nichtbeibringung des Gutachtens seine aktuelle Weigerung manifestierte, den notwendigen eigenen Teil zur Sachaufklärung beizutragen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.9.2019 – 12 ME 100/19 -, Blutalkohol 56, 416 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 18). Da es dabei im Kern um die Beurteilung einer Tatsachenfrage geht, nämlich derjenigen, ob ein nicht kooperatives Verhalten des Betroffenen vorgelegen hat, das als ein – kraft der Beweisregel als entscheidend definiertes – Indiz für das Vorliegen der von der Behörde befürchteten Eignungsmängel spricht, muss diese Beurteilung vor ihrem damaligen rechtlichen Hintergrund erfolgen. Es wäre dagegen unhistorisch – und deshalb ein Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung – rückwirkend die Maßstäbe auszutauschen, anhand derer sich entscheidet, ob ein Betroffener hinreichend kooperierte.
Anders als wohl im Bußgeldverfahren (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.8.2024 – 2 ORbs 95/24 [1537 Js 37043/23] -, juris, Rn. 6) ist daher nicht etwa der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 3 OWiG (wonach in dem Fall, in dem ein Gesetz, dass bei der Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert wird, das mildeste Gesetz anzuwenden ist) in der Weise heranzuziehen, dass darauf abzuheben wäre, ob auch nach dem zwischenzeitlich geänderten Recht ein hinreichender Anlass für die (nicht befolgte) Anordnung einer Begutachtung bestanden hätte. Denn ein betroffener Fahrerlaubnisinhaber musste und konnte in der Vergangenheit seine Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung selbstverständlich nur an der damaligen Rechtslage ausrichten. Seine mangelnde Bereitschaft zu einer ihm damals obliegenden Mitwirkung verliert ihre indizielle Bedeutung aber nicht, wenn nach aktuellem Recht eine entsprechende Mitwirkung nicht (mehr) eingefordert würde. Die Richtigkeit dieser Sichtweise wird durch die Überlegung bestätigt, dass unter den aufgrund mangelnder Mitwirkung des Fahrerlaubnisinhabers behördlich nicht aufklärbaren Tatsachen (gerade) auch solche fahreignungsrelevanten Umstände sein können, die nach dem – ihm allerdings günstigeren – aktuellen Recht ebenfalls einen Fahreignungsmangel begründet hätten.
Da der Normgeber – anders als etwa im Strafrecht mit dem durch Art. 13 CanG eingefügten Art. 316p EGStGB – eine Übergangsregelung, aus der sich eine Rückwirkung der hier in Rede stehenden Rechtsänderungen ergäbe, nicht geschaffen hat, sind diese Änderungen für den vorliegenden Fall nicht relevant.
Auf der Grundlage der nach den vorstehenden Ausführungen jeweils maßgeblichen vormaligen Rechtslage ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, dass gegen den angefochtenen Bescheid aller Voraussicht nach nichts zu erinnern ist…..“