Änderungen der FeVO durch das CanG und KCanG, oder: Auswirkungen auf Entziehungsverfahren?

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Und dann heute am Samstag ein wenig Verwaltungsrecht.

Den Opener macht der OVG Lüneburg, Beschl. v. 2309.2024 – 12 PA 27/24 –,  der sich mit der Frage befasst, ob die Rechtsänderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung durch das Cannabisgesetz bei vor dem 01.04.2024 verwaltungsbehördlich abgeschlossenem Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren Auswirkungen haben. Das OVG sagt: Nein:

„Die Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung durch das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (BGBl. 2024 I Nr. 109) am 1. April 2024 sind für den vorliegenden Fall ebenso unerheblich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – BVerwG 3 B 11.23 -, juris, Rn. 5) wie die Änderungen des § 24a StVG – namentlich in Gestalt der Einfügung eines Abs. 1a – durch das am 22. August 2024 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BGBl. I Nr. 266).

In Verfahren über Anfechtungsklagen gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt grundsätzlich derjenige des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – BVerwG 3 B 11.23 -, a. a. O.), hier also derjenige des Erlasses der Entziehungsverfügung vom 28. März 2022 durch deren Zustellung (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 10.8.2020 – 12 LB 64/20 -, DAR 2021, 164 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 31) am 30. März 2022. In Fällen, in denen die Fahrerlaubnisentziehung – wie hier – auf einer Verneinung der Fahreignung des Betroffenen nach Anwendung der Beweisregel (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2024 – 12 ME 19/24 -, DVBl. 2024, 1046 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 45, m. w. N.) des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV (i. V. m. § 46 Abs. 3 FeV) beruht, gilt allerdings die Besonderheit, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der nicht befolgten behördlichen Begutachtungsanordnung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt deren Erlasses ankommt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2024 – 12 ME 19/24 -, a. a. O., juris, Rn. 33, m. w. N.), und d. h. im vorliegenden Falle auf den Zeitpunkt der Zustellung dieser Anordnung am 12. Februar 2022.

War eine Begutachtungsanordnung zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig, ist in Anwendung der Beweisregel des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Entziehungsentscheidung gegebenen gesamten Sachlage, insbesondere der damals für die Nichtvorlage des geforderten Gutachtens maßgeblichen Gründe, deshalb auf eine Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden konnte, weil sich in der Nichtbeibringung des Gutachtens seine aktuelle Weigerung manifestierte, den notwendigen eigenen Teil zur Sachaufklärung beizutragen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.9.2019 – 12 ME 100/19 -, Blutalkohol 56, 416 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 18). Da es dabei im Kern um die Beurteilung einer Tatsachenfrage geht, nämlich derjenigen, ob ein nicht kooperatives Verhalten des Betroffenen vorgelegen hat, das als ein – kraft der Beweisregel als entscheidend definiertes – Indiz für das Vorliegen der von der Behörde befürchteten Eignungsmängel spricht, muss diese Beurteilung vor ihrem damaligen rechtlichen Hintergrund erfolgen. Es wäre dagegen unhistorisch – und deshalb ein Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung – rückwirkend die Maßstäbe auszutauschen, anhand derer sich entscheidet, ob ein Betroffener hinreichend kooperierte.

Anders als wohl im Bußgeldverfahren (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.8.2024 – 2 ORbs 95/24 [1537 Js 37043/23] -, juris, Rn. 6) ist daher nicht etwa der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 3 OWiG (wonach in dem Fall, in dem ein Gesetz, dass bei der Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert wird, das mildeste Gesetz anzuwenden ist) in der Weise heranzuziehen, dass darauf abzuheben wäre, ob auch nach dem zwischenzeitlich geänderten Recht ein hinreichender Anlass für die (nicht befolgte) Anordnung einer Begutachtung bestanden hätte. Denn ein betroffener Fahrerlaubnisinhaber musste und konnte in der Vergangenheit seine Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung selbstverständlich nur an der damaligen Rechtslage ausrichten. Seine mangelnde Bereitschaft zu einer ihm damals obliegenden Mitwirkung verliert ihre indizielle Bedeutung aber nicht, wenn nach aktuellem Recht eine entsprechende Mitwirkung nicht (mehr) eingefordert würde. Die Richtigkeit dieser Sichtweise wird durch die Überlegung bestätigt, dass unter den aufgrund mangelnder Mitwirkung des Fahrerlaubnisinhabers behördlich nicht aufklärbaren Tatsachen (gerade) auch solche fahreignungsrelevanten Umstände sein können, die nach dem – ihm allerdings günstigeren – aktuellen Recht ebenfalls einen Fahreignungsmangel begründet hätten.

Da der Normgeber – anders als etwa im Strafrecht mit dem durch Art. 13 CanG eingefügten Art. 316p EGStGB – eine Übergangsregelung, aus der sich eine Rückwirkung der hier in Rede stehenden Rechtsänderungen ergäbe, nicht geschaffen hat, sind diese Änderungen für den vorliegenden Fall nicht relevant.

Auf der Grundlage der nach den vorstehenden Ausführungen jeweils maßgeblichen vormaligen Rechtslage ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, dass gegen den angefochtenen Bescheid aller Voraussicht nach nichts zu erinnern ist…..“

Ich habe da mal eine Frage: Kann ich für das hinzuverbundene Verfahren abrechnen?

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Und dann die Gebührenfrage. Heute mal wieder etwas zur Erstreckung:

„Hallo Herr Kollege Burhoff,

ich erlaube mir, mich mit folgender Frage an Sie zu wenden:

Ich habe einen Mandanten als Pflichtverteidiger in einer Strafsache vertreten, in der ich bereits im Ermittlungsverfahren als Pflichtverteidiger beigeordnnet wurde.

In der Hauptverhandlung vor dem Jugendrichter wurde ein anderes Verfahren gegen den Mandanten hinzuverbunden, in dem ich bis dahin weder mandatiert, noch beigeordnet war.

Nach der Verbindung wurde ich auch im Hinlbick auf den Tatvorwurf aus der neuen Sache als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Frage: Kann ich im Hinblick auf das hinzuverbundene Verfahren überhaupt zusätzliche Gebühren geltend machen (und wenn ja, welche) oder wäre das nur möglich gewesen, wenn ich vor der Verbindung beigeordnet worden wäre?

Wie immer danke ich Ihnen im Voraus!“

News, „besser“ Zwischenstand, zum KostRÄndG 2025, oder: Nichts Gutes hört man aus Berlin

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So, hier – mal wieder „zwischendurch“ – „News zum KostRÄndG 2025“. Wirklich? Na ja, nicht ganz bzw. schön wäre es, wenn man dazu etwas Neues berichten könnte: Daher lieber „Zwischenstand“.

Und der ist schlecht. Denn nach wie vor ist man über einen Referentenentwurf nicht hinausgekommen (zum Entwurf: Referentenentwurf des BMJ zum KostRÄndG 2025, oder: Kein Grund zum Jubeln, sondern „Gebührenfrechheit“? ).

Ich kann hier leider nur das weitergeben,was ich aus „gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen“ erfahren habe:

Danach muss man wohl davon ausgehen, dass der Start des KostRÄG 2025 zum 01.01.2025 auf der Kippe steht. Zwar soll der Regierungsentwurf seit Wochen fertig sein – wirklich?, aber die Ressortabstimmung hakt. Insbesondere hat ein Ministerium noch nicht zugestimmt. Welches Ministerium da blockiert, habe ich aber nicht erfahren.

Für den weiteren Ablauf gilt: Wenn der Regierungsentwurf bis zum 09.10.2024 im Bundeskabinett behandelt werden kann und wenn im Bundesrat die Fristverkürzung nach Art. 76 Abs. 2 GG durchgeht, dann könnte es noch ein In-Kraft-Treten des KostRÄndG zum 01.01.2025 geben. Im BMJ ist man aber selbst skeptisch.

Fachlich scheint das Gesetz in trockenen Tüchern, es hakt also mal wieder politisch – aus welchen Gründen auch immer, denn ein Knaller ist der Entwurf nun so oder so nicht. Was ich davon halte, habe ich in dem o.a. Blogbeitrag deutlich gemacht. Und daran hat sich nichts geändert, wenn man nicht noch einiges gegenüber dem Referentenentwurf geändert hat, wovon ich nicht ausgehe. Denn dann müsste man sich ja bewegen und das scheint schwierig zu sein.

Also: Daumen drücken, dass wenigstens diese Miniveränderungen kommen und vor allem: Daumen drücken, dass der „Herbst der Entscheidungen“ nicht so früh kommt, dass das Gesetz noch nicht durch den Bundestag war. Denn, wenn die Ampel platzen sollte, wäre es das. Dann dürfen/müssen wir warten, was eine ggf. neuer Bundestag macht. Und das wird sicherlich nicht als erstes ein KostRÄndG sein.

Arglistig falsche Angaben beim PKH-Antrag gemacht, oder: Aufhebung der Bewilligung von PKH

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Eine Entscheidung des LG Münster zeigt, dass nicht „gefahrlos“ mit unrichtigen Tatsachenvortrag ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt werden kann. Stellt sich nämlich heraus, dass falsche Angaben getätigt worden sind und hätte bei richtiger Darstellung des streiterheblichen Sachverhaltes keine Prozesskostenhilfe gewährt werden können, liegt die Voraussetzung für eine Entziehung nach § 124 ZPO vor.

Dazu äußert sich der LG Münster, Beschl. v. 15.08.2024 – 115 O 144/23. Der Kläger hatte für eine Klage gegen seine Versicherungsgesellschaft Prozesskostenhilfe beantragt. Dabei hat er arglistig falsche Angaben zur Behebung von vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall eingetretenen Vorschäden gemacht. Nachdem die falschen Angaben des Klägers zur Abweisung seiner Klage geführt haben, hat das LG die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgehoben:

„Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe war nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben, da der Kläger durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat.

Hierzu war der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.08.2024 auch bereits angehört worden, während die Anhörung dabei nicht gesondert in das Terminsprotokoll aufgenommen worden ist.

Die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfordert, dass die Partei in ihrem Antrag nach § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO oder in einem in Bezug genommenen sonstigen Vortrag das Streitverhältnis unrichtig dargestellt hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine das Streitverhältnis betreffende Tatsache von der Prozesskostenhilfepartei entgegen der sie treffenden Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) falsch dargestellt, nicht richtiggestellt oder verschwiegen worden ist, so dass das Gericht sie nicht erkannt und bei seiner Entscheidung im Hinblick auf die hinreichende Erfolgsaussicht und die fehlende Mutwilligkeit (§ 114 ZPO) deshalb nicht berücksichtigt hat. Falsch kann eine Darstellung schließlich auch deshalb sein, weil sie unvollständig ist. Die klagende Prozesskostenhilfepartei muss deshalb auch diejenigen Tatsachen vortragen, aus denen sich die möglichen, insbesondere die schon vorprozessual geltend gemachten Einwendungen und Einreden des Beklagten ergeben (vgl. BeckOK, § 124 ZPO, Rn. 10 m.w.N.).

Weiter muss die Prozesskostenhilfepartei das Streitverhältnis auch jedenfalls bedingt vorsätzlich falsch dargestellt haben. Dies ist der Fall, wenn die Partei zumindest damit gerechnet hat, bei wahrheitsgemäßem und vollständigem Vortrag keine oder nur teilweise Prozesskostenhilfe zu erhalten (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.1999, 2 W 69/99, BeckRS 1999, 7804).

So liegt es hier.

Der Kläger hat vorliegend arglistig falsche Angaben zur Behebung der vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall eingetretenen Vorschäden gemacht, was zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten wegen arglistiger Obliegenheitsverletzung nach E.1.1.3, E.2.1 AKB i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG führt.

Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils der Kammer vom 01.08.2024.

Ob die unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kausal gewesen sein muss (so MüKo, § 124 ZPO, Rn. 8; BeckOK, § 124 ZPO, Rn. 14) oder dies wegen des Sanktionscharakters der Vorschrift nicht erforderlich ist (BGH, Beschl. v. 10. 10. 2012, IV ZB 16/12, NJW 2013,68), bedurfte vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls hat sich die Falschangabe des Klägers hier kausal ausgewirkt. Hätte der Kläger hier bereits im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens eingeräumt, dass der Vorschaden am rechten Stoßfänger entgegen seiner mit Schreiben an die Beklagte vom 02.02.2023 getätigten Äußerungen vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall tatsächlich noch nicht repariert worden war, sodass damit ein Altschaden weiterhin bestand, wäre dem Kläger die begehrte Prozesskostenhilfe wegen dieser Aufklärungspflichtverletzung zu versagen gewesen.“

Vergütung des Beistands in Abschiebehaftfällen, oder: Bezirksrevisor meint(e): „Es gibt nichts“

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Bisher lag keine Rechtsprechung dazu vor, wie die Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts in Abschiebehaftfällen honoriert wird. Jetzt hat sich als – soweit ersichtlich – erstes Gericht das AG Stuttgart im AG Stuttgart, Beschl. v. 10.07.2024 – 527 XIV 271/24 – dazu geäußert..

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte als zuständige Ausländerbehörde mit Antrag vom 04.03.2024 die Anordnung von Sicherungshaft gem. §§ 62 Abs. 3, 106 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 417 FamFG gegen den Betroffenen zur Sicherung der beabsichtigten Abschiebung beantragt. Gemäß des mit Gesetz zur Verbesserung der Rückführung zum 27.02.2024 in Kraft getretenen § 62d AufenthG wurde dem Betroffenen mit Beschluss vom 04.03.2024 Rechtsanwalt S. als anwaltlicher Vertreter bestellt. Der Betroffene wurde am selben Tage in Anwesenheit des bevollmächtigten Rechtsanwalts persönlich angehört, ehe das AG mit Beschluss vom selben Tage antragsgemäß die Sicherungshaft gegen den Betroffenen anordnete. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Bevollmächtigten wurde durch das LG Stuttgart zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 05.03.2024 beantragte der Bevollmächtigte die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 6300 VV RVG, einer Terminsgebühr nach Nr. 6301 VV RVG sowie der Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG nebst Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von insgesamt 556,92 EUR.

Mit Beschluss vom 22.05.2024 setzte die Urkundsbeamtin die Vergütung antragsgemäß fest. Der Bezirksrevisor erhob hiergegen mit Schreiben vom selben Tag Erinnerung und führte zur Begründung aus, es bestünde mangels gesetzlicher Regelung kein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Eine Beiordnung nach § 62d AufenthG führe nicht zwangsläufig zu einem Vergütungsanspruch. Die bestehende Regelungslücke sei auch nicht planwidrig, nachdem der Rechtsausschuss des Bundesrates in seiner Stellungnahme vom 02.02.2024 (BR-Drs. 21/1/24) auf diese hingewiesen habe. Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte diese mit Verfügung vom 22.05.2024 dem Gericht zur Entscheidung vor. Dort hatte sie keinen Erfolg:

„Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Dem anwaltlichen Vertreter steht ein Vergütungsanspruch nach § 45 Abs. 3 S. 1 RVG zu. Demnach erhält ein sonst gerichtlich bestellter oder beigeordneter Rechtsanwalt Vergütung aus der Landeskasse, wenn ein Gericht des Landes den Rechtsanwalt bestellt oder beigeordnet hat. Dies ist vorliegend der Fall, da der bevollmächtigte Rechtsanwalt durch gerichtlichen Beschluss vom 04.03.2024 beigeordnet wurde.

Soweit der Erinnerungsführer auf die Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundesrates verweist, wonach es an einer gesetzlichen Vergütungsregelung fehle, ist dies im Ergebnis unzutreffend. Zwar fehlt es augenscheinlich an einer spezialgesetzlichen Regelung hinsichtlich der Vergütung von nach § 62d AufenthG bestellten Rechtsanwälten, jedoch bildet § 45 Abs. 3 RVG eine Auffangnorm bezüglich der Vergütung gerichtlich bestellter Rechtsanwälte. Demnach sowie auch im Hinblick auf die Vergütung der nach anderen Vorschriften gerichtlich bestellten Rechtsanwälte, die ebenfalls nach § 45 Abs. 3 RVG erfolgt (z.B. Beiordnungen nach § 78 FamFG, §§ 68b Abs. 2, 141, 364b Abs. 1, 397a, 408b StPO, §§ 40 Abs. 2, 53 Abs. 2 IRG), erscheint der deutschen Rechtsordnung eine gerichtliche Beiordnung eines Rechtsanwalts ohne entsprechenden Vergütungsanspruch grundsätzlich fremd.

Eine Beiordnung ohne Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse wird ausnahmsweise im Falle einer Beiordnung nach § 78b ZPO vertreten (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 45 Rn. 136; a.A.: HK-RVG/Erik Kießling, 8. Aufl. 2021, RVG § 45 Rn. 45, 46). Diesbezüglich ist jedoch zu sehen, dass der Notanwalt nach § 78b ZPO sein Tätigwerden von der Zahlung eines Vorschusses abhängig machen kann (§ 78c Abs. 2 ZPO) und insofern ausreichend abgesichert ist. An einer entsprechenden Sicherung fehlt es bei der vorliegenden Beiordnung nach § 62d AufenthG hingegen.

Sämtlichen genannten Beiordnungvorschriften, die in der Folge einen Vergütungsanspruch nach § 45 Abs. 3 RVG begründen, ist überdies der Sinn und Zweck gemein, dem Betroffenen eine angemessene Wahrnehmung seiner Rechte zu ermöglichen. Selbige Erwägung lag gleichfalls der Einführung des § 62d AufenthG zu Grunde (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat des Bundestages vom 17.01.2024, BT-Drs. 20/10090). Gründe, die dafür sprächen, die Vergütung eines nach § 62d AufenthG beigeordneten Rechtsanwalts anders handzuhaben, sind indes nicht ersichtlich.

Soweit der Rechtsausschuss des Bundesrates in der genannten Stellungnahme ausführt, weder in den §§ 39, 41 RVG noch in § 45 RVG werde ausdrücklich auf § 62d AufenthG Bezug genommen, verkennt er, dass § 45 Abs. 3 RVG in seiner Funktion als Auffangnorm gerade keine ausdrücklichen Verweise enthält. Ferner ist auch anderen gesetzlichen Regelungen zur verpflichtenden Bestellung von Bevollmächtigten regelmäßig keine spezielle Vergütungsregelung zu entnehmen (vgl. erneut § 78 FamFG, §§ 68b Abs. 2, 141, 364b Abs. 1, 397a, 408b StPO, §§ 40 Abs. 2, 53 Abs. 2 IRG), sodass aus deren Fehlen zu schließen wäre, es bestünde zwangsläufig kein Vergütungsanspruch.

Darüber hinaus erscheint dem Gericht die Annahme, ein gerichtlich verpflichtend beizuordnender Rechtsanwalt würde das Mandat ohne gesetzlichen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse übernehmen, lebensfremd. Ohne korrespondierenden Vergütungsanspruch dürfte es in der praktischen Umsetzung wohl kaum möglich sein, – insbesondere in der in Abschiebesachen aufgrund erfolgter Festnahme erforderlichen Kurzfristigkeit – übernahmebereite Rechtsanwälte ausfindig zu machen, um die persönliche Anhörung des Betroffenen durchführen zu können. Dies widerspräche letztlich auch der vom Gesetzgeber mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz verfolgten Intention, Rückführungsmaßnahmen effektiver zu gestalten. Insoweit liegt die Vermutung nahe, dass dies auch dem Gesetzgeber bewusst gewesen sein muss und dieser vielmehr davon ausging, es bedürfe in Anbetracht der Anwendbarkeit der Auffangnorm des § 45 Abs. 3 RVG keiner spezialgesetzlichen Regelung. Hierfür spricht auch der Beschluss des Bundesrates vom 02.02.2024 (BR-Drs. 21/24). Obgleich der Bundesrat sich darin nicht mehr ausdrücklich mit der Frage der Vergütung eines nach § 62d AufenthG zu bestellenden Rechtsanwalts befasste, entschied er letztendlich, von der Anrufung eines Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 GG abzusehen und schloss sich insoweit den Bedenken seines Rechtsausschusses offenbar nicht an.

Der Anspruch auf Erstattung der Auslagen folgt aus § 46 Abs. 1 RVG.

IV.

Die festgesetzte Vergütung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Vergütung des Rechtsanwalts für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach den in Teil 6 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG enthaltenen Sonderregelungen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.03.2023 – XIII ZB 76/20).

Bei der vorliegenden Anordnung von Sicherungshaft handelt es sich um eine aufgrund von Bundesrecht nach §§ 62 Abs. 3, 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG angeordnete Freiheitsentziehung im Sinne von § 415 FamFG. Insofern kann der beigeordnete Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr nach Nr. 6300 VV RVG verlangen. Die Teilnahme an der persönlichen Anhörung löst eine Terminsgebühr nach Nr. 6301 VV RVG aus. Im Übrigen sind Nrn. 7002 und 7008 VV RVG hinsichtlich Auslagen und Umsatzsteuer einschlägig.“

Die Entscheidung ist richtig. Ich verweise dazu auf meinen Beitrag Abrechnung der Beiordnung in sog. Abschiebehaftfällen aus AGS 2024, 389.