StPO I: Geheimdienstliche Agententätigkeit in der BRD, oder: Keine Immunität bei Spionage

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In die neue Woche geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Fragen, mit denen man als Verteidiger/Rechtsanwalt wahrscheinlich nicht so häufig zu tun hat.

Ich stelle zunächst den BGH, Beschl. v. 27.08.2024 – StB 54/24 – vor. Ich denke, die dort vom BGH entschiedene Frage wird mit zunehmender Verschärfung der (außen)politischen Lage und daraus folgend zunehmender geheimdienstlicher Tätigkeit in Deutschland an Bedeutung zunehmen Der BGH hat nämlich Stellung genommen zur  geheimdienstlichen Tätigkeiten und der damit ggf. verbundenen völkerrechtlichen Immunität. In dem Verfahen geht es um die Festnahme und Untersuchungshaft eines Beschuldigten, der sich der geheimdienstlichen Agententätigkeit für einen fremden Geheimdienst schuldig gemacht haben soll ( § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB an).

Ich beschränke mich hier auf den Leitsatz der Entscheidung, wegen der Einzelheiten verweise ich auf die umfangreiche Begründung des BGH:

Die allgemeine Funktionsträgerimmunität gilt bei Spionage und geheimdienstlichen Gewaltakten nicht; § 20 Abs. 2 Satz 2 GVG steht dem nicht entgegen.

Sonntagswitz: Zum Ende der Kreuzfahrt – Diät steht an

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Und dann der Sonntagswitz. Und auch hier eine Rückschau, da ich ja noch unterwegs bin. Ich habe mal nachgeschaut, was ich bei den früheren Kreuzfahrten so gebracht habe und bin dabei auf einen Beitrag gestoßen, der im Zusammenhnag mit Kreufahrten immer passt. Nämlich: Diät.

Und da habe ich:

„Herr Doktor, wenn ich weiterhin die von Ihnen verordnete Diät befolge, werde ich bald ins Gras beißen.“

„Halb so schlimm, Gras hat kaum Kalorien.“


„Und hat die Diät bei deinem Onkel geholfen?“, fragt Susi Ihre Freundin.

„Ja, sein Piratenschiff auf der Brust ist nur noch ein Ruderboot!“


Macht Euch mal keine Sorgen wegen Eurer Bäuche.

Wir wissen ja schon gar nicht mehr wie Waschbretter aussehen.


Ich war zwei Wochen auf Diät.

Das Einzige, was ich verloren habe, waren 14 Tage 🙂 .

Rückschau auf die 44.KW/2019, mit Menschenwürde, NetzDG, Liebesdrama in der JVA, Gesichtserkennung

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Da ich noch immer unterwegs bin, gibt es heute dann noch einmal „nur“ einen „Rückschauwochenspiegel“, und zwar auf die 44. KW/2019, also fünf Jahre zurück. Da gatte ich auf folgende Beiträge hingewiesen:

„Die 44 KW. endet und das ist dann „Wochenspiegelzeit“, heute mit folgenden Beiträgen aus anderen Blogs:

  1. Gesetz gegen Hass und Hetze in Social Media – Neues zum NetzDG:

  2. Europäische Einigkeit in Action: Menschenwürde im Strafvollzug,

  3. OLG Saarbrücken zum Beschlussverfahren: Keine nachträgliche Begründung, wenn von Begründung nicht abgesehen werden durfte,

  4. Gesichtserkennung: VG Hamburg erlaubt biometrische Datenbank,

  5. LG München I: Vodafone darf für SEPA-Überweisungen keine Entgelte nehmen ,

  6. Polizeianwärter ist nach Betrugs-Video auf Youtube Job los,

  7. OLG Köln: Verkäufer muss nicht über Sicherheitslücken eines Android-Smartphones informieren und nicht auf fehlende Update-Möglichkeit hinweisen

  8. Liebesdrama in der JVA Vechta,

  9. und dann aus meinem Blog: Das kleine 1 x 1 der Terminsverlegung/Terminierung, oder: “Angefressenes” Beschwerdegericht

„Ich will mindestens Premium-Economy-Class fliegen“, oder: Einseitige Umbuchung auf Economy unzulässig

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Und dann als zweite Entscheidung ein Hinweisbeschluss des OLG Celle, und zwar der OLG Celle, Beschl. v. 04.09.2024 – 11 U 43/24, aus dem Reiserecht.

Folgender Sachverhalt:

„Die Parteien streiten um – innbesondere immateriellen – Schadenersatz nach dem Scheitern einer Pauschalreise.

Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und seine drei erwachsenen Söhne bei der Beklagten unter dem 17. Januar 2022 für einen Gesamtpreis von 22.890 € eine Flugpauschalreise mit Hotelaufenthalten in Singapur, Kambodscha und Thailand. Der Hinflug sollte am 30. Juli 2022 direkt von Frankfurt/Main nach Singapur führen, der Rückflug nach dem letzten Hotelaufenthalt 13. August 2022 ebenfalls direkt auf dieser Strecke zurück. Schon bei der ersten Übermittlung seines Reisewunsches an das örtliche Reisebüro der Beklagten im November 2022 hatte der Kläger mitgeteilt, dass er für die Langstreckenflüge „mindestens Premium-Economy“ buchen wolle. Dementsprechend erfolgte die Buchung.

Am 20. Juli 2022 erhielt der Kläger von der Beklagten per E-Mail die Mitteilung, dass der gebuchte (Hin-) Flug „storniert“ sei. Die Beklagte habe für ihn alterativ für den 31. Juli 2022 einen Flug von Frankfurt/Main nach Singapur eingebucht, allerdings nur in der Economy-Klasse. Am 22. Juli 2022 erhielt der Kläger eine weitere E-Mail, nunmehr von dem örtlichen Reisebüro der Beklagten, aus der sich ergab, dass – angeblich – die Fluggesellschaft den gebuchten Flug gestrichen habe. Der angebotene Ersatzflug solle nicht direkt, sondern mit Umstieg in Seoul erfolgen und insgesamt rund 17 1/4 Stunden (statt rund 11 1/2 Stunden auf der direkten Strecke) dauern. Auch der Rückflug könne nicht wie gebucht direkt stattfinden, sondern nur mit Umstieg in Dubai und auch nur in der Economy-Klasse. Der Kläger bestand daraufhin am nächsten Tag mit E-Mail gegenüber dem örtlichen Reisebüro auf der „Bestätigung der gebuchten Reise“ und erklärte sich allenfalls mit einer Zwischenlandung Bangkok einverstanden. Anschließend gab es ein Telefongespräch des Klägers mit der zuständigen Mitarbeiterin des Reisebüros. Als dessen Ergebnis teilte das Reisebüro dem Kläger am selben Tag Folgendes mit: „[…] wie bereits kurz telefonisch besprochen, stornieren wir Ihre Buchungen […] kostenlos, da diese nicht wie von Ihnen gebucht durchgeführt werden können.“ Der Kläger und seine Familie traten die Reise nicht an. Die Beklagte erstattete den Reisepreis.

Mit der vorliegenden Klage beansprucht der Kläger Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Höhe von 75 % des Reisepreises sowie den Ersatz verschiedener vergeblich aufgewandter Kosten (etwa Parkgebühren am Flughafen). Im Zuge des ersten Rechtszugs hat die Beklagte eingeräumt, dass die gebuchten Direktflüge von der Fluggesellschaft plangemäß durchgeführt wurden. Die Mitteilungen vom 20. und 22. Juli 2022 beruhten auf einem Fehler in ihrem Buchungssystem.“

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise durch die von der Beklagten veranlasste Umbuchung auf andere Flüge nicht vorgelegen habe; diese sei jedoch Voraussetzung eines Entschädigungs- und Schadensersatzanspruchs. Gegen diese rechtliche Beurteilung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Und die hätte, worauf das OLG hinweist überwiegend Erfolg. Es hat deshalb einen Vergleich vorgeschlagen, wonach der Kläger 92 % der Klageforderung erstattet bekommen soll. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Hier nur die Leitsätze, und zwar:

1. Konfrontiert der Reiseveranstalter den Reisenden nach Vertragsschluss mit einer erheblichen Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistungen oder kann er besondere vertragsgegenständliche Vorgaben des Reisenden doch nicht einhalten, darf der Reisende vom Pauschalreisevertrag zurücktreten und allein deshalb – ohne dass im Rahmen des § 651n Abs. 2 BGB nochmals die Erheblichkeit der (in dieser Fallgestaltung mangels Antritts der Reise ohnehin nur hypothetischen) Beeinträchtigung der Reise zu prüfen wäre – eine Entschädigung nach § 651n Abs. 2 BGB beanspruchen.

2. Eine solche besondere Vorgabe kann darin bestehen, dass der Reisende dem Reisebüro vor der Buchung einer Fernreise mitgeteilt hat, die Langstreckenflüge mindestens in der „Premium-Economy-Class“ absolvieren zu wollen. Der Reiseveranstalter darf dann den Reisenden nach einem dieser Vorgabe entsprechenden Abschluss des Pauschalreisevertrags zur Meidung eines Rücktritts nicht einfach einseitig auf einen Flug in der „Economy-Class“ umbuchen.

3. Auch die einseitige Umbuchung des Reisenden von dem vertraglich geschuldeten Langstreckenflug als Direktflug mit einer Dauer von rund 11 1/2 Stunden auf einen Flug mit Umsteigeerfordernis und einer Dauer von mehr als 17 Stunden kann eine erhebliche Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistung darstellen und den Reisenden unter den Voraussetzungen des § 651g Abs. 1, 3 BGB zum Rücktritt sowie zur Geltendmachung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit berechtigen.

Wenn man auf dem Gehweg stolpert und fällt, oder: Verletzung der Verkehrssicherungspflicht?

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Im samstäglichen „Kessel Buntes“ heute dann zwei zivilrechtliche Entscheidungen.

Ich starte mit dem LG Lübeck, Urt. v. 06.09.2024 – 10 O 240/23 – zur Verkehrssicherungspflicht bei einem Gehweg.

In dem Verfahren begehrt der Kläger von der Beklagten Schadensersatz wegen eines Unfalls auf einem Gehweg. Der Kläger hatte am Nachmittag des 25.09.2021 in Begleitung seiner Ehefrau den Gehweg der Holstenstraße in Lübeck benutzt. Der Kläger behauptet, er sei aus der Innenstadt kommend dort an einer mittig auf dem Gehweg herausstehenden Kante einer Gehwegplatte mit dem linken Fuß hängen geblieben und gestürzt. Die Gehwegplatte, an der er hängen geblieben sei, habe einen Niveauunterschied zwischen 1,00 und 2,5 cm zu den umliegenden Gehwegplatten aufgewiesen. Diese Schwelle habe er nicht wahrnehmen und erwarten können. Der Kläger meint, die beklagte Stadt habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Insbesondere seien an den Bereich um den Unfallort hohe Anforderungen bezüglich der Verkehrssicherungspflicht zu stellen, weil dieser Bereich als Haupteinfallstor zum Innenstadtbereich der Stadt Lübeck stark frequentiert sei. Die Beklagte hebt widersprüchliche Angaben des Klägers hinsichtlich seiner Laufrichtung hervor und meint, aus dem klägerischen Sachvortrag ergebe sich nicht, dass die streitgegenständliche Gehwegplatte für den Sturz des Klägers ursächlich gewesen sei. Das LG hat die Klage abgewiesen:

„Dem Kläger ist es nicht gelungen, eine der Beklagten zurechenbare Verkehrssicherungspflichtverletzung darzulegen.

a) Jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, muss die zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen, die zur Abwendung der Dritten drohenden Gefahren geboten sind. Die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen richten sich nach der Art der jeweiligen Gefahrenquelle und den Umständen der Umgebung, in der sich die Gefahrenquelle befindet.

§ 10 Abs. 1 S. 2 StrWG-SH verlangt von dem Träger der Straßenbaulast, Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten, wobei nach § 10 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 StrWG-SH bei der Unterhaltung die Belange von älteren Menschen zu berücksichtigen sind. Daraus folgt, dass sich Straßen grundsätzlich nicht in einem einwandfreien Zustand befinden müssen und von ihnen mit Blick auf etwaige Unebenheiten eine Restgefahr ausgehen kann. Der Umfang der Sorge für die Verkehrssicherheit wird maßgeblich von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrswegs und seiner Bedeutung bestimmt (BGH vom 21.6.1979, Az. III ZR 58/78). Ein Verkehrssicherungspflichtiger hat in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH vom 5.7.2012, Az. III ZR 240/11). Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich den vorgefundenen Straßenverhältnissen anpassen (Reinert/Kümper, in: BeckOK BGB, 71. Ed. 1.8.2024, § 839 Rn. 70 mit Nachw.).

Weitergehende Sorgfaltsanforderungen folgen auch nicht daraus, dass § 10 Abs. 2 StrWG-SH anordnet, dass bei dem Bau und bei der Unterhaltung der Straßen die Belange von älteren Menschen zu berücksichtigen. Bei der Regelung handelt es sich um eine Orientierung für den Träger der Straßenbaulast und nicht um eine konkrete Qualitätsvorgabe mit Blick auf den Beschaffenheit von Gehwegen (so i.E. auch Röttger, SchlHA 2018, 82, 85).

b) Die von dem Kläger beschriebene Situation des Gehwegs stellt an der konkreten Stelle keinen Zustand dar, der dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis nicht genügt.

Dabei ist in Bezug auf die Frage, in welchem Umfang Fußgänger Unebenheiten und Niveauunterschiede auf Straßen, Plätzen und Gehwegen hinnehmen müssen, keine schematische Betrachtung unter Anwendung starrer Grenzen angezeigt, sondern es ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles zu prüfen, ob ein verkehrsunsicherer Zustand vorliegt (OLG Saarbrücken vom 26.11.2015, Az. 4 U 110/14; Röttger, SchlHA 2018, 82, 85 f.).

i) Dem klägerischen Vortrag lassen sich zu dem behaupteten Höhenunterschied der Gehwegplatten keine eindeutigen Angaben entnehmen.

Ursprünglich hat der Kläger vorgetragen, er sei aufgrund unebener Gehwegplatten ins Stolpern geraten. Zur näheren Darlegung hat er auf die Fotos in Anlagenkonvolut K 1 verwiesen (Bl. 5 d. A.). Aus diesem Vortrag hat sich kein konkreter Höhenunterschied ergeben. Im weiteren Verfahrensverlauf hat der Kläger vorgetragen, vor Ort seien Höhenunterschiede von 1,0 bis 1,5 cm festgestellt worden (Bl. 67, 105 f. d. A.). Zuletzt hat der Kläger unter Verweis auf die Fotografie in Anlage K 18 ausgeführt, er schätze einen Höhenunterschied von 2,0 bis 2,5 cm (Bl. 182 d. A.). Dieser Vortrag ist zu divergent und ungenau, als dass sich das Gericht auf dieser Grundlage eine Überzeugung von den Begebenheiten vor Ort verschaffen könnte.

ii) Selbst wenn man zugunsten des Klägers von einem Höhenunterschied der Gehwegplatten von bis zu 2,5 cm ausgeht, war mit Blick auf die Gesamtumstände kein pflichtwidriger Zustand des Gehwegs festzustellen.

(1) Die Rechtsprechung beurteilt die Pflichtwidrigkeit von Schäden an Gehwegen und unterschiedlicher Höhenniveaus im Fußgängerbereich mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls.

Für eine Fußgängerzone oder die nicht für den Kfz-Verkehr bestimmte Zuwegung zu einem Marktplatz wurde ein Niveauunterschied unter 2,00 bis 2,5 cm als erheblich angesehen (OLG Oldenburg vom 20.12.1985, Az. 6 U 72/85; OLG Hamm vom 16.10.2020, Az. 11 U 72/19), ebenso wie eine Asphaltkante von 3,00 cm, während mit absackenden Pflastersteinen eher zu rechnen ist (OLG Stuttgart vom 26.11.2020, Az. 2 U 437/19). Auf Gehwegen im Allgemeinen werden Niveauunterschiede von ca. 2 bis 3 cm regelmäßig akzeptiert (OLG Koblenz vom 26.7.2018, Az. 1 U 149/18; OLG Koblenz vom 23.6.2010, Az. 1 U 1526/09; OLG Frankfurt vom 10.2.2003, Az. 1 U 153/01). Entscheidend ist dabei jeweils, inwieweit Gehwegschäden für den Fußgängerverkehr mit Blick auf die örtlichen Begleitumstände erkennbar und ein Überqueren vermeidbar ist (vgl. auch BGH vom 5.7.2012, Az. III ZR 240/11). Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung kann erst angenommen werden, wenn auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist (OLG Saarbrücken vom 26.11.2015, Az. 4 U 110/14).

(2) Ist ein Höhenunterschied von 2,5 cm auf einem Fußgängerweg damit im Ausgangspunkt noch hinnehmbar, oblag es der Klägerseite, weitergehende Anhaltspunkte vorzubringen, aus denen sich ein Überraschungsmoment oder ein anderer Umstand für den Kläger ergab, aufgrund dessen er den Niveauunterschied zwischen den Gehwegplatten bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte feststellen können.

Zwar hat die Klägerseite vorgetragen, bei der Holstenstraße handle es sich um das Haupteinfallstor vom Lübecker Bahnhof in die Altstadt. Die Straße sei hoch frequentiert (Bl. 70, 183 d. A.). Dies ist aus der eigenen Erfahrung des Gerichts grundsätzlich zutreffend. Daraus folgen aber nicht ohne Weiteres erhöhte Sorgfaltsanforderungen der Beklagten. Denn die Klägerseite hat daraus keine Ableitung für die Erkennbarkeit der Gehwegschäden gezogen. Sie hat insbesondere nicht vorgetragen, dass die Straße regelmäßig derart frequentiert ist, dass Fußgänger in einem gedrängten Verkehr den vor ihnen liegenden Gehweg nicht erkennen können (dahin OLG Schleswig vom 11.11.1999, Az. 11 U 136/98). Ein regelmäßig derart gedrängter Fußgängerverkehr ist auch dem Gericht nicht bekannt. Die Holstenstraße ist im unteren Bereich auch nicht durch eine Vielzahl ansprechender Schaufenster geprägt, die zu einer Ablenkung von Fußgängern führen würden.

Mit Ausnahme der Lichtverhältnisse (Bl. 5 d. A.) hat der Kläger keine konkreten Umstände vorgetragen, die aus seiner Perspektive dazu hätten führen können, dass der Höhenunterschied zwischen den Gehwegplatten nicht erkennbar gewesen wäre. Der Kläger hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass sich der gesamte Gehweg in einem schadhaften Zustand befunden habe, der ein Ausweichen vor etwaigen Gefahren unmöglich gemacht hätte (BGH vom 5.7.2012, Az. III ZR 240/11; Bl. 183 d. A.). Derartiges ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Lichtbildern (vgl. Anlagenkonvolut K 1, Anlagen K 13a, K 18).

c) Entgegen der klägerischen Ausführungen folgt allein aus dem Umstand, dass die Beklagte die streitgegenständliche Gehwegstelle nach dem behaupteten Unfallereignis instandgesetzt hat, nicht, dass sich die Stelle bis dahin in einem pflichtwidrigen Zustand befunden hat (OLG Koblenz vom 26.7.2018, Az. 1 U 149/18). Die Instandsetzung von Gehwegplatten ist gerade Teil der Wahrnehmung und Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten.“