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(Straßen)Verkehrssicherungspflicht, oder: Wenn ich mit einem Motorrad über einen Niveauunterschied stürze

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Im „Kessel Buntes“ „köcheln“ heute dann zwei LG-Entscheidungen.

Die erste Entscheidung, das LG Neubrandenburg, Urt. v. 29.06.2020 – 3 O 152/20, das mir die Kollegin Schade aus Waren vor einiger Zeit geschickt hat. Gegenstand der Entscheidung ist die Verkehrssicherungspflicht.

Folgender Sachverhalt:

„Die Ortschaften Minenhof und Schloen sind durch eine ca. 3 m breite Gemeindestraße miteinander verbunden, die mit höchstens 50 km/h befahren werden darf. Im August 2018 wurden auf dieser Strecke Bauarbeiten durchgeführt, da ein Durchlass unter der Fahrbahn erneuert werden musste. Die Straße war zu diesem Zweck aufgeschnitten worden. Die aufgeschnittene Stelle wurde mit Schotter aufgefüllt. Die Bauabnahme erfolgte am 16.08.2018. Durch Witterungsverhältnisse entstand ein Niveauunterschied zwischen der Schotterfläche und der restlichen Fahr-bahn, wobei der Höhenunterschied im Detail streitig ist. Neben der Schotterfläche befand sich ein Haufen mit Aushub. Warnschilder waren nicht aufgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K2 sowie die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte zum Aktenzeichen 722 Ujs 11119/18 Bezug genommen……

…. Die Klägerin behauptet, dass der Verstorbene, pp. am 16.10.2018 gegen 15:00 Uhr mit seinem Motorrad Kawasaki Z900RS mit dem amtlichen Kennzeichen pp. die Straße von Minenhof kommend in Richtung Schloen mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h befahren habe. Aufgrund eines Höhenunterschiedes im Bereich der Aufbruchstelle von 11 – 12 cm sei der Verstorbene gestürzt. Er habe aufgrund des Schattenspiels der Bäume die Unebenheit der Straße nicht erkennen können. Der Verstorbene ließ das Motorrad – welches unbestritten in seinem Eigentum stand – unstreitig – für 2.382,83 € reparieren und forderte die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 16.11.2018 – ebenfalls unstreitig – zur Zahlung auf. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr eine Unfallpauschale in Höhe von 25,00 € zustehe und ihr außergerichtliche Anwaltskosten zu ersetzen wären.“

Geltend gemacht wird also der Unfallschaden. Und das LG hat zugesprochen:

„Der geltend gemachte Hauptsacheanspruch steht der Klägerin zu.

Das unstreitig im Eigentum des pp. gestandene Motorrad wurde durch die schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht durch die Beklagte verletzt, indem sie es unterließ, am 16.10.2018 vor einem Höhenunterschied von ca. 11 cm in der Verbindungsstraße zwischen Minenhof und Schloen zu warnen, was dazu führte, dass der Verstorbene stürzte und das vorgenannte Motorrad beschädigt wurde.

Zwar hat die Beklagte die Angaben der Klägerin zum Unfallereignis, dessen Ort, Zeit, Ursache und Hergang zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, § 138 Abs. 3 ZPO – das Gericht geht je-doch nach Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte zum Aktenzeichen 722 UJs 11119/18 davon aus, dass der Verstorbene am 16.10.2018 gegen 15:00 Uhr die Verbindungsstraße zwischen Minenhof und Schloen befuhr und auf Höhe der Baustelle mit seinem Motorrad stürzte, § 286 ZPO. Denn die Feststellungen der Polizeibeamten gehen von einer ungesicherten Baustelle aus. Dies korrespondiert mit den zur Ermittlungsakte gereichten Lichtbildern der Örtlichkeit als auch mit den Beschädigungen am Motorrad. Aufgrund der detaillierten Aufnahme der Baustelle mittels Bildbericht geht das Gericht insbesondere aufgrund Seite 8 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte davon aus, dass im Rahmen der Baustellenbereichs zum Zeitpunkt des Unfalls ein Höhenunterschied von 10 cm bestand.

Der Beklagten oblag eine als Amtspflicht ausgestaltete Verkehrssicherungspflicht.

Entsprechend den vorgenannten Normen des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern obliegt den Gemeinden als Träger der Straßenbaulast der Bau, die Unterhaltung und die Verwaltung der öffentlichen Gemeindestraßen sowie die Überwachung der Verkehrssicherheit als Amtspflichten in Ausübung der öffentlichen Gewalt. So liegt es auch hier. Der Beklagten oblag die Straßenbaulast als auch die Straßenverkehrssicherungspflicht für die Verbindungsstraße zwischen Minenhof und Schloen.

Diese Pflicht hat die Beklagte auch schuldhaft verletzt.

Die Straßenverkehrssicherungspflichten sind nur ein Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Verkehrsflächen (vgl. hierzu Itzel, Neuere Entwicklungen im Amts- und Staatshaftungsrecht — Rechtsprechungsüberblick 2009, MDR 2010, 426, MDR Jahr 2010 427; derselbe, Neuere Entwicklungen im Amts- und Staatshaftungsrecht — Rechtsprechungsüberblick 2011, MDR 2012, 564). Jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, muss diejenigen ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen, die zur Abwendung der Dritten drohenden Gefahren geboten sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.1972 – III ZR 121/70BGHZ 60, 54 = NJW 1973, 460).

Der Inhalt der Straßenverkehrssicherungspflicht geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen wie alle sonstigen einem Verkehr eröffneten Räume oder Sachen — möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmer aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand drohen (BGH, Urteil vom 18.12.1972, a.a.O.). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Straße praktisch völlig gefahrlos sein muss. Denn das ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen und kann von dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht verlangt werden. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich vielmehr den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.07.2018 – 1 U 149/18MDR 2018, 1312).

Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Ob danach eine Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand ist, entscheidet sich im Ergebnis nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seine Bedeutung sind dabei zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78VersR 1979, 1055).

So sind im Ergebnis Niveauunterschiede und Unebenheiten im Bereich von Straßen und Plätzen in einem gewissen Umfang hinzunehmen. Eine Verkehrssicherungspflicht beginnt erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage völlig überraschend eintritt oder nicht ohne weiteres erkennbar ist. Welcher Niveauunterschiede bei Unebenheiten aus Sicht des Verkehrssicherungspflichtigen noch tolerabel sind, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Es kann aber nicht allein auf die absolute Höhe des Unterschieds des Höhenniveaus abgestellt werden. Vielmehr ist die durch den Höhenunterschied bedingte Gefährdung im Zusammenhang mit besonderen Umständen der einzelnen Örtlichkeit zu sehen und im Blick auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.1966 – III 152/20 ZR 132/65 – VersR 1967, 281).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen kommt das erkennende Gericht zu dem Schluss, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hat. Zwar liegt der Unfallbereich auf einer Straße, die schon aufgrund ihrer äußeren Gestaltung mit einer Breite von 3 m nicht dafür geeignet ist, stark frequentiert zu werden, mithin eine geringe Verkehrsbedeutung aufweist, was auch dadurch gestützt wird, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur 50 km/h beträgt. Das Gericht hat aber auch berücksichtigt, dass sich die Gefahr nicht aus der natürlichen Beschaffenheit des Ortes oder einer gebrauchsbedingten Abnutzung der Straßenoberfläche ergeben hat, sondern daraus, wie der neu aufgebrachte Straßenbelag an dieser Stelle, an welcher er endete, ausgeführt worden ist. Die Herstellung eines solchen Anschlusses mit Ausbildung einer ca. 10 cm hohen Abbruchkante unter Verwendung von bloßem Schotter entspricht nicht den Anforderungen an die Herstellung von Straßen des Straßen- und Wegegesetzes M-V. Denn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs war auf diese Weise nicht zu gewährleisten. Eben diesem Zweck soll der Straßenbau aber dienen. Eine derartige Fahrbahnherstellung ist daher mangelhaft. Den Verkehr dort gleichwohl uneingeschränkt zuzulassen, verletzt damit Sicherungspflichten unter außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Dass der Niveauunterschied zwischen der Schotterfläche und der restlichen Fahrbahn erst durch Witterungsverhältnisse entstanden ist – so jedenfalls der unstreitige Sachverhalt – ist vor dem Hintergrund unschädlich, dass die Beklagte bei der Ausführung von provisorischen Baumaßnahmen, insbesondere – wie hier – bei der Verwendung von bloßem Schotter weitere Kontroll- und Überwachungspflichten trifft, derer die Beklagte nicht gerecht geworden ist. Dass die Beklagte der provisorisch errichteten Schotterfläche regelmäßigen Kontrollen zuführte, ist schon nicht vorgetragen.

Der Haftung der Beklagten kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Verkehrssicherungspflicht erst dort einsetzt, wo ein Hindernis für den Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig wahrzunehmen und der Verkehrsteilnehmer demzufolge nicht in der Lage ist, diesem durch eigenes zweckgerichtetes Handeln zu begegnen. Zwar mag noch unterstellt werden, dass bei Beobachtung der erforderlichen Aufmerksamkeit das Hindernis dem Grunde nach für sich ihm nähernde Fahrzeugführer erkennbar war. Angesichts des Ausmaßes des Absatzes und der Tatsache, dass die Unebenheit durch die Verwendung von bloßem Schotter herbeigeführt worden ist, konnte die Beklagte aber nicht mehr erwarten, dass ein solches Hindernis durch alle Fahrer eines zum öffentlichen Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeugs die Gefährlichkeit konkret einzuschätzen vermochten. Denn das Überfahren von Schotter stellt gerade für zweirädrige Verkehrsteilnehmer eine erhebliche Gefährdung dar, die bei deren Annäherung – auch mit der zulässigen Geschwindigkeit – im Detail nicht immer zutreffend zu erkennen ist. Hiervor zu warnen, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen. Warnschilder waren indes nicht aufgestellt. Der sich neben der Unfallstelle befundene Aushub wird dieser erforderlichen Warnung nicht gerecht.“

Unfallschadenregulierung auf Neu­wa­gen­basis, oder: Neuwagen gekauft?

Die zweite Entscheidung kommt – wie gesagt – auch vom BGH. Der hat sich im BGH, Urt. v. 29.09.2020 -VI ZR 271/19 – noch einmal (vgl. BGH, Urt. 09.06.2009 -VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242) mit der Frage der Abrechnung eines Unfallschadens auf Neuwertbasis befasst.

Der Kläger hatte sich 2017 für ca. 37.000 EUR einen neuen Pkw gekauft. Nicht ganz einen Monat nach der Zulassung kam es zu einem Unfall, der Pkw hatte erst 571 Km gefahren. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 37.923,32 EUR nebst Zinsen (Kosten für einen Neuwagen in Höhe von 37.181 EUR, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 EUR und eine Kostenpauschale in Höhe von 30 EUR). Das LG hat der Klage in Höhe von 37.918,32 EUR nebst Zinsen statt gegeben und sie im Übrigen wegen eines Teilbetrags der Kostenpauschale abgewiesen. Das OLG hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.180,54 EUR (Reparaturkosten netto in Höhe von 4.443,22 EUR, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 EUR, Wertminderung in Höhe von 1.000 EUR sowie Kostenpauschale in Höhe von 25 EUR) nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Dagegen die Revision, die beim BGH keinen Erfolg hatte:

„1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 – VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 8 mwN). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.

a) In zutreffender Anwendung der Senatsrechtsprechung geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Eigentümer eines fabrikneuen Fahrzeugs mit einer Laufleistung von nicht mehr als 1.000 km im Falle dessen – hier mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision zu unterstellender – erheblicher Beschädigung (nur dann) berechtigt ist, Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben hat (Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 16 ff.; Almeroth in MünchKommStVR, 2017, BGB § 249 Rn. 231; Ekkenga/Kuntz in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 249 Rn. 169; J.W. Flume in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 249 Rn. 236 ff.; Funk/Froitzheim in BeckOK StVR, Stand 1. Juli 2020, BGB § 251 Rn. 15; Kuhnert in NK-GVR, 2. Aufl., § 251 BGB Rn. 13; Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, 9. Aufl., Rn. 192; Böhme/Biela/Tomson, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 26. Aufl., Kap. 4 Rn. 42; Lemcke, NJW-Spezial 2013, 457, 458; Richter in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 6. Aufl., Kapitel 4, Rn. 672; vgl. auch Oetker in MünchKommBGB, 8. Aufl., § 251 Rn. 26). Daran hält der Senat fest. Soweit die Rechtsprechung des Senats vereinzelt Kritik erfahren hat (Gsell NJW 2009, 2994 ff.; vgl. auch Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 3. Juli 2020, § 249 BGB Rn. 82), erweist sich diese entgegen der Ansicht der Revision nicht als durchgreifend. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück (Gsell NJW 2009, 2994, 2996), lässt den Anspruch auf Ersatz des Minderwertes unberücksichtigt. Gründe, die bei der Beschädigung eines Neuwagens für die Aufgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats (vgl. nur Senat, Urteil vom 7. Juni 2005 – VI ZR 192/04, BGHZ 163, 180, 184, juris Rn. 8) und des Bereicherungsverbots sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

b) Von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger kein Neufahrzeug erworben hat.

aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist die mit dem erhöhten Schadensausgleich einhergehende Anhebung der „Opfergrenze“ des Schädigers allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs gerechtfertigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse hat und dieses durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachweist. Nur in diesem Fall ist die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand (zuzüglich des merkantilen Minderwerts) übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren (Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 26).

bb) Entgegen der Ansicht der Revision folgt ein anderes Ergebnis nicht aus dem Einwand des Klägers, er habe einen Erwerb aus finanziellen Gründen unterlassen. Unbeschadet der Frage der Relevanz dieses Gesichtspunkts ist der diesbezügliche streitige Vortrag im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19. Juli 2018 substanzlos, nicht unter Beweis gestellt und bereits deshalb nicht erheblich.

c) Schließlich greift auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Geschädigte einen Neuwagenkauf nachholen könne und deshalb die Klage nur derzeit unbegründet sei, nicht durch. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger keinen Neuwagen gekauft hat und es damit an einer Anspruchsvoraussetzung für die Kostenerstattung fehle. Mit der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn der Kläger einen Neuwagen kauft, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Ein solcher neuer Sachverhalt wird von der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung nicht erfasst (vgl. Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 27).“

Diebstahl des Leasingfahrzeugs, oder: (Restliche) Neuwert-Entschädigung gehört dem Kunden

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Heute ist Samstag und damit hier „Kessel-Buntes-Tag“. In dem köcheln heute zwei BGH-Entscheidungen.

Zunächst weise ich auf das BGH, Urt. v. 09.09.2020 – VIII ZR 389/18 – hin. Der BGH hat zu der Frage Stellung genommen: Wem steht nach einem Diebstahl des Leasingsfahrzeugs die eigentlich Versicherungsleistung aus einer Vollkaskoversicherung zu, wenn die den Wiederbeschaffungs- und den Ablösewert übersteigt? Leasingnehmer oder Leasingeber? Der BGH hat sich für den Leasingnehmer entschieden.

Nach dem Sachverhalt hatte die Leasingnehmerin eine Vollkaskoversicherung zum Neuwert abgeschlossen. Nach einem Diebstahl des Fahrzeugs erstattete die Versicherung der Leasing-Bank etwa 50.000 EU für alle Verluste und Kosten. Die Leasingnehmern verlangte die übrigen gut 20.000 EUR. Die Leasing-Bank hat aber bei der Versicherung die Zahlung nicht frei gegeben. Dagegen die Klage, die dann (endlich) beim BGH Erfolg hatte.

Hier dann nur der Leitsatz aus der recht umfangreich begründeten Entscheidung des BGH:

Bei vorzeitiger Beendigung eines Kraftfahrzeug-Leasingvertrags (hier aufgrund Diebstahls des Fahrzeugs) steht die den Wiederbeschaffungs- und den Ablösewert übersteigende Neuwertspitze einer Versicherungsleistung aus einer vom Leasingnehmer auf Neupreisbasis abgeschlossenen Vollkaskoversicherung nicht dem Leasinggeber, sondern dem Leasingnehmer zu

Reifenwechsel in der Werkstatt, oder: Nach 50 km muss man die Schrauben prüfen

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Auch schon älter ist das LG München II, Urt. v. 09.04.2020 – 10 O 3894/17. Es behandelt aber eine m.E. ganz interessante Fragestellung. Darum stelle ich es hier (noch) vor.

Gestritten wird um Schadensersatzleistungen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall des Klägers, den dieser als Folge einer Werkleistung der Beklagten erliiten haben will. Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs Mercedes-Benz Typ C Klasse Modell C 63 AMG; es handelt sich um ein getuntes Fahrzeug mit einer Leistung von 830 PS.

Am 05.04.2017 beauftragte der Kläger die Beklagte an dem Fahrzeug die Reifen zu wechseln und Sommerreifen zu montieren, was unstreitig auch erfolgte. Nach den Angaben des Klägers erlitt dieser dann am 08.04.2017 auf der Autobahn, nachdem er nach eigenen Angaben ca. 100 km seit dem Reifenwechsel gefahren war, einen Unfall dahingehend, dass sich das linke Hinterrad des von ihm geführten Fahrzeugs Mercedes-Benz gelöst hat, was zu nicht unerheblichen Sachschäden geführt habe.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe den Reifenwechsel vom 05.04.2017 insoweit nicht fachgerecht durchgeführt, insbesondere seien die Radschrauben nicht ordnungsgemäß angezogen worden, sodass sich das linke Hinterrad gelöst habe und den Unfall verursacht habe. Die Beklagte treffe daher eine Haftung.

Das LG hat die Haftung des Klägers bejaht, geht aber von einem Mitverschulden des Klägers in Höhe von 30 % aus:

„1. Nach Überzeugung des Gerichts besteht vorliegend eine Haftung der Beklagten, da diese im Rahmen des Reifenwechsels am 05.04.2017 die Radmuttern, zumindest am linken Hinterrad des Pkw Mercedes nicht ausreichend festgezogen bzw. deren Sitz auch nicht ausreichend überprüft hat.

Nach den absolut schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. im Termin vom 17.10.2018 ist das Gericht davon überzeugt, dass die Radschrauben durch die Mitarbeiter der Beklagten nicht ordnungsgemäß angezogen wurden. Der Sachverständige führte aus, dass bei nicht ordnungsgemäß angezogenen Schrauben bevorzugt bei einem Fahrzeug mit Hinterradantrieb das linke Hinterrad sich ablösen wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sowohl beim Anfahren als auch beim Beschleunigen auf die Schrauben hinten links immer ein geringes Lösemoment wirksam ist. Sind die Schrauben nicht ordnungsgemäß angezogen, wird sich bei einem solchen Fahrzeug zuerst das linke Hinterrad lösen.

Beim streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich nach den Angaben des Sachverständigen um ein solches mit Heckantrieb, darüber hinaus handele sich um ein sehr hochmotorisiertes Fahrzeug, sodass insbesondere beim Anfahren und Beschleunigen sehr hohe Kräfte auf die Radschrauben wirken. Der Sachverständige führte weiter aus, dass für den Fall, dass die Schrauben ordnungsgemäß angezogen und dies auch entsprechend überprüft wird, eine Nachjustierung bzw. ein Nachziehen aus technischer Sicht nicht erforderlich ist. Er führte ergänzend aus, dass bei Unternehmen, die Reifenwechsel durchführen in der Regel ein entsprechender Hinweis zum Nachziehen der Reifen gegeben wird.

Die Zeugin, die beim Reifenwechsel selbst nicht anwesend war, gab an, der Zeuge habe ihr berichtet, die Radmuttern seien zunächst mit einem Drehmomentschlüssel angezogen worden, der Zeuge habe diese dann selbst nochmals angezogen. Sie sei jedoch dabei nicht persönlich anwesend gewesen. Der Zeuge bestätigte, dass mehrere Personen an dem Fahrzeug gearbeitet hätten. Er selbst sei zunächst davon ausgegangen, dass seine Kollegen die Schrauben nachgezogen hätten, er selbst habe dies auch nochmals überprüft. Keine Schraube hätte nachgegeben.

Der Zeuge berichtete ergänzend, er habe den Kläger gefragt, ob er ihm noch eine Plakette hinsichtlich des erforderlichen Nachziehens der Schrauben am Armaturenbrett befestigen solle, was vom Kläger verneint wurde. Die Zeugin gab ergänzend an, sie sei dabei gewesen, als der Kläger einen entsprechenden Aufkleber abgelehnt habe. Sie gab weiter an, im Büro, in welchem der Kläger seine Rechnung bezahlt habe, habe sich ein Aushang befunden, dass die Muttern nachgezogen werden müssen, sie selbst gebe in der Regel auch mündlich diesen Hinweis ergänzend.

Angesichts der Ausführungen des Sachverständigen Dr. sowie der Tatsache, dass das Gericht ein Eingreifen eines Dritten dahingehend, dass dieser die Radschrauben gelöst haben könnte, für ausgeschlossen hält, kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Lösen der Radschraube, welches im Übrigen auch von der Beklagten nicht bestritten wurde, nur darauf zurückzuführen sein kann, dass die Radschrauben insbesondere am linken hinteren Rad nicht ordnungsgemäß angezogen bzw. nicht überprüft wurden. Der Sachverständige hat für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig geschildert, dass sich gerade hinten links, insbesondere bei einem hoch motorisierten Fahrzeug wie dem des Klägers, die Radschrauben lösen können. Nach den Angaben des Klägers ist dieser mit dem Fahrzeug ca. 100 km gefahren. Das Gericht folgt insoweit nicht den Angaben des Zeugen zumal es fraglich erscheint, ob sich der Zeuge, der täglich mehrere Reifenwechsel durchführt an einen solchen Wechsel, der eineinhalb Jahre vor seiner Vernehmung durchgeführt wurde, noch erinnern kann.

Eine Haftung der Beklagten steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest.

2. Der Kläger muss sich jedoch vorliegend ein Mitverschulden in Höhe von 30% anrechnen lassen, da er den Hinweis darauf, dass die Radschrauben nachzuziehen sind, zwar erhalten, jedoch nicht befolgt hat, sodass bei entsprechender Durchführung der Unfall hätte vermieden werden können. Allerdings überwiegt vorliegend deutlich das Verschulden der Beklagten bzw. deren Mitarbeiter.

Aus der vorgelegten Rechnung vom 05.04.2017 (Anlage HFB1) ergibt sich eindeutig ein Hinweis darauf, dass die Radmuttern nach 50 km nachzuziehen sind. Der Hinweis ist insbesondere auch ausreichend kenntlich gemacht, er befindet sich deutlich sichtbar und eingerückt unterhalb der durchgeführten Arbeiten. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung auch eingeräumt, dass er die Rechnung erhalten hat. Er habe sie allerdings nicht näher angeschaut.

Darüber hinaus steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger sowohl durch den Zeugen als auch zumindest durch einen entsprechenden Aushang im Büro der Beklagten davon Kenntnis hätte haben können, dass ein Nachziehen der Radmuttern erforderlich ist. Der Zeuge gab an, er habe den Kläger gefragt, ob er einen entsprechenden Aufkleber haben möchte, was verneint wurde. Die Zeugin berichtete, im Büro habe sich auch damals ein entsprechender Aushang bzw. Hinweis befunden. Das Gericht hat insoweit keinerlei Zweifel an den Angaben der Zeugen, sodass der Kläger hätte erkennen können und müssen, dass ein Nachziehen der Schrauben erforderlich ist.

Das vom Kläger zitierte Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 27.07.2011 Aktenzeichen 1 S 9/10 ist insoweit nicht einschlägig. In dem dort entschiedenen Fall war lediglich ein leicht zu übersehender Hinweis auf der Rechnung, nicht jedoch ein mündlicher Hinweis und ein Aushang im Büro hinsichtlich der Erforderlichkeit des Nachziehens der Radmuttern gegeben.

Hieran ändert sich auch nichts angesichts der Ausführungen des Sachverständigen Dr., der angegeben hat, aus technischer Sicht sei ein Nachziehen der Schrauben bei einer ordnungsgemäßen Montage nicht erforderlich. Wie der streitgegenständliche Unfall zeigt, ist es durchaus möglich, dass eben gerade keine ordnungsgemäße Montage erfolgt, was natürlicherweise in der Sphäre der jeweiligen Werkstatt liegt. Bei einem Nachziehen der Schrauben nach ca. 50 km wäre der streitgegenständliche Unfall jedoch vermieden worden. Wie bereits ausgeführt überwiegt jedoch deutlich das Verschulden der Beklagten. Das Gericht erachtet daher ein Mitverschulden des Klägers in der in Höhe von 30% für angemessen, aber auch ausreichend.

Ein Mitverschulden des Klägers dahingehend, dass er das geänderte Fahrverhalten aufgrund des sich lösenden Rades frühzeitig hätte erkennen können, nimmt das Gericht nicht an. Der Sachverständige Dr. Auer hat hierzu ausgeführt, dass eine entsprechende Reaktion des Klägers aufgrund der ohnehin hohen Geräuschkulisse des Fahrzeuges nicht möglich war. Den Ausführungen des Sachverständigen schließt sich das Gericht insoweit an.“

Auf der Grundlage hat das LG dann den Kläger verurteilt, dabei aber erhebliche Abstriche von den geltend gemachten Schäden gemacht. Ergebnis: 78 % Kosten beim Kläger, 22 % Kosten bei der Beklagten.

Rechtsanwalt wird krank, oder: Was wird mit den Fristen, wenn ……

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Schon etwas älter ist der BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – VI ZB 25/1. Heute will ich ihn im „Kessel Buntes“ dann aber endlich bringen.

Entschieden hat der BGH mal wieder eine Fristenproblematik bzw. besser: Über die Versäumung einer Frist. Die Klägerin bzw. ihre Prozessbevollmächtigte hatte nämlich die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Geklagt worden war auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Sportunfall. Das LG hat die Klage mit Versäumnisurteil vom 18.05.2018 abgewiesen. Mit Urteil vom 14.08.2018 hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Gegen dieses ihrer Prozessbevollmächtigten am 27. 082018 zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am Montag, dem 29.10.2018 abgelaufen. Mit Schriftsatz vom 22.11.2018 hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt.

Sie hat ausgeführt, ihre Prozessbevollmächtigte sei am 27.10.2018 mit akuten Schmerzen nach einem Sturz in stationäre Behandlung in einem Krankenhaus aufgenommen worden. Im Anschluss an diesen Aufenthalt sei sie in ein anderes Krankenhaus verlegt und bis einschließlich 07.11.2018 stationär behandelt worden. Am 20.11.2018 sei sie erstmals wieder im Büro gewesen. Die Fristenkontrolle hätte sie ihrer bis dahin stets sorgfältig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten übertragen. Erst am 22.11.2018 sei dieser im Zuge der Aktenbearbeitung aufgefallen, dass die Frist zur Berufungsbegründung nicht in den Fristenkalender eingetragen worden sei. Die Angestellte sei geschult und zuverlässig und führe, was regelmäßige Kontrollen durch die Prozessbevollmächtigte ergeben hätten, den Kalender seit ihrer Einstellung sorgfältig.

Mit Beschluss vom 14.12.2018 hat das KG darauf hingewiesen, dass dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht stattgegeben werden könne, weil die Klägerin nicht glaubhaft gemacht habe, ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen zu sein. Dem Antrag lasse sich nicht entnehmen, warum ihre Prozessbevollmächtigte im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift nicht die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist überprüft habe. Mit am 17.12.2018 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin ihre Berufung begründet. Mit Schriftsatz vom 23.01.2019 hat die Klägerin ausgeführt, ihre Prozessbevollmächtigte erfasse Fristen wie die Berufungsbegründungsfrist in ihrem eigenen Kalender. Sie habe darauf vertraut, dass auch ihre Rechtsanwaltsfachangestellte die Frist im Fristenkalender notiert habe. Die Prozessbevollmächtigte habe beabsichtigt, die Berufungsbegründung am Wochenende vom 27./28.10.2018 zu fertigen und sie innerhalb der am Montag, dem 29.10.2018 ablaufenden Frist an das KG weiterzuleiten. In der Nacht vom 25. auf den 26.10.2018 habe sie sich aber bei einem Sturz einen Wadenbeinbruch rechts zugezogen, weshalb es ihr nicht möglich gewesen sei, am 26.10.2018 im Büro zu erscheinen.

Das KG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. Die hatte keinen Erfolg:

„Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss die Klägerin weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Der Klägerin wird nicht der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, nach dem die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruhe. Soweit die Klägerin geltend mache, ihre Prozessbevollmächtigte habe die Fristenkontrolle ihrer bis dahin stets sorgfältig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten übertragen, fehle es an jedem Vortrag, warum die Prozessbevollmächtigte im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift nicht die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist überprüft habe. Die weiteren Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2019 seien nicht berücksichtigungsfähig, weil sie nicht innerhalb der einmonatigen Antragsfrist vorgebracht worden seien (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Vortrag sei aber auch nicht geeignet, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu entschuldigen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihrer Prozessbevollmächtigten die Einschaltung eines Vertreters oder die Beantragung einer Fristverlängerung nicht möglich gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Prozessbevollmächtigte daran gehindert gewesen sei, am Freitag, den 26. Oktober 2018 einen Vertreter zu erreichen, der für sie einen Fristverlängerungsantrag hätte stellen können. Soweit die Klägerin durch den Hinweis, ihre Prozessbevollmächtigte habe am 26. Oktober 2018 nicht im Büro erscheinen können, möglicherweise konkludent zum Ausdruck habe bringen wollen, ihre Prozessbevollmächtigte habe deshalb auch den drohenden Fristablauf nicht bemerken können, übersehe sie, dass es zu den Sorgfaltspflichten ihrer Prozessbevollmächtigten gehört habe, ihre Büroangestellte um Überprüfung der von ihr selbst notierten Fristen zu bitten.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt, weil die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht, das ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

a) Die Klägerin hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigte durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden.

aa) Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen. Tut er dies, so hat er allerdings durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auch in sonstiger Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf. Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte nicht zugleich zur Bearbeitung mit vorgelegt worden ist, so dass der Rechtsanwalt in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juni 2020 – VI ZB 63/19, z.V.b.; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 – XII ZB 709/13, NJW 2014, 3102 Rn. 12 mwN).

bb) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht erfüllt. Hätte sie bei Vorlage der Handakte zur Fertigung der am 27. September 2018 bei Gericht eingegangenen Berufungsschrift geprüft, ob die Berufungsbegründungsfrist richtig notiert worden ist, so hätte ihr auffallen müssen, dass die Frist zur Berufungsbegründung nicht eingetragen worden war.

b) Die Nichteinhaltung der unter a) dargestellten Sorgfaltspflichten ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht deshalb bedeutungslos, weil die Prozessbevollmächtigte der Klägerin – wie letztere mit Schriftsatz vom 23. Januar 2019 geltend gemacht hat – die Fristen selbst in ihrem Kalender notierte und überwachte. Dabei kann offenbleiben, ob dieser erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) gehaltene Vortrag prozessual berücksichtigungsfähig ist. Denn ihm lässt sich bereits nicht entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin an der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung kein Verschulden trifft.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt allgemeine vorausschauende Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt; er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Darüber hinaus muss der Rechtsanwalt, wenn er unvorhergesehen krank wird, alles zur Fristwahrung unternehmen, was ihm in der konkreten Situation möglich und zumutbar ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht mithin differenzierte Anforderungen einerseits für allgemeine vorausschauende Vorkehrungen für den Krankheitsfall und andererseits für konkrete Maßnahmen im bereits eingetretenen Krankheitsfall vor. Dabei sollen die allgemeinen Vorkehrungen und die konkreten Maßnahmen im Verhinderungsfall ineinandergreifen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. April 2019 – VI ZB 44/18, NJW-RR 2019, 1207 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 28. Mai 2020 – IX ZB 8/18, z.V.b., Rn. 10 ff. mwN).

bb) Die Klägerin hat nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigte diesen Sorgfaltsanforderungen genügt hat. ….“