Archiv der Kategorie: Verwaltungsrecht

Kostenerstattung aus einer Vergütungsvereinbarung?, oder: Erstattung nur der gesetzlichen VwGO-Gebühren

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Und als zweite Entscheidung dann der OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.10.2023 – 4 OA 39/23 – zur Erstattungsfähigkeit von aufgrund einer Vergütungsvereinbarung mit dem Rechtsanwalt anfallenden Kosten.

Der Kläger wollle im Kostenfestsetzungsverfahren erstreiten, dass ihm vom Beklagten über die für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen hinaus weitere Kosten erstattet werden, die auf einer Vergütungsvereinbarung beruhen. Damit hatte er beim OVG keinen Erfolg:

„Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen der Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. März 2023 die Festsetzung von weiteren dem Kläger vom Beklagten zu erstattenden Kosten zu Recht abgelehnt. Mit dem vorangegangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Oktober 2022 sind zugunsten des Klägers bereits (neben Aufwendungen für die Vorlage eines Privatgutachtens) für die anwaltliche Vertretung im Verwaltungsprozess die in Höhe der gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen entstandenen Kosten festgesetzt worden. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass darüber hinaus weitere, auf einer Vergütungsvereinbarung beruhende Kosten als erstattungsfähig festgesetzt werden. Denn auf der Grundlage von § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind stets nur die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts und die dort zitierte Rechtsprechung und Kommentarliteratur (vgl. nur: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.1.2023 – OVG 6 K 81/22 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Das Beschwerdevorbringen des Klägers führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage.

Ohne Erfolg macht der Kläger mit der Beschwerde geltend, dass nach dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO anders als nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die erstattungsfähigen Kosten nicht ausdrücklich auf die „gesetzlichen“ Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts beschränkt sind. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die fehlende Verwendung des Wortes „gesetzlich” vor den Worten „Gebühren und Auslagen” in § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO davon motiviert war, für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine von der gesetzlichen Vergütung abweichende höhere Honorarvereinbarung erstattungsfähig zu machen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die sprachliche Fassung des jetzigen § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erfolgt ist, weil die Hinzufügung des Wortes „gesetzlich” vor den Worten „Gebühren und Auslagen” entbehrlich und überflüssig erschien, da unter Gebühren und Auslagen ohnehin die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts zu verstehen ist. Diese Auslegung erscheint auch deshalb richtig, weil eine gegenteilige Gesetzesinterpretation zu einer Änderung des gesamten Gefüges der Kostenfestsetzung für den Rechtsanwalt führen würde, womit die Prüfung der Angemessenheit einer abweichenden höheren Honorarvereinbarung in das Kostenfestsetzungsverfahren verlagert würde. Hätte der Gesetzgeber eine so weitgehende Verschiedenheit der Kostenerstattung für die anwaltliche Vertretung im Verwaltungsprozess von derjenigen im Zivilprozess beabsichtigt, so hätte dies in § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO klarer zum Ausdruck kommen müssen (vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschl. v. 25.10.1968 – IV B 566/68 -, NJW 1969, 709 = BeckRS 1968, 105533). Für das gegenteilige Verständnis des Klägers finden sich zudem auch in der Entstehungsgeschichte des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine Anhaltspunkte (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung zu § 159 Abs. 2 Satz 1 VwGO-E, BT-Drs. III/55, S. 48).

Auch die Ausführungen des Klägers zur Erstattungsfähigkeit der notwendigen außergerichtlichen Kosten im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO und insbesondere zu den Grundsätzen, die sich für die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachten herausgebildet haben (vgl. dazu den Senatsbeschl. v. 19.1.2021 – 4 OA 203/20 -, juris), vermögen ein anderes Entscheidungsergebnis nicht begründen.

Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten neben den Gerichtskosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtverteidigung notwendigen Aufwendungen. Der damit vorgegebene Maßstab der Notwendigkeit für die Erstattung von außergerichtlichen Kosten wird durch die Vorschrift des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinsichtlich der Vertretung durch einen Rechtsanwalt allerdings konkretisiert. Es ist daher grundsätzlich entbehrlich, die Notwendigkeit der Zuziehung des Rechtsanwalts im Einzelfall zu prüfen; gleiches gilt auch für die Höhe der hierfür entstandenen Aufwendungen, soweit im Rahmen der Kostenerstattung die gesetzliche Rechtsanwaltsvergütung abgerechnet wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 6.3.2019 – 5 OA 23/19 -, juris Rn. 20 m.w.N.). Das spricht dafür, dass § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO als lex specialis einen Rückgriff auf § 162 Abs. 1 VwGO hinsichtlich von über die gesetzlichen Gebühren und Auslagen hinausgehenden Aufwendungen, die auf einer Vergütungsvereinbarung mit dem Rechtsanwalt beruhen, ausschließt (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 19.7.2013 – 3 ZB 08.2979 -, juris Rn. 12 m.w.N.).

Im Übrigen ergäbe sich aber auch bei einer ergänzenden Anwendung von § 162 Abs. 1 VwGO kein anderes Entscheidungsergebnis. Denn die dem Kläger über die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen hinaus entstandenen Kosten für die anwaltliche Vertretung wären dann jedenfalls nicht als notwendig für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung anzusehen.

Ob Kosten notwendig im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO sind, beurteilt sich danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage seine Interessen wahrgenommen hätte (vgl. Senatsbeschl. v. 19.1.2021 – 4 OA 203/20 -, juris Rn. 3). Die Beteiligten im Verwaltungsprozess unterliegen somit einer Kostenminimierungspflicht (vgl.BVerwG, Beschl. v. 4.7.2017 – 9 KSt 4.17 -, juris Rn. 2; Nds. OVG, Beschl. v. 6.3.2019 – 5 OA 23/19 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Wählt ein Beteiligter diesen Weg nicht, so wirkt er bei der Entstehung der darüber hinaus entstehenden Kosten mit und muss sie selbst tragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.11.1984 – 2 BvL 16/83 -, juris Rn. 39). Aufgrund dessen können über die gesetzlichen Gebühren und Auslagen hinaus weitere Aufwendungen für die Beauftragung eines Rechtsanwalts allenfalls dann als notwendig angesehen werden, wenn in Fällen, die besonders umfangreich oder schwierig sind oder spezielle Rechtskenntnisse verlangen, insbesondere bei einem geringen Streitwert die Gefahr bestünde, dass der Beteiligte ohne Abschluss einer Honorarvereinbarung keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt fände (vgl. dazu Bay. VGH, Beschl. v. 19.7.2013 – 3 ZB 08.2979 -, juris Rn. 12 m.w.N.).

Für einen solchen Ausnahmefall ist hier aber nichts ersichtlich. Dem Vorbringen des Klägers sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass es ihm aufgrund der Komplexität der naturschutzrechtlichen Angelegenheit trotz entsprechender Bemühungen nicht gelungen ist, einen geeigneten Rechtsanwalt zu finden, der bereit gewesen wäre, auf der Grundlage der gesetzlich vorgesehenen Vergütung das Mandat zu übernehmen.“

Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG, oder: Welche Zuwiderhandlungen werden berücksichtigt?

Und die zweite Entscheidung kommt mit dem OVG Sachsen, Beschl. v. 14.09.2023 – 6 B 113/23 – aus Sachsen.

Gekämpft wird um die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins. Das VG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt. Zur Begründung hatte es ausgeführt – und darum wird gestritten, „die Entziehung der Fahrerlaubnis finde ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG, weil für den Antragsteller an dem gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 5 StVG für die Punkteberechnung maßgeblichen Zeitpunkt acht Punkte im Fahreignungsregister eingetragen gewesen seien. Die Antragsgegnerin habe auch die beiden nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG vor der Entziehung der Fahrerlaubnis liegenden Stufen des Maßnahmesystems rechtsfehlerfrei gegenüber dem Antragsteller ergriffen. Dabei sei eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG nicht eingetreten. Nach dem Erreichen von fünf Punkten habe sie den Antragsteller mit Schreiben vom 20. Dezember 2021 nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG ermahnt. Nachdem dieser einen Punktestand von sieben Punkten erreicht habe, sei er von ihr mit Schreiben vom 5. April 2023 nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG verwarnt worden. Dem stehe nicht entgegen, dass er zu diesem Zeitpunkt rechnerisch bereits acht Punkte erreicht habe. Denn für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG seien nur die im Fahreignungsregister eingetragenen und der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahme nach § 4 Abs. 8 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Zuwiderhandlungen maßgeblich. Im Zeitpunkt der Verwarnung am 5. April 2023 habe die Antragsgegnerin keine vom Kraftfahrt-Bundesamt vermittelte Kenntnis davon gehabt, dass die beiden Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 3. und 20. September 2022 seit dem 24. März 2023 rechtkräftig geahndet worden seien. Auch aufgrund der Mitteilung seines Prozessbevollmächtigten vom 24. März 2023 habe der Antragsgegner keine Reduzierung des Punktestands durchführen müssen. Es entspräche einhelliger Auffassung der Rechtsprechung, dass die Fahrerlaubnisbehörde den erforderlichen Kenntnisstand nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG nur durch Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes, nicht durch Mitteilungen des Fahrerlaubnisinhabers oder anderer Privatpersonen erhalte. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 6. November 2020 – 6 B 269/20 –, juris Rn. 4 ff.).

Dazu dann der Leitsatz der OVG-Entscheidung, der das noch einmal bestätigt:

Die Fahrerlaubnisbehörde hat im Zusammenhang mit Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG grundsätzlich nur diejenigen Zuwiderhandlungen zu berücksichtigen, die ihr durch das Kraftfahrt-Bundesamt übermittelt worden sind, nicht sonstige, ihr aufgrund einer Selbstanzeige oder Rücknahme des Einspruchs des Fahrerlaubnisinhabers bekannten Verstöße.

„Verbrenner-Fahrzeug“ auf einem „E-Auto-Ladeplatz“, oder: Abschleppen erlaubt

Und dann zum Wochenschluß noch ein wenig Verkehrsverwaltungsrecht mit zwei verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen.

Hier zunächst das VG Düsseldorf, Urt. v. 19.09.2023 – 14 K 7479/22. Die Entscheidung, die im Übrigen zu „OWi“ gepasst hätte, befasst sich mit der Zulässigkeit des Abschleppens eines „Verbrenner-Fahrzeugs“ von einem „E-Auto-Ladeplatz“.

Folgender Sachverhalt liegt zugrunde: Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungs- und Gebührenbescheid nach einer Abschleppmaßnahme in Form einer Versetzung. Das Kraftrad des Klägers hatte im August 2022 auf einem Ladeplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge geparkt. Der Platz war mit einer Ladesäule ausgestattet sowie mit dem Zeichen 314 (Parken) und mit den Zusatzzeichen „auf dem Seitenstreifen“, „Symbol für elektrisch betriebene Fahrzeuge“ und „Parkscheibe 4 Stunden“ versehen. Eine Außendienstkraft der Beklagten beauftragte ein Abschleppfahrzeug. Der Fahrer des Abschleppfahrzeuges versetzte das Kraftrad auf den angrenzenden Bürgersteig. Die Beklagte hate mit einem Leistungs- und Gebührenbescheid den Kläger zu einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 84,00 EUR und den Kosten des Abschleppunternehmers in Höhe von 75,01 EUR, insgesamt 159,01 EUR in Anspruch genommen. Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg:

„Die Abschleppmaßnahme war hier rechtmäßig. Ob die hier in Rede stehende Abschleppmaßnahme als Sicherstellung gemäß § 24 Nr. 13 OBG NRW, § 46 Abs. 3, § 43 Nr. 1 PolG NRW oder als Ersatzvornahme einer Beseitigungsmaßnahme gemäß § 14 OBG NRW, § 55 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 59 VwVG NRW auf Grundlage der ordnungsrechtlichen Generalklausel anzusehen ist, kann dahinstehen,
vgl. OVG Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 28. November 2000 – 5 A 2625/00 -, Rn. 13, juris,

denn sie ist nach beiden Alternativen rechtmäßig.

Die in § 14 OBG NRW als Voraussetzung des ordnungsbehördlichen Einschreitens verlangte gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestand vorliegend. Als Gefahr im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne ist insbesondere der Verstoß gegen Rechtsnormen anzusehen. Der Kläger verstieß durch das Abstellen seines Kraftrades auf dem Ladeplatz, der durch das Aufstellen einer entsprechenden Beschilderung Elektrofahrzeugen während des Ladevorgangs vorbehalten ist, gegen § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO.

Hier war durch das Richtzeichen 314 (Parken) der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) nebst Zusatzzeichen Nr. 1008-66 (Elektrofahrzeug) und Zusatzzeichen Nr. 1040-32 (Parkscheibe mit Höchstparkdauer 4 Stunden) des Katalogs der Verkehrszeichen der StVO (VzKat StVO) der Parkplatz ausschließlich PKWs vorbehalten. Durch das einschränkende Zusatzzeichen wird das Richtzeichen 314 zum Verbotszeichen für die nicht berechtigten Fahrzeuge, vgl.: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., 2023, § 12 StVO, Rdnr. 57. Da der Parkplatz nach der Beschilderung lediglich Elektrofahrzeugen während der Dauer des Ladevorgangs für eine Zeit von höchstens 4 Stunden vorbehalten ist, wird ein Fahrzeug mit Verbrennermotor, das die Ladesäule nicht in Anspruch nimmt, so angesehen, dass es in einem absoluten Halteverbot stand.

Die Beklagte hat auch das ihr durch § 14 OBG eingeräumte Ermessen für die Entscheidung, ob die Gefahr durch Sicherstellung der Sache beseitigt werden soll, ordnungsgemäß ausgeübt.

Das Einschreiten des Außendienstmitarbeiters durch Beauftragung eines Abschleppwagens zur Versetzung des Kraftrades des Klägers war auch verhältnismäßig. Die Versetzung war geeignet und erforderlich, um den Verstoß gegen die Parkregelung zu beseitigen. Sie war unter Inanspruchnahme eines Abschleppunternehmens auch angemessen. Eine den Kläger weniger beeinträchtigende Maßnahme als die vorgenommene Versetzung kam nicht Betracht. Dabei wäre aus Sicht des Gerichts auch ein Verbringen auf das Betriebsgelände des Abschleppunternehmens rechtmäßig gewesen. Die interne Verwaltungspraxis der Beklagten, die ordnungswidrig geparkten Krafträder nicht durch die Außendienstmitarbeiter bewegen zu lassen, begegnet vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme keinen Bedenken, da es nicht darauf ankommen kann, ob der konkrete Außendienstmitarbeiter körperlich in der Lage ist, das in Rede stehende Fahrzeug zu bewegen oder nicht.

Die durch die Maßnahme für den Kläger entstehenden Unannehmlichkeiten und Kosten stehen zu dem bezweckten Ziel, den durch die Beschilderung ausschließlich für Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs freizuhaltenden Parkraum nicht längerfristig durch einen Unberechtigten blockieren zu lassen, nicht außer Verhältnis.

Nach der Rechtsprechung des zuständigen Senats des Oberverwaltungsgerichts Münster ist das Abschleppen eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn es allein der Beseitigung eines Rechtsverstoßes von nicht unerheblicher Dauer dient, ohne dass eine konkrete Verkehrsbehinderung vorgelegen haben muss,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1990 – 5 A 1687/89 -, NJW 1990, 2835 m.w.N..

Es kann aber letztlich dahingestellt bleiben, ob eine Abschleppmaßnahme auch dann angemessen ist, wenn der Zweck des Abschleppens allein in der Beseitigung des im verbotswidrigen Parken liegenden Rechtsverstoßes liegt, oder ob dies stets nur dann der Fall ist, wenn eine weitere Beeinträchtigung (etwa Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer, negative Vorbildwirkung gegenüber weiteren Kraftfahrern, Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche) hinzukommt.

So etwa OVG NRW, Urteil vom 29. September 1989 – 5 A 878/89 -; Urteil vom 15. Mai 1990 – 5 A 1687/89 -, NJW 1990, 2835 ff.; BVerwG, Urteil vom 14. Mai1992 – 3 C 3/90 -, NJW 1993, 870; Beschluss vom 18. Februar.2002 – 3 B 149/01 -, DVBl. 2002, 1560, 1561.

Denn das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Fahrzeuges steht jedenfalls dann mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang, wenn mit dem verkehrswidrigen Parken eine Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche verbunden ist.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2002 – 3 B 149.01 -, Rn. 4, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 5 A 2802/11 -, Rn. 3 ff., juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 22. September 2022 – 14 K 8443/19; VG Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 14 K 6792/13 – juris.

Auf das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung kommt es dabei nicht an.
Vgl. VG Aachen, Urteil vom 23. Februar 2007 – 6 K 78/07 -, Rn. 21, juris.

Von einer derartigen Funktionsbeeinträchtigung ist beim Abstellen eines Fahrzeuges mit Verbrennermotor im Bereich einer Ladestation für Elektrofahrzeuge regelmäßig auszugehen, sodass es keiner Überprüfung bedarf, ob der Kläger durch das verbotswidrige Abstellen konkret ein bevorrechtigtes Elektrofahrzeug am Parken und Laden gehindert hat. Die parkbevorrechtigten Benutzerkreise sollen nach der gesetzgeberischen Wertung darauf vertrauen dürfen, dass der gekennzeichnete Parkraum ihnen unbedingt zur Verfügung steht. Den Verkehrsordnungsbehörden kann nicht die Pflicht auferlegt werden, den Bedarf an freizuhaltenden Parkplätzen fortlaufend zu überprüfen und hiervon ein Einschreiten abhängig zu machen. Die Funktionen der Parkplätze an Ladesäulen für Elektrofahrzeuge wird nur dann gewährleistet, wenn sie jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten werden,
vgl. VG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 25. Mai 2018 – 2 K 7476/17 – juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Januar 2020 – 17 K 4015/18 – juris.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in Kürze zu seinem Fahrzeug zurückkehren würde und dass ein Abschleppvorgang daher unverhältnismäßig sein könnte, lagen nicht vor.

Gleichermaßen ist das Abschleppen aus spezial- und generalpräventiven Zwecken gerechtfertigt, da von einem an einer Elektrotankstelle abgestellten Fahrzeug mit Verbrennermotor, eine negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer ausgeht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Regelungen im Elektromobilitätsgesetz deutlich gemacht hat, dass er der Bevorrechtigung von Elektrofahrzeugen im allgemeinen und unter anderem dem bevorzugten Parken auf öffentlichen Straßen und Wegen im Besonderen eine hohe Bedeutung beimisst. Eine gegenteilige Bewertung steht dem Verkehrsteilnehmer nicht zu,
vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Januar 2020 – 17 K 4015/18 – juris.

Nach alledem ist die erfolgte Abschleppmaßnahme rechtlich nicht zu beanstanden.“

Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG II, oder: „Tolle“ Angaben nach Drogenfahrt mit einem E-Scooter

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Wer unter Cannabiseinfluss mit einem E-Scooter im öffentlichen Straßenverkehr fährt (§ 316 StGB), muss mit dem Entzug der Fahrerlaubnis rechnen durch das Straßenverkehrsamt rechnen. So hat das VG Berlin in einem Eilverfahren im VG Berlin, Beschl. v. 17.07.2023 –  VG 11 L 184/23) entschieden.

Das Straßenverkehrsamt hatte einem Betroffenen aufgegeben, binnen drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung einzureichen. Begründet worden ist das mit einer Fahrt mit einem E-Scooter, bei der der Betroffene nach Fahrauffälligkeiten angehalten und ihm eine Blutprobe entnommen worden war. Die wies einen THC-Wert von 4,4 ng/ml auf. Gegenüber den anhaltenden Polizisten äußerte der Antragsteller, jeden Tag Cannabis zu konsumieren und jeden Tag Auto zu fahren; dies stellte er im Nachhinein als nicht ernst gemeint dar. Als der Betroffene auf die Anforderung des Gutachtens nicht reagierte, ist ihm mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis entzogen. Dagegen der Eilantrag, der keinen Erfolg hatte:

„….

(2) Die Gutachtenanordnung ist auch materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechts-grundlage in § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Hintergrund der Gutachtenanordnung ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter einer fahrsicherheitsrelevanten Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel nicht ohne weitere Sachaufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen darf. Erforderlich für die Fahrerlaubnisentziehung ist in solchen Fällen die Prognose, dass der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird. Damit diese Prognose auf eine hinreichend abgesicherte Grundlage gestützt werden kann, bedarf es in der Regel eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, über dessen Einholung die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat (BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 10). Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen gelegentlichen Konsumenten von Cannabis. Gelegentlicher Konsum liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3/13 –, juris Rn. 17 ff.). Die eigenen Angaben des Klägers legen hier einen solchen Gelegenheitskonsum nahe. Weder im Rahmen der polizeilichen Anhörung noch im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren hat der Antragsteller einen erstmaligen Konsum behauptet. Nach den unwidersprochenen Feststellungen im polizeilichen Tätigkeitsbericht vom 11. Juli 2022 gab der Antragsteller vielmehr gegenüber der Polizei an, dass er „jeden Tag rauche“, wobei er dem Kontext nach den Konsum von Cannabis gemeint hat. Hieraus kann auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum geschlossen werden. Im Anschluss stellte er seine Aussage laut Polizeibericht zwar als Witz dar. Er widersprach indes seiner vorherigen Angabe auch nicht ernsthaft und muss sich vor diesem Hintergrund an dieser festhalten lassen.

Bei der Teilnahme am Straßenverkehr – wenn auch mit einem Elektrokleinstfahrzeug – unter Cannabiseinfluss am 11. Juli 2022 handelt es sich um eine weitere Tatsache, die Zweifel an der Fahreignung begründet.

Denn auch ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Tatsache, die Bedenken gegen die Fahreignung begründet und nach § 46 Abs. 3 FeV zur Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV, namentlich des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, führt (BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 – BVerwG 3 C 14.17 –, juris Rn. 37). Dabei ist auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug das Trennungsgebot zu beachten. Auch solche Elektro-kleinstfahrzeuge wie etwa E-Scooter sind – ungeachtet des Umstands, dass sie fahrerlaubnisfrei geführt werden dürfen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a FeV) – Kraftfahrzeuge, wenn sie die in § 1 der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV) vom 6. Juni 2019 (BGBl I S. 756), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Für sie gilt daher – bezogen auf Cannabis – der Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG und damit auch das Trennungsgebot gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV (BayVGH, Beschluss vom 15. März 2023 – VGH 11 CS 23.59 –, juris Rn. 15).

Die Grenze hinnehmbaren Cannabiskonsums ist nicht erst dann überschritten, wenn mit Gewissheit eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzunehmen ist oder sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht haben, sondern bereits dann, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3.13 –, juris Rn. 32 ff). Dabei fehlt schon – jedenfalls bei einem Pkw – ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml die Fahrtüchtigkeit (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2016 – 1 B 37.14 –, juris Rn. 18). Diesen Wert hat der Antragsteller überschritten, weil er ein Elektrokleinstfahrzeug geführt hat und bei ihm eine THC-Konzentration von 4,4 ng/ml festgestellt wurde. Zweifel an der Richtigkeit des Behördengutachtens des Landeskriminalamtes vom 3. August 2022 sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Zwar führte der Antragsteller bei dem dokumentierten Vorfall ein Elektrokleinstfahrzeug und nicht etwa einen Pkw. Hinzu tritt indes, dass ausweislich des vorliegenden Polizeiberichtes seine Fahrweise auf eine signifikante Beeinträchtigung seiner Fahr-tüchtigkeit hindeutete und er die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Eigentum an den in der betreffenden Straße abgestellten Fahrzeugen gefährdete, da er Schlangenlinien fuhr und mehrfach nah an geparkte Kfz geriet. Bei seiner Befragung durch die Polizei gab er zudem an, täglich sowohl Cannabis zu konsumieren als auch mit dem Auto zu fahren. Er räumte also selbst einen regelmäßigen Verstoß gegen das Trennungsgebot auch beim Autofahren ein.“

Ist natürlich „begnadet“ und wird jeden Rechtsanwalt freuen, wenn der Mandant gegenüber der Polizei nach einem Vorfall im Straßenverkehr igeäußert hat, „dass er „jeden Tag rauche“, wobei er dem Kontext nach den Konsum von Cannabis gemeint hat„. Traumhaft/toll 🙂 .

 

Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG I, oder: Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad/Pedelec

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Vergebens hat ein Betroffener in einem jetzt vom BayVGH entschiedenen Fall gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 3 StVG gekämpft. Das Landratsamt hatte die Entziehung damit begründet, dass der Betroffene mit seinem Pedelec gestürzt und dabei erheblich verletzt worden sei. Es sei eine BAK von 2,08 ‰ festgestellt worden. Der Betroffene hatte sich damit verteidigt, das Fahrrad nur geschoben zu haben.

Das hat ihm nicht geholfen. Der BayVGH hat im BayVGH, Beschl. v. 07.09.2023 – 11 CS 23.1298 – den VG-Beschluss betreffend die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins bestätigt:

„Gemessen daran begegnen die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere durfte das Landratsamt davon ausgehen, dass der Antragsteller das Fahrrad (Pedelec) am 26. Mai 2022 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,08 ‰ nicht nur geschoben hat, sondern dass er damit gefahren ist und es somit geführt hat.

a) Der Begriff des „Führens“ eines Fahrzeugs im Sinne von 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV deckt sich mit dem des § 316 StGB und § 24a StVG (Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 13 FeV Rn. 23d). Wer auf einem rollenden Fahrrad sitzt, führt es (BayVGH, B. v.. 17.11.2014 – 11 ZB 14.1755NJW 2015, 1626 Ls. und Rn. 16 ff.). Die Länge der gefahrenen Strecke ist unerheblich (vgl. BayVGH, B. v.. 15.3.2021 – 11 CS 20.2867 – DAR 2021, 647 Rn. 15; B. v.. 5.2.2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 27). Das Schieben eines Fahrrads erfüllt hingegen nicht den Begriff des „Führens“.

Es muss mit hinreichender Gewissheit feststehen, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt hat (vgl. BVerwG, U. v.. 7.4.2022 – 3 C 9.21BVerwGE 175, 206 Rn. 38 für wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss als Voraussetzung für eine Beibringungsanordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV). Allerdings ist hierfür eine Ahndung als Straftat nach § 316 StGB nicht zwingend. Vielmehr ist die Fahrerlaubnisbehörde – soweit sie keinen Beschränkungen nach dem Abweichungsverbot des § 3 Abs. 4 StVG unterliegt – befugt, die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV eigenständig und unabhängig davon zu beurteilen, ob die Tat geahndet wurde oder nicht. Wesentlich für die Auslegung der in § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es bei § 13 FeV noch nicht unmittelbar um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht, sondern um die dieser Entscheidung vorgelagerte Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens dient der Vorbereitung der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen. Gleiches gilt gemäß § 46 Abs. 3 FeV im Vorfeld der Entscheidung über eine Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis. Damit steht § 13 FeV in einem anderen systematischen Kontext als die Vorschriften in § 4 StVG zum Fahreignungs-Bewertungssystem, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG für Maßnahmen eine rechtskräftige Ahndung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit voraussetzen. Eine solche Anknüpfung an die rechtskräftige Ahndung enthält § 13 FeV aber gerade nicht. Das bedeutet allerdings mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und die mit einer medizinisch-psychologischen Begutachtung für den Betroffenen verbundenen Belastungen nicht, dass bereits ein vager Verdacht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigt. Vielmehr müssen die von der Fahrerlaubnisbehörde herangezogenen Umstände in den Verfahrensakten hinreichend dokumentiert sein (vgl. BVerwG, U. v.. 7.4.2022 a.a.O. Rn. 30-39).

b) Hiervon ausgehend hat das Landratsamt zu Recht angenommen, dass der Antragsteller mit dem Pedelec gefahren und dabei gestürzt ist. Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass es keine ihn belastenden Aussagen von Zeugen gibt, die ihn fahrend gesehen hätten. Jedoch sprechen nach Aktenlage die überwiegenden und hinreichend dokumentierten Umstände für eine Trunkenheitsfahrt.

Dem Polizeiprotokoll, mit dem die Polizeiinspektion Bad Kissingen das Landratsamt gemäß § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG über das Unfallgeschehen am 26. Mai 2022 informiert hat und auf das sich das Landratsamt ebenso wie das Verwaltungsgericht stützen konnte (vgl. BayVGH, B. v.. 15.3.2021 a.a.O. Rn. 18), ist zu entnehmen, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers bei ihrer ersten Befragung spontan geäußert hat, der Antragsteller sei „beim Fahren falsch abgebogen bzw. habe den Graben übersehen“. Der befragte Rettungssanitäter bestätigte, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers ihm gegenüber zuvor ebenfalls geäußert habe, der Antragsteller sei falsch abgebogen. Diesen spontanen Äußerungen kommt trotz der Alkoholisierung der Lebensgefährtin des Antragstellers erhebliches Gewicht zu. Erst zu einem späteren Zeitpunkt hat sie ihre Aussage dahingehend relativiert, sie habe nicht sehen können und wisse daher nicht, was der Antragsteller gemacht habe. Damit hat sie jedenfalls auch nicht dessen Einlassung bestätigt, das Fahrrad nur geschoben zu haben.

Das Verhalten des Antragstellers im Strafverfahren spricht ebenfalls dafür, dass er mit dem Fahrrad gefahren ist. Nach seinem Einspruch gegen den zunächst erlassenen Strafbefehl vom 13. September 2022 wegen einer Trunkenheitsfahrt hat das Amtsgericht Bad Kissingen das Verfahren mit Beschluss vom 18. November 2022 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Voraussetzung hierfür ist zum einen die Zustimmung des Antragstellers als Angeschuldigter und zum anderen muss die Schuld des Täters als gering anzusehen sein, was nur der Fall ist, wenn ein Tatnachweis möglich ist. Dies hat das Amtsgericht dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es in den Gründen ausgeführt hat, der Antragsteller sei hinreichend verdächtig, ein Vergehen nach § 316 StGB begangen zu haben. Ansonsten hätte es das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einstellen bzw. den Antragsteller freisprechen müssen. Ein Schuldspruch setzt den entsprechenden Tatnachweis voraus; verbleiben Zweifel, gilt ‚in dubio pro reo‘. Das Amtsgericht Bad Kissingen hat den Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 9. November 2022 darauf hingewiesen, dass eine Einstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis des Antragstellers möglich ist und dass dieser dann die notwendigen eigenen Auslagen selbst trägt. Wäre der Antragsteller der Auffassung gewesen, der Tatnachweis könne nicht geführt werden, hätte er seine Zustimmung verweigern können, um im Strafverfahren einen Freispruch zu erreichen. Die Darstellung seines Bevollmächtigten, die Vorgehensweise des Amtsgerichts Bad Kissingen sei das „übliche Vorgehen“ der Gerichte als „Flucht“ zur Vermeidung von Rechtsanwaltsgebühren, überzeugt daher nicht.

Dass das Fahrrad keine Beschädigungen aufweist, spricht ebenfalls nicht für die Behauptung des Antragstellers, nicht gefahren zu sein. Wenn der Antragsteller beim Sturz mit seinem Kopf auf einen Stein im Grasgelände aufschlägt, muss das Fahrrad dabei nicht zwingend beschädigt werden. Dieser Umstand kann daher weder für noch gegen die Einlassung des Antragstellers angeführt werden. Gleiches gilt im Übrigen für die Schwere der Kopfverletzung des Antragstellers, der bei dem Unfall keinen Helm getragen hat…..“