Archiv der Kategorie: Beweiswürdigung

DNA-Spur im Urteil, oder: Auch „Antanzen“ spricht für Täterschaft

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Aus dem Bereich „fehlerhafte Beweiswürdigung“ stammte das LG Berlin-Urteil, das dann zum BGH, Beschl.  v. 11.07.2017 – 5 StR 172/17 – geführt hat. Der Angeklagte ist u.a. wegen Raubes  verurteilt worden. Der BGH beanstandet die Beweiswürdigung, die u.a. auf die Art der Tatbegehung durch den Angeklagten – sog. Antanzen – und auf eine DNA-Untersuchung gestützt war als fehlerhaft/lückenhaft:

„Der Schuldspruch im Fall II.15 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, da ihm keine sie tragende rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrunde liegt.

Das Tatgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Ange-klagten auf eine Gesamtwürdigung der mit seinem tatsächlichen Erscheinungsbild übereinstimmende Täterbeschreibung des Geschädigten, die auch in den übrigen festgestellten Fällen typische Art und Weise der Tatbegehung durch Kontaktaufnahme und unmittelbare körperliche Nähe (sog. Antanzen) sowie „insbesondere“ auf die Übereinstimmung der DNA des Angeklagten mit der auf einem am Tatort sichergestellten, vom Täter zuvor verlorenen Ohrhörer gesi-cherten DNA gestützt. Dabei hat es die Wahrscheinlichkeit nicht angegeben, mit der dem Angeklagten die gesicherte DNA-Spur zugeordnet werden kann. Über deren Qualität wird ebenfalls nichts mitgeteilt. Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Darstellung des Ergebnisses einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung gestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 mwN).

Ob die Begehungsweise der Taten des Angeklagten und die vom Geschädigten gegebene Täterbeschreibung charakteristisch genug sind, um die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zu tragen, kann dahin stehen. Denn jedenfalls hat das Tatgericht sich maßgeblich auf die Übereinstimmung der DNA gestützt.“

Hinsichtlich der Anforderungen zur DNA-Spur/-Untersuchung im Urteil nichts wesentlich Neues. Zu den Anforderungen hat der BGH in der letzten Zeit immer wieder Stellung genommen, besser: Stellung nehmen müssen. Was der BGH da lesen möchte, sollte sich allmählich herumgesprochen haben.

In dem die molekulatgenetische Reihenuntersuchung betreffenden § 81e StPO hatten wir übrigens gerade durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ v. 17.08.2017 im BGBl. verkündet worden (vgl. hier: BGBl I. S. 3202).  Dazu Näheres in meinem Ebook.

Grundkurs, oder: Wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist….

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Ein „schönes“ (?) Beispiel dafür, wie man Beweiswürdigung nicht macht, ist das Urteil des LG Hamburg, dass dem BGH, Beschl. v. 31.05.2017 – 5 StR 149/17 – zugrunde gelegen hat. Die Strafkammer hat den Angeklagten u.a. wegen sexueller Nötigung verurteilt. Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 05.12.. 2015 mit einer U-Bahn, die auch die auf ihrem Heimweg befindliche Nebenklägerin bestieg. Der Angeklagte entschloss sich, sie zu verfolgen, um an geeigneter Stelle an ihr sexuelle Handlungen auch gewaltsam zu vollziehen. Als die Nebenklägerin die U-Bahn verließ, folgte er ihr auf ihrem weiteren Nachhauseweg. Er sprach sie mit der Frage an, ob sie ihn mitnehme, und ließ sich auch durch ihre ablehnende Antwort nicht von seinem Vorhaben abbringen. Um den weiter hinter ihr herlaufenden Angeklagten zur Aufgabe seiner Verfolgung zu bewegen, drehte sich die Nebenklägerin, als er sich direkt hinter ihr befand, zu ihm um, schrie ihn an und schlug mit ihrer Handtasche in seine Richtung, ohne ihn zu treffen. In Umsetzung seines Tatplans drängte der Angeklagte die Nebenklägerin nunmehr gegen eine Mauer, griff ihr in das Gesicht und erklärte, er wolle sie „ficken“. Er fasste ihr unter dem Rock zwischen die Beine und versuchte, mit der Hand unter ihrer Strumpfhose in den Scheidenbereich zu gelangen. Durch ihre Hilfeschreie auf die Tat aufmerksam geworden öffnete ein Anwohner ein Fenster und veranlasste mit seinem Ausruf „Polizei“ den Angeklagten zur Flucht.

Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten, der sich dahin eingelassen hat, keine Erinnerung an einen solchen Vorfall zu haben, aufgrund einer Gesamtschau folgender Umstände überzeugt:

Als „gewichtiges Indiz“ sieht es das Landgericht vor allem an, dass an bestimmten Stellen der Strumpfhose der Nebenklägerin Mischspuren mit Merkmalen gefunden worden seien, für deren Verursachung der Angeklagte in Betracht komme. Nach Erläuterung des Sachverständigen sei die Übereinstimmung des DNA-Identifizierungsmusters der Spuren mit dem des Angeklagten so groß, dass weltweit – wenn überhaupt – diese Spuren nur wenigen Personen zugeordnet werden könnten. Die mögliche Zuordnung der Spuren zu anderen Personen sei eher theoretischer Natur.

Das Landgericht hält weiter den in Augenschein genommenen Angeklag-ten für identisch mit der Person, die von den Videoaufzeichnungen in der U-Bahn erfasst und darauf von der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren als Täter identifiziert worden sei. Die äußere Erscheinungsform (Größe), Kopfform und Gesicht stimmten überein. Das auf den Videoaufnahmen erkennbare Ge-sicht entspreche auch dem auf den Fotos aus der letzten erkennungsdienstli-chen Behandlung des Angeklagten. Demgegenüber habe dessen Wiederer-kennung durch die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung nur geringes Ge-wicht.

Als weiteres Indiz wertet das Landgericht, dass eine bei Festnahme des Angeklagten am 30. Dezember 2015 sichergestellte schwarze wollene Schirmmütze und eine schwarze Jacke „vom Erscheinungsbild her“ identisch seien mit der Mütze und der Jacke, die von der auf den Videoaufzeichnungen abgebildeten Person getragen worden seien; auch habe der Täter nach den Angaben der Nebenklägerin und der beiden seine Flucht beobachtenden Anwohner eine schwarze Mütze getragen. Schließlich decke sich das Tatbild mit jenem mehre-rer nächtlicher Überfälle auf ihm unbekannte Frauen in den Jahren 2006 und 2007, die den Gegenstand einer Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe bildeten.“

Der BGH meint: Lückenhaft, denn

a) Dies gilt zunächst für die Heranziehung der DNA-Spuren auf der Strumpfhose der Nebenklägerin.
Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfah-rungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberech-nung ist nach bisheriger Rechtsprechung in der Regel zumindest erforderlich, dass das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und in-wieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben ha-ben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 mwN).

Hier hat das Landgericht mit seiner pauschalen Verweisung auf ein DNA-Gutachten des Landeskriminalamts und mit der Wiedergabe allgemein gehaltener Ausführungen des Sachverständigen nicht nur davon abgesehen, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Gutachtens im Urteil anzugeben, sondern nicht einmal als Ergebnis der Analyse den Seltenheitswert der Spuren mitgeteilt, aus denen sich ableiten ließe, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger anzusehen ist.

b) Auch beschränkt sich das Landgericht darauf, zu seiner Überzeugung von der Identität des Angeklagten mit der Person, die von den Videoaufzeichnungen in der U-Bahn erfasst wurde, das Ergebnis seiner vergleichenden Betrachtung pauschal mitzuteilen, ohne dies anhand von Einzelmerkmalen des äußeren Erscheinungsbildes wie etwa der konkreten Körpergröße oder Kopfform zu belegen. In diesem Zusammenhang mag dahinstehen, ob es hier für eine wirksame Verweisung auf Abbildungen gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (vgl. zu den Anforderungen BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 – 3 StR 425/15, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 267 Rn. 8 mwN), die ohnehin nur „wegen der Einzelheiten“ erlaubt ist, schon genügt, dass zu einem Standbild aus der Videoaufzeichnung lediglich zwei Fundstellen in der Akte angegeben werden verbunden mit dem Hinweis auf eine Inaugenscheinnahme durch die Strafkammer (UA S. 33). Jedenfalls hat sich das Landgericht nicht mit der Ergiebigkeit des Bildes und seiner Eignung als Grundlage einer Identifizierung auseinandergesetzt, an deren Begründung umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je schlechter die Bildqualität ist (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 384).

Ebenso wenig wird für den Umstand, dass die Nebenklägerin tatzeitnah auf dem betreffenden Standbild aus der Videoaufzeichnung eine bestimmte Person als Täter wiedererkannt hat (UA S. 30 f.), mitgeteilt, ob und gegebenen-falls an welche bestimmten individuellen Identifizierungsmerkmale sie ihr Wie-dererkennen geknüpft hat. Insofern könnte zudem von Bedeutung sein, ob die Zeugin zuvor schon eine auf diese Person und damit den Angeklagten zutref-fende Täterbeschreibung abgegeben hatte.“

Irgendwie ein kleiner Grundkurs, oder?

Beweiswürdigung II, oder: Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen und Aussagekonstanz

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Über den OLG Celle, Beschl. v. 09.03. 2017 – 2 Ss 23/17 – habe ich schon berichtet, und zwar zunächst unter: Angeklagter: „bin dann mal nebenan…“, oder: Wer nicht im Sitzungssaal ist, ist nicht anwesend. Der Beschluss war dann noch einmal Gegenstand eines Postings, und zwar hier: Strafzumessung III: Zeitablauf, oder: Wenn die Vorverurteilung bereits 13 Jahre zurück liegt. Heute greife ich ihn dann nochmals – „aller guten Dinge sind drei“ – auf. Denn auch die dritte vom OLG entschiedene Frage ist m.E. einen Bericht wert.

Es geht um die Anforderungen an die Darstellung/Ausführungen der/zur Beweiswürdigung im Urteil (zur ersten heutigen „Beweiswürdigungsentscheidung“Beweiswürdigung I: Was ist „grobe Inkonstanz“ bei (213) sexuellen Übergriffen?). Dazu sagt das OLG Celle in seinem (amtlichen) Leitsatz:

„Stützt das Gericht seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen trotz des Vorliegens von Besonderheiten, wie z.B. angenommener Belastungstendenzen, Erinnerungslücken oder abweichender Angaben im Randgeschehen, maßgeblich auf die Konstanz seiner Aussagen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung, muss es dessen Angaben in den Urteilsgründen mitteilen, damit dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Konstanzanalyse möglich ist.“

Und dazu in den Gründen dann u.a.:

„Darüber hinaus erweist sich die vom Landgericht vorgenommene Würdigung der Aussagen der Zeuginnen D. O. und A. Ob. als rechtsfehlerhaft.

Die Notwendigkeit und der Umfang der Wiedergabe von Zeugenaussagen und die Auseinandersetzung mit ihnen bestimmt sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (vgl BGH NStZ-RR 2000, 293; 2009, 183). Falls ein Zeuge mehrfach vernommen, ggf. zudem von einem Sachverständigen exploriert worden ist, ist ein Aussagevergleich im Hinblick auf Übereinstimmungen, Widersprüche, Ergänzungen und Auslassungen vorzunehmen. Dieser ist in den Urteilsgründen nur so weit darzustellen, wie es nötig ist, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung des erzielten Ergebnisses zu ermöglichen (Sander in: Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl. 2012, § 261, Rn. 81d). Stützt das Gericht seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen trotz des Vorliegens von Besonderheiten, wie z.B. angenommener Belastungstendenzen, Erinnerungslücken oder abweichender Angaben im Randgeschehen maßgeblich auf die Konstanz seiner Aussagen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung, muss es dessen Angaben in den Urteilsgründen mitteilen, damit dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Konstanzanalyse möglich ist (BGH, Beschluss vom 04. Juli 2007 – 2 StR 258/07 –, juris; Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 267, Rn. 64).

Vorliegend hat die Kammer herausgestellt, dass sich die Nebenklägerin aufgrund des lange zurückliegenden Vorfalles nur noch im Kerngeschehen an den Vorfall habe erinnern können. Aufgrund der Erinnerungslücken hinsichtlich des Randgeschehens war mithin nach den dargestellten Grundsätzen eine zusammenfassende Schilderung des Inhaltes ihrer Angaben unerlässlich. Die Wertung der Kammer, die Angaben der Nebenklägerin im Kerngeschehen seien über die verschiedenen Aussagen, sowohl bei der Polizei, als auch bei der erstinstanzlichen Verhandlung und in der Berufungshauptverhandlung konstant gewesen (UA S. 4, 6), findet in den Urteilsgründen jedoch schon deshalb keine Stütze, weil der Inhalt der verschiedenen Vernehmungen nicht mitgeteilt wird. Selbiges gilt für die von der Jugendkammer zumindest im Kerngeschehen angenommenen Aussagekonstanz der Angaben der Zeugin A. Ob.; auch insoweit ist dem Senat mangels Mitteilung des Aussageinhaltes eine Überprüfung der getroffenen Konstanzanalyse verwehrt. Letztere wäre insbesondere auch vor dem Hintergrund der von der Jugendkammer mitgeteilten, aber nicht näher definierten Belastungstendenzen der Zeugin A. Ob. erforderlich gewesen.

Soweit das Landgericht darüber hinaus die „weiteren Ermittlungsansätze“, die sich aus den Angaben der beiden Zeuginnen ergeben haben sollen, als Realitätskriterium wertet, ist dem Senat eine Überprüfung ebenfalls verwehrt, da sich das Urteil nicht dazu verhält, welche weiteren Ermittlungsansätze sich aus den Angaben der beiden Zeuginnen ergeben haben sollen.“

Manchmal klappt es dann eben doch auch mit Angriffen des Verteidigers gegen die Beweiswürdigung.

Beweiswürdigung I: Was ist „grobe Inkonstanz“ bei (213) sexuellen Übergriffen?

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Nach dem Schmankerl des OLG Karlsruhe (Genervtes OLG, oder: Die Berichterstatterin ist nicht Mädchen für alles) dann heute noch zwei Entscheidungen, die sich mit Beweiswürdigungsfragen beafssen. Zunächst weise ich auf das schon etwas ältere BGH, Urt. v. 06.12.2016 – 5 StR 179/16 – hin. Das LG hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung seiner Ehefrau verurteilt. Es hat ihn hingegen vom Vorwurf, 213 Sexualdelikte zum Nachteil seiner Stieftochter begangen zu haben, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die beim BGH Erfolg hatte.

Das LG hatte sich von den „dem Angeklagten angelasteten sexuellen Übergriffen zum Nachteil seiner Stieftochter nicht zu überzeugen vermocht, weil alle von der Nebenklägerin „geschilderten Einzeltaten vor dem Hintergrund ihrer kognitiven Kompetenzen im zentralen Kern nicht hinreichend detailliert und konstant“ seien, „um den Erlebnisbezug positiv belegen zu können“ (UA S. 42 und S. 51). Ihre Angaben seien „nicht hinreichend qualitätsreich, um die Annahme einer Falschaussage, aus welcher Quelle auch immer gespeist, mit hinreichender Sicherheit zurückweisen zu können. Darüber hinaus ließen sich im Rahmen der Analyse der Entstehungsgeschichte bedeutsame Fehlerquellen für das Wirken aussageverfälschender Prozesse identifizieren, die geeignet seien, die Zuverlässigkeit der Aussage der Nebenklägerin bedeutsam einzuschränken“ (UA S. 37).“

Der BGH sieht eine Lücke in der landgerichtlichen Beweiswürdigung:

b) Das angefochtene Urteil weist bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin eine maßgebliche Lücke auf.

Das Landgericht hat hinsichtlich des Vorwurfs betreffend den 22. Febru-ar 2004 (Fall 1) rechtsfehlerhaft nicht in seine Überlegungen eingestellt, dass die Mutter der Nebenklägerin deren Angaben im Wesentlichen bestätigt hat. Es hat vielmehr lediglich darauf verwiesen, dass die Zeugin eine sexuelle Handlung des Angeklagten an der Nebenklägerin nicht gesehen hat. Dabei lässt die Strafkammer außer Betracht, dass die Zeugin bekundet hat, dass sie – als sie ins Schlafzimmer gekommen sei – ihre Tochter nicht gesehen habe. Der Angeklagte habe im Bett gelegen und geschlafen, sie habe die Decke hochgehoben und gesehen, dass die Unterhose des Angeklagten heruntergezogen gewesen sei. Ihre Tochter habe mit dem Kopf neben seinem Penis gelegen (UA S. 31). Der Umstand, dass die Mutter der Nebenklägerin ihre Tochter „lediglich neben dem entblößten Penis hat liegen sehen, und nicht gesehen hat, dass sie den Penis des Angeklagten auch im Mund hatte“ (UA S. 43) ist nicht geeignet, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zu begründen. Das Landgericht lässt insoweit unberücksichtigt, dass die Nebenklägerin, nachdem sie von ihrer Mutter zum Verlassen des Schlafzimmers aufgefordert worden war, durchaus der Meinung gewesen sein könnte, ihre Mutter habe diesen Teil des Kerngeschehens noch mitbekommen. Im Übrigen stellt allein die Beobachtung der Mutter bei lebensnaher Betrachtung ein schwerwiegendes Indiz dafür dar, dass es zuvor zu einem sexuellen Übergriff auf die Nebenklägerin gekommen ist.

c) Soweit das Landgericht die Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen wegen teilweise unterschiedlicher Schilderungen des Vorwurfs im Ermittlungsverfahren, bei der Exploration durch den Sachverständigen und in der Hauptverhandlung als inkonstant und deshalb nicht hinreichend zuverlässig angesehen hat (UA S. 42), lässt dies besorgen, dass das Landgericht verkannt hat, dass nicht jede Inkonstanz einen Hinweis auf mangelnde Glaubhaftigkeit insgesamt begründet. Vielmehr können Gedächtnisunsicherheiten eine hinrei-chende Erklärung für festgestellte Abweichungen darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Dies gilt umso mehr angesichts des langen Zeitraums zwischen der Tat und den einzelnen Befragungen der zur Tatzeit 7-jährigen Nebenklägerin.

Entgegen der Wertung des Landgerichts ist es auch nicht als „grobe“ Inkonstanz anzusehen, dass die Nebenklägerin einerseits bei ihrer polizeilichen Vernehmung die Frage, ob der Angeklagte ihren Kopf unter die Decke gedrückt habe, ausdrücklich verneint, andererseits gegenüber dem Sachverständigen und in der Hauptverhandlung bekundet hat, dass der Angeklagte ihren Kopf zu seinem Penis gedrückt habe. Gleiches gilt für ihre Aussage, dass sie den Penis des Angeklagten in den Mund genommen und daran gelutscht habe (polizeiliche Vernehmung), sie den Penis lediglich in den Mund genommen habe (Exploration) bzw. daran habe lutschen sollen (Hauptverhandlung).

Mobiltelefon im Straßenverkehr, oder: Was haben die Polizeibeamten gesehen/wofür kann man die „Gewähr“ übernehmen?

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Egal, welche Änderung des Mobilfunkparagrafen – wann (?) – kommt (vgl. Mobilfunkparagraf III, oder: Dobrindtscher Irrsinn passiert nicht den Bundesrat – Entwarnung?: Es wird weiterhin das Problem mit und die Probleme in der Beweiswürdigung geben, über die die Kollegen derzeit immer wieder klagen. Dass es nämlich ohne Bedeutung ist, wenn die Polizeibeamten längere Zeit nach dem potentiellen Verstoß als Zeugen vernommen werden und die AG dann „ohne viel Federlesens“ einfach davon ausgehen, dass die Polizeibeamten sich noch erinnern können und es reicht, wenn sie sich auf ihre damaligen Feststellungen beziehen. Etwas anders jetzt das AG Dortmund, Urt. v. 13.06.2017 – 729 OWi-261 Js 625/17-114/17.

Dem Betroffenen war vorgeworfen worden, am 17.02.2017 um 12.37 Uhr in Dortmund auf dem Körner Hellweg in Höhe Haus 113 in Fahrtrichtung Osten als Führer eines PKW ein Mobiltelefon verbotswidrig benutzt zu haben, indem er es aufnahm und hielt. Das AG hat festgestellt, dass der Betroffene zu der fraglichen Zeit das Kraftfahrzeug an der fraglichen Stelle führte. Ob er jedoch ein Mobiltelefon verbotswidrig benutzte, konnte das AG nicht mehr feststellen. Der von der Erscheinenspflicht entbundene Betroffene hatte durch schriftliche Erklärung seine Fahrereigenschaft zugestanden. Die Benutzung eines Mobiltelefons zur Tatzeit war jedoch in Abrede gestellt worden. Dazu hat das AG drei Polizeibeamte A, B und C vernommen. A war Anhalteposten und B und C hatten „aus dem ersten Obergeschoss des an der Tatörtlichkeit sich befindenden Polizeigebäudes aus dem Fenster die vorbeifahrenden Fahrzeuge beobachtet „. Allein das würde bei mir schon die Alarmglocken schrillen lassen und zu einigen Rückfragen in der Beweisaufnahme führen: Wie weit weg von der Straße? Durch offenes Fenster beobachtet. Was kann man eigentlich sehen, usw.?

Das AG hat dann aus einem anderen Grund frei gesprochen:

Das Gericht hat alle drei an der Feststellung des Verstoßes beteiligten Polizeibeamten hierzu vernommen, konnte jedoch keine tragfähigen Feststellungen treffen. Das Gericht konnte durch Vernehmung der Zeugin A, B und C klären, dass der Zeuge A zur Tatzeit ausschließlich als Anhalteposten und Protokollführer/Anzeigenverfasser fungierte und die beiden anderen Zeugen aus dem ersten Obergeschoss des an der Tatörtlichkeit sich befindenden Polizeigebäudes aus dem Fenster die vorbeifahrenden Fahrzeuge beobachtet hatten. Keiner der drei Beamten konnte von sich aus aus seiner Erinnerung noch etwas zu dem Vorfall sagen. Lediglich der Zeuge A konnte ausführen, dass er als Anhalteposten auch nachträglich für die Anzeigenerstattung zuständig gewesen war. Er erklärte insoweit, er übernehme die Gewähr für die Richtigkeit seiner Aufzeichnungen. Insofern nehme er Bezug auf das von ihm gefertigte Beiblatt zum Datenerfassungs- beleg, in dem der Handyverstoß näher verzeichnet sei. Dieser Verstoß werde – dies erklärten auch die anderen beiden gehörten Zeugen – immer mit den beobachtenden Polizeibeamten per Funk abgeglichen. Die Bezeichnung der Halteposition eines Handys in der Anzeige oder beigefügten Blättern beruhe so mittelbar auf den Angaben der jeweiligen Kollegen.

In dem Beiblatt zur Anzeige heißt es unter dem Punkt „Mobiltelefon“, dieses sei rechts halbhoch in der Hand gehalten worden; es habe sich um ein silberfarbenes Handy gehandelt habe; eine Tippbewegung sei festgestellt worden, aber keine Sprechbewegung. Das Handy sei bei der Kontrolle auf dem Beifahrersitz verblieben.

Das Gericht konnte durch Vorhalt und Vorlage dieses Datenblattes feststellen, dass der Zeuge A auch das fragliche Datenerfassungsblatt, Bl. 3 d.A., unterzeichnet hatte. Er konnte so durchaus die Gewähr für die Richtigkeit von ihm festgestellter und dokumentierter Wahrnehmungen/Ermittlungshandlungen übernehmen. Der Zeuge A konnte aber auch nur die Gewähr für seine eigenen Feststellungen übernehmen, nicht für die Richtigkeit von Feststellungen anderer Kollegen. Die Übernahme kann nach Ansicht des Gerichts auch nicht mittelbar stattfinden. Sie kann bei einer dokumentierten Erklärung über die Wahrnehmung anderer Polizeibeamter nur dahin gehen, dass deren Mitteilung als solche richtig dokumentiert ist.

Die vorgenannten Dokumentationen sind so angesichts der Arbeitsaufteilung der involvierten Beamten derart zu verstehen, dass der unterzeichnende Beamte A die Gewähr für das Anhalten und den Verbleib des Handys beim Anhalten übernimmt.

Anders als in dem Fall, in dem der beobachtende Polizeibeamte auch die Anzeige gefertigt und die Richtigkeit des Anzeigetextes selbst auch für den Verstoß übernimmt, war im vorliegenden Fall somit keine Verstoßfeststellung möglich, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die beiden anderen Polizeibeamten erklärten, dass stets der Anzeigetext von ihnen auch üblicherweise noch einmal durchgeschaut werde. Das Gericht hielt ein derartiges Vorgehen nicht für ausreichend, um eine Verurteilung tragen zu können.

Zutreffend, allerdings habe ich auch in dem Fall, den das AG offenbar „anders…“ entscheiden würde, so meine Bedenken und würde schon nachfragen, was denn nun eigentlich noch „Erinnerung“ des Polizeibeamten ist. Allein die wäre für mich entscheidend. Ich weiß, dass die OLG es teilweise – gestützt auf BGH-Rechtsprechung – „anders“ sehen.  Aber man muss ja nicht auf jeden Zug aufspringen…..

Jedenfalls aber eine Entscheidung, mit der man argumentieren kann.