Archiv der Kategorie: Strafvollzug

Einen „hinter die Ohren“ aus Karlsuhe – (Überprüfung)Fristen haben ihren Sinn

Manchmal sind gesetzliche (Überprüfungs(Fristen) lästig, zwingen sie doch zu fristgerechten Entscheidungen. Aber sie habe ihren Sinn. Das gilt auch für die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstre­ckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB). Darauf weist jetzt mehr als deutlich der BVerfG, Beschl. v. 22.11.2011 – 2 BvR 1334/10 hin. Diese Fristen“ dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschrän­kung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGK 4, 176 <181>; 5, 67 <68>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 – 2 BvR 1615/07 -, juris). Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht verletzen, wenn sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Ver­fahrensrecht beruht, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt „. Und auf der Grundlage haben sich dann die StVK beim LG Kleve und das OLG Düsseldorf beim BVerfG einen deutlichen Rüffel abgeholt.

Die Strafvollstreckungskammer hat ihre richterliche Tätigkeit von vornherein auf ein Mindestmaß beschränkt. Sie hat die Anhörung der Beschwerdeführerin jeweils mit Formularbeschlüssen auf die Berichterstatterin als beauftragte Richte­rin übertragen. Während des Überprüfungsverfahrens wurden lediglich solche richterlichen Handlungen vorgenommen, die das Gesetz zwingend vorschreibt. Dennoch und obwohl die Stellungnahmen des psychiatrischen Krankenhauses jeweils rechtzeitig vorlagen, ist es der Strafvollstreckungskarnmer trotz des deutli­chen Hinweises der Generalstaatsanwaltschaft auch bei der zweiten Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht gelungen, die Jahresfrist zu wahren.

Nachdem bereits die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2009 verspätet war, weil diese nicht spätestens am 6. Februar 2009, sondern erst am 2. März 2009 ergangen ist, erfolgte auch die Überprüfungsentscheidung im Jahr 2010 nicht fristgerecht, da sie nicht am 2. März 2010 (vgl. § 67e Abs. 4 StGB), sondern erst am 12. März 2010 erging.

 Dabei lassen die angegriffenen Entscheidungen jede Auseinandersetzung mit dem Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft vermissen; ihnen lässt sich keine Be­gründung dafür entnehmen, warum die Überprüfungsfrist nicht gewahrt wurde.

 Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Fachgerichte nicht eng an die Überprüfungsfristen des § 67e Abs..2 StGB gebunden ge­fühlt und dass sie die grundrechtsschützende Funktion dieser Fristbestimmung nicht erkannt haben. In der Gesamtschau lässt dies den Schluss zu, dass den an­gegriffenen Entscheidungen eine nicht mehr vertretbare Gleichgültigkeit gegen­über dem grundrechtssichernden Verfahrensrecht zugrunde liegt und sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte der Beschwerdeführerin beruhen.“

Darüber hinaus gibt es aus Karlsruhe noch einen „hinter die Ohren“, weil auch die Sachverhaltsfeststellung mangelhaft war. Das LG hatte noch nicht einmal die Akten des Erkenntnisverfahrens beigezogen. Wie will man da eigentlich eine ordnungsgemäße Überprüfungsentscheidung treffen.

 

Das KG und die Urinprobe im Strafvollzug…., oder: „Pinkelpause in der JVA“

Folgende Ausgangssituation liegt dem KG, Beschl. v. 01. 09. 2011 – 2 Ws 383/11 Vollz – zugrunde: Gegen den Strafgefangenen werden Disziplinarmaßnahmen angeordnet, und zwar Entzug des Radio- und Fernsehempfangs, Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit (Einzug Radio, TV-Gerät) und  getrennte Unterbringung in der Freizeit – jeweils für sieben Tage: Und warum? Dazu zitiere ich aus dem KG, Beschluss:

„1. Der Antragsteller verbüßt in der JVA Charlottenburg eine Freiheitsstrafe. Am Morgen des 30. März 2011 ordnete der Gruppenleiter an, dem Gefangenen eine Urinprobe zur Kontrolle auf Drogenkonsum abzunehmen. In Kenntnis des bisherigen Lebensweges des wegen Vergehens gegen das BtMG inhaftierten Antragstellers und wegen dessen erkennbarer Stimmungsschwankungen sei dies erforderlich gewesen. Aus diesem Grunde forderten ihn Vollzugsbedienstete auf, eine Urinprobe abzugeben. Der davon überraschte Gefangene folgte den Bediensteten in den dafür vorgesehenen Raum, erwähnte aber, er werde zu der Abgabe nicht sofort in der Lage sein, da er kurz zuvor seine Morgentoilette beendet habe. Daraufhin wurde ihm 0,6 Liter Wasser gereicht, das er auch trank. Gleichwohl gab er bis zum Abbruch des Versuchs nach 90 Minuten keinen Urin ab.

Der Gefangene führt dies auf Harnverhaltung (Panuresis) aus psycho-physischen Gründen zurück, die er näher ausgeführt hat. Die Anstalt geht von einer Verweigerung aus. Wegen dieser Weigerung hat sie gegen den Gefangenen die in der Beschlußformel genannten Disziplinarmaßnahmen erlassen und – nach erfolglosem Abschluß eines Verfahrens gemäß § 114 StVollzG – vollstreckt……“

Das mit dem Fall dann befasste KG äußert sich zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Urinprobe, die bejaht wird. Zum Verfahren heißt es dann – im Leitsatz:

„Eine Urinprobe darf auf keinen Fall unter Zeitdruck erfolgen. Es muß – wie bei einer Dopingprobe aufgrund sportrechtlicher Richtlinien – auf die Abgabe des Urins gewartet werden, sofern sich der Gefangene nicht durch Worte oder Gesten weigert, den Anordnungen zu folgen. Bleibt lediglich der Urinfluss aus, so darf die Probe nicht abgebrochen und auch nicht als verweigert gewertet werden.“

 

Musterentwurf für Strafvollzugsgesetz

Der Strafvollzug in Deutschland soll in Zukunft einheitlicher werden. Zehn Bundesländer haben am Dienstag (06.09.2011)  nach mehr als einjähriger Beratung ihren gemeinsamen Entwurf für ein länderübergreifendes Strafvollzugsgesetz für Erwachsene präsentiert. Nähere Einzelheiten zu dem Gesetzesvorhaben dann hier.

Faxnutzung in der JVA

muss möglich sein bzw. dem verurteilten Strafgefangenen ist grds. der Zugang zum JVA-Fax zu gewähren. Geschieht das nicht und versäumt der Strafgefangene eine Frist, so wird ihm i.d.R. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. So der OLG Celle, Beschl. v. 23.08.2011 – 1 Ws 325/11 (StrVollz). Folgender Sachverhalt:

„Am Montag, 2. Mai 2011, dem Tag des Fristablaufs, beantragte der Antragsteller mit dem Zusatz „Eilt Terminsache!“, das Faxgerät der Antragsgegnerin für die Übersendung des auf den 1. Mai 2011 datierten Antrags auf gerichtliche Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer nutzen zu dürfen. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin, was ihn innerhalb der 14-tägigen Rechtsmittelfrist von der Übersendung abgehalten habe, erwiderte der Antragsteller, er habe das erst ein paar Tage „sacken“ lassen müssen. Er habe den Antrag am Freitag fertig gehabt, wollte ihn Montag morgen abgeben und habe dann erfahren, dass der Antrag am Montag wahrscheinlich nicht mehr den Empfänger erreiche. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Gewährung des anstaltseigenen Faxgeräts mit folgender Begründung ab:

„Sie hatten 14 Tage Zeit, was Sie von vornherein wussten. Wenn Sie den Vollzugsplan haben „sacken lassen“ müssen, so ist festzustellen, dass in Bezug auf den vorherigen Vollzugsplan nicht allzu viel Neues niedergeschrieben wurde und dies als Argument ungeeignet ist. Als Realschüler ist Ihnen das Erfassen des „Ausmaßes“ Ihres Vollzugsplans zuzutrauen, zumal Sie über Ostern vom 21.04. bis 26.04.11 auch genügend Zeit ohne Schulstress für die Bearbeitung hatte. Wenn Sie – wie Sie darlegen – Freitag (29.04.) den Vorgang fertig hatten, so hätten Sie diesen auch zur Post geben können. Ihre Argumente dringen nicht durch, weswegen eine Weitergabe per Fax am 02.05.11 nicht dringend angezeigt war.“

Das OLG hat Wiedereinsetzung gewährt und die Begründung der Entscheidung der JVA beanstandelt:

„Denn im konkreten Fall war die Entscheidung der Antragsgegnerin schon deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie in der Sache den Vorwurf an den Antragsgegner enthielt, er habe das Rechtsmittel nicht schon vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt. Die ablehnende Entscheidung erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass dem Antragsteller bereits vor Ablauf der 14-tägigen Frist die Einreichung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung möglich war, insbesondere weil der Vollzugsplan nur wenige Änderungen enthielt, vom Antragsteller aufgrund seiner Fähigkeiten schneller hätte erfasst werden können und die Osterfeiertage zur Verfügung gestanden hätten. Damit hat die Antragstellerin jedoch das grundsätzlich bestehende Recht des Antragstellers, die Rechtsbehelfsfrist auszuschöpfen, in unzulässiger Weise verkürzt.“

Zudem sagt das OLG: Die Dringlichkeit eines Falls i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 2 NJVollzG, der zur Frage der Faxnutzung Stellung nehme,  seit nach objektiven Kriterien und unabhängig davon zu beurteilen, ob der Strafgefangene den Eilbedarf in vorwerfbarer Weise herbeigeführt habe.

OLG Nürnberg: Recht des Strafgefangenen auf Beistand im Disziplinarverfahren

Eine etwas abseits gelegene Materie, die aber für den Verurteilten/Strafgefangenen immer von Bedeutung ist, ist der Strafvollzugsbereich. Daraus der Hinweis auf OLG Nürnberg, Beschl. v. 06.07.2011 -2 Ws 57/11, der folgenden Leitsatz hat:

  1. Aufgrund des strafähnlichen Charakters von Disziplinarmaßnahmen, des mit ihrer Anordnung verbundenen Eingriffs in Freiheitsrechte sowie ihrer Bedeutung für zukünftige strafvollzugs- oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen folgt unbeschadet des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung im BayStVollzG für den Strafgefangenen unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip das Recht, sich bereits vor der nach Art. 113 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG gebotenen Anhörung zur sachkundigen Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte im Disziplinarverfahren auf sein Verlangen der Unterstützung eines anwaltlichen Beistands zu bedienen, um effektiv auf Gang und Ergebnis des Disziplinarverfahrens Einfluss nehmen zu können (Anschluss an OLG Bamberg StV 2010, 647 und OLG Karlsruhe NStZ-RR 2002, 29).
  2. Aus diesen Gründen und aufgrund des Gebotes des fairen Verfahrens hat der Strafgefangene darüber hinaus das Recht gegenüber der Justizvollzugsanstalt, dass auf sein Verlangen seinem anwaltlichen Beistand die Teilnahme bei der Anhörung im Disziplinarverfahren gestattet wird, wenn dieser hierzu kurzfristig bereit ist. Die Durchführung des Disziplinarverfahrens darf aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung durch dieses Teilnahmerecht nicht verzögert oder vereitelt werden. Es genügt, dass die Justizvollzugsanstalt den anwaltlichen Beistand vom Anhörungstermin rechtzeitig in Kenntnis setzt und ihm im Falle seines Erscheinens die Anwesenheit gestattet.