Damit nicht der Eindruck entsteht, „hier bei uns“ sei mit den Haftbedingungen „alles Gold“, schiebe ich dem OLG Jena, Beschl. v. 14.07.20167 – Ausl AR 36/16 betreffend die Haftbedingungen in Rumänien (vgl. Auslieferung nach Rumänien, oder: Da sind die Zellen zu klein) den BVerfG, Beschl. v. 20.05.2016 – 1 BvR 3350/16 – hinterher. Es geht darin um die Versagung von PKH für die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen wegen menschenunwürdiger Bedingungen der Gemeinschaftshaft gegen den Freistaat Bayern. Der Beschwerdeführer hatte sich zusammen mit drei weiteren Mitgefangenen über einen Zeitraum von ca. sechs Monaten in Strafhaft befunden. Er hat behauptet, in zwei identisch beschaffenen Hafträumen untergebracht gewesen zu sein, die jeweils eine Gesamtgrundfläche von (nur) 16 m² und eine vom übrigen Haftraum baulich abgetrennte Toilette aufgewiesen hätten. Unter Berufung auf menschenunwürdige Haftbedingungen hate er PKH für eine Amtshaftungsklage beantragt. Das LG hat mit der Begründung abgelehnt, der Beschwerdeführer sei nicht menschenunwürdig untergebracht gewesen; das OLG München wies die sofortige Beschwerde zurück (vgl. OLG München, Beschl. v. 10.11.2014 – 1 W 1314/14), 4 m2 seien genug.
Dagegen die Verfassungsbeschwerde, und: Das BVerfG hebt auf und rügt, dass bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im PKH-Verfahren entschieden werden dürfen, einer prozessualen Klärung zugeführt werden können müssten. Und in dem Zusammenhang dann:
aa) Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung sind Landgericht wie Oberlandesgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Frage nach der Menschenwürdigkeit der Unterbringung von Strafgefangenen von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt, wobei als Faktoren in räumlicher Hinsicht in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 – 1 BvR 1332/14 -, juris) und als die Haftsituation mildernde oder verschärfende Merkmale der Umfang der täglichen Einschlusszeiten und die Belegdichte des Haftraums Berücksichtigung finden. Die Frage, wie diese Faktoren zu bewerten sind und insbesondere, ob oder unter welchen Bedingungen – wie es die angegriffenen Entscheidungen für ausreichend halten – auch eine anteilige Grundfläche von nur 4 m2 pro Strafgefangenen den Anforderungen der Menschenwürdegarantie genügen kann, ist in der Rechtsprechung nicht geklärt und wirft Zweifelsfragen auf.
Allerdings lässt sich die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen dessen Menschenwürde verletzt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (beispielhaft BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 342/12 -, BGHZ 198, 1). Danach kann es die Klärung eines verfassungsmäßigen Raummindestsolls im Sinne schematisch festgelegter allgemeiner Maßzahlen nicht geben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 – III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass es für die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen der Herausbildung auch übergreifender Grundsätze und Unterscheidungsmerkmale bedarf, die sowohl den Betroffenen als auch den Behörden Kriterien an die Hand geben, die die Beurteilung der Menschenwürdigkeit der Unterbringung hinreichend vorhersehbar machen.
bb) Diese Anforderungen sind zurzeit nicht geklärt und werden von den Gerichten verschieden beurteilt.
(1) So setzt die obergerichtliche Rechtsprechung – wie das Oberlandesgericht selbst herausstellt – bei mehrfach belegten Hafträumen zum Teil Regelwerte von 6 m2 , zum Teil auch von 7 m2 Bodenfläche pro Gefangenen an. Deren Unterschreitung wird zum Teil als Menschenwürdeverletzung beurteilt, wenn zugleich die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 – 3 Ws 578/03 -, NJW 2003, S. 2843 <2845>; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 – 1 U 43/04 -, juris, Rn. 42; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 – 1 U 1286/05 -, juris, Rn. 11 ff.). In anderen Fällen haben Fachgerichte eine Verletzung der Menschenwürde unabhängig hiervon allein wegen der Unterschreitung eines gewissen Bodenflächenmaßes bejaht, da die räumliche Enge eine Bewegung und Entfaltung der Gefangenen nicht erlaube (so OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Februar 2005 – 3 Ws 1342 – 1343/04 [StVollz] u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 155 <156>: Menschenwürdeverletzung bei 3,84 m2 pro Gefangenen in Mehrfachbelegung bei abgetrennter Toilette; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. Juni 2008 – 11 U 24/07 -, juris, Rn. 26: 3,75 m2 pro Gefangenen bei hinzukommender Erschwernis der nicht abgetrennten Toilette). Die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf setzen einen fixen Schwellenwert von 5 m2 Grundfläche pro Gefangenen an, dessen Unterschreitung ungeachtet anderer Parameter eine Menschenwürdeverletzung bedinge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 – I-18 W 31/11, 18 W 31/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 – 11 U 88/08, I-11 U 88/08 -, juris; Urteil vom 18. März 2009 – 11 U 88/08 -, juris; Beschluss vom 25. März 2009 – 11 W 106/08 -, NStZ-RR 2009, S. 326). Bezüglich der Unterbringung in einem Einzelhaftraum hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine längere Unterbringung in einem 5,25 m2 messenden Einzelhaftraum ohne abgetrennte Toilette für menschenwürdewidrig befunden und das Hauptaugenmerk auf die beengte Haftsituation gelegt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 – VerfGH 184/07 -, LKV 2010, S. 26). Angesichts der Rechtsprechung (weitere Nachweise in BVerfGK 12, 417 <420 f.> sowie BGHZ 198, 1 <4 f.>) kann nicht als geklärt gelten, dass und unter welchen Umständen eine Haftraumfläche wie hier von etwa 4 m2 den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des gemeinschaftlich untergebrachten Strafgefangenen entspricht.“
Ist also „hier“ längst nicht „alles Gold“.