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Corona II: „Impffälschung“ nach altem Recht besorgt, oder: Verwendung/Vorlage dann unter neuem Recht

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In der zweiten Entscheidung, dem LG Würzburg, Beschl. v. 24.01.2022 – 1 Qs 18/22 – geht es ebenfalls um eine Durchsuchung und Beschlagnahme wegen des Vorwurfs der Fälschung von Impfausweisen. Der Vorwurf im Durchsuchungsantrag lautete:

„Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 28.11.2021 brachte sich der Beschuldigte entweder in den Besitz eines Impfausweises bzw. -zertifikates oder verfälschte einen solchen Impfausweis / ein solches Impfzertifikat selbst in einer Weise, dass dieser Impfausweis bzw. dieses Impfzertifikat die eigene (vollständige) Impfung gegen COVID19 auswies, obwohl die dort dokumentierte Impfung nicht durchgeführt worden war. Im Wissen hierüber legte der Beschuldigte im Rahmen einer Zugangsbeschränkungskontrolle (3G am Arbeitsplatz) zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 28.11.2021 und dem 01.12.2021 diesen erworbenen oder selbst erstellten verfälschten Impfausweis bzw. dieses verfälschte Impfzertifikat gegenüber seiner Arbeitsstätte „W GmbH“, pp. W vor, in der Absicht, dass der Beschuldigte ohne weitere (tägliche) Testung Zutritt zu der Arbeitsstätte erhält.“

Das AG hat daraufhin Durchsuchung und Beschlahnahme angeordnet. Dagegen dann – nach Vollzug – die Beschwerde, die beim LG Würzburg keinen Erfolg hatte:

„Die Beschwerde des Beschuldigten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage.

……

Zum Zeitpunkt der ermittlungsrichterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung bestand aufgrund der durchgeführten Ermittlungen und der dabei zutage getretenen Unstimmigkeiten der Verdacht, dass der Beschuldigte zwischen dem 28.11.2021 und dem 01.12.2021 seiner Arbeitgeberin einen sich zuvor verschafften, inhaltlich unrichtigen Impfausweis vorgelegt hatte, um die Arbeitgeberin gezielt über seinen tatsächlich nicht vorhandenen Impfstatus zu täuschen.

Seit dem 24.11.2021 und damit zum Zeitpunkt der angegriffenen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung galten die §§ 277 bis 279 StGB in ihrer jeweiligen Fassung vom 22.11.2021, davor in ihrer jeweiligen Fassung vom 13.11.1998.

Folglich lag der Zeitpunkt der „Verwendung“ des Impfausweises nach der Gesetzesänderung, der Zeitpunkt des sich Verschaffens dagegen aus Sicht des erkennenden Gerichts möglicherweise bereits davor.

Gemäß Art. 103 Abs. 2 GG bzw. § 1 StGB kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt, § 2 Abs. 1 StGB. Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen, § 8 S. 1 StGB. Wann der Erfolg eintritt, ist dagegen nicht maßgeblich, § 8 S. 2 StGB.

Sofern sowohl der Zeitpunkt des sich Verschaffens, als auch der des Verwendens nach dem 24.11.2021 gelegen haben (sollten), bestünde gegen den Beschuldigten unabhängig davon, wie er in den Besitz des unrichtigen Impfausweises gelangt ist, jedenfalls der Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung in der dritten Variante des § 267 Abs. 1 StGB.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.11.2021 wurden die §§ 275, 277 bis 279 und 281 StGB inhaltlich überarbeitet. Nach der alten Rechtslage enthielt § 277 StGB drei Tatbestandsvarianten. Die erste Variante erfasste das Ausstellen eines Zeugnisses unter der nicht zutreffenden Bezeichnung des Ausstellers als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson. Diese Variante stellte eine schriftliche Lüge unter Strafe, da nicht über die Person des Ausstellers, sondern dessen berufliche Qualifikation getäuscht wurde. Die zweite Variante betraf das unberechtigte Ausstellen eines Gesundheitszeugnisses unter dem Namen einer solchen Person, die dritte Variante das Verfälschen eines ursprünglich echten Gesundheitszeugnisses. Die zweite und dritte Variante des § 277 StGB stellten somit lediglich Spezialfälle der Urkundenfälschung nach § 267 StGB dar. Soweit sich § 277 StGB in der zweiten und dritten Variante mit § 267 StGB inhaltlich überschnitten, führte dies zu einer nicht nachvollziehbaren Privilegierung. Der geringere Strafrahmen, die fehlende Versuchsstrafbarkeit und die zwingende Zweiaktigkeit führten zur Straflosigkeit von Taten nach § 267 Abs. 1 Var. 1 und Var. 2 StGB, wenn sie sich auf Gesundheitszeugnisse bezogen (str.; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 68. Auflage, 2021 § 277 Rn. 1). Aus diesem Grund wurden mit der Gesetzesänderung diejenigen Handlungsmodalitäten aus § 277 StGB gestrichen, die grundsätzlich schon von § 267 StGB oder § 269 StGB erfasst sind. Gesundheitszeugnisse sind regelmäßig Urkunden im Sinne der §§ 267 und 269 StGB. Die §§ 277 bis 279 StGB entfalten nach der gesetzlichen Neufassung keine Sperrwirkung für die §§ 267 ff. StGB, sondern stellen darüber hinaus spezielle Konstellationen unter Strafe. So erfasst § 277 StGB nur noch die Fälle, in denen der Täter zur Täuschung im Rechtsverkehr ein Gesundheitszeugnis erstellt und dabei nicht über seine Identität sondern seine berufliche Qualifikation täuscht. Eine derartige Qualifikationstäuschung unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 267 StGB, da es sich hierbei „lediglich“ um eine „schriftliche Lüge“ handelt. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, durch die Neufassung der §§ 277 bis 279 StGB, dass das Herstellen unechter, Verfälschen echter und/oder gebrauchen unechter oder verfälschter Impfausweise in den Anwendungsbereich des § 267 StGB fällt und eine Privilegierung dieser Handlungsvarianten ausscheiden soll (BT-Drucks. 20/15 S. 33).

Der auf den Beschuldigten ausgestellte Impfausweis stellt (als Gesundheitszeugnis) eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB dar (von OLG Bamberg v. 17.01.2022 – 1 Ws 732-733/21 ausdrücklich offen gelassen). Eine Urkunde ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die den Aussteller erkennen lässt und zu Beweiszwecken im Rechtsverkehr bestimmt ist. Die von einer eintragungsberechtigen Person vorgenommene Eintragung im Impfausweis gibt Auskunft darüber, wann und durch wenn der Inhaber des Ausweises welche Impfstoffe erhalten hat. Sie lässt den Aussteller der Eintragung erkennen und dient dem Beweis des Impfstatus einer Person. Unecht ist eine derartige Urkunde, wenn der aus ihr ersichtliche Inhalt nicht vom dem auf ihr ersichtlichen Aussteller herrührt. Vorliegend wies der vom Beschuldigten bei seiner Arbeitgeberin vorgelegte Impfausweis zwei Eintragungen vom 19.07.2021 und 13.08.2021 auf, die dem Beschuldigten eine vollständige Impfung mit den Chargen pp. und pp. des Impfstoffes C durch einen Angestellten des Impfzentrums pp. in G bestätigten. Aufgrund der Mitteilung des Gesundheitszentrums G besteht jedoch der Verdacht, dass der Beschuldigte dort nicht geimpft wurde und demzufolge die Eintragungen im Impfausweis des Beschuldigten von keinem der dortigen Angestellten stammen. Wie das Amtsgericht zutreffend annimmt, besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte den unechten Impfausweis seiner Arbeitgeberin vorgelegt hat, um über seinen Impfstatus zu täuschen und ohne Testung seiner Arbeit nachgehen zu können.

Doch auch wenn der Zeitpunkt des Verschaffens vor dem 24.11.2021 gelegen haben sollte, wäre dies in der vorliegenden Fallkonstellation unschädlich.

Das Verschaffen des „gefälschten“ Impfausweises mag zwar nach der bis zum 23.11.2021 geltenden Rechtslage straflos gewesen sein. Dies liegt darin begründet, dass Impfausweise ein Gesundheitszeugnis im Sinne der §§ 277 ff. StGB darstellen und die §§ 277 ff. StGB a.F. nach der bis zum 23.11.2021 geltenden Rechtslage eine abschließende Sonderregelung für Gesundheitszeugnisse darstellten, die im Falle einer fehlenden Strafbarkeit einen Rückgriff auf die „allgemeinen“ Urkundendelikte ausschlossen (str., OLG Bamberg v. 17.01.2022, 1 Ws 732-733/21). Dementsprechend lag kein Anfangsverdacht für eine Strafbarkeit wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse vor, da Täter des § 278 StGB a.F. nur Ärzte oder andere approbierte Medizinalpersonen sein konnten, der Beschuldigte jedoch kein Angehöriger dieser Berufsgruppen war. Daneben schied ein Anfangsverdacht für eine Strafbarkeit wegen der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB a.F. oder des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 StGB a.F. aus, da die Fälschung beziehungsweise der Gebrauch zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften erfolgen musste und die Arbeitgeberin des Beschuldigten eine GmbH ist, die ein Schwimmbad betreibt. Schließlich war ein Rückgriff auf die allgemeinen Urkundendelikte nach den §§ 267 ff. StGB aufgrund der Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. ausgeschlossen, sodass auch kein Anfangsverdacht für eine (täterschaftliche) Beteiligung an einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Var. 1 oder Var. 2 StGB vorlag.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Beschuldigte auch in dieser Sachverhaltskonstellation den sich straflos verschafften unrichtigen Impfausweis nach dem 24.11.2021 bei seiner Arbeitgeberin vorgelegt hat. Dieses Verwenden stellt eine eigenständige Tathandlung dar, deren Strafbarkeit zwingend nach neuer Rechtslage zu beurteilen ist. Insoweit lag – wie bereits dargestellt – der Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB vor (s. o.). Allein die Tatsache, dass sich der Beschuldigte diesen unrichtigen Impfausweis straflos verschafft hat, führt nicht dazu, dass er ihn trotz zwischenzeitlich geänderter Rechtslage weiter straflos verwenden darf……“

Corona I: Durchsuchung wegen Impfausweisfälschung?, oder: „Anfangsverdacht“ auch nach altem Recht bejaht

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Den Start in die 5. KW mache ich heute mal wieder mit zwei Entscheidungen zu Corona. Sie haben einen verfahrensrechtlichen Aspekt.

Zumindest der LG Heilbronn, Beschl. v. 11.01.2022 – 1 Qs 95/21 -, der mich eine wenig ratlos zurück lässt.

Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte aufgrund des Verdachts der Urkundenfälschung. Dem lag zugrunde, dass die Beschuldigte am 16.11.2021  einen gefälschten Impfausweis hinsichtlich zwei tatsächlich nicht erfolgter Covid-19-Impfungen vorgezeigt haben soll, um hierdurch die Mitarbeiterin der Apotheke zur Ausstellung eines digitalisierten Impfzertifikats zu bewegen. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft beim AG den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses, um den gefälschten Impfausweis, den Stempel des Klinikums und „COMIRNATY“-Chargenaufkleber, schriftliche Unterlagen zum Erwerb und zur Verwendung eines gefälschten Impfausweises, Mobiltelefone, Computer und sonstige Datenträger, auf denen entsprechende Unterlagen gespeichert sind, beschlagnahmen zu können.

Das AG lehnt den Antrag der Staatsanwaltschaft ab, da das in Rede stehende Verhalten der Beschuldigten nach der bis 23.11.2021 geltenden Rechtslage aufgrund einer Strafbarkeitslücke kein strafbares Verhalten dargestellt hätte. Dabei verwies das AG auf die Rechtsprechung des LG Osnabrück und die „überwiegende“ Auffassung in der Literatur. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der vorliegenden Beschwerde. Und die ist nach Auffassung des LG begündet:

„Zwar ist die Rechtsauffassung des Amtsgerichts nachvollziehbar und angesichts der verschiedenen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung durchaus gut vertretbar. Gleichwohl teilt die Kammer diese nicht. Insbesondere vermag sie nicht zur Ablehnung des beantragten Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses führen.

Im Einzelnen ist zur Rechtslage bis zum 23. November 2021 Folgendes auszuführen:

Die §§ 277, 279 StGB sind, wie die Urkundenfälschung nach § 267 StGB, im 23. Abschnitt des StGB verortet und stellen damit eine speziellere Regelung im Vergleich zum allgemeinen § 267 StGB dar. In ihrer bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung enthielten sie eine Privilegierung für Gesundheitszeugnisse – darunter fallen nach einhelliger Meinung auch Impfbescheinigungen – dergestalt, dass in diesen Vorschriften nur die Vorlage gegenüber Behörden oder Versicherungsgesellschaften strafbar war und dies dann auch mit einem insgesamt geringeren Strafrahmen als dem in § 267 StGB vorgesehenen. Hieraus folgte jedenfalls, dass die §§ 277 ff. StGB § 267 StGB als lex specialis verdrängten, sobald die Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB vorlagen.

Teilweise, und das durch durchaus gewichtige Stimmen in der Literatur (Erb in Münchner Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 11, § 279 Rn. 5; Zieschang in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 277 Rn. 16 und Hoyer in SK-StGB – Systematischer Kommentar, § 277 Rn. 5), wurde für die alte Rechtslage vertreten, dass die Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB darüber hinausgehend auch dann eingetreten sei, wenn es um Gesundheitszeugnisse ging, aber die übrigen Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB, also die Vorlage gegenüber einer Behörde oder Versicherung, nicht gegeben waren. Dies wurde im Wesentlichen mit einem „Wertungswiderspruch“ begründet, der sich gegenüber der Privilegierung ergebe, wenn die Fälle, die dann unter die allgemeine Regelung fallen würden, geringere Voraussetzungen, aber einen weiteren Strafrahmen hätten. Dieser Argumentation sind zuletzt auch einige Landgerichte (LG Osnabrück am 26. Oktober 2021 – 3 Qs 38/21; LG Karlsruhe am 26. November 2021 hinsichtlich Corona-Tests – 19 Qs 90/21; LG Paderborn am 1. Dezember 2021 – 5 Qs 33/21 und LG Landau/Pfalz am 13. Dezember 2021 – 5 Qs 93/21) gefolgt und haben folgerichtig daraus eine Strafbarkeit der Vorlage gefälschter Impfausweise (und im Fall des LG Karlsruhe gefälschter Testbescheinigungen) vor anderen als den in §§ 277, 279 StGB a.F. bezeichneten Adressaten verneint. Die durch die Covid-19-Pandemie an Bedeutung gewonnene Fallgestaltung in Verbindung mit der ersten gerichtlichen Entscheidung, die hier eine Strafbarkeit verneinte, bewegte den Gesetzgeber dazu, die Gesetzeslage für künftige Fälle zu ändern und nunmehr die §§ 277, 279 StGB neu zu fassen. Dabei ist den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 20/15, Seite 2) hiesiger Auffassung nach zu entnehmen, dass der Gesetzgeber keineswegs selbst vom Bestehen von Strafbarkeitslücken ausging, sondern im Hinblick auf die in der Literatur vertretene Meinung ein Bedürfnis sah, zur Klarstellung tätig zu werden.

Soweit das Amtsgericht Heilbronn in dem angefochtenen Beschluss weiteren Vertretern der Literatur die oben dargelegte Meinung zuschreibt, kann das nicht uneingeschränkt nachvollzogen werden. Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017 setzen sich mit dieser Problematik zwar auseinander und versuchen, die Auffassung des Münchner Kommentars zu erklären, lassen aber letztlich die Lösung offen und zeigen auf, dass auch die Auffassung des Münchner Kommentars zu Wertungswidersprüchen führt (§ 277 Rn 13):

„Daraus wird die Konsequenz gezogen, dass die Herstellung eines unechten Attests zur Vorlage bei einer Privatperson auch nicht nach §?267 strafbar ist, weil es absurd wäre, die Herstellung solcher Atteste zur Täuschung v. Privatpersonen nach §?267 schärfer zu bestrafen als die zur Täuschung v. Behörden und Versicherungsgesellschaften mit unechten Attesten. Aber die Straflosigkeit der Herstellung unechter Atteste zur Täuschung v. Privatpersonen im Rechtsverkehr im Gegensatz zu der Herstellung beliebiger anderer Urkunden ist nicht weniger absurd. Das Ergebnis folgt auch nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des §?277, sondern aus einem argumentum e contrario aus dieser Vorschrift. Ein argumentum e contrario ist logisch nicht zwingend, sondern erweitert die Bedeutung der Vorschrift über deren Wortlaut hinaus. Es sollte also auf eine Vorschrift nicht angewandt werden, die wie §?277 nicht bzw nicht mehr in das Gesamtgefüge des Urkundenstrafrechts passt.“

Die Kommentare BeckOK StGB, 51. Edition, Stand 01.11.2021, § 277 Rn. 13; Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, Rn. 12 und Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 277 Rn. 5 enthalten zur Reichweite der Sperrwirkung keine Ausführungen, sondern legen sich nur dahingehend fest, dass die §§ 277 ff. StGB dem § 267 StGB als lex specialis vorgehen. Damit ist aber gerade nicht geklärt, ob das nur der Fall ist, wenn die Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB auch tatsächlich vorliegen oder ob die Sperrwirkung genauso weitreichend angenommen werden soll wie im Münchner Kommentar.

Dass die Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. so weitreichend anzunehmen ist, dass selbst die Fälle nicht mehr unter § 267 StGB fallen, für die der Anwendungsbereich der §§ 277 ff. StGB a.F. nicht eröffnet ist, ist allerdings keineswegs zwingend. Aus dem Gesetzeswortlaut der alten Fassungen der §§ 277 ff. StGB ergibt sich das nicht. Auch systematisch wird ist es im deutschen Strafrecht nur in ganz wenigen Ausnahmefällen und dann nicht von der herrschenden Meinung und ständigen Rechtsprechung vertreten, dass eine Vorschrift noch über ihren eigenen Anwendungsbereich hinaus eine Sperrwirkung gegenüber einer anderen Vorschrift entfaltet. Zudem vertrat ein anderer, durchaus gewichtiger Vertreter der Literatur (Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 277 Rn. 11) zur alten Rechtslage die Auffassung, dass in diesen Fällen eine Strafbarkeit nach § 267 StGB vorlag, es aber im Hinblick auf den „offenen Wertungswiderspruch“ unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten erschien, die Strafandrohung gemäß der der §§ 277 ff. StGB a.F. zu limitieren. Auch die oben dargestellte Argumentation von Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen ist nicht von der Hand zu weisen.

Schließlich wäre zur Interpretation der Rechtslage vor dem 24. November 2021 der gesetzgeberische Wille des Gesetzgebers von 1871 heranzuziehen, der aber nach nunmehr 150 Jahren nicht mehr im Einzelnen eruierbar ist. Allerdings ist aus hiesiger Sicht durchaus vorstellbar, dass der damalige Gesetzgeber die Privilegierung der Vorlage von Gesundheitszeugnissen gegenüber Versicherungen und Behörden im Gegensatz zur Vorlage gegenüber Privaten deshalb eingeführt hat, weil er davon ausging, dass Versicherungen und Behörden die Fälschungen leichter zu erkennen vermögen als Privatpersonen. Würde man den gesetzgeberischen Willen von damals in diesem Sinn interpretieren, gäbe es noch nicht einmal einen „Wertungswiderspruch“ und die Vorlage von Gesundheitszeugnissen gegenüber anderen als den in §§ 277 ff. StGB a.F. bezeichneten Adressaten wäre ganz selbstverständlich nach § 267 StGB und mit dem dortigen Strafrahmen strafbar.

Insgesamt ist die Problematik nach alledem umstritten. Es gibt nachvollziehbare Argumente für beide Meinungen und es werden in der Literatur auch beide Meinungen vertreten. Die Rechtsprechung hat sich, soweit ersichtlich, erst seit kurzer Zeit mit der Thematik näher befasst. Eine obergerichtliche Entscheidung ist dazu bislang noch nicht ergangen, weder durch ein Oberlandesgericht noch durch den Bundesgerichtshof.

Für die Frage der Anordnung oder Nicht-Anordnung einer Durchsuchung und Beschlagnahme, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, hat das folgende Konsequenz:

Für den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses ist in prozessualer Hinsicht das Vorliegen eines Anfangsverdachts im Hinblick auf eine strafbare Handlung erforderlich. Vorliegend bestehen im Tatsächlichen keine Zweifel daran, dass ein Anfangsverdacht für die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke gegeben ist. Hinsichtlich der Frage, ob deshalb aufgrund einer unklaren Rechtsauslegung, die letztlich nach obergerichtlicher Klärung dazu führen kann, dass das Verhalten als strafbar angesehen wird oder auch nicht, eine Ermittlungsmaßnahme, wie die vorliegend beantragte Durchsuchung und Beschlagnahme, zulässig oder gar geboten ist, sind die Grundsätze zur Anklageerhebung heranzuziehen. Dieser ist die Ermittlungsmaßnahme schließlich vorgelagert. § 152 StPO bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Hierfür muss sich die Staatsanwaltschaft an der obergerichtlichen Rechtsprechung, nämlich an gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beziehungsweise, soweit letztinstanzlich vorliegend, des für sie zuständigen Oberlandesgerichts, orientieren. Daraus wiederum folgt, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in dem es mehrere gangbare Wege, aber gerade noch keine obergerichtliche Rechtsprechung, erst recht keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung gibt, eine Anklageerhebung im Interesse einer effektiven und einheitlichen Strafverfolgungspraxis sogar verpflichtend sein kann (so auch Diemer in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, Rn. 13; Peters in Münchner Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2016, § 152 Rn. 69).

So liegt der Fall hier. Gerade weil die Fälschung von Impfpässen und deren Vorlage in Apotheken zur Erlangung digitaler Impfzertifikate im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen ungeimpfter Personen in jüngster Vergangenheit und gerade auch vor der Änderung des Gesetzes stark an Bedeutung gewonnen haben und hierzu verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden, ist nach hiesiger Sichtweise eine obergerichtliche Klärung dieser Fälle anzustreben. Dies kann indes nicht gelingen, wenn bereits im Rahmen der Prüfung des Anfangsverdachts zu hohe Anforderungen gestellt werden. Wenn bereits in einem frühen Stadium der Ermittlungen, die notwendigerweise einer Anklageerhebung vorausgehen müssen, die Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft beschnitten werden, kann es denklogisch nicht zu einer obergerichtlichen Klärung kommen. Der Kammer ist bei dieser Sichtweise bewusst, dass mit einer Durchsuchung und Beschlagnahme gewichtige Grundrechtseingriffe zulasten der Beschuldigten einhergehen, die, sollte sich durch die weitere Entwicklung ergeben, dass das Verhalten der Beschuldigten nicht strafbar war, auch zu Schadensersatzansprüchen führen können. Aus Sicht der Kammer sind diese Umstände in der Abwägung aber nicht so gewichtig wie eine effektive und insbesondere einheitliche Strafverfolgungspraxis, sodass diese in Kauf zu nehmen sind. Der Umstand, dass die Frage nach der Strafbarkeit des von der Beschuldigten gezeigten Verhaltens noch nicht obergerichtlich geklärt ist, steht demnach der Bejahung des für die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung notwendigen Anfangsverdachts nicht entgegen.

Bezogen auf den konkreten Fall war zudem zu prüfen, ob ein Anfangsverdacht auch hinsichtlich eines schuldhaften Handelns vorliegt, insbesondere, ob der Beschuldigten die Strafbarkeit ihres Verhaltens bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Hierzu ist im konkreten Fall nichts bekannt. Die Beschuldigte selbst kann dazu im Hinblick auf § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO vorab nicht befragt werden, da dies den Untersuchungszweck gefährden würde. Allerdings ist grundsätzlich zu sehen, dass zwar gerade im November 2021 bis zur Gesetzesänderung die Frage, ob die Vorlage gefälschter Impfzertifikate in Apotheken strafbar ist, in den Medien diskutiert wurde. Dabei sind allerdings nicht nur das Landgericht Osnabrück als damals erstes und einzig bekanntes Landgericht, das eine Strafbarkeit verneint hatte, sondern auch zahlreiche weitere Juristen in der öffentlichen Diskussion zu Wort gekommen, die die gegenteilige Meinung vertreten haben. Insgesamt war deshalb auch für juristische Laien zu erkennen, dass dieses Thema nicht abschließend geklärt ist, sodass man sich diesbezüglich nicht guten Gewissens auf die eine oder andere Rechtsmeinung verlassen konnte, zumal es sich beim Landgericht Osnabrück nicht um ein Obergericht handelt. Sollte sich letztlich herausstellen, dass dieses Verhalten als grundsätzlich strafbar anzusehen ist, so wäre hier allenfalls ein vermeidbarer Verbotsirrtum gegeben, der eine Strafbarkeit im Hinblick auf die Schuld nicht beseitigt.

Insgesamt bejaht die Kammer vor diesem Hintergrund auch in rechtlicher Hinsicht derzeit das Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB, weshalb entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss zu erlassen war.

Sollte bis zur Vollstreckung des Beschlusses obergerichtlich eine Entscheidung dahingehend getroffen worden sein, dass die Vorlage gefälschter Impfzertifikate in Apotheken nach der bis 23. November 2021 geltenden Rechtslage kein strafbares Verhalten darstellt, darf dieser Beschluss nicht mehr vollzogen werden.“

Ja was denn nun: Ist es nun strafbar – die h.M. in der Rechstprechung sagt nein. Insoweit ist das LG am 11.01.2022 nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Und die Durchsuchung ist erlaubt/zulässig, damit man die Frage einer „obergerichtlichen Klärung“ zuführen kann. Und dann stellt man die Vollstreckung der Durchsuchungsanordnung uner den Vorbehalt einer ggf. ergangenen abweichenden obergerichtlichen Entscheidung. In meinen Augen nicht zulässig. Die „eigenverantwortliche Prüfung“ lässt grüßen. Im Übrigen: Die obergerichtliche Entscheidung liegt mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2022 – 1 Ws 732-733/21 vor (dazu StGB I: Strafbarer Verkauf gefälschter Impfausweise?, oder: Auch beim OLG Bamberg nach altem Recht nicht ).

StGB I: Strafbarer Verkauf gefälschter Impfausweise?, oder: Auch beim OLG Bamberg nach altem Recht nicht

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Heute dann – wie angekündigt StGB-Entscheidungen – und an der Spitze – ebenfalls wie angekündigt – eine weitere Entscheidung zu den Voraussetzungen für Einordnung eines Impfausweises als Gesundheitszeugnis. Es handelt sich um den OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2022 – 1 Ws 732-733/21, ergangen natürlich noch zum bis zum 23.11.2021 gültigen Recht.

Es geht in dem Verfahren u.a. um den (Weiter)Verkauf von gefälschten Impfpässen im Zeitraum um den 10.11.2021. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext der Entscheidung. Das AG hatte Haftbefehle gegen die Beschuldigten erlassen.  Auf die Beschwerden der Beschuldigten ist das LG von der Straflosigkeit des Verhaltens der Beschuldigten im Tatzeitpunkt ausgegangen. Die dagegen gerichteten weiteren Beschwerden der StA hatten keinen Erfolg.

Das OLG Bamberg hat die weiteren Beschwerden verworfen. Es sieht das Verhalten der Beschuldigten als nach altem Recht nicht strafbar hin. Da ich dazu schon einiges an Rechtsprechung hier vorgestellt habe, verweise ich auf den Volltext und stelle hier nur die Vorschau (öffnet in neuem Tab)Leitsätze vor:

  1. Ein Impfausweis stellt erst dann ein Gesundheitszeugnis i.S.d. §§ 277–279 StGB dar, wenn er einen konkreten individualisierbaren Menschen erkennen lässt.
  1. Die §§ 277–279 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung beinhalten eine abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen, welche den Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 267 StGB sperrt.
  1. Bei § 74 Abs. 2 IfSG in der ab dem 24.11.2021 gültigen Fassung v. 22.11.2021 handelt es sich um ein Sonderdelikt für impfberechtigte Personen.

Corona II: Maske in geschlossenen Räumlichkeiten im öffentlichen Raum, oder: Was gehört ins Urteil?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Hamm, Beschl. v. 16.12.2021 – 4 RBs 387/21 – befasst sich u.a. (noch einmal) mit der Maskentragepflicht.

Zur Last gelegt wird dem Betroffenen ein Verstoß gegen  § 3 Abs. 2 Nr. 1 CoronaSchVO NW. Nach den Feststellungen des AG war der Betroffene „im  Betrieb des Betroffenen im Ystraße 00 in Z …. seiner Verpflichtung zum Tragen einer textilen Mund-Nasen-Bedeckung (Alltagsmaske) in geschlossenen Räumlichkeiten im öffentlichen Raum gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 CoronaSchVO nicht“ nachgekommen.  Zudem soll der Betroffene bei einer Kontrolle die in § 4 Abs. 1 CoronaSchVO geregelten Hygiene- und Infektionsschutzanforderungen in seinem Betrieb nicht eingehalten haben.

Dem OLG reichen die vom AG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht:

1. Das angefochtene Urteil weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf. Die Anforderungen an die Gründe eines Bußgeldurteils dürfen zwar nicht überspannt werden. Unerlässlich ist aber die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gesehen werden (vgl. Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 18. Aufl., § 71 Rdn. 42 f. m.w.N.). Die getroffenen Feststellungen sind so unzureichend, dass sie eine Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht, ob der Betroffene zu Recht wegen der o.g. Verstöße verurteilt worden ist, nicht zulassen.

Aus den getroffenen Feststellungen ergeben sich schon nicht die Voraussetzungen, nach denen in § 3 Abs. 2 Nr. 1 CoronaSchVO NW eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung begründet ist. Die Vorschrift verlangt hierzu, dass die Tatörtlichkeiten „geschlossene Räumlichkeiten im öffentlichen Raum“ sind. Diese müssen „Kundinnen und Kunden beziehungsweise Besucherinnen und Besuchern zugänglich“ sein.

Zu den Tatörtlichkeiten stellt das Amtsgericht lediglich „im Betrieb“ fest. Hieraus ergibt sich schon nicht, dass es sich (1) um geschlossene Räumlichkeiten (2) im öffentlichen Raum handelt. Allenfalls dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann man entnehmen, dass es sich bei dem „Betrieb“ des Betroffenen um geschlossene Räume handelt. Der Begriff „öffentlicher Raum“ wird in § 1 Abs. 5 CoronaSchVO NW dahin definiert, dass es sich um alle nicht durch Art. 13 GG geschützten Bereiche handelt. Dem Schutz von Art. 13 GG unterfallen auch beruflich genutzte Räume, wenn und soweit die Räumlichkeiten der Privatsphäre der natürlichen Person zuzuordnen sind (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. April 2015 – 2 BvR 2279/13 – juris). Ob es sich vorliegend um solche Räumlichkeiten handelt oder nicht, kann aufgrund der unzureichend getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden.

Auch die Frage, ob (etwaige) Räumlichkeiten des „Betriebs“ des Betroffenen „Kundinnen und Kunden bzw. Besucherinnen und Besuchern“ zugänglich waren, kann anhand der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich auch nicht zwangsläufig schon daraus, dass Kontrollen durch Beschäftige des Ordnungsamtes stattgefunden und diese etwa als Besucher Zugang gehabt haben, denn es ist nicht festgestellt, dass diese sich innerhalb etwaiger betrieblicher Räumlichkeiten aufgehalten haben (oder womöglich lediglich von außen, z.B. durch Fenster das Tatgeschehen beobachtet haben). Ähnliches gilt, soweit es in der Beweiswürdigung heißt, ein Zeuge habe beobachtet, dass Mindestabstände zwischen Mitarbeitern und Kunden nicht eingehalten worden seien.

Darauf, ob die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Würdigung, dass das in der Hauptverhandlung vorgelegte Attest nicht den Anforderungen entspreche, die an ein wirksames ärztliches Attest zu stellen sind, lückenhaft ist, weil der Inhalt des Attestes nicht näher wiedergegeben wird, kommt es nicht mehr entscheidend an.

Soweit der Betroffene auch wegen eines tateinheitliches Verstoßes gegen die in § 4 Abs. 1 CoronaSchVO NW geregelten Hygiene- und Infektionsschutzanforderungen bei der Tat am 09.01.2021 verurteilt worden ist, fehlen jegliche Feststellungen dazu, wann welche Behörde welche Anforderungen vollziehbar angeordnet hat, insbesondere, ob das Vorhalten von Desinfektionsmitteln, welches hier fehlte, angeordnet war.“

Das OLG hat zudem Stellung genommen hinsichtlich der Wirksamkeit der VO und der Verordnungsermächtigung. Dazu nur (mein) Leitsatz. Den Rest bitte selbst lesen:

„Die Verordnungsermächtigung des § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG verstößt nicht gegen das aus Artikel 80 Abs. 1 GG folgende Wesentlichkeitsprinzip, sondern erweist sich als Ermächtigungsnorm für den Erlass von Rechtsverordnungen hinreichend bestimmt.“

Corona I: Elternstreit über Impfung/Testung des Kindes, oder: Wer hat die Entscheidungsbefugnis?

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Und auch die 3. KW. des Jahres 2021 beginne ich mit Corona – in der Hoffnung, dass ich baldmöglich wieder „normale“ Themen bringen kann. Derzeit sieht es ja leider noch nicht so aus. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt. :-).

Ich beginne heute mit einer familienrechtlichen Entscheidunge. Ja, ich wage es. Das ist ja sonst so gar nicht mein Bereich und daher gibt es hier dann auch nur die Leitsätze zu dem OLG Rostock, Beschl. v. 10.12.2021 – 10 UF 121/21.

In der Entscheidung geht es um das Impfen von Kindern. Kindesvater und Kindesmutter sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe sind zwei minderjährigen Kinder, hervorgegangen, Geboren sind die 2005 bzw. 2007. Die beiden Kinder haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt beim Kindesvater. Das Sorgerecht für die beiden Kinder üben die Eltern gemeinsam aus.

Die Kindeseltern streiten über die Entscheidungsbefugnis für die – vom Kindesvater befürwortete – Zustimmung zur Durchführung von Selbsttests für beide Kinder an den von ihnen besuchten Schulen und für die Zustimmung zu einer Schutzimpfung der beiden Kinder gegen das Corona Virus. Die Kindesmutter hat ihre Zustimmung zur Durchführung der Selbsttests auf sogenannte Spucktests beschränkt, die von den Schulen der Kinder nicht zur Verfügung gestellt werden. Daher hat die für die Teilnahme der Kinder am Präsenzunterricht bisher nicht in der Schule mit von den Schulen kostenfrei zur Verfügung gestellten Tests stattfinden können; die Testungen sind in der Häuslichkeit des Kindesvaters auf dessen Kosten durchgeführt worden. Die Kindesmutter ist bisher auch nicht bereit gewesen, einer Impfung ihrer beiden Kinder zuzustimmen.

Das AG hat im Wege der einstweiligen Anordnung die Entscheidung über die Zustimmung zur Testung in der Schule und zu einer Schutzimpfung gegen das Corona Virus SARS-CoV-2“ mit einem der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe (Comirnaty oder Spikevax) entsprechend der Empfehlung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut vorläufig auf den Kindesvater übertragen. Dagegen die Beschwerde der Kindesmutter, die teilweise Erfolg hatte, und zwar hinsichtlich der Impfung.

Dazu die Leitsätze des OLG:

  1. Die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Zustimmung zu Impfungen gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 mit einem mRNA-Impfstoff ist bei einer vorhandenen Empfehlung einer Impfung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) und mangels entgegenstehender besonderer Impfrisiken beim Kind auf denjenigen Elternteil zu übertragen ist, der die Impfung befürwortet (im Anschluss an OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. August 2021 – 6 UF 120/21; OLG München, Beschluss vom 18.10.2021 – 26 UF 928/21). 2. Der Übertragung der Entscheidungsbefugnis im Wege der einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass mit der Durchführung der Impfungen die Hauptsache vorweggenommen wird, soweit ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden notwendig ist. Dies ist grundsätzlich im Hinblick auf die sog. vierte Infektionswelle zu bejahen. Allerdings ist unabhängig von der Frage des Bestehens einer Impfempfehlung für eine eventuelle spätere Auffrischungsimpfung (sog. Booster-Impfung) das Eilbedürfnis zu verneinen (in Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 18.10.2021 – 26 UF 928/21).

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext des Beschlusses.

Hinsichtlich der Testung hatte die Kindesmutter hingegen keinen Erfolg. Wegen der Einzelheiten verweise ich auch insoweit auf den Volltext.