StPO I: Sicherungshaftbefehl bei Ausbleiben in der HV?, oder: Warum immer gleich die Brechstange?

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Und heute dann StPO-Entscheidungen, alle drei haben mit Zwangsmaßnahmen zu tun oder hängen damit zusammen.

Ich eröffne den Reigen mit dem OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.03.2024 -Ws 188/24 -, in dem das OLG zu den Voraussetzungen für einen Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO geht.

Der Angeklagte war zur Hauptverhandlung nicht erschienen. Er hatte sich damit entschuldigt, dass er verschlafen habe. Das AG erlässt HB nach § 230 Abs. 2 StPO. Der Angeklagte wird festgenommen. Er legt gegen den Haftbefehl Beschwerde ein, die keinen Erfolg hat. Dagegen die weitere Beschwerde, die der Angeklagte aufrecht erhält, nachdem er nach Verurteilung in der Hauptverhandlung entlassen worden ist. Die weitere Beschwerde hatte beim OLG ERfolg:

„Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Eine prozessuale Überholung durch die zwischenzeitliche erfolgte Aufhebung des Haftbefehls und die Freilassung des Beschwerdeführers ist nicht eingetreten. Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers an der Überprüfung der Haftentscheidung besteht fort. Dass der Haftbefehl mit dem Abschluss der Hauptverhandlung am 23.01.2024 gegenstandslos geworden ist, führt angesichts der Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung nicht dazu, dass das Interesse des Beschwerdeführers an gerichtlichem Rechtsschutz, hinter dem bei einer weiteren Inhaftierung gebotenen zurückbleibt oder gänzlich entfällt. Das ursprüngliche Interesse auf gerichtlichen Schutz gegen den vollzogenen Haftbefehl wandelt sich vielmehr in ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung (KK-StPO/Gmel/Peterson, 9. Aufl. 2023, StPO § 230 Rn. 17; BVerfG Beschluss vom 21.09.2017, 2 BvR 1071/15).

2. Die weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Auf die weitere Beschwerde des Angeklagten ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 16.01.2024 und der Haftbefehl des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 09.01.2024 rechtswidrig waren.

a) Die Voraussetzungen des § 230 Abs. 2 StPO liegen zwar insoweit vor, als der Angeklagte zum Termin vom 09.01.2024 ordnungsgemäß mit der Belehrung über die Folgen unentschuldigten Fernbleibens geladen wurde und ohne genügende Entschuldigung zum Termin nicht erschienen ist.

b) Der Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO war aber unverhältnismäßig. Der Erlass eines Vorführungsbefehls wäre ausreichend gewesen.

aa) Zwischen den in § 230 Abs. 2 StPO vorgesehenen Zwangsmitteln besteht ein Stufenverhältnis. Grundsätzlich ist zunächst das mildere Mittel der polizeilichen Vorführung anzuordnen.

Dies hat der Gesetzgeber zuletzt in der Begründung des am 25.7.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe bei der Einfügung des Halbsatzes „soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist“ in § 230 Abs. 2 StPO zum Ausdruck gebracht. Damit soll künftig ausdrücklich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Bezug genommen werden. Eine inhaltliche Änderung ist hiermit nicht verbunden, denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der jede Anwendung staatlichen Zwangs den rechtsstaatlichen Erfordernissen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne unterwirft, schränkt die Anwendung des § 230 Abs. 2 StPO bereits nach geltendem Recht ein. Das Wort „soweit“ soll deutlicher als bisher darauf hinweisen, dass dem Vorführungsbefehl stets der Vorrang vor dem Haftbefehl zu geben ist (siehe auch BVerfG, Beschluss vom 27.10.2006, 2 BvR 473/06, NJW 2007, 2318, 2319)“ (BT-Drs. 18/3562, S. 66).

Der Erlass eines Haftbefehls wird danach in der Regel nur in Betracht kommen, wenn der Versuch der Vorführung zum Termin gescheitert ist und/oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass die Anwesenheit des Angeklagten durch eine Vorführung sichergestellt werden kann (BeckOK StPO/Gorf, 50. Ed., StPO § 230 Rn. 13-14, m.w.N.). Nur dies wird dem verfassungsrechtlichen Anspruch gerecht, dass bei einer den Bürger belastenden Maßnahme Mittel und Zweck im angemessenen Verhältnis zueinanderstehen müssen (vgl. BVerfG aaO; Sächs. VerfGH, Beschluss vom 26.03.2015 – Vf. 26-IV-14; OLG Braunschweig NdsRpfl 2012, 313).

Ohne eine Vorführung versucht zu haben, ist der Erlass eines Haftbefehls nur in seltenen Ausnahmefällen verhältnismäßig; ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn feststeht, dass der Angeklagte auf keinen Fall erscheinen will (vgl. KG, Beschluss vom 22.07.2019, 4 Ws 69/19, 161 AR 169/19m.w.N.) oder die Vorführung wahrscheinlich deshalb aussichtslos sein wird, weil der Aufenthaltsort des Angeklagten unbekannt ist oder die begründete Sorge besteht, dass der Angeklagte vor einer Vorführung untertauchen wird (BeckOK StPO/Gorf, ebenda).

Wenn das Gericht demgegenüber sofort zum Mittel des Haftbefehls greift, muss aus seiner Entscheidung deutlich werden, dass es eine Abwägung zwischen der polizeilichen Vorführung und dem Haftbefehl vorgenommen hat. Die Gründe, warum ausnahmsweise sofort die Verhaftung des Angeklagten angeordnet worden ist, müssen tragfähig sein und in dem Beschluss in einer Weise schlüssig und nachvollziehbar aufgeführt werden, dass sie in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Gericht im Rahmen seiner Eigenkontrolle gewährleisten. Von entsprechenden Darlegungen kann nur abgesehen werden, wenn die Nachrangigkeit des Freiheitsanspruchs offen zutage liegt und sich daher von selbst versteht (vgl. KG, ebenda, m.w.N.; zum ganzen so bereits OLG Nürnberg Beschluss vom 10.08.2021, Ws 734/21, unveröffentlicht; OLG Nürnberg Beschluss vom 09.03.2023, Ws 207/23).

bb) Diesen Anforderungen wird der angefochtene Haftbefehl in der Gestalt des Beschlusses des Landgerichts Weiden i.d.OPf. nicht gerecht. Es ist nicht ersichtlich, dass die mildere Anordnung der Vorführung aussichtslos sein wird. Die Begründungen der Nichtabhilfeentscheidungen des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. und des Landgerichts Weiden i.d.OPf. tragen den Erlass eines Haftbefehls anstelle der grundsätzlich vorrangigen Vorführung nicht.

Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, es handle sich bei der Einlassung des Angeklagten, er habe verschlafen, um eine Schutzbehauptung, werden nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr spricht der Umstand, dass der Angeklagte sich am Tag der anberaumten Hauptverhandlung um 9:24 Uhr bei der Geschäftsstelle meldete, für die Glaubhaftigkeit dieser Angabe. Die Arbeitstätigkeit im Schichtdienst wurde von dem Angeklagten selbst unter Vorlage einer Arbeitgeberbescheinigung vorgetragen. Wohn- und Arbeitsort waren dem Amtsgericht damit bekannt. Eine Vorführung erscheint unter diesen Umständen durchaus erfolgversprechend und nicht aussichtslos.

Dass mit dem Haftbefehl die Durchführung der Hauptverhandlung mit vier Zeugen und einem Dolmetscher gesichert werden sollte, rechtfertigt nicht den Erlass eines Haftbefehls, auch wenn es nachvollziehbar ist, dass den Beteiligten ein nochmaliges erfolgloses Erscheinen erspart werden sollte. Bei einer erfolgreichen Vorführung des Angeklagten hätten die Zeuge aber auch kein weiteres Mal bei Gericht erscheinen müssen.

Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass es dem unter laufender Reststrafenbewährung stehenden Angeklagten um eine Verzögerung der Hauptverhandlung ging, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht angeführt. Aus dem vorgemerkten Bewährungszeitende am 21.08.2024 kann dies jedenfalls nicht geschlossen werden, da eine Entscheidung über den Straferlass bei Anhängigkeit weiterer Strafverfahren grundsätzlich zurückzustellen wäre (F., StGB, 71. Aufl. § 56g Rn. 2).

Die dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten sind auch nicht geeignet, durchgreifende Zweifel an einer erfolgreichen Vorführung zu begründen. Dass dem Angeklagten in der Anklageschrift Vereitelungs- und Täuschungshandlungen zur Last gelegt wurden, bietet keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Annahme, dass eine Vorführung des Angeklagten zu einem neuen Hauptverhandlungstermin erfolglos bleiben wird. Dasselbe gilt für eine Zugehörigkeit zur „Rauschgiftszene“, zumal sich aus dem Bundeszentralregister ergibt, dass der Angeklagte die letzte Straftat im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln im 2019 begangen hat.

Die Annahme, der Angeklagte werde sich dem künftigen Strafverfahren entziehen, ist somit ohne tragfähige Grundlage. Es ist vielmehr in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Angeklagte, der über einen festen Wohnsitz mit seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern sowie über eine feste Arbeitsstelle verfügt und sich zeitnah nach Beginn des ersten Hauptverhandlungstermins am 09.01.2024 telefonisch bei der Geschäftsstelle meldete und sein Verschlafen mitteilte, erfolgreich hätte vorgeführt werden können.“

Manchmal fragt man sich, warum eigentlich immer gleich die Brechstange herhalten muss. Das, was das OLG schreibt, ist doch nicht neu. Sollten AG und LG kennen.

 

Betrug III: Straftatbestand oder Zumessungsregel?, oder: Gewerbsmäßiger Betrug

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Und als dritte Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 02.04.2024 – 3 ORs 18/24, und zwar zur Frage, ob es sich bei § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB – „Gewerbsmäßig“ – um einen selbständigen Straftatbestand handelt oder nur um eine Strafzumessungsregel. Das OLG Hamm sagt: Strafzumessungsregel:

„Das Landgericht hat seiner Zumessung „für jede der Taten“ (UA 8) den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, ohne eigene Feststellungen zur Frage der angenommenen Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) getroffen zu haben.

Von eigenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung war die Strafkammer trotz wirksamer Teilrücknahme der Berufung nicht befreit. Eine innerprozessuale Bindung an die entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts bestand nicht. Umfasst von der Bindungswirkung der mit einer wirksamen Berufungsbeschränkung eintretenden horizontalen Teilrechtskraft sind in erster Linie die Tatsachen, in denen Tatbestandsmerkmale zu finden sind, darüber hinaus die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne des geschichtlichen Vorgangs und die Tatsachen, aus denen der Beweis abgeleitet wird (Senat, Beschluss vom 20.01.2020, III-3 RVs 59/19 – juris).

Bei § 263 Abs. 3 StGB handelt es sich um keinen selbstständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel (Fischer, StGB, 71. Auflage 2024, § 263, Rn. 209). Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Es handelt sich weder um einen Umstand, der den Schuldspruch trägt, noch – zumindest im vorliegenden Fall – um einen doppelrelevanten Umstand, der Schuld- und Strafausspruch gleichermaßen berührt. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen Lage des Einzelfalls auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen an. Ist es möglich, einen Umstand aus den Urteilsgründen herauszulösen und insoweit abweichende Feststellungen zu treffen, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe in Frage zu stellen, handelt es sich in der Regel nicht um eine doppelrelevante Tatsache (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16 – juris Rn. 14 ff. zu § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG a.F.).

Die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit sind regelmäßig vom Schuldspruch widerspruchsfrei abtrennbar. Die gewerbsmäßige Begehung hat auf das eigentliche Tatbild, wie es für den Schuldspruch maßgeblich ist, keinen Einfluss und ist für die Tatausführung auch nicht von entscheidender Prägung, so dass die innere Einheit der Urteilsgründe nicht gefährdet wird, wenn das Berufungsgericht hierzu eigene Feststellungen trifft. Wenngleich es sich bei der Gewerbsmäßigkeit auch um eine Handlungsmotivation handelt, reicht diese über die konkrete Tat hinaus; der besondere Unrechtsgehalt liegt gerade in der auf die Begehung weiterer Taten gerichteten Planung. Die die gewerbsmäßige Begehung begründenden Umstände können daher in der Regel hinzu- oder hinweggedacht werden, ohne dass der für den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. November 2019 – 1 Rv 21 Ss 784/19 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2018 – 3 OLG 130 Ss 19/18 -; beide zitiert nach juris). Daran gemessen ist hier schon vor dem Hintergrund der diesbezüglich isolierten Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten in der amtsgerichtlichen Entscheidung (dort UA7, Bl. 574 d. A.) eine Trennbarkeit unproblematisch gegeben.

Standen die vom Amtsgericht zum gewerbsmäßigen Vorgehen des Angeklagten getroffenen Feststellungen trotz der von dem Angeklagten erklärten Teilrücknahme seines Rechtsmittels bzw. Beschränkung auf die Rechtsfolgenentscheidung somit nicht bindend fest, hatte die Strafkammer insoweit eigene Feststellungen zu treffen.

Dies hat sie hier unterlassen und im Gegenteil zum Ausdruck gebracht, dass sie sich „infolge der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch an die vom Amtsgericht festgestellten tatsächlichen Voraussetzungen des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles in Form der gewerbsmäßigen Begehung für jede der Taten gebunden“ betrachte.

Es kommt danach nicht mehr entscheidend darauf an, dass auch der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand, er habe „planmäßig das Überführungsrisiko“ vermindert, schon nicht von den zugrundeliegenden Feststellungen belegt wird. Darüber hinaus lässt auch die Formulierung, der Angeklagte habe „zugleich eine Schadenswiedergutmachung verhindert“ besorgen, dass die Kammer insoweit das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes rechtsfehlerhaft strafschärfend gewürdigt haben könnte.“

Betrug II: Betrugsmasche „falsche Polizeibeamte“, oder: Versuch und Rücktritt vom Versuch

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Und als dritte Entscheidung dann noch etwas zum Betrug (§ 263 StGB), nämlich den OLG Bremen, Beschl. v. 19.03.2024 – 1 Ws 28/24. Der verhält sich zum Versuch und zum Rücktritt vom Versuch bei der Betrugsmasche „falsche Polizeibeamte bzw. Bankmitarbeiter“.

Das LG hatte eine umfangreiche Betrugsanklage nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Dagegen die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hatte.

Ich beschränke mich hier auf die Leitsätze der Entscheidung, und zwar:

    1. Bei der Betrugsmasche „falsche Polizeibeamte bzw. Bankmitarbeiter“ liegt ein unmittelbares Ansetzen zum Betrug im Rahmen der telefonischen Kontaktaufnahme nicht erst dann vor, wenn der Täter den angerufenen Geschädigten tatsächlich zur Vornahme der angestrebten Vermögensverfügung auffordert, sondern bereits bei vorangegangenen Täuschungen im Rahmen desselben Telefonats, die ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung münden sollten.
    2. Bei der Betrugsmasche „falsche Polizeibeamte bzw. Bankmitarbeiter“ kann der Täter nicht mehr strafbefreiend vom Versuch zurücktreten, wenn im Rahmen der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Geschädigten dieser auf die telefonische Betrugsmasche nicht eingeht und damit der Versuch fehlgeschlagen ist und die Erzielung des angestrebten Taterfolgs nicht ohne eine zeitliche Zäsur im unmittelbaren Handlungsfortgang für möglich zu halten gewesen wäre.

Betrug I: Vorsicht – Datingplatformen im Internet, oder: Betrugsmasche „Love scam“

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Heute dann StGB-Entscheidungen, alle drei befassen sich mit Betrug (§ 263 StGB). Als erste Entscheidung hier etwas aus Bayern, nämlich der BayObLG, Beschl. v. 04.04.2024 – 203 StRR 104/24.

Das LG hat die Angeklagte wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) verurteilt. Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hat. Das BayObLG nimmt in seiner Verwerfungsentscheidung ua. zum sog. „love scam“ Stellung, und zwar:

„a) Gegen die von ihr getroffene Feststellung, dass die Überweisungen der Geschädigten auf das Konto der Angeklagten aus Betrugsstraftaten von deren flüchtig Bekannten „O.“ herrührten, ist nichts zu erinnern. Bei der Methode „love scam“, die häufig über Dating-Plattformen im Internet praktiziert wird, spiegelt eine Person einer anderen unter Ausnutzung von deren Gutgläubigkeit eine erfundene Identität, eine erfundene Lebensgeschichte, eine erfundene Vertrauensbasis und einen erfundenen dringenden Geldbedarf vor. Sobald das Opfer die erwünschte(n) Zahlung(en), in der Regel über einen Dritten, geleistet hat, bricht der Täter dem Tatplan entsprechend den Kontakt ab und taucht unerkannt und für das Opfer nicht rückverfolgbar ab. Dieses Verhalten des Bekannten der Angeklagten und etwaiger weiterer Beteiligter erfüllt den Tatbestand von § 263 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 2 StR 395/22 –, juris Rn. 3; LG München I, Urteil vom 27. Juni 2019 – 12 Kls 319 Js 227596/16, BeckRS 2019, 33417 Rn. 77, und dazu BGH, Beschluss vom 21. November 2019 – 1 StR 482/19 –, juris; Metz JR 2019, 492, 494). Die für den Betrug erforderliche Irrtumserregung zum Zeitpunkt der Zahlung belegen die Feststellungen des Landgerichts auch im Falle der Geschädigten R. Dass das Opfer im Laufe der Ermittlungen auf ihrer Fehlvorstellung beharrte, lässt den objektiven Tatbestand nicht wieder entfallen. Soweit die Revision eine Kündigung des Darlehens vermisst und eine Schenkung ins Feld führt, übersieht sie, dass sowohl ein Darlehensvertrag als auch eine Schenkung unter den konkreten Umständen sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB wären (zur Sittenwidrigkeit einer Schenkung vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2022 – X ZR 40/20 –, juris Rn. 16 ff.) und den beiden Geschädigten die für eine Realisierung ihres Rückzahlungsanspruchs erforderliche Identität des Vertragspartners nicht bekannt ist. Der Tatbestand des Betrugs entfällt im Falle einer freiwilligen Zuwendung auch nicht deshalb, weil sich der Getäuschte der nachteiligen Wirkung seiner Verfügung auf sein Vermögen bewusst ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 1992 – 1 StR 133/92 –, BGHSt 38, 281-284, juris Rn. 5; BGH, Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR 331/94 –, juris Rn. 13; im Ergebnis auch BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 StR 334/05 –, juris Rn. 7 zur Subvention). Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier der Täter dem Opfer einen bestimmten Zweck für die Vermögenshingabe nur vorgegaukelt hat (zur Zweckverfehlung beim Schenkungsbetrug vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 263 Rn. 139; des weiteren zur Zweckverfehlung NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, StGB, 6. Aufl., § 263 Rn. 296; Saliger in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 263 StGB B IV Rn. 122, 178 ff.; Beukelmann, BeckOK StGB, 60. Ed § 263 Rn. 49 ff.; O?lakc?o?lu/Mansouri, NStZ 2023, 129 ff., insb. S. 133 ff.; Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 181 ff., 185a; Heger in Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 263 Rn. 56: wenn der mit der Aufwendung verfolgte Zweck verfehlt wurde, obwohl seine Erreichung sich als Grundbedingung für das Vermögensopfer darstellt). Den Bedenken einer Mindermeinung der Literatur (vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 1026 ff. zum Meinungsstand; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 263 Rn. 41, 102) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Vermögensdelikt des Betrugs schützt auch vor durch Täuschung veranlassten bewussten Vermögenseinbußen.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Entsteht die Nr. 4142 VV RVG bei Verzicht auf Rückgabe?

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Und dann zum Tagesschluss noch die Lösung/Anwort zu der Frage vom vergangenen Freitag. Die lautetet: Ich habe da mal eine Frage: Entsteht die Nr. 4142 VV RVG bei Verzicht auf Rückgabe?

Ich habe darauf wie folgt geantwortet:

„Ich mag nicht mehr. Herr lass Hirn vom Himmel regnen. Wenn das richtig wäre, könnte man ja auch argumentieren, dass im Fall der Ablehnung einer Einziehung die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht entstanden ist. Ist also Quatsch.

Im Übrigen: Bei der Rn 6 im Gerold/Schmidt steht das so nicht. Und bei Rn 12 steht genau der Fall _ Verzicht in der HV mit Rechtsprechungsnachweisen: Ich verweise nur auf https://www.burhoff.de/burhoff/rvginhalte/81.htm. Vielleicht hilft das dem Rechtspfleger. Unfassbar.

Und: Was hat die Absetzung mit den ursprünglichen Beanstandungen zu tun? Nichts.“

Ja, etwas drastisch. Aber manchmal weiß man wirklich nicht, was man sagen soll, wenn man solche Beanstandungen liest. Bei der verlinkten Entscheidung handelt es sich um den KG, Beschl. v. 18.07.2005 – 5 Ws 256/05. Der steht nicht nurferi zugänglich = kostenlos!! – auf meiner Homepage, sondern ist außerdem an in einigen Fachzeitschriften veröffentlicht, und zwar mit Leitsatz und Gründen in

JurBüro 2005, 531-532
NStZ-RR 2005, 358-359
Rpfleger 2005, 698-699
AGS 2005, 550-551

Weitere Fundstellen sind mit Leitsatz und Bearbeitung

RVG professionell 2005, 177
RVGreport 2005, 390-391
NJW-Spezial 2005, 570-571
ZAP EN-Nr 230/2006

Im Übrigen findet man reichlich Rechtsprechung zu den Fragen bei << Werbemodus an>> Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, den man hier bestellen kann, und zwar auch als Mängelexemplar, dann wird es für die Landeskasse nicht so teuer. <<Werbemodus aus>> Es würde sicherlich helfen, bei solchen Fragen mal in einen Kommentar zu schauen.