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Anwendbares Recht III: Betrug beim Krypto-Vertrieb, oder: Teilweiser Taterfolg in Deutschland

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In der dritten Entscheidung, dem OLG Hamm, Beschl. v. 14.05.2025 – 1 Ws 90/25 – geht es um die Anwendung des deutschen Strafrechts bei einem Organisationsdelikt, und zwar bei dem betrügerischen Vertrieb von sog. „Schulungspaketen“ bzw. dem verdeckten „Handel“ mit einer nur vermeintlich existenten Krypto-Währung.

Das LG hatte im selbständigen Einziehungsverfahren Taterträge im Wert von 20 Mio EUR eingezogen. Das OLG Hamm hat das bestätigt:

„2. Das Landgericht Bielefeld hat im Ergebnis auch zu Recht das deutsche Strafrecht auf den Sachverhalt des selbständigen Einziehungsverfahrens zur Anwendung gebracht. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ist zu erwarten, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 20.000.000,00 EUR gegen die Einziehungsbeteiligte anzuordnen ist (§ 435 Abs. 1 StPO), da sie im Zeitraum vom 09.12.2015 – 15.08.2016 in 17.552 tateinheitlich begangenen Fällen jeweils einen gewerbsmäßigen Betrug (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB) begangen hat. Dabei hat die Einziehungsbeteiligte durch Schaffung, Betreuung und Ausnutzung von Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen für den betrügerischen Vertrieb von sogenannten „Schulungspaketen“ (bzw. den verdeckten „Handel“ mit einer nur vermeintlich existenten Krypto-Währung) gesetzt und ausgenutzt, die zur täuschungsbedingt veranlassten Schädigung einer Vielzahl von Personen geführt hat. Da sich die Tatbeiträge im Aufbau und der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten (hier gewerbsmäßigen Betruges) ausgerichteten Gewerbebetriebes erschöpft, sind diese als (uneigentliches) Organisationsdelikt nicht nur zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 StGB zusammenzufassen (BGH, Beschluss vom 06.12.2018 – 1 StR 186/18 – juris m.w.N.); das Handeln der Einziehungsbeteiligten ist auch als eine Tat im Sinne des § 264 StPO anzusehen.

Durch das der Einziehungsbeteiligten anzulastende Organisationsdelikt wurden eine Vielzahl von Personen in mehreren Ländern, aber auch deutsche Staatsangehörige geschädigt, welche eine Vermögensverfügung im Sinne des § 263 StGB in Deutschland veranlasst haben. Damit ist der Taterfolg teilweise auch in Deutschland eingetreten, so dass bezogen auf diese Tatteile unzweifelhaft das deutsche Strafrecht nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur Anwendung gelangt. Dies führt aufgrund der Bewertung der Tat der Einziehungsbeteiligten als einheitliche Tat zur Anwendung des deutschen Strafrechts auf das gesamte Organisationsdelikt (vgl. dazu: OLG München, Beschluss vom 04.12.2006 – OLG Ausl 262/06 (92/06) = NJW 2007, 788). Da die Verurteilte auch nicht wegen dieser Tat bereits (in einem anderen Land) verurteilt wurde, ist auch unter Beachtung des Verbots der Doppelbestrafung eine abweichende rechtliche Bewertung nicht geboten.

3. Die Einziehung ist gegen mehrere Beteiligte als Gesamtschuldner anzuordnen, wenn diese zumindest vorübergehend (Mit-)Verfügungsgewalt über das Erlangte hatten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2019, 1 StR 208/19; Urteile vom 05.07.2019 – 5 StR 670/18 Rn. 7 und vom 28.10.2010 – 4 StR 215/10; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 73 Rn. 29 mwN). Aus den in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegten Gründen haftet die Einziehungsbeteiligte daher in Höhe von 2.580.715,15 EUR als Gesamtschuldnerin. Zu Recht hat das Landgericht daher insoweit die Haftung der Einziehungsbeteiligten als Gesamtschuldnerin angeordnet. Klarstellend ist lediglich vorsorglich auszuführen, dass die Einziehungsbeteiligte insoweit (allein) mit der H. GmbH (Einziehungsbeteiligte des bei dem Landgericht Münster unter dem Az. 7 KLs – 6 Js 167/16 – 2/20 geführten Verfahrens) gesamtschuldnerisch haftet (vgl. Urteil vom 08.01.2024 = BeckRS 2024, 20747 Rn. 1205f (1222f)).“

Betrug III: Straftatbestand oder Zumessungsregel?, oder: Gewerbsmäßiger Betrug

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Und als dritte Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 02.04.2024 – 3 ORs 18/24, und zwar zur Frage, ob es sich bei § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB – „Gewerbsmäßig“ – um einen selbständigen Straftatbestand handelt oder nur um eine Strafzumessungsregel. Das OLG Hamm sagt: Strafzumessungsregel:

„Das Landgericht hat seiner Zumessung „für jede der Taten“ (UA 8) den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, ohne eigene Feststellungen zur Frage der angenommenen Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) getroffen zu haben.

Von eigenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung war die Strafkammer trotz wirksamer Teilrücknahme der Berufung nicht befreit. Eine innerprozessuale Bindung an die entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts bestand nicht. Umfasst von der Bindungswirkung der mit einer wirksamen Berufungsbeschränkung eintretenden horizontalen Teilrechtskraft sind in erster Linie die Tatsachen, in denen Tatbestandsmerkmale zu finden sind, darüber hinaus die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne des geschichtlichen Vorgangs und die Tatsachen, aus denen der Beweis abgeleitet wird (Senat, Beschluss vom 20.01.2020, III-3 RVs 59/19 – juris).

Bei § 263 Abs. 3 StGB handelt es sich um keinen selbstständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel (Fischer, StGB, 71. Auflage 2024, § 263, Rn. 209). Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Es handelt sich weder um einen Umstand, der den Schuldspruch trägt, noch – zumindest im vorliegenden Fall – um einen doppelrelevanten Umstand, der Schuld- und Strafausspruch gleichermaßen berührt. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen Lage des Einzelfalls auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen an. Ist es möglich, einen Umstand aus den Urteilsgründen herauszulösen und insoweit abweichende Feststellungen zu treffen, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe in Frage zu stellen, handelt es sich in der Regel nicht um eine doppelrelevante Tatsache (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16 – juris Rn. 14 ff. zu § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG a.F.).

Die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit sind regelmäßig vom Schuldspruch widerspruchsfrei abtrennbar. Die gewerbsmäßige Begehung hat auf das eigentliche Tatbild, wie es für den Schuldspruch maßgeblich ist, keinen Einfluss und ist für die Tatausführung auch nicht von entscheidender Prägung, so dass die innere Einheit der Urteilsgründe nicht gefährdet wird, wenn das Berufungsgericht hierzu eigene Feststellungen trifft. Wenngleich es sich bei der Gewerbsmäßigkeit auch um eine Handlungsmotivation handelt, reicht diese über die konkrete Tat hinaus; der besondere Unrechtsgehalt liegt gerade in der auf die Begehung weiterer Taten gerichteten Planung. Die die gewerbsmäßige Begehung begründenden Umstände können daher in der Regel hinzu- oder hinweggedacht werden, ohne dass der für den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. November 2019 – 1 Rv 21 Ss 784/19 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2018 – 3 OLG 130 Ss 19/18 -; beide zitiert nach juris). Daran gemessen ist hier schon vor dem Hintergrund der diesbezüglich isolierten Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten in der amtsgerichtlichen Entscheidung (dort UA7, Bl. 574 d. A.) eine Trennbarkeit unproblematisch gegeben.

Standen die vom Amtsgericht zum gewerbsmäßigen Vorgehen des Angeklagten getroffenen Feststellungen trotz der von dem Angeklagten erklärten Teilrücknahme seines Rechtsmittels bzw. Beschränkung auf die Rechtsfolgenentscheidung somit nicht bindend fest, hatte die Strafkammer insoweit eigene Feststellungen zu treffen.

Dies hat sie hier unterlassen und im Gegenteil zum Ausdruck gebracht, dass sie sich „infolge der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch an die vom Amtsgericht festgestellten tatsächlichen Voraussetzungen des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles in Form der gewerbsmäßigen Begehung für jede der Taten gebunden“ betrachte.

Es kommt danach nicht mehr entscheidend darauf an, dass auch der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand, er habe „planmäßig das Überführungsrisiko“ vermindert, schon nicht von den zugrundeliegenden Feststellungen belegt wird. Darüber hinaus lässt auch die Formulierung, der Angeklagte habe „zugleich eine Schadenswiedergutmachung verhindert“ besorgen, dass die Kammer insoweit das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes rechtsfehlerhaft strafschärfend gewürdigt haben könnte.“