Und die zweite OWi-Entscheidung des Tages, die letzte des Jahres 2019, kommt aus Bayern. Das BayObLG hat sich im BayObLG, Beschl. v. 29.10.2019 – 202 ObOWi 1600/19 – ebenfalls zu den Folgen der kommunalen Verkehrsüberwachung durch Leiharbeitnehmer und sonstige (technische) Unterstützung durch private Dienstleister geäußert.
Das hatte das BayObLG vor einigen Jahren schon getan. Die Rechtsprechung greift es jetzt wieder auf, und zwar mit folgenden amtlichen Leitsätzen:
1. Die Heranziehung privater Dienstleister zur eigenständigen Feststellung und Verfolgung von Geschwindigkeitsverstößen im Rahmen der kommunalen Verkehrsüberwachung ist unzulässig. Macht die Gemeinde von der gesetzlichen Befugnis zur Verkehrsüberwachung Gebrauch, darf sie sich hierbei privater Dienstleister nur bedienen, wenn sichergestellt ist, dass sie ‚Herrin‘ des Verfahrens bleibt, wozu insbesondere die Vorgaben über Ort, Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen, die Kontrolle des Messvorgangs, die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel und die Kontrolle über die Ermittlungsdaten gehören sowie die Entscheidung darüber, ob und gegen wen ein Bußgeldverfahren einzuleiten ist (stRspr., u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 21.03.2005 – 2 ObOWi 700/04 = DAR 2005, 633).
2. Nimmt die Gemeinde als Verfolgungsbehörde bei der Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen oder deren Auswertung einen privaten Dienstleister in Anspruch, der ihr Personal nach den Bestimmungen des AÜG überlässt, und ist dieses Personal – unter Aufgabe der Abhängigkeiten und des Weisungsrechts der Entleihfirma – hinreichend in die räumlichen und organisatorischen Strukturen der Gemeinde integriert sowie der für das Verfahren zuständigen Organisationseinheit der Gemeinde zugeordnet und deren Leiter unterstellt, so ist das Handeln des überlassenen Mess- bzw. Auswertepersonals unmittelbar der Gemeinde als hoheitliche Tätigkeit zuzurechnen (stRspr., u.a. Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 21.03.2005 – 2 ObOWi 700/04 = DAR 2005, 633 und 17.02.1999 – 2 ObOWi 751/98 = NZV 1999, 258 = BayObLGSt 1999, 38 = VD 1999, 133 = NJW 1999, 2200 = DAR 1999, 321 = BayVBl 1999, 444 = VRS 97 [1999], 62 = DÖV 1999, 829 = VerkMitt 1999, Nr 84). Im Rahmen der Auswertung von Messdaten durch Leiharbeitnehmer ist eine hinreichende Kontrolle der Gemeinde über die (digitalen) Ermittlungsdaten grundsätzlich nur dann hinreichend gewährleistet, wenn sich die Messdatensätze auf einem ausschließlich der Gemeinde oder dem von ihr mit der Auswertung betrauten Leiharbeitnehmer zugänglichen Speichermedium befinden.
3. Auch sonst darf sich die Gemeinde der (technischen) Hilfe eines privaten Dienstleisters bedienen, wenn diese nicht in Bereiche eingreift, die ausschließlich hoheitliches Handeln erfordern und sichergestellt ist, dass die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel sowohl bei der Messung selbst als auch bei der Auswertung bei ihr verbleibt.
Die Gemeinde bleibt jedenfalls dann ,Herrin‘ des Verfahrens, wenn sich die Tätigkeit des Dienstleisters auf die Aufbereitung der Daten einer Messreihe (etwa durch Vergrößerung bzw. Aufhellung von Bildern oder sonstige rein qualitative Bildbearbeitungen) beschränkt und die Resultate anschließend durch die Gemeinde selbst oder das an sie entliehene Auswertepersonal einer Kontrolle auf Vollständigkeit, Authentizität und Integrität sowie Verwertbarkeit unterzogen werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Bestimmungen des Datenschutzes durch den privaten Dienstleister strikt eingehalten werden und dieser nach der Rückübertragung keinen Zugriff mehr auf die Daten hat. Dies schließt eine Vorselektion der Daten, etwa durch Vorenthaltung wegen mangelnder Beweiseignung, seitens des privaten Dienstleisters aus (u.a. Anschluss an OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.04.2017 – 2 Ss OWi 295/17 = NStZ-RR 2017, 188 = DAR 2017, 386 = NStZ 2017, 588 = ZD 2017, 577 und 28.04.2016 – 2 Ss OWi 190/16 = NStZ-RR 2016, 322 = NJW 2016, 3318 = DAR 2017, 45; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16 = VerkMitt 2016, Nr 56 = Justiz 2016, 453 = DV 2016, 296 und OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.05.2017 – Ss Bs 8/17 = NStZ 2018, 480 = ZD 2019, 82).“
Wer noch Zeit und Lust hat, kann den Volltext dann ja noch vor dem Jahresende lesen 🙂 .
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