Ich hatte bereits zweimal über OLG-Entscheidungen zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen betreffend das Tatbestandsmerkmal „Wegnahme“ beim Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB berichtet (vgl. hier “An sich nehmen” oder “entwenden”. Reicht nicht für einen Diebstahl.. und hier “Entwenden” reicht für “Wegnahme” nicht). Dabei ging es um den OLG Bamberg, Beschl. v. 01.10. 2013 – 3 Ss 96/13 – und den OLG Hamm, Beschl. v. 14.11.2013 – 5 RVs 111/13 – sowie auch den OLG Hamm, Beschl. v. 06.05.2013 – III 5 RVs 38/13). Mit der Frage hat sich dann vor einiger Zeit auch das OLG Düsseldrof auseinandersetzt und sie anders entschieden als das OLG Bamberg bzw. das OLG Hamm. Die hatten die Feststellungen als zu knapp beanstandet
Im OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12..2013 – 3 RVs 147/13 – heißt es dazu dann aber:
a) Entgegen der Auffassung von Verteidiger und Generalstaatsanwaltschaft tragen die sich auf den Satz : Am 20.02.2013 gegen 11.50 Uhr entwendete der Angeklagte aus den Auslagen der Firma Kaufpark Käse und Mett zum Preis von 2,48 EURO“ beschränkenden Feststellungen zur Sache den Schuldspruch wegen Diebstahls. Dem Verteidiger und der Generalstaatsanwaltschaft ist zwar zuzugeben, dass die Reduktion der Tatbeschreibung auf das Verb „entwenden“ eine größtmögliche Einschränkung der sachlichrechtlichen Nachprüfungsgrundlage bedeutet.
Gleichwohl ist die vom Senat vorzunehmende Subsumtionsprüfung hier insbesondere mit Blick auf das in § 242 Abs. 1 StGB enthaltene Tatbestandsmerkmal der „Wegnahme“ noch möglich. Grund für die abweichende — und vom Verteidiger in Bezug genommene — Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 6. Mai 2013 – 111-5 RVs 38/13) war, dass in dem dort zu entscheidenden Fall mit einem Paar Herrenschuhe größere Gegenstände „entwendet“ waren, die nach ihrer Beschaffenheit eine Abgrenzung zwischen vollendeter oder bloß versuchter Wegnahme nicht zuließen. In dem hier zu beurteilenden Fall kann dagegen aus der Art der Gegenstände und deren äußerst geringem Gesamtpreis mit Sicherheit geschlossen werden, dass es sich um kleinere, sehr handliche und leicht bewegliche Objekte handelte, bei denen eine vollendete Wegnahme schon dann angenommen werden kann, wenn sie der Täter ergriffen hat und festhält (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 18 m.w.N.). Da umgekehrt ein Versuch in Fällen des Ladendiebstahls nur vorliegt, wenn der Dieb zur Bergung der Beute von vornherein keine Chance hat, weil es sich — anders als hier — um auffällige, sperrige Sachen handelt (vgl. Fischer, a.a.O. Rn. 21), stellt sich die im Fall des OLG Hamm problematische Abgrenzungsfrage vorliegend gerade nicht. Es kommt daher auch eine Divergenzvorlage an den BGH nach § 121 Abs. 2 GVG nicht in Betracht.“
Wie hatte der Kollege, der mir die Entscheidung geschickt hat, geschrieben: „Halten, halten, bloß nicht dem BGH vorlegen.“
Beide Oberlandesgerichte differenzieren zwischen kleinen und größeren Gegenständen (und kommen nur deshalb zu unterschiedlichen Ergebnissen, weil es hier eben kleine, dort größere Gegenstände waren). Eine vorlagefähige streitige Rechtsfrage existiert deshalb ersichtlich nicht.
Ersichtlich nicht? Und was ist mit OLG Bamberg
, wenn wir die Hose des OLG Hamm mal außen vorlassen?
Die Angst mancher OLG-Senate vor dem BGH ist halt noch stärker ausgeprägt als die Angst mancher Amtsrichter vor der Sprungrevision….
Das OLG Bamberg differenziert im Anschluss an das OLG Hamm ebenfalls zwischen „kleinen, leicht beweglichen“ und größeren Gegenständen. Auch insoweit fehlt es deshalb ersichtlich an einer Divergenz.
(Wenn Sie oder Herr „TH“ immer noch anderer Meinung sind: wie hätte die Vorlagefrage denn lauten sollen??)
Man kann das schöne Wörtchen „ersichtlich“ auch inflationär verwenden…..
Im Übrigen dürfte der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 121 Abs.2 GVG nicht nur an Fälle gedacht haben, die bis auf das Az. vollkommen identisch sind.
Selbst wenn die Frage, bei welchen Objektgrößen eine Divergenzvorlage angezeigt wäre, irgendwann geklärt wird: manche dem Zweifel (und damit meine ich nicht dem Zweifelssatz) zuneigende OLG-Senate würden dann vielleicht neben der Objektgröße auch noch Feststellungen zur getragenen versteckfähigen Kleidung vermissen, etwa so:
„Wie dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist, ist es in touristisch rege besuchten Fremdenverkehrsorten wie der Insel Borkum im Hochsommer – definiert als die Zeit vom x. bis ypsilonten- durchaus nicht unüblich, dass der durchschnittliche Besucher von Lebensmitteleinkaufsmärkten nur knapp bekleidet ist. Der Senat vermag daher angesichts der Tatzeit 01.08.20xy nicht auszuschließen, dass die zwei Schachteln Zigaretten, die der Angeklagte entwendet haben soll, mangels geeigneter verdeckungsfähiger Bekleidungsstücke nicht in eine Gewahrsamsexklave gelangt sind. Das Urteil war daher mit den Feststellungen aufzuheben. Das Tatgericht wird sich zudem durch Einholung eines Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes zu den Witterungsverhältnissen im angenommenen Tatzeitpunkt……..“
Wie schwierig werden ausreichende Feststellungen wohl erst werden, wenn sich die mutmaßliche Tat in einem FKK-Gebiet ereignet hat?