Das LG Mannheim hatte in dem heute Morgen vorgestellten LG Mannheim, Beschl. v. 22.10.2025 – 4 Qs 61/25 – den LG Stuttgart, Beschl. v. 11.12.2024 – 20 Qs 24/24 – als Nachweis für seine Auffassung zitiert. Ich habe mir den besorgt und stelle ihn hier dann jetzt vor.
Dem Beschluss liegt ein Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen wegen Teilnahme im Straßenverkehr unter Einfluss berauschender Substanzen – 2,9 ng/ml THC im Blutserum – zugrunde. Gegen den Betroffen ist zunächst nach alten Recht des §§ 24a Abs.2, Abs. 3 StVG i eine Geldbuße festgesetzt worden. Das AG hat, nachdem der Bundestag am 05.06.2024 das Gesetz zur Änderung des StVG und anderer Vorschriften mit einem höheren in § 24a StVG geregelten THC-Grenzwert von 3,5 ng/ml Blutserum im Straßenverkehr verabschiedet hatte – noch bevor der Bundesrat diesem Gesetz zugestimmt hat -, das Verfahren am 13.06.2024 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt.
Der Betroffene hat auch eine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG geltend gemacht. Die hat das AG festgesetzt. Dagegen hat die Vertreterin der Staatskasse sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die zusätzliche Gebühr Nr. 5115 VV RVG nicht entstanden sei, da das Verfahren nicht durch die anwaltliche Mitwirkung des Wahlverteidigers eingestellt worden sei. Ein Fall des gezielten Schweigens liege nicht vor, da die Rechtslage eindeutig und der Ausgang des Verfahrens nicht offen gewesen sei (vgl. Art. 13 CanG, Art. 316p, 313 EGStGB). Das Rechtsmittel hatte Erfolg:
„Die angefochtene Entscheidung entspricht nicht der Sach- und Rechtslage. Die zusätzliche Gebühr Nr. 5115 VV RVG wird ausgelöst, wenn durch anwaltliches Mitwirken das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde eingestellt oder die Durchführung der Hauptverhandlung entbehrlich wird. Dabei muss das Mitwirken auf das Ziel einer Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung gerichtet sein und diese fördern (BGH NJW 2009, 268). Zwar ist keine für die Einstellung ursächliche Tätigkeit erforderlich, es muss aber der eigenständige Beitrag die Einstellung zumindest irgendwie in quantitativer und qualitativer Hinsicht fördern (BGH NJW 2009, 268). Derartiges ist vorliegend nicht ersichtlich. Der Wahlverteidiger hat sich für den Betroffenen mit Schriftsatz vom 22.05.2024, beim Amtsgericht Ludwigsburg eingegangen am 23.05.2024, dahingehend eingelassen, dass dieser zwar das Fahrzeug geführt habe, aber weitere Angaben zur Sache nicht mache. Insoweit liegt ein gezieltes Schweigen zum Vorwurf der Teilnahme im Straßenverkehr unter Einfluss berauschender Substanzen vor. In Bußgeldsachen kann für ein Mitwirken zwar grundsätzlich ausreichen, dass der Verteidiger seinem Mandanten zum Schweigen rät und damit die Ahndung nicht auf die Einlassung des Betroffenen sondern nur auf die übrigen zur Verfügung stehenden Beweismittel gestützt werden kann (Burhoff in Gerold/Schmidt/Burhoff RVG VV 5115 Rn.6). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes reicht der Rat zu gezieltem Schweigen dann aber nicht aus, wenn unabhängig von der Einlassung des Betroffenen offenkundig ist, dass er die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben kann (vgl. BGH NJW 2011, 1605). Zwar ist der Ausgang des Verfahrens hier nicht offenkundig, da der neue erhöhte Tetrahydrocannabiol-Grenzwert von 3,5 ng/ml Blutserum im Straßenverkehr noch nicht in Kraft getreten war und daher eine Anwendung des neuen Grenzwertes auch noch nicht zwingend war. Deshalb stellte das Amtsgericht Ludwigsburg das Verfahren in eigenem Ermessen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach § 47 Abs. 2 OWiG und nicht nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 170 Abs. 2 StPO ein. Allerdings kann das gezielte Schweigen vorliegend nicht zur Auslösung der Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG führen, da es in diesem Fall nicht geeignet gewesen ist, die Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung in irgendeiner Form zu fördern. Die endgültige Einstellung des Verfahrens vor der Hauptverhandlung erfolgte völlig unabhängig von dem Tätigwerden des Wahlverteidigers durch eine Entscheidung des Gerichts im Hinblick auf die bevorstehende gesetzliche Änderung des Tetrahydrocannabiol-Grenzwertes, so dass die Anforderungen an ein Mitwirken durch das Tätigwerden des Wahlverteidigers nicht erfüllt wurden.“
M.E. ist auch die Entscheidung in der „Evidenzfrage“ falsch. Ich verweise dazu auf meine Anmerkung zu LG Mannheim, Beschl. v. 22.10.2025 – 4 Qs 61/25 (vgl. Einstellung nach Mitteilung zum gezielten Schweigen, oder: Auf „Evidenz der Einstellung“ kommt es nicht an).

