OWi I: Standard Abstands-/Geschwindigkeitsmessung, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

Und heute dann OWi-Entscheidungen! Ja, richtig. Man glaubt es kaum, aber es haben sich tatsächlich ein paar Entscheidungen angesammelt, über die man berichten kann. Allerdings: Alles nichts Besonders, aber immerhin. Ich hoffe, die (Sommer)Flaute ist bald beendet.

Zunächst hier zwei OLG-Entscheidungen, die noch einmal zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung bzw. einer Abstandsmessung Stellung genommen haben.

In dem vom BayObLG im BayObLG, Beschl. v. 31.07.2024 – 202 ObOWi 742/24 – war mit dem Abstandssystem VKS 4.5 gemessen worden. Dazu das BayObLG:

„Bei dem verwendeten Abstandssystem VKS 3.0 (für die jetzige Softwareversion 4.5 kann nichts anders gelten) handelt es sich allerdings um ein standardisiertes Messverfahren, wovon auch die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Stellungnahme vom 09.07.2024 ausgeht. Von der Zuverlässigkeit der Messung muss sich das Gericht nur überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind. Solche Anhaltspunkte bestanden für das Gericht nach den Urteilsfeststellungen nicht. Die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert würden in diesem Fall die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung (vgl. BGHSt 39, 291; speziell zum Abstandsmessverfahren VKS zuletzt: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.09.2019 – 1 Rb 10 Ss 618/19, bei juris Rn. 12) bilden. Auf die Angaben kann nur im Falle eines glaubhaften Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden, von dem hier nach den Urteilsgründen nicht ausgegangen werden kann.

Das OLG Bamberg (Beschl. v. 19.07.2017 – 3 Ss OWiG 836/17, bei juris; vgl. auch Gieg/Krenberger in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., Rn. 130) hat – noch weitergehend – ausgeführt, dass bei einer im standardisierten Messverfahren erfolgten Abstandsmessung wenn sich aus den Urteilsgründen zweifelsfrei ergibt, dass ein Toleranzabzug vorgenommen wurde, es der Mitteilung des konkreten Toleranzwertes nicht mehr bedarf, da ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass die nach der Gebrauchsanweisung des Herstellers vorgesehenen systemimmanenten Verkehrsfehlergrenzen bereits vom Rechenprogramm abgezogen und damit im Ergebnis berücksichtigt wurden.

Den vorgenannten Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Den Urteilsgründen lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass es sich bei dem zugrunde gelegten Geschwindigkeitswert von 139 km/h um den nach Abzug der (systemimmanent ermittelten) Toleranzen ermittelten Wert handelt und der Toleranzabzug dem Grunde nach auch berücksichtigt wurde.“

Die zweite Entscheidudng stammt vom OLG Brandenburg. Das AG hatte festgestellt, dass die Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren mit einem Messfahrzeug unter Verwendung der Video-Verkehrsüberwachungsanlage ProVida2000/ViDista vorgenommen worden war. dazu dann das OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.07.2024 – 1 ORbs 144/24:

„Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren mit einem Messfahrzeug unter Verwendung der Video-Verkehrsüberwachungsanlage ProVida2000/ViDista vorgenommen worden sind. Diese Messmethode ist als standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu BGHSt 39, 291 = NZV 1993, 485) anerkannt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2000 – 2 Ss OWi 1057/2000, 2 Ss OWi 1057/00; Rz. 9; OLG Köln, Beschluss vom 30. Juli 1999 – Ss 343/99 B – Rz. 17 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 04. Dezember 2008 – 3 Ss OWi 871/08 – Rz. 19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2000 – 2b Ss (OWi) 125/00 – (OWi) 52/00 I – Rz. 20 m. w. N.; sämtlich zitiert nach juris).

Das Urteil muss deshalb feststellen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Geschwindigkeitsmessung beruht. Dazu gehören insbesondere Angaben darüber, ob die Messung durch elektronische Aufzeichnungen oder durch Ablesen, durch stationäre Geräte oder aus einem fahrenden Fahrzeug heraus erfolgte, wie lang ggf. die Verfolgungsstrecke und der Abstand des Polizeifahrzeugs zu dem verfolgten Fahrzeug des Betroffenen waren und welcher Toleranzabzug bei der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung vorgenommen worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. November 2019 – 2 Rb 35 Ss 795/19 –, Rz. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2000 – 2b Ss (OWi) 125/00 – (OWi) 52/00 I –, Rz. 18; OLG Hamm, Beschluss vom 04. Dezember 2008 – 3 Ss OWi 871/08 –, Rz. 19; OLG Köln, Beschluss vom 30. Juli 1999 – Ss 343/99 B –, Rz. 17; sämtlich zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es enthält weder Feststellungen zum Abstand des Polizeifahrzeugs zu dem verfolgten Auto des Betroffenen noch einen bei der Geschwindigkeitsmessung berücksichtigten Toleranzabzug.“

Ein kleiner Hinweis, aber vorab lieber <<Werbemodus an>>: Das BayObLG nimmt Bezug auf Burhoff (Hrsg), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. Das Zitat ist allerdings nicht ganz richtig. Denn die Ausführungen zur Abstandsmessung werden ab der im Mai 2024 erschienenen 7. Auflage vom Kollegen Krenberger allein bearbeitet. Das Zitat befindet sich zudem auch nicht bei der Rn 130, sondern bei der Rn 131. Wer das prüfen will, kann das Buch gern hier bestellen 🙂 . <<Werbemodus aus>>.

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