Archiv für den Monat: Januar 2024

StPO II: War die HV länger als 3 Wochen unterbrochen?, oder: Wie berechnet sich die Hemmung der Frist?

Und dann das zweite Posting, auch nichts „Schweres“ 🙂 , sondern eine Frage, die ich ebenfalls schon häufiger vorgestellt habe. Nämlich die vom BGH im BGH, Beschl. v. 02.11.2023 – 6 StR 316/23 – behandelte Frage der Berechnung der Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO bzw. der Hemmungs(frist):

„1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

a) Ein Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO liegt nicht vor. Die Hauptverhandlung war zwischen dem Termin vom 7. Dezember 2021 und dem nachfolgenden Termin vom 27. Januar 2022 nur 20 Tage und damit nicht länger als drei Wochen unterbrochen, weil der Ablauf dieser Frist (vgl. zur Berechnung BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 6 StR 114/20, NStZ 2020, 622) vom Beginn des 15. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 13. Januar 2022 nach § 10 EGStPO für 30 Tage gehemmt war. Die Zeit der Hemmung ist entsprechend § 209 BGB zu bestimmen. Sie beginnt daher mit dem Tag, an dem der Hemmungsgrund eingetreten ist, und endet mit dem Tag seines Wegfalls. Beide Tage gehören zur Hemmungszeit und werden nicht in den Unterbrechungszeitraum eingerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 – XII ZR 114/06, NJW 2009, 1488, 1491 [zu § 209 BGB]; Arnoldi in MüKo/StPO, 1. Aufl., § 229 Rn. 21; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 229 Rn. 27; Gmel/Peterson in Karlsruher Kommentar, StPO, 9. Aufl., § 229 Rn. 15).

…..“

StPO I: Begründung der Revision des Nebenklägers, oder: Die allgemeine Sachrüge reicht nicht

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Heute ist dann der erste Arbeitstag des neuen Jahres. Allen noch einmal ein frohes Neues Jahr.

Das Jahr 2024 beginne ich mit dem BGH, Beschl. v. 05.12.2023 – 5 StR 546/23 -, der sich noch einmal 🙂 zu einer Frage äu0ert, die ich hier auch schon einige Male behandelt habe. Leider wird an der Stelle aber immer wieder ein Fehler gemacht. Es geht um die Begründung der Revision des Nebenklägers.

Der BGH hat die Revision des Nebenklägers als unzulässig verworfen. Denn:

„Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann ein Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Die Begründung seiner Revision muss daher erkennen lassen, dass er mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, also einen bisher unterbliebenen Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen einer Straftat, welche die Berechtigung zum Anschluss an das Verfahren begründet; wird eine derartige Präzisierung bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht vorgenommen, ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 5 StR 169/22 mwN).

So liegt es hier. Die Nebenklägerin hat lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben und nähere Ausführungen vermissen lassen.“

Was kommt in 2024 „vielleicht“ an neuen Gesetzen, oder: Eckpunkte StGB, RVG-Erhöhung und digitale HV (?)

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Und dann am Neujahrsnachmittag ein kleiner Ausblick auf das, was kommt bzw. kommen könnte. Ich beschränke mich dabei auf die Gesetzesvorhaben, die uns die Ampel-Koalition noch „beschert“, wenn sie es denn so weit noch schafft.

Das Wichtigste dürften da die vom BMJ mit einem „Eckpunktepapier zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs“ aus November 2023 angekündigten Änderungen sein. Das beruht auf dem Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition, der vorsieht, dass das StGB systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche überprüft werden soll. Es sollen besonders historisch überholte Straftatbestände kritisch überprüft werden, um die Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz zu gewährleisten.

Das BMJ hat unter diesen Gesichtspunkten folgende Delikte vorgesehen/aufgelistet, die verändert bzw. aufgehoben werden sollen:

1. Aufzuhebende oder inhaltlich anzupassende Tatbestände

2. Änderungen bei Tatbeständen mit Bezug zum Nationalsozialismus:

3. Tatbestände, die Gegenstand anderer Vorhaben sind bzw. waren:

      • Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte – § 184b StGB
      • Ausspähen von Daten, Abfangen von Daten, Vorbereitung des Ausspähens und Abfangens von Daten – §§ 202a ff. StGB

Wegen der Einzelheiten und der Begründung für die Änderungen verweise ich auf das vollständige Eckpunkte-Papier auf der Homepage des BMJ.

Und dann haben wir ja noch die für das RVG geplanten Änderungen. Beim DAV und der BRAK ist man da ganz hoffnungsvoll, ich bin mir nicht sicher, ob die Änderungen schon in 2024 kommen oder ob sie erst in 2025 in Angriff genommen werden. Dann quasi als Vorwahlgeschenk. Zu den Änderungen gibt es aber nichts Neues, so dass ich dazu auf meinen Beitrag: Höhere Anwaltsgebühren/RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft 2.0 – Stand September 2023 verweisen kann.

Und dann ist da noch das „Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen
Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer Vorschriften Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG), zu dem der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen hat (vgl. hier die BR-Drucks. 603/23). Der Bundesrat wünscht eine „grundlegende“ Überarbeitung.

Ich bin gespannt.

Bild von Rosy / Bad Homburg / Germany auf Pixabay

Zu Beginn des „neuen“ Jahres 2024 schauen wir zurück, oder: Die Top-Ten-Themen des Jahres 2023

Bild von Rosy / Bad Homburg / Germany auf PixabayAm ersten Tag des neuen Jahres 2024 starte ich von Borkum aus mit allen guten Wünschen für das Neue Jahr. Ich will das jetzt nicht vertiefen, denn sicherlich hat jeder für die kommenden 12 Monate eigene/andere Wünsche, sowohl alllgemein als auch privat. Ich wünsche uns allen, dass unsere guten Wünsche sich erfüllen und unsere (bösen) (Vor)Ahnungen nicht in Erfüllung gehen. Packen wir es an. Es liegt auch an uns.

Die Berichterstattung im neuen Jahr beginne ich mit einem Rückblick auf das Jahr 2023, und zwar mit diesem Rückblick auf meine Top Beiträge 2023. Das ist für mich auch eine Art, das abgelaufene Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen. Was war wichtig, was ist angekommen? Ich bin beim Zusammenstellen dieses Beitrags immer erstaunt, über was ich im abgelaufenen Jahr alles berichtet habe und darüber, dass einige Themen sich dann doch Jahr für Jahr wiederholen und manches sich auch überholt hat. So auch für 2023.

Und dann geht es los. Hier sind also die Top Beiträge des Jahres 2023. Allerdings: In diesem Jahr ist es nur eine Top-Ten, es sind nicht wie im vergangenen Jahr für 2022 25 Beiträge. Das hat damit zu tun, dass hier im Blog in 2023 ein neues Statistik-Tool installiert worden ist – u.a. auch noch wegen DSGVO 🙂 – und das hatte ich nicht richtig eingestellt. Das habe ich leider erst jetzt gemerkt, so dass es etwas mühsam war, die meist geklickten Beiträge zu finden/herauszusuchen. Zum Glück hatte ich im Laufe des Jahres gemerkt, dass etwas nicht stimmte und war einen Umweg gegangen, so dass ich jetzt zumindest 10 Beiträge vorstellen kann. Jetzt ist aber alles richtig eingestellt, so dass es 2024 besser wird. Hoffentlich 🙂 .

Hier dann also die Top-Ten:

    1. Pflichti I: Ist der „Pflichti“ (k)ein richtiger Verteidiger?, oder: Si tacuisses, philosophus mansisses
    1. News: Das BVerfG und die Rohmessdaten, oder: Für diese Absage braucht man drei Jahre, lächerlich
    1. Höhere Anwaltsgebühren/RVG-Änderungen?, oder: Blick in die Zukunft mit dem „Eckpunktepapier“ 2023
    1. Im Gespräch: Entkriminalisierung der Unfallflucht, oder: Der Bundesjustizminister überlegt mal wieder
    1. BtM II: Verwertbarkeit des ANOM-Chatverkehrs, oder: LG Memmingen nimmt Beweisverwertungsverbot an
    1. StGB III: Schriftsatz mit pornografischen Abbildungen, oder: Strafbarkeit des Anwalts wegen „Verbreitung….“?
    1. Werbung I: Focus-Siegel „Top-Mediziner“ irreführend, oder: Lasset die „Do ut Des-Spiele“ beginnen
    1. StGB III: Der Besitz kinderpornografischer Inhalte, oder: Auffinden allein im Browser-Cache kein Besitzwille
    1. OWi II: Die Zustellung ohne Vollmachtsnachweis, oder: Das reicht auch nach neuem Recht nicht
    1. OWi I: Das AG weiß es zweimal besser als das OLG (?), oder: Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beim AG Bochum

Allgemein kann man sagen: Die StPo- und die Gebührenbeiträge „laufen“ ganz gut, obwohl es keiner in die Top-Ten geschafft hat, wenn man mal davon absieht, dass RVG-Änderungen und ANOM ja in die Gruppe gehören. Nun, schauen wir, was es in 2024 für interessante Entscheidungen geben wird.