Im zweiten Posting dann etwas vom BVerfG, und zwar der BVerfG, Beschl. v. 30.03.2023 – 3. März 2023 – 2 BvR 1810/22.
In dem Beschluss hat das BVerfG über die Verfassungsbeschwerde gegen ein amtsgerichtliches Strafurteil entschieden. Gerügt worden war, dass ein gestellter Adhäsionsantrag übergangen worden sei. Es ist ein Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot, den Justizgewährungsanspruch und den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend gemacht worden.
„Gestritten“ worden ist um die Frage der Erschöpfung des Rechtsweges, nämlich darum, ob eine Anhörungsrüge zu erheben ist/war. Das BVerfG hat die Frage bejaht, die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung angenommen, weil über die nach seiner Ansicht erhobene Anhörungsrüge vom AG noch zu entscheiden sei. Inoweit verweise ich auf den verlinkten Volltext. Dazu hier nur der Leitsatz:
1. Wird mit der Verfassungsbeschwerde – gegebenenfalls lediglich der Sache nach – eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG regelmäßig abhängig ist. Etwas anderes gilt (nur), wenn das Anhörungsrügeverfahren offensichtlich aussichtslos ist.
2. Eine Anhörungsrüge ist ausnahmsweise auch statthaft, wenn das Gericht eine ausdrückliche Absehensentscheidung irrtümlich im Rahmen des Strafurteils, statt, wie vorgesehen, durch Beschluss, trifft oder den Adhäsionsantrag stillschweigend übergangen hat.
Und dann zum hier interessierenden gebührenrechtlichen Teil:
„1. Das Land Rheinland-Pfalz hat die Auslagen der Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu tragen.
Nach § 34a Abs. 3 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht die volle oder teilweise Erstattung von Auslagen auch dann anordnen, wenn die Verfassungsbeschwerde erfolglos geblieben ist. Dies gilt auch, wenn sie, wie hier, nicht zur Entscheidung angenommen wurde (vgl. BVerfGE 36, 89 <92>; BVerfGK 7, 283 <302 f.>). Die Anordnung der Auslagenerstattung steht im Ermessen des Gerichts und setzt voraus, dass besondere Billigkeitsgründe vorgetragen oder ersichtlich sind (stRspr; vgl. BVerfGE 7, 75 <77>; 20, 119 <133 f.>; 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>; 89, 91 <97>; 133, 37 <38 f. Rn. 2>).
Die Auslagenerstattung wird angeordnet, da in der Sache ein Verfassungsverstoß gegeben sein dürfte und die Verfassungsbeschwerde lediglich aus prozessualen Gründen, die für die Beschwerdeführerin nur schwer antizipierbar waren, nicht zur Entscheidung angenommen werden kann. Ob eine Anhörungsrüge statthaft und als Teil des Rechtsweges anzusehen ist, ist in der vorliegenden Fallkonstellation durchaus problematisch; die Kommentarliteratur schweigt zu dieser Frage.
2. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Festsetzung des Gegenstandswerts wird verworfen, da ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür nicht besteht. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG beträgt der Mindestgegenstandswert im Verfahren der Verfassungsbeschwerde 5.000 Euro. Ein höherer Gegenstandswert kommt in Fällen, in denen eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen oder zurückgenommen worden ist, regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 79, 365 <369>). Umstände, die hier ausnahmsweise einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Ist deshalb vom Mindestgegenstandswert auszugehen, so besteht für die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. Oktober 2018 – 1 BvR 700/18 -, Rn. 4 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Oktober 2019 – 2 BvR 962/19 -, juris, Rn. 4 f.).“