Archiv für den Monat: August 2022

Corona I: Vorlage gefälschter Impfpässe nach altem Recht, oder: OLG Karlsruhe legt dem BGH vor

Bild von André Globisch auf Pixabay

Heute zum Start in die 32. KW., mal wieder zwei Entscheidungen zu „Corona-Fragen“.

Ich beginne die Berichterstattung mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.07.2022 – 2 Rv 21 Ss 262/22 -, über den ja auch schon an anderer Stelle berichtet worden ist. Es geht um die Frage, ob Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke nach altem Recht – also bis zum 23.11.2021 – strafbar war oder.

In dem Verfahren wird dem Angeklagten vorgeworfen, am 03.11.2021 in einer Apotheke einen gefälschten Impfpass vorgelegt zu haben. Dadurch wollte er eine doppelte Schutzimpfung gegen COVID-19 vortäuschen, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Das AG hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt.

In dem Verfahren spielt die streitige  Frage der sog. Sperrwirkung des § 279 StGB a.F. eine Rolle, die das OLG Karlsruhe verneinen möchte. Da es damit aber von Rechtsprechung anderer OLG abweichen müsste – z.B. von der des BayObLG im BayObLG, Beschl. v. 03.06.2022 – 207 StRR 155/22 – hat es die Frage nun dem BGH vorgelegt, und zwar wie folgt:

Entfalten die § 277 bis 279 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung eine Sperrwirkung (priviligierende Spezialität), die bei Vorlage eines Impfausweises mit gefälschten Eintragungen über den Erhalt von Covid-19 Schutzimpfungen in einer Apotheke zur Erlangung eines digitalen Covid-19-Impfzertifikats einen Rückgriff auf § 267 Abs. 1 StGB ausschließt und einer Verurteilung nach dieser Vorschrift entgegensteht ?

Gut so. Dann ist – hoffentlich bald – die Kuh vom Eis.

Sonntagswitz, von Borkum natürlich zu Ostfriesen….

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Und zum Sonntagnachmittag dann der Sonntagswitz, heute wieder zu den Ostfriesen. Bin ja auf Borkum. Da sind dann:

Warum hängen Ostfriesen vor dem Baden immer die Tür aus?

Damit keiner durch’s Schlüsselloch gucken kann.


Warum tragen Ostfriesen beim Zeitungslesen einen Sturzhelm?

Weil sie Angst vor den Schlagzeilen haben!


Was macht ein Ostfriese mit einem Messer auf dem Deich?

Er will in See stechen.


Haben Sie schon von dem Ostfriesen gehört, dessen Frau Drillinge bekam?

Er sucht noch immer die beiden anderen Männer.

Wochenspiegel für die 31. KW., das war Corona, Corona, BRAO-Reform, „Pimmelgate“ und Vertrauensanwalt

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Und dann zum Abschluss der Woche der Wochenspiegel mit den Hinweisen auf folgende Beiträge aus anderen Blogs:

  1. Genehmigter Urlaub in Quarantäne kann nicht nachgeholt werden,

  2. Kein Lohnanspruch bei allgemeiner coronabedingter Betriebsschließung,

  3. Zum 1. August 2022 tritt die „große“ BRAO-Reform in Kraft
  4. Der digitale Euro – eine erste Bestandsaufnahme,

  5. Handels- und Vereinsregister nun kostenlos und durchsuchbar

  6. LAG Kiel: Schadensersatz wegen diskriminierender Stellenanzeige in eBay-Kleinanzeigen ,

  7. „Du bist so 1 Pimmel“ bleibt wohl ungesühnt,

  8. EuGH: Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist weit auszulegen – Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten
  9. Gilt das als Dienstunfall? : Postbeamter verletzt sich beim Pakettragen
  10. und dann aus meinem Blog: OWi I: Kurzfristige Ladung im Bußgeldverfahren, oder: Anwalt des Vertrauens

„Vorfahrtsunfall“ auf Fahrgasse auf einem Parkplatz ?, oder: Gegenseitige Rücksichtnahme

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Und dann hier noch die zweite verkehrszivilrechtliche Entscheidung, und zwar das OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 22.06.2022 – 17 U 21/22 – zur Vorfahrt8sregelung) auf einem Parkplatz.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

„Am XX.XX.2020 befuhr X mit dem Fahrzeug des Klägers den Parkplatz eines Baumarktes in Stadt1, dessen Betreiber für den Parkplatz die Geltung der StVO angeordnet hatte. Die von Herrn X benutzte Fahrgasse führt zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes. In diese Fahrgasse münden von rechts mehrere Fahrgassen ein. Eine dieser Fahrgassen befuhr der Beklagte zu 1 mit seinem Fahrzeug, als es im Einmündungsbereich zum Zusammenstoß der Fahrzeuge der Parteien kam. In Fahrtrichtung links neben der von Herrn X benutzten Fahrgasse sind im rechten Winkel Parkboxen angeordnet. Rechts und links der einmündenden Fahrgassen befinden sich ebenfalls im rechten Winkel angeordnete Parkboxen.“

Das LG ist von einer Haftung der Beklagten in Höhe von 25 % ausgegagen. Dagegen die Berufung, die teilweise Erfolg hatte. Das OLG, das von Haftung halbe/halbe ausgegangen ist, gibt seiner Entscheidung folgende Leitsätze:

  1. Fahrgassen auf Parkplätzen sind grundsätzlich keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewähren deshalb keine Vorfahrt. Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes bzw. eines Parkhauses, gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitige Rücksichtnahme (§ 1 StVO), d. h. jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer zu suchen.
  2. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für den Straßencharakter können eine für den Begegnungsverkehr ausreichende Breite der Fahrgassen und andere leicht fassbare bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben sprechen. Fehlt es an solchen baulichen Merkmalen, muss die Ausgestaltung umso klarer durch die Fahrbahnführung und -markierung sein. Maßgeblich ist jedoch, dass die Funktion des § 8 Abs. 1 StVO, nämlich die Schaffung und Aufrechterhaltung eines (quasi) fließenden Verkehrs, auf der fraglichen Verkehrsfläche deutlich im Vordergrund steht. Eine Fahrgasse zwischen markierten Parkreihen ist daher keine Fahrbahn mit Straßencharakter, wenn die Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs zumindestens auch zweckbestimmend ist.

Im Übrigen: Selbstleseverfahren 🙂 .

Überholvorgang bei einer unklaren Verkehrslage, oder: Überholen einer größeren Kolonne

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Im Kessel Buntes heute dann seit längerem mal wieder zwei Entscheidungen zu Verkehrsunfällen.

Zunächst hier das OLG Celle, Urt. v. 8. Juni 2022 – 14 U 118/21 – zum Überholen bei einer unklaren Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bei einer größeren Kolonne von Fahrzeugen.

Grundlage der Entscheidung ist ein Verkehrsunfall, der sich am 25.05.2014 auf einer  Bundesstraße ereignete. Der Kläger überholte mit seinem Kraftrad eine Fahrzeugkolonne von 9-10 Fahrzeugen, an deren Spitze ein Lkw fuhr. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit dem links abbiegenden Pkw des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war.

Das LG ist von einer Haftungsquote von 50 % ausgegangen und hat im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte beim OLG teilweise Erfolg. Das OLG ist von einer Haftung von 75 5 zugunsten der Klägers ausgegangen.

Ich stelle hier mal nur die Leitsätze zu dem umfangreich begründeten Urteil ein, und zwar.

  1. Wer ordnungsgemäß zum Überholen einer Kolonne angesetzt hat, hat gegenüber ausscherenden Fahrzeugen aus der Kolonne Vorrang, auch wenn im weiteren Verlauf die Absicht, links abzubiegen, erkennbar wird.
  2. Das Überholen einer großen Kolonne von 9 bis 10 Fahrzeugen, ohne dass eine unklare Verkehrslage vorliegt, ist grundsätzlich erlaubt und führt nicht zu einem Mitverschulden. Gegebenenfalls kommt jedoch eine erhöhte Betriebsgefahr zum Ansatz.
  3. Verletzt der aus einer Kolonne Abbiegende seine Pflichten aus § 9 Abs. 1 StVO und kommt es deshalb zu einem Zusammenstoß mit einem die Kolonne ordnungsgemäß Überholenden, trifft den Abbiegenden die überwiegende Haftung (vorliegend 75 Prozent).