Und zum Tagesschluss dann noch ein Beschluss des OLG Oldenburg. Das hat im OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.03.2021 – 1 Ws 81/21 – zur Sicherstellung eines Mobiletelefons in der Hauptverhandlung Stellung genommen, und zwar wie folgt:
„Durch sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 11. Februar 2021 wurde das Mobiltelefon des Angeklagten sichergestellt, nachdem sich nach Urteilsverkündung und Erteilung der Rechtsmittelbelehrung ein Zuschauer gemeldet und mitgeteilt hatte, dass der Angeklagte zuvor mit seinem Mobiltelefon Aufnahmen im Sitzungssaal gefertigt habe. Der Vorsitzende hat seine Anordnung damit begründet, dass überprüft werden solle, ob der Angeklagte Bild-, Audio- und/oder Videoaufnahmen von der Hauptverhandlung und daran Beteiligter gefertigt habe. Der Angeklagte händigte sein Mobiltelefon aus, erklärte aber, den Entsperrcode jetzt nicht angeben zu können.
Mit Verfügung vom gleichen Tag leitete der Vorsitzende der Berufungskammer das Mobiltelefon an die Staatsanwaltschaft weiter mit der Bitte um Auswertung dahingehend, ob sich Bild-, Video- und/oder Audiodateien der Hauptverhandlung darauf befinden. Die Auswertung ist zwischenzeitlich erfolgt.
Gegen die Sicherstellung richtet sich die mit Verteidigerschriftsatz vom 15. Februar 2021 eingelegte Beschwerde des Angeklagten, auf deren Ausführungen verwiesen wird. Mit Beschluss vom 18. Februar 2021 hat der Vorsitzende der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung ist zulässig und begründet.
Zwar können sitzungspolizeiliche Maßnahmen grundsätzlich nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Ausnahmsweise ist die Beschwerde aber zulässig, wenn die Anordnung eine über die Dauer der Hauptverhandlung hinausgehende Wirkung zukommt und Grundrechte oder andere Rechtspositionen des Betroffenen beeinträchtigt werden(KK-StPO/Diemer, 8. Aufl. 2019, GVG § 176 Rn. 7 m.w.N.). Dies ist hier angesichts der erst zum Ende der Hauptverhandlung nach der Urteilsverkündung erfolgten Sicherstellung des Mobiltelefons, das zur weiteren Auswertung an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde, der Fall.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die sitzungspolizeiliche Gewalt des Vorsitzenden nach § 176 GVG bezweckt die Wahrung der Ordnung in der Sitzung und ermächtigt ihn zu Maßnahmen, die erforderlich sind, um den störungsfreien und gesetzmäßigen Ablauf der Sitzung zu sichern (KK-StPO/Diemer a.a.O. Rn. 1). Sie erfasst in zeitlicher Hinsicht über die eigentliche Hauptverhandlung im Sinne von § 169 GVG hinaus auch die Zeitspannen davor und danach, in denen mit der Sache zusammenhängende Angelegenheiten abgewickelt werden sowie die Verfahrensbeteiligten und Zuhörer üblicherweise den Sitzungssaal betreten oder verlassen, einschließlich der Sitzungspausen (BeckOK GVG/Allgayer, 9. Ed. 15.11.2020 Rn. 1, GVG § 176 Rn. 1).
Danach kann im Rahmen der sitzungspolizeilichen Anordnung beispielsweise einem Störer das Fotografieren untersagt und erforderlichenfalls der Fotoapparat bis zum Schluss der Sitzung weggenommen werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., GVG § 176 Rn. 7 m.w.N.). Die Sicherstellung eines Mobiltelefons über das Ende der Hauptverhandlung hinaus stellt demgegenüber keine sitzungspolizeiliche Maßnahme mehr da, da diese nicht dem Zweck dient, einen störungsfreien und gesetzmäßigen Sitzungsablauf zu gewährleisten (so auch: LG Landau, Beschluss vom 14. November 2017 – 5 Qs 19/17, juris).
So verhält es sich jedoch im vorliegenden Fall. Die Maßnahme diente erkennbar dem Zweck, das Speichermedium des Mobiltelefons nach Schluss der Hauptverhandlung daraufhin auswerten zu lassen, ob der Angeklagte verbotene und gegebenenfalls etwa nach §§ 33 Abs. 1, 22 KunstUrhG strafbare Aufnahmen gefertigt hat, und war demzufolge durch die sitzungspolizeilichen Befugnisse nicht gedeckt. Eine Beschlagnahmeanordnung nach § 94 Abs. 1 StPO kommt als Grundlage der Sicherstellung ebenfalls nicht in Betracht, da der Vorsitzende der Berufungskammer zu einer solchen nicht befugt war; die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichtes zur Beschlagnahme gemäß § 98 Abs. 1 StPO beschränkt sich auf Beweisgegenstände, die das anhängige Strafverfahren betreffen (KK-StPO/Greven, 8. Aufl. 2019, StPO § 98 Rn. 7).
Die Anordnung war daher aufzuheben.
Soweit Verdacht einer Straftat besteht, bleibt es der Staatsanwaltschaft unbenommen, einen Beschlagnahmebeschluss des zuständigen Ermittlungsrichters zu beantragen.“