Archiv für den Monat: Juli 2020

Ich habe da mal eine Frage: Kann die nicht gezahlte PV-Vergütung angerechnet werden?

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Im Gebührenrätsel dann heute eine Frage, die schon etwas älter ist. Die war bislang in der Datei immer wieder nach unter gerutscht. Jetzt bringe ich sie dann aber endlich. Muss ich auch, da ich sonst nicht mehr viel auf Vorrat habe :-). Gefragt wurde;

„Guten Morgen Herr Burhoff,

folgender Fall, der mich zum Verzweifeln bringt:

Ein OWi-Verfahren aus 2009 wird in 2014 wegen Verfolgungsverjährung eingestellt.

RA 1 war Pflichtverteidiger (PV); das RB-Verfahren wurde von RA 2 (keine Beiordnung) durchgeführt.

In der wiederholten Instanz hat eine ortsansässige Rechtsanwältin, die für diesen Tag beigeordnet wurde, einen Hauptverhandlungstermin (08.02.2013) wahrgenommen.

RA 1 hat keinen Pflichtverteidigervergütungsantrag gestellt, sondern gleich einen Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen.

Um alles zu vereinfachen, erlauben wir uns, die Stellungnahmen der Bezirksrevisoren beizufügen.

Wenn ich die Stellungnahme des (zweiten) Bezirksrevisors richtig interpretiere, soll die RA 1 entstandene PV-Vergütung in Abzug gebracht werden, obwohl kein Antrag gestellt wurde, die PV-Vergütung auch inzwischen verjährt ist. Es ist in dieser Hinsicht kein Geld geflossen und es wird auch keines mehr fließen. Einen Verzicht auf diese Vergütung würden wir nunmehr erklären.“

Ich hoffe, die Frage wird klar auch ohne Stellungnahme des Bezirksrevisors. Abgesehen davon, dass ich die nicht mehr habe, würde ich die hier auch nicht einstellen 🙂 .

Hinweis auf Tod des Mandanten, oder: Entsteht die zusätzliche Verfahrensgebühr?

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Die zweite Entscheidung zur Nr. 4141 VV RVG hat mir der Kollege Funck aus Braunschweig geschickt. Der LG Leipzig, Beschl. v. 19.06.2020 – 2 Qs 8/20 jug – behandelt eine Problematik, die von der Rechtsprechung in Zusammenhang mit der Nr. 4141 VV RVG schon ein paar Mal entschieden ist, und zwar:

Das AG verurteilt den Angeklagten. Der Kollege, der Pflichtverteidiger war, legt „unbestimmtes Rechtsmittel“ ein. Das wird, da es  nicht weiter konkretisiert und auch nicht als Revision begründet wird, als Berufung behandelt.

Die Akten gehen am 13.12.2012 beim zuständigen LG als Berufungsgericht ein. In Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung hat der Vorsitzende der Berufungskammer am 18.12.2017 verfügt, die bereits beim AG gehörten Zeugen in ForumStar aufzunehmen.

Am 16.02.2018 verstirbt der Angeklagte. Der Kollege teilte dies dem LG unter Übersendung der Kopie einer Sterbeurkunde mit Schreiben vom 16.02.2018 mit und beantragte zugleich die Einstellung des Verfahrens gemäß § 206 a Abs. 1 StPO.

Er beantragt dann später im Rahmen der Vergütungsfestsetzung auch die Festsetzung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG. Die wird vom AG nicht festgesetzt, beim LG hat der Kollege dann aber Erfolg:

„Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, sie ist begründet.

Rechtsanwalt pp. hat vorliegend auch die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG verdient, indem er das Gericht unverzüglich vom Tod seines Mandanten in Kenntnis gesetzt hat.

Für die Beurteilung, inwieweit eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu erstatten ist, kommt es allein darauf an, ob ein Beitrag eines Verteidigers vorliegt, der objektiv geeignet ist, das Verfahren in formeller und/oder materieller Hinsicht im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VV RVG entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird, wobei eine entsprechende verfahrensfördernde Tätigkeit des Verteidigers ersichtlich sein muss. An das Maß der Mitwirkung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern (BGH Urteil vom 18.09.2008, Az. IX ZR 174/07). Weitergehende Anforderungen an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwendigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.03.2010 – 2 Ws 29/10). Aus dem Normzweck folgt, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Hauptverhandlung generell vermieden wird, sondern dass ohne das verfahrensbeendende Ereignis eine Hauptverhandlung hätte durchgeführt werden müssen (Beck OK RVG/Knaudt, 47.Ed 01.03.2020, RVG VV4141 Rn. 9).

Der Hinweis des Verteidigers auf den Tod seines Mandanten und das damit verbundenen Verfahrenshindernis ist durchaus eine geeignete Mitwirkungstätigkeit, um die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu verdienen. Verstirbt der Angeklagte und teilt der Verteidiger dies dem Gericht mit und wird das Verfahren nach § 206a StPO endgültig eingestellt, so ist diese Handlung ursächlich dafür, dass die Hauptverhandlung entbehrlich wird, soweit das Gericht nicht anderweitig von dem Tod des Angeklagten bereits erfahren hat (AG Magdeburg, Beschluss vom 03.07.2000 – Az. 2 Ls 257 Js 38867/98; juris Literaturnachweis z.B. Burhoff, RVG Report 2014, 71 – 12.

Vorliegend hat Rechtsanwalt pp. die Anforderungen an die Mitwirkungshandlung erfüllt, indem er dem Gericht mitgeteilt hat, dass der Angeklagte am 16.02.2018 verstorben sei und beantragt, das Verfahren nach S 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Im Gegensatz zu den durch das Amtsgericht Leipzig zitierten Entscheidung handelt es sich vorliegend nicht um ein Revisionsverfahren sondern um ein Berufungsverfahren, bei welchem regelmäßig eine Hauptverhandlung durchzuführen ist. Des weiteren lagen im vorliegenden Fall die Akten bereits dem Berufungsgericht seit 13.12.2017 vor. Der Vorsitzende der zuständigen Berufungskammer hatte in Vorbereitung der Berufungsverhandlung mit Verfügung vom 18.12.2017 die Erfassung der notwendigen Zeugen in ForumStar verfügt. Infolge der Mitteilung des Rechtsanwaltes pp. vom 16.022018 entfielen für das Berufungsgericht die weitere Vorbereitungshandlungen zur Durchführung der Hauptverhandlung. Es kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht von Amts wegen oder anderweitig in Kürze vom Ableben des Angeklagten erfahren hätte.

In seiner Entscheidung verkennt das Amtsgericht, dass es nach der herrschenden Rechtsprechung und Literatur gerade nicht darauf ankommt, dass die Mitwirkung des Verteidigers zeitintensiv und aufwendig war. Durch die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG soll vielmehr honoriert werden, dass das Gericht durch die Mitwirkungshandlung des Verteidigers, durch die dieser die zusätzliche Terminsgebühr verliert, hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung der Berufungshauptverhandlung entlastet wird. Die zusätzliche Gebühr des Nr. 4141 VV RVG soll dies ausgleichen und einen Anreiz schaffen, sich trotz der Gebühreneinbuße um eine möglichst frühzeitige Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung zu bemühen. Der Tod des Angeklagten führt zwar früher oder später automatisch zur Einstellung des Verfahrens, ohne eine frühzeitige Mitteilung des Todes des Angeklagten hätte das Gericht weitere vorbereitende Handlungen im Hinblick auf die Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung vorgenommen.

Für die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG ist es nicht erforderlich, dass bereits ein Hauptverhandlungstermin anberaumt war (LG Potsdam, Beschluss vom 13.062013 – 24 Qs 43/13 -juris). Diese Voraussetzung trifft nur auf Verfahren zu, bei denen eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, weil sie im Revisionsverfahren regelmäßig eine Entscheidung allein durch Beschluss ergehen kann. Demgegenüber ist im Berufungsverfahren zwingend die Durchführung einer Hauptverhandlung erforderlich.

Die Ausführungen in den Schriftsätzen der Bezirksrevisorin vom 29.05.2018 und 27.06.2018 und die Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 13.06.2013, Az. 24 Qs 43/13, lassen sich auf das vorliegende Berufungsverfahren nicht übertragen. Im Beschluss des Landgerichts Potsdam ging es um die Entstehung einer Hauptverhandlungsgebühr in einem Revisionsverfahren. Bei einem Revisionsverfahren ist die Durchführung einer Hauptverhandlung eher die Ausnahme, vorwiegend werden Revisionsverfahren durch Beschluss entschieden., mit der Folge dass eine Hauptverhandlung regelmäßig gar nicht erst entfallen kann.“

So steht es übrigens auch in <<Werbemodus an>> Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl.,, den man hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>.

Vermeiden eines Fortsetzungstermins, oder: Einheitlichkeit der Hauptverhandlung?

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Am Gebührenfreitag stelle ich heute zwei LG-Entscheidungen zur zuästzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVg, die alte „Befriedungsgebühr“. Eine schöne und eine nicht so schöne, aber m.E. (leider) auf der Grundlage der h.M. richtige Entscheidungen.

Fangen wir mit der „nicht so schönen Entscheidung“, dem LG Siegen, Beschl. v. 03.07.2020 – 10 Qs 61/20 – an. Das AG hat den Angeklagten verurteilt. Das Urteil gefällt der StA nicht, die Berufung einlegt. Zur Berufungshauptverhandlung am 23.08.2019 werden vom LG drei Zeugen geladen. Die Verhandlung muss unterbrochen werden, da einer der Zeugen nicht erschienen ist. Es wird Fortsetzungstermin auf den 04.09.2019 bestimmt. Am 28.08.2019 nimmt die Staatsanwaltschaft die Berufung zurück. Der Angeklagte stimmte der Berufungsrücknahme zu. Der Fortsetzungstermin wurde aufgehoben.

Der Kollege Terjung aus Köln, der mir die Entscheidung geschickt hat, beantragt auch Festsetzung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG. Die wird nicht festgesetzt. Die Rechtsmittel des Kollegen haben keinen Erfolg. Begründung des LG:

Neben den bereits festgesetzten Gebühren und Auslagen steht dem Beschwerdeführer die weitere Gebühr nach Nr. 4141 RVG-VV nicht zu.

Die Bezirksrevisorin hat dazu wie folgt Stellung genommen:

„Nach der Entscheidung des BGH vom 14.04.2011(IX ZR 153/10 – Rn. 14, juris) ist für die Entstehung der Gebühr Nr. 4141 VV RVG zu unterscheiden, ob eine Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung vorliegt.

Die Gebühr Nr. 4141 VV RVG kann demnach auch noch entstehen, wenn bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden hat.

Dies setzt aber voraus, dass ein vorheriger Hauptverhandlungstermin ausgesetzt wurde und der neue Hauptverhandlungstermin z.B. aufgrund Einstellung, Berufungsrücknahme entbehrlich wird. Es ist somit auf den nächsten Hauptverhandlungstermin abzustellen (vergleiche auch OLG Hamm, Beschluss vom 10.12.2007 – 2 (s) Sbd IX – 155/07-, Rn. 8, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 16.01.2007-1 Ws 856/06-, RN. 14, juris).

Vorliegend wurde die Hauptverhandlung jedoch unterbrochen und zugleich ein neuer Hauptverhandlungstermin bestimmt (BI. 409 R d. A.).“

Dieser Rechtsauffassung ist zuzustimmen und wird beigetreten.

Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass auch ein zweiter oder dritter Hauptverhandlungstermin zur Gebühr Nr. 4141 VV RVG führen kann, ist dem beizupflichten. Auch wenn der Beschwerdeführer das anders sehen mag, ist aber auch allgemein anerkannt, dass dies nur für den Fall gilt, dass die Hauptverhandlung ausgesetzt war (vgl. dazu auch Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Nr, 4141 VV, Rn. 66).

Die umfangreiche Argumentation des Beschwerdeführers verkennt dabei auch den in Rechtsprechung und Literatur anerkannten und bereits benannten Grundsatz der Einheitlichkeit der Hauptverhandlung, der dem Sinn und Zweck der sogenannten Befriedigungsgebühr nicht widerspricht. Honoriert werden soll mit dieser Gebühr, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, dass die Hauptverhandlung nicht vorbereitet werden muss. Vorbereitet war die Hauptverhandlung bereits, auch soweit es den Zeugen pp. betraf.

Für den von dem Beschwerdeführer angesprochenen Fall, dass erst zu Beginn des zweiten Hauptverhandlungstermins der Berufungsrücknahme zugestimmt worden wäre, wäre dies mit nur unwesentlich mehr Arbeit für das Gericht verbunden gewesen. Auch dies spricht also nach Sinn und Zweck der Regelung nicht für die Gewährung einer Befriedigungsgebühr.

Nicht so schön, aber – wie gesagt – auf der Grundlage der h.M. zutreffend. Ob diese Rechtsauffassung allerdings mit dem Grundgedanken der Nr. 4141 VV RVG vereinabr ist, kann man trefflich diskutieren. Denn auch hier spart die Justiz ja Arbeit durch den nicht durchgeführten Termin und dem Verteidiger geht durch seine Zustimmung eine Terminsgebühr verloren,w as ja durch die Gebühr Nr. 4141 VV RVG ausgeglichen werden soll. Die h.M. sieht das aber unter dem Begriff „Einheitlichkeit der Hauptverhandlung“ anders. Leider.

Weisungen bei der Führungsaufsicht, oder: Abstinenzweisung

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Und als letzte Entscheidung des Tages stelle ich dann den KG, Beschl. v. 11.05.2020 – 2 Ws 4/20 – vor. Er stammt aus dem „materiellen Bereich“. Ber Beschluss behandelt eine Problematik, die in Zusammenhang mit der Führungsaufsicht (§ 68 ff. StGB) immer wieder eine Rolle spielt, nämlich die Bestimmtheit von Weisungen (§ 68b StGB).

Ich stelle dann hier mal nur die beiden (amtlichen) Leitsätze zu dem Beschluss vor. Die lauten:

Weisungen der Führungsaufsicht müssen so genau beschrieben werden, dass der Verurteilte erkennen kann, welches konkrete Verhalten von ihm zu deren Erfüllung verlangt wird.

Bei einem Verurteilten, der unfähig ist, durchgängig alkoholabstinent zu leben, ist eine Abstinenzweisung grundsätzlich unzumutbar im Sinne von § 68b Abs. 3 StGB.

U-Haft-Beschränkungen, oder: Briefkontrolle, Dauerbesuchserlaubnis und Telefonerlaubnis

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Celle. Das hat im OLG Celle, Beschl. v. 11.05.2020 – 3 Ws 94/20 (UVollz), 3 Ws 110/20 (UVollz) u. 3 Ws 112/20 (UVollz) in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Betruges zu der der Angeklagaten im Rahmen der U-Haft auferlegte Beschränkungen Stellung genommen.

Das LG hatte einen an den Zeugen gerichteten Brief der Angeklagten angehalten und beschlagnahmt, weil davon auszugehen sei, dass der Brief von der Angeklagten unter Umgehung der „Postkontrolle“ verschickt worden sei. Dies sei erst aufgefallen, nachdem der Brief wegen Unzustellbarkeit als Retoure zurück in die Justizvollzugsanstalt gelangt sei. Dabei sei festgestellt worden, dass zwar der Brief selbst, nicht aber die Beschriftung des Umschlages von der Angeklagten verfasst worden sei. Dagegen hatte die Angeklagte geltend gemacht, dass sie den Brief nicht unter Umgehung der Postkontrolle verschickt habe. Die Beschriftung des Umschlages habe sie nur deshalb von einer Mitgefangenen vornehmen lassen, weil sie selbst sich am Tag der Versendung in den Finger geschnitten habe. Den Brief habe sie bereits mehrere Tage vor der Verletzung verfasst.

Außerdem sind vom LG ein Antrag auf Erteilung einer Dauerbesuchserlaubnis für die Angeklagte sowie der Antrag der Angeklagten auf Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Telefonaten mit mehreren Personen abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Ablehnungen zur Vermeidung einer Verdunkelungsgefahr erforderlich seien. Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Angeklagte in der Vergangenheit die „Haftkontrolle aktiv umgangen“ habe. Der Kontakt könne ausreichend mittels Briefverkehr aufrechterhalten werden. Eine Überwachung der Telefongespräche könne der bestehenden Gefahr nicht ausreichend entgegenwirken. Eine umfassende Überwachung sei nicht möglich. Eine Gewähr für die Identität der jeweiligen Gesprächspartner bestehe nicht. Dagegen hat die Angeklagte geltend gemacht, dass der Verweis auf bloßen Briefverkehr nach neun Monaten Untersuchungshaft unverhältnismäßig sei, nachdem die Beweisaufnahme „so gut wie abgeschlossen“ und „alle Zeugen vernommen“ worden seien.

Das OLG hat die Beschränkungen aufgehoben. Begründung u.a.:

„1. Das Landgericht hat das Anhalten und die Beschlagnahme des Briefes auf eine Umgehung der „Postkontrolle“ gestützt, obwohl eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO, dass der Schriftverkehr der Angeklagten zu überwachen ist, zuvor nicht getroffen worden war. Ebenso hat das Landgericht die Erteilung von Erlaubnissen für den Empfang von Besuchen und das Führen von Telefongesprächen abgelehnt, ohne dass eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO ergangen war, dass der Empfang von Besuchen und die Telekommunikation der Angeklagten der Erlaubnis bedürfen. Sollen aber einer oder einem inhaftierten Beschuldigten Beschränkungen zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§§ 112, 112a StPO) auferlegt werden, ist eine den Anforderungen nach § 119 StPO genügende, einzelfallbezogene Anordnung (sog. Haftstatut) notwendig, die der oder dem Beschuldigten zur Kenntnis zu geben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2020 – 3 Ws 372/19 [(UVollz], juris). Eine solche Anordnung ist hier unterblieben. Sie ist insbesondere nicht in dem Aufnahmeersuchen des Amtsgerichts Hannover vom 15. Juli 2019 und dem diesem beigefügten Formblatt „Anordnungen für den Vollzug“, in dem hinter verschiedenen Textzeilen Felder mit „Ja“ oder „Nein“ angekreuzt worden sind, zu erkennen. Denn weder enthielt diese Anordnung eine Begründung noch ist die bei Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 Satz 6 StPO erforderliche Benachrichtigung der Beschuldigten hierüber erfolgt (vgl. Senat aaO).

2. Die angefochtenen Entscheidungen finden auch keine Rechtfertigung in §§ 133 ff. NJVollzG.

Zwar enthält das NJVollzG Regelungen zum Vollzug der Untersuchungshaft. Insbesondere bedürfen auch ohne ein „Haftstatut“ nach § 119 Abs. 1 StPO Besuche in der Untersuchungshaft der Erlaubnis des Gerichts (§§ 143, 144 NJVollzG). Der Schriftverkehr von Untersuchungsgefangenen unterliegt der Überwachung (§ 146 NJVollzG). Telefongespräche von Untersuchungsgefangenen bedürfen der Erlaubnis der Vollzugsbehörde, die nur mit Zustimmung des Gerichts erteilt werden darf (§ 148 Abs. 1 NJVollzG).

Allerdings greifen diese Beschränkungen nur, soweit sie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Vollzugsanstalt erforderlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 – 3 BGs 82/12, BGHR StPO § 119 Abs. 1 Beschränkung 1 mwN). Denn nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 30. Oktober 2014 – 2 BvR 1513/14 – (NStZ-RR 2015, 79) entschieden hat, dass auch nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Untersuchungshaftvollzug auf die Länder die bundesgesetzliche Regelung des § 119 StPO weiterhin die alleinige Rechtsgrundlage für Beschränkungen darstellt, die dem Zweck der Untersuchungshaft zu dienen bestimmt sind, kann der Auffassung, dass § 119 StPO in Niedersachsen für den Bereich der Untersuchungshaft keine Anwendung findet, nicht mehr gefolgt werden (so schon Senatsbeschluss vom 22. Februar 2019 – 3 Ws 67/19 (UVollz), Nds. Rpfl. 2019, 327). Dementsprechend dürfen einem Untersuchungsgefangenen Beschränkungen, die zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich sind, ausschließlich nach § 119 Abs. 1 StPO auferlegt werden, während ohne ein solches „Haftstatut“ nur Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zum Tragen kommen können.

Da im vorliegenden Fall das Landgericht allein auf Erwägungen einer möglichen Verdunkelungsgefahr abgestellt hat, sind die Beschränkungen allein an § 119 Abs. 1 StPO zu messen, dessen Voraussetzungen mangels Haftstatuts – wie bereits ausgeführt – nicht erfüllt sind.

3. Abgesehen davon tragen auch die sachlichen Erwägungen die angefochtenen Beschränkungen nicht……“

Rest dann bitte selbst im Volltext lesen :-).