Entziehung der Fahrerlaubnis: Einmal harte Drogen reicht, oder: Gefahrenabwehr

entnommen wikimedia.org
Urheber H. Zell

Heute im „Kessel Buntes“ – es ist Samstag – zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis.

Zunächst stelle ich den VG Aachen, Beschl. v. 19.05.2020 – 3 L 309/20 – vor. Gegenstand der Entscheidung. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung – also § 80 Abs. 5 VwGO – der Klage gegen eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Begründung: Drogenkonsum. Das VG schreibt nichts wesentlich Neues, sondern bestätigt: Einmal harte Drogen konsumiert reicht:

„Rechtliche Grundlage für die darin enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV -). Danach ist einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere dann gegeben, wenn Erkrankungen und Mängel nach der Anlage 4 der FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 FeV ist bei der „Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis)“ die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht gegeben. Diese Bewertung gilt gemäß Nr. 3 Satz 1 der Vorbemerkungen zur Anlage 4 zur FeV für den Regelfall. Auf die – hier sogar gegebene – Teilnahme am Straßenverkehr oder auf Ausfallerscheinungen im Straßenverkehr kommt es für die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht an. Vielmehr reicht regelmäßig schon der einmalige Konsum einer sog. harten Droge aus, um die Fahreignung zu verneinen. Vgl.  Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Beschluss vom 22. März 2012 – 16 B 231/12 -, juris Rn. 2 f., m. w. N.

Gemessen daran hat sich der Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Er hat die (harte) Droge Cocain konsumiert. Im Rahmen eines Polizeieinsatzes am 25. März 2018 wurde dem Antragsteller eine Blutprobe entnommen. Darin wiesen die Gutachter die Droge Cocain in einer Konzentration von 85 µg/L nach, vgl. dazu das Wissenschaftliche Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln vom 30. April 2018.

Und:

„Der Antragsteller macht mit dem Rechtsschutzvorbringen anwaltlich geltend: Zumindest zum Zeitpunkt der Ordnungsverfügung sei bei ihm keine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen mehr gegeben gewesen. Am Tag des Vorfalls, dem 25. März 2018, habe die Polizei seinen Führerschein beschlagnahmt. Das Führerscheindokument sei dann bis zum Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Erkelenz, also bis zum 10. Oktober 2019 und damit fast 19 Monate  eingezogen gewesen. Auch habe er als gerichtliche Auflage im Zeitraum vom 1. November 2019 bis zum 1. Februar 2020 insgesamt drei Drogenscreenings (THC und Cocain) mit einem negativen Testergebnis vorgelegt, was letztendlich zur endgültigen Einstellung des Verfahrens nach § 47 des Jugendgerichtsgesetzes geführt habe. Ferner habe er in den vergangenen 6 Monaten, also ab dem 10. Oktober 2019 beanstandungslos am Straßenverkehr teilgenommen. Der Vorfall liege über zwei Jahre zurück. Damit lägen aber auch die Hauptumstände, welche bei der Prüfung der Ungeeignetheit heranzuziehen seien, sehr weit zurück. Insofern sei eine etwaige Ungeeignetheit in der Vergangenheit jetzt nicht mehr sicher feststellbar. Für derartige Fälle habe das Bundesverfassungsgericht betont, dass mit zunehmender Dauer das Gewicht der Gründe, die eine Beibehaltung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis sprächen, steigen müsse. Das ergebe sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juni 2005 – 2 BVR 401/05 -. Die Landgerichte Münster und Gera seien dem gefolgt. So habe beispielsweise das Landgericht Münster mit Urteil vom 8. August 2005 entschieden, dass aufgrund einer lange zurückliegenden Tat (18 Monate) und einer 14-monatigen vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis keine Ungeeignetheit mehr festzustellen sei.

Diese Einwände greifen nicht durch.

Schon der rechtliche Ausgangspunkt ist nicht richtig gewählt. Die Ausführungen des Antragstellers beziehen sich auf die Frage, welchen Anforderungen ein strafprozessualer Grundrechtseingriff, wie etwa die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, genügen muss, um auch im Einzelfall dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu genügen. Darum geht es vorliegend aber nicht. Die Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnis-Verordnung, auf die der Antragsgegner seine Ordnungsverfügung über die Fahrerlaubnisentziehung stützt, haben keinen strafrechtlichen bzw. strafprozessualen Charakter. Sie dienen im Unterschied zum Strafprozess dazu, Gefahren abzuwehren, die für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer entstehen, wenn ungeeignete Kraftfahrer weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen. Die zur Entscheidung berufenen Fahrerlaubnisbehörden haben, anders als im Strafprozess, dem nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes gewährleisteten Schutz von Leben und Gesundheit Dritter Rechnung zu tragen.

Der Antragsteller hat seine Fahreignung weder zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung noch zu demjenigen der gerichtlichen Entscheidung wiedererlangt.

So setzt die Wiedererlangung der Kraftfahreignung den durch eine Mehrzahl von aussagekräftigen und unter forensischen Bedingungen gewonnenen Drogenscreenings zu führenden Nachweis voraus, dass der Betroffene über einen hinreichend langen Zeitraum (im Regelfall mindestens ein Jahr) keine harten Drogen mehr konsumiert hat. Zusätzlich bedarf es des Nachweises, dass auf der Grundlage einer tragfähigen Motivation eine hinreichend stabile Verhaltensänderung eingetreten ist, die eine günstige Prognose für die Zukunft zulässt. Dieser Nachweis kann grundsätzlich nur auf der Grundlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung erbracht werden, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. März 2014 – 16 B 264/14 -, juris Rn. 12 und vom 2. April 2012 – 16 B 356/12 -, juris Rn. 6 ff., an der es hier fehlt.

Ist demnach in der Person des Antragstellers der Entziehungstatbestand des § 46 Abs. 1 FeV i. V. m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV als erfüllt anzusehen, ist die angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnisbehörde rechtlich zwingend. Ein Ermessen ist der Fahrerlaubnisbehörde nicht eröffnet…..“

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