Corona-Virus: Hauptverhandlung im Strafverfahren nur, wenn „Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus weitgehend ausgeschlossen ist“

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Ich erhalte gerade vom Kollegen Siebers aus Braunschweig den VerfGH Sachsen, Beschl. v. 20.03.2020 – Vf. 39-IV-20 (e.A.). Der VerfGH hat in einem Strafverfahren – ein Umfangsverfahren, aber keine Haftsache – eine einstweilige Anordnung im Hinblich auf eine von den Verteidigern beantragte Aussetzung/Unterbrechung erlassen. Das LG hatte den Antrag unter Hinweis auf angeordnete Schutzmaßnahmen ablehnt.

Ich stelle den Beschluss, den ich selbst bislang nur überflogen habe, hier dann mal schnell – außerhalb des Tagesprogramms – online, weil er ja für andere Verfahren auch von erheblicher Bedeutung sein dürfte/kann. Bisher gibt es dazu ja auch wohl noch nichts.

Der VerfGH hat eine einstweilige Anordnung erlassen, und zwar u.a. mit folgendem Tenor:

1. Die 15. Große Strafkammer des Landgerichts Dresden wird angewiesen, in einem Zeitraum von einem Monat ab Erlass dieses Beschlusses die Hauptverhandlung in dem Strafverfahren 15 KLs 373 Js 147/18 mit der Maßgabe durchzuführen, dass die Dauer der Hauptverhandlungstermine und deren Teilnehmerzahl im Hinblick auf die zum jeweiligen Termin vorliegende Gefährdungslage durch das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) so weit begrenzt und durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, dass eine Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus weitgehend ausgeschlossen ist.

2. Diesen Anforderungen entspricht der anberaumte Hauptverhandlungstermin am 23. März 2020 in der derzeit vorgesehenen Ausgestaltung nicht.

Rest bitte selbst lesen.

Ich würde dem Beschluss folgenden Leitsatz geben:

Jedenfalls dann, wenn die Durchführung eines Strafverfahrens im Raum steht, das keine Haftsache und auch nicht aus anderen Gründen unaufschiebbar ist, dürfen Angeklagte und Verteidiger und auch die weiteren notwendig anwesenden Personen ungeachtet etwa möglicher und gebotener Infektionsschutzmaßnahmen und sonstiger Sicherheitsvorkehrungen den mit einer voraussichtlich ganztägigen, jedenfalls aber mehrstündigen Verhandlung bei gleichzeitiger und teilweise wechselnder Anwesenheit zahlreicher Beteiligter einhergehenden Gefahren für die Gesundheit zur Durchsetzung des Interesses der Allgemeinheit an der Strafverfolgung nicht ausgesetzt werden (Stichwort: Coronakrise).

Besten Dank an den Kollegen für die schnelle Lieferung.

8 Gedanken zu „Corona-Virus: Hauptverhandlung im Strafverfahren nur, wenn „Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus weitgehend ausgeschlossen ist“

  1. meine5cent

    Nun ja, gleichzeitig auf burhoff.de unter beck aktuell: DAV fordert bei Ausgangssperren Bereichsausnahmen für Anwälte…

  2. Ayse Öztürk

    Guten Tag, ich heiße Ayse Öztürk und bin Kassiererin bei Aldi. Ich habe pro Schicht Kontakt mit mehr als 200 Kunden (Distanz ca. 1 Meter). Bekomme ich jetzt auch so eine „einstweilige Anordnung“? Alle meine Kolleginnen hätten übrigens auch gerne eine. Unsere Chefs sagen aber, wir müssen arbeiten.

  3. meine5cent

    @Burhoff: Nichts haben Sie falsch gemacht, warum so eingeschnappt? Ich wollte nur darauf hinweisen, dass , während die einen ihre Berufsausübung in Zeiten von Corona als unzumutbar ansehen, andere (DAV) offenbar anderer Ansicht sind und gerade wegen ihrer Stellung als Garant von Rechtsschutz und Bürgerrecht Möglichkeiten schaffen wollen, ihren Beruf auch in persönlichem Kontakt zum Mandanten ausüben zu können (so wie es Kassiererinnen, Tankstellenbetreiber, Postbedienstete, Ärzte u.a. auch tun), ohne von Coronaparty im Gerichtssaal oder beim Mandantengespräch zu schwadronieren, wie es mancherorts (nicht bei Ihnen, damit keine Missverständnisse aufkommen) geschieht.

    S. i.ü. auch den gestern/heute veröffentlichten Beschluss des BVerfG 2BvR 483/20 2. Absatz: Offenbar sind Gerichte durchaus in der Lage, Schutzvorkehrungen anzubieten und man müsste sich damit mal auseinandersetzen.

  4. meine5cent

    Ok, dann habe ich Sie missverstanden. Liegt vielleicht am allgemeinen coronabedingten Stress.
    Bleiben Sie gesund!

  5. Pingback: Wochenspiegel für die 13. KW., das war Corona, Corona, Corona, kaum etwas anderes, aber: Änderungen in der StPO | Burhoff online Blog

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