Archiv für den Monat: Juli 2019

Einziehung II: Fehlinformation des Mandanten, oder: Keine Auswirkungen?

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Die zweite Entscheidung kommt ebenfalls vom LG Amberg und sie ist ebenso falsch wie die heute morgen vorgestellte (vgl. den LG Amberg, Beschl. v. 31.05.2019 – 11 KLs 106 Js 7350/18 und dazu: Einziehung I: Obersatz richtig, Entscheidung falsch, oder: Nicht Halter des Pkw).

In dem dem LG Amberg, Beschl. v. 29.05.2019 – 12 KLs 107 Js 2871/18 – zugrunde liegenden Verfahren hat der Kollege Jendricke, der mir den LG-Beschluss geschickt hat, den Angeklagten als Pflichtverteidiger gegen den Vorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verteidigt. Nach Abschluss des Verfahrens hat der Kollege auch hier die Festsetzung des Gegenstandswertes für eine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG beantragt. Der sei nach seiner Ansicht auf insgesamt 30.991,60 € festzusetzen. Dieser Betrag setzte sich aus dem Wert von Bargeld in Höhe von 1.810,82 €, dem Wert eines Smartphones in Höhe von 900 € und dem Wert für einen PKW Mercedes E 300 von 28.280,78 € zusammen.

Der Bezirksrevisor hat der Festsetzung des Gegenstandswertes auch bezüglich des PKW Mercedes widersprochen. Das LG hat den Wert des Pkws bei der Festsetzung des Gegenstandswertes dann außer Acht gelassen und hat den Gegenstandswert auf nur auf 2.710,82 € festgesetzt:

„Der Gegenstandswert war auf 2.710,82 Euro festzusetzen. Dieser Betrag setzt sich aus dem Wert des Bargeldes in Höhe von 1.810, 82 Euro und dem Wert des Smartphones in Höhe von 900,00 Euro zusammen. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde die Einziehung des Bargeldes .und des Smartphones erörtert. Diese Gegenstände standen jeweils im Eigentum des Verurteilten B. Insoweit war der Gegenstandswert daher wie geschehen festzusetzen.

Nicht zu berücksichtigen war jedoch der Wert des sichergestellten PKW Mercedes E 300. Zwar bezieht sich die Vorschrift Nr. 4142 VV RVG auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Einziehung oder verwandte Maßnahmen. Nr. 4142 VV RVG ist daher insbesondere anzuwenden bei einer Einziehung nach den §§ 74 ff. StGB und ausnahmsweise bei einer Beschlagnahme nach den §§ 94, 98 StPO, wenn die Sache – zumindest auch – als etwaiger Einziehungsgegenstand von Bedeutung ist. Die Vorschrift setzt zudem keine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwaltes voraus, insbesondere muss die Einziehung nicht im Verfahren beantragt worden sein. Ausreichend ist es, wenn sie in Betracht kommt. Die Gebühr wird grundsätzlich auch für eine außergerichtliche nur beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts verdient. Es genügt insbesondere, wenn der Anwalt den Angeklagten nur über die außergerichtliche Einziehung berät (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Auflage 2017, Rdnrn: 6,7,12 aus Beck Online).

Vorliegend jedoch kam eine Einziehung des PKW Mercedes E 300 von vorneherein nicht in Betracht. Das Fahrzeug stand nicht im Eigentum des Verurteilten B. Die Tatsache, dass der Verteidiger fälschlicherweise aufgrund von unvollständigen oder fehlerhaften Informationen seines Mandanten davon ausging, der PKW sei lediglich finanziert und stehe im Eigentum des Verurteilten B., ändert hieran nichts. Hätte der Verurteilte die tatsächlichen Verhältnisse von vornherein wahrheitsgemäß und korrekt dargelegt, wäre eine Einziehung zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise in Betracht gekommen. Deshalb wurde der PKW nach Bekanntgabe des Umstandes, dass es sich um ein Leasing Fahrzeug handelt, durch die Staatsanwaltschaft bereits vor der Hauptverhandlung herausgegeben. Im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgten insoweit keine Erörterungen mehr. Der Wert des PKW Mercedes E 300 spielt daher für die Festsetzung des Gegenstandswertes nach Nr. 4142 VV RVG keine Rolle.“

Diese Entscheidung ist ebenso falsch wie der Beschluss des LG Amberg vom 31.5.2019 im Verfahren 11 KLs 106 Js 7350/18 (vgl. dazu LG Amberg, Beschl. v. 31.05.2019 – 11 KLs 106 Js 7350/18 und dazu: Einziehung I: Obersatz richtig, Entscheidung falsch, oder: Nicht Halter des Pkw). Auf die dortige Anmerkung kann daher verwiesen werden. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Kollege offenbar von seinem Mandanten zunächst falsch informiert worden ist. Denn entscheidend sind die Informationen, die (zunächst) erteilt werden und die den Beratungsbedarf, der die Nr. 4142 VV RVG entstehen lässt, hervorrufen. Dass sich die später als falsch herausstellen, lässt die einmal entstandene Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht entfallen (§ 15 Abs. 4 RVG). Auch wenn das LG und/oder die Staatskasse das gerne möchten.

Einziehung I: Obersatz richtig, Entscheidung falsch, oder: Nicht Halter des Pkw

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Nachdem ich gestern drei materiell- bzw. verfahrensrechtliche Entscheidungen zum (neuen) Recht der Vermögensabschöpfung vorgestellt habe, heute am Gebührenfreitag dann auch der Schwerpunkt Einziehung bzw. die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG.

Mit Zunahme der Einziehungsentscheidungen hat natürlich auch die gebührenrechtliche Bedeutung der damit zusammenhängenden Fragen zugenommen. Und man merkt vielen Entscheidungen an, dass die Staatskasse mit der Zunahme der Fälle, in denen die Nr. 4142 VV RVG festgesetzt werden muss/müsste, nicht zurecht kommt. Und das Ergebnis: Man mauert. So auch in den beiden heute vorgestellten Entscheidungen des LG Amberg.

Ich stelle dann zunächst den LG Amberg, Beschl. v. 31.05.2019 – 11 KLs 106 Js 7350/18 – vor. Der Kollege Jendricke aus Amberg, der mir den Beschluss geschickt hat, war Pflichtverteidiger in einem Verfahren wegen Handeltreibens mit BtM unter Mitführen einer Schusswaffe pp.  Er hat nach Abschluss des Verfahrens beantragt, den Gegenstandswert seiner anwaltschaftlichen Tätigkeit für eine gem. Nr. 4142 VV RVG entstandene zusätzliche Verfahrensgebühr gem. § 33 RVG festzusetzen. Dieser Betrag setzte sich nach Auffassung des Kollegen zusammen aus dem Wert eines Mobiltelefons i.H.v. 100,– €, dem Wert eines Schreckschussrevolvers i.H.v. 100,– €, dem Wert eines Bowiemessers i.H.v. 50,– € und dem Wert für einen Pkw Audi A8 i.H.v. 6.850,– €. Die zuständige Rechtspflegerin hat die Akten der Strafkammer zur Festsetzung des Gegenstandswertes vorgelegt.

Das LG hat den Gegenstandswert auf nur 250,– € festgesetzt. Dabei hat es LG den Wert des Mobiltelefons, den Wert des Schreckschussrevolvers und den des Bowiemesse berücksichtigt. Im Rahmen der Hauptverhandlung sei die Einziehung dieser Gegenstände erörtert worden. Nicht berücksichtigt hat das LG hingegen den Wert des sichergestellten Pkw Audi A8.  Begründung:

„Die Vorschrift Nr. 4142 VV RVG bezieht sich auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Einziehung oder verwandte Maßnahmen. Entscheidend für die Anwendung der VV 4142 ist, dass es sich um eine Maßnahme handeln muss, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen will (vgl. Gerold/Schmidt RVG Kommentar 23. Aufl. 2017, Rdnr. 6 aus Beck-Online). Die VV 4142 setzt keine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus, insbesondere muss die Einziehung nicht im Verfahren beantragt worden sein. Ausreichend ist es, wenn sie in Betracht kommt. Davon ist auszugehen, wenn die Fragen der Einziehung naheliegen, weil aufgrund der Aktenlage mit einem Einziehungsantrag in der Hauptverhandlung zu rechnen ist oder weil in der Anklage die Einziehung beantragt wurde (vgl. hierzu Gerold/Schmidt RVG Kommentar a.a.O. Rdnr. 12). In diesem Fall wird die Gebühr auch für eine außergerichtliche nur beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts verdient.

Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor. Wie der Verteidiger in seiner Stellungnahme vom 02.05.2019 dargelegt hat, war von Anfang an klar, dass Halter des Fahrzeugs der Bruder des Angeklagten war. Auch wies der Fahrzeugschein den Bruder des Angeklagten als Halter des Fahrzeugs aus. Weiter hat der Verteidiger zu Recht darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Vermutung gilt, dass derjenige, auf den das Fahrzeug eingetragen ist, auch der Eigentümer ist. Im vorliegenden Fall kommt jedoch hinzu, dass auch der Angeklagte bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 10.07.2018 (vgl. BI. 33 d. A.) von Anfang an angegeben hat, dass das Fahrzeug seinem Bruder gehört. Eine Einziehung kam daher von vorne herein nicht in Betracht, da nach § 74 Abs. 3 StGB die Einziehung nur zulässig ist, wenn die Gegenstände dem Täter gehören. Deshalb wurde der Pkw durch die Staatsanwaltschaft bereits vor der Hauptverhandlung herausgegeben (vgl. hierzu BI. 320 d. A.). Der Wert des Pkw Audi war daher bei der Festsetzung des Gegenstandswertes nach Nr. 4142 VV RVG nicht mehr zu berücksichtigen.“

M.E. falsch. Das LG geht zwar von den richtigen Obersätzen aus, es zieht daraus aber nicht die richtigen Schlüsse. Denn, wenn die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG in Betracht kommt, weil der Rechtsanwalt den Mandanten über eine ggf. erfolgende Einziehung beraten hat, dann kommt es nicht darauf an, ob letztlich eingezogen worden ist, sondern, ob der Rechtsanwalt Anlass hatte den Mandanten zu beraten. Und das ist immer auch dann der Fall, wenn letztlich eine Einziehung – wie hier – nicht in Betracht kommt. Denn (erforderliche) Beratung, die zum Anfall der Nr. 4142 VV RVG führt, ist es auch, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten darüber berät, dass eine Einziehung bestimmter Gegenstände nicht in Betracht kommt , z.B. weil § 74 Abs. 3 StGB entgegensteht.

Einziehung III: Einziehung nicht in Anklage/EÖB, oder: Rechtlicher Hinweis erforderlich

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Und das Beste kommt am Schluss. Das ist nicht unbedingt der BGH, Beschl. v. 26.04.2019 – 1 StR 471/18, aber: In dem BGH-Beschluss befinden sich die Ausführungen, die heute hier interessieren ganz am Ende der rund 11 Seiten, nämlich:

„c) Mit Erfolg rügt die Angeklagte P. , dass die Einziehungsentscheidung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) nicht hätte ergehen dürfen, weil sie auf diese Nebenfolge nicht hingewiesen worden ist (§ 265 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 StPO, § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB):

aa) Weder in der Anklage noch im Eröffnungsbeschluss wurde auf die Möglichkeit der Einziehung des Wertes von Taterträgen hingewiesen. Auch in der Hauptverhandlung erteilte der Vorsitzende keinen entsprechenden Hinweis, was durch das Protokoll bewiesen ist (§ 273 Abs. 1 Satz 1, § 274 Satz 1 StPO). Der Antrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft im Schlussplädoyer genügt nicht; denn der Hinweis ist aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 265 Abs. 1 StPO durch die neu eingefügte Vorschrift des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO förmlich zu erteilen (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 1 StR 186/18 Rn. 16 – 19).

bb) Das Beruhen der Einziehungsentscheidung auf diesem Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO) ist nicht auszuschließen, wenngleich die Angeklagte P.  umfassend geständig gewesen ist und ihr Verteidiger im Schlussplädoyer das Absehen von der Einziehung beantragt hat. Denn die Vorschriften der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB enthalten neben der Begehung der rechtswidrigen Tat weitere Voraussetzungen für die Abschöpfung (vgl. BGH, aaO Rn. 20).“

Einziehung II: Versuchte Steuerhinterziehung, oder: Auch dabei ist „etwas“ erlangt

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Die zweite Einziehungsentscheidung kommt mit dem OLG Celle, Urt. v. 14.06.2019 – 2 Ss 52/19 – vom OLG Celle. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen vollendeter und versuchter Einkommensteuerhinterziehung. In den Fällen der vollendeten Einkommensteuerhintreziehung war die Einziehung angeordnet worden. Im fall der versuchten Einkommensteuerhinterziehung hatte das AG hingegen die Voraussetzungen für eine Wertersatzeinziehung verneint. Bei dieser Tat habe es am Eintritt des Taterfolges gefehlt, weshalb der Angeklagte keine der Einziehung unterliegenden Taterträge i.S. von § 73 Abs. 1 StGB habe erlangen können. Allein die Nichtabgabe einer Steuererklärung trotz Ablaufs der Abgabefrist führe bei dem Täter einer versuchten Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO noch nicht zu einem Vermögensvorteil. Ein der Einziehung unterliegender Vermögensvorteil in Form einer Steuerersparnis falle erst dann an, wenn der Steueranspruch des Staatsfiskus in Folge der Steuerfestsetzung durch das Finanzamt und deren Bekanntgabe gegenüber dem Täter gemäß § 220 Abs. 2 Satz 2 AO fällig geworden sei. Erst mit der Steuerfestsetzung werde festgestellt, ob der Täter überhaupt eine Steuer schulde.

Das hat das OLG anders gesehen:

„… Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts lagen auch bei dieser Tat die Voraussetzungen für die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB vor.

a) Das Amtsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage der Einzie-hung von Taterträgen für die abgeurteilten Taten des Angeklagten gemäß der Übergangsvor-schrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtli-chen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl. I S. 872) neu gefassten Vorschriften des Strafgesetzbuches beurteilt (vgl. hierzu BGH aaO).

b) Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter (oder ein Dritter) „durch“ oder „für“ eine rechtswidrige Tat erlangt hat, der Einziehung. „Durch“ die Tat etwas erlangt ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter (oder ein Dritter) aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der fakti-schen Verfügungsgewalt des Täters (oder des Dritten) unterliegt (vgl. BGH aaO).
Die Einziehung kommt nicht nur bei vollendeten Straftaten in Betracht, sondern auch bei Ver-suchstaten. Denn auch die Begehung einer vom Gesetz unter Strafe gestellten Versuchstat ist eine rechtwidrige Straftat i.S. von §§ 73 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, aus der i.S. von § 73 Abs. 1 StGB „etwas erlangt“ sein kann. Voraussetzung für eine Einziehung ist hierbei, dass dem Täter (oder einem Dritten) aus der „nur“ versuchten Straftat ein Vermögensvorteil zuge-flossen ist (vgl. BGH wistra 2010, 477).

c) Die Bestimmung des „erlangten Etwas“ i.S. von § 73 Abs. 1 StGB bemisst sich nach dem im Zusammenhang mit der zugrundeliegenden Straftat bei dem Täter (oder einem Dritten) tat-sächlich eingetretenen Vermögenszufluss. Ausgehend von dem vom Gesetzgeber mit der Re-form der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung verfolgten Ziel, wonach sich Straftaten „nicht lohnen dürfen“ und vorhandene Lücken in der Abschöpfung von durch Straftaten erlangtem Vermögen geschlossen werden sollten (vgl. BT-DRs 18/9525, S. 2 f., 45, 48), sind dabei sämt-liche wirtschaftlich messbaren Vorteile, die sich als strafrechtlich missbilligte Bereicherung im Vermögen des Täters manifestieren, zu berücksichtigen (vgl. Köhler, Die Reform der straf-rechtlichen Vermögensabschöpfung, NStZ 2017, 497, 503 f). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung fallen hierunter auch ersparte Aufwendungen, wozu u.a. auch die bei der Steuerhinterziehung regelmäßig durch die Nichterfüllung fälliger Steueransprüche ersparten Steuerzahlungen zählen (vgl. BGH wistra 2018, 471; siehe auch BGH NStZ 2017, 361 zu § 73 StGB aF).

d) Bei der Einkommensteuerhinterziehung besteht das vom Steuerpflichtigen „erlangte Etwas“ in den ersparten Einkommensteuern. Auch hier setzt die Anordnung der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nicht den Eintritt des für die Tatvollendung relevanten Erfolges voraus. Vielmehr reicht es aus, dass der Täter unmittelbar zur Tatbegehung i.S. von § 22 StGB angesetzt, mit-hin eine versuchte Steuerhinterziehung nach §§ 370 Abs. 2 AO, 22 StGB begangen hat.
Der Versuch der Einkommensteuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO beginnt, wenn der Täter bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist keine Steuer-erklärung einreicht, um hierdurch eine Steuerfestsetzung zu verhindern oder eine zu niedrige Steuerfestsetzung zu bewirken (vgl. BGH wistra 2013, 430; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, 155. Lieferung 02.2019, § 370 AO Rd. 146 mwN). Bereits mit dem Beginn des Versuchsstadi-ums erlangt der Täter einen der Einziehung unterliegenden Vermögensvorteil im Hinblick auf die angefallene Steuerersparnis. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts steht dem die unter-bliebene Steuerfestsetzung durch das Finanzamt nicht entgegen. Dies ergibt sich aus folgen-den Erwägungen: Die Ansprüche des Staatsfiskus aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen nicht erst mit der Steuerfestsetzung durch das Finanzamt im Besteuerungsverfahren, sondern gemäß § 38 AO bereits mit der Verwirklichung des Steuertatbestandes, an den das Gesetz die steuerliche Leistungspflicht knüpft. Die Einkommensteuer im Besonderen entsteht gemäß §§ 25 Abs. 1, 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes, also mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuerpflichtige den Einkommensteuerungstatbestand verwirklicht hat. Die Steuerfestsetzung gemäß § 155 Abs. 1 AO ist für die Entstehung des Steueran-spruchs ohne Bedeutung. Sie hat nur deklaratorische Wirkung und ist lediglich Voraussetzung für die Fälligkeit des Steueranspruchs (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 155. Lieferung 02.2019, § 38 AO Rd. 3 und 10f. mwN). Der entstandene Steueranspruch des Staatsfiskus korrespondiert mit der entsprechenden Steuerschuld des Steuerpflichtigen. Deren Nichterfül-lung bewirkt bei ihm einen Vermögenszufluss in Form ersparter Steueraufwendungen. Dieser geldwerte Vorteil tritt indes nicht erst dann ein, wenn das Finanzamt die Steuern in einem Steuerbescheid festsetzt und fällig stellt, sondern bereits mit der Entstehung der Steuer.

Der dem Täter einer versuchten Einkommensteuerhinterziehung durch die Steuerersparnis zugeflossene Vermögensvorteil stellt zudem ein „erlangtes Etwas“ i.S. von § 73 Abs. 1 StGB dar und unterliegt daher der Einziehung (vgl. Pinkenburg/Schubert, Einziehung des Wertes des Erlangten bei versuchter Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen? in Wistra 2018, S. 458 ff., siehe auch OLG Schleswig, Beschl. v. 08.01.2002, Az. 1 Ws 407/01, zu § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der in § 73 Abs. 1 StGB Alt. 1 enthaltenen Formulierung, wonach der Täter (oder der Dritte) den Vermögensvorteil „durch“ eine rechtswidrige Tat erlangt haben muss. Dass die Einkommenssteuer unmittelbar kraft Gesetzes sowie bereits mit dem Ablauf des betreffenden Veranlagungszeitraums ent-standen und folglich der durch die Nichterfüllung der Steuerschuld beim Täter bewirkte Ver-mögenszufluss nicht erst durch das Unterlassen der fristgemäßen Abgabe der Steuererklä-rung, mithin durch die versuchte Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO ein-getreten ist, ist ohne Belang. Bei der Auslegung der Formulierung „durch“ in § 73 Abs. 1 StGB nF kann insoweit auf die von der Rechtsprechung zu § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. und dem dortigen Wortlaut „aus der Tat erwachsen“ entwickelten Grundsätze abgestellt werden. Da-nach sind nicht nur solche Vermögensvorteile erfasst, deren Entstehung an die Verwirklichung des Straftatbestandes selbst anknüpft, vielmehr ist ein enger Kausalzusammenhang zwischen der Straftat und dem Vermögensvorteil ausreichend (vgl. BGH NJW 2001, 693). Diese Ausle-gung gilt nach dem Willen des Gesetzgebers auch für die in § 73 Abs. 1 StGB nF verwendete Formulierung „durch“ eine rechtswidrige Tat. Demnach ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass zwischen der rechtswidrigen Tat und dem Erlangen des (abzuschöpfenden) Vermögens-wertes ein Kausalzusammenhang besteht (vgl. BT-DRs 18/11640, S. 78; Pinken-burg/Schubert, aaO). Bei einer versuchten Einkommensteuerhinterziehung durch Unterlassen der fristgemäßen Abgabe der Einkommensteuererklärung ist der notwendige Kausalzusam-menhang zwischen der Straftat und dem zugeflossenen geldwerten Vorteil des Täters (oder des Dritten) in Form ersparter Steueraufwendungen gegeben. Denn die Nichtabgabe der (voll-ständigen und richtigen) Steuererklärung stellt die Grundlage für die Aufrechterhaltung der Bereicherung des Täters hinsichtlich der Steuerersparnis dar. Würde man wegen des zeitlich bereits vor Versuchsbeginns eingetretenen Vermögenszuwachses den Kausalzusammenhang verneinen, müsste man dies auch bei der vollendeten Einkommensteuerhinterziehung tun, was unzweifelhaft der Intention des Gesetzgebers bei der Schaffung der Einziehungstatbestände widersprechen würde. Abzustellen ist daher auf den Vermögensvorteil durch die erlangte Steuerersparnis, der nach Ablauf der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung und damit nach dem Beginn des Versuchsstadiums der Einkommensteuerhinterziehung erst rechtswidrig wird.

Der vorstehenden Gesetzesauslegung steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach sich die Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nF nur auf das „unmittelbar“ durch die Tat erlangte Etwas erstreckt und lediglich mittelbar durch die Verwertung der erlangten Tatbeute eingetretene Vermögenszuwächse (z.B. ein Verkaufserlös) nur als Surrogat aufgrund einer Anordnung nach § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB nF eingezogen werden können (vgl. BGH StV 2019, 17), nicht entgegen. Denn die infolge der strafbewehrten Nichterfüllung der Einkommensteuer-pflicht eingetretene Steuerersparnis begründet einen durch die Straftat der (versuchten) Ein-kommensteuerhinterziehung eingetretenen unmittelbaren Vermögenszuwachs und nicht nur einen bloßen mittelbaren Vermögensteil.

e) Die vorstehenden Grundsätze ergeben für den vorliegenden Fall folgendes: Ausweislich der Feststellungen des angefochtenen Urteils hat der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe trotz Ablaufs der Abgabefrist die Abgabe einer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungs-zeitraum 2015 pflichtwidrig unterlassen. Zu einer Tatvollendung ist es mangels Eintritt des nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erforderlichen tatbestandlichen Erfolges aufgrund der zuvor erfol-gen Einleitung und Bekanntgabe des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht ge-kommen. Das Amtsgericht ist insoweit zutreffend von einer versuchten Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO ausgegangen.

Die vom Amtsgericht im in Rede stehenden Fall 3 der Urteilsgründe festgestellte Einkom-menssteuerersparnis i.H. von 5.528 € bewirkte einen der Einziehung unterliegenden Vermö-gensvorteil des Angeklagten in gleicher Höhe. Dieser geldwerte Vorteil kann aufgrund seiner Beschaffenheit nicht gegenständlich eingezogen werden. Es ist deshalb gemäß § 73c StGB die Einziehung von Wertersatz in gleicher Höhe anzuordnen. Da in §§ 73 Abs. 1, 73c StGB die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen zwingend vorgesehen ist, kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entscheiden und die Einziehungsanordnung selbst treffen (vgl. hierzu BGH NStZ-RR 2019, 22). Eine Zu-rückverweisung der Sache an das Amtsgericht bedurfte es nicht. Denn die vom Amtsgericht rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Höhe der vom Angeklagten im Fall 3 der Urteils-gründe geschuldeten Einkommensteuer ermöglichen dem Senat die Bestimmung der Höhe des von ihm erlangten Vermögensvorteils und somit des bei dieser Tat der Einziehung unter-liegenden Wertersatzbetrages. Ergänzende Feststellungen zu etwaigen zwischenzeitlich vom Angeklagten geleisteten Nachzahlungen sind insoweit entbehrlich. Sollten entsprechende Zah-lungen erfolgt sein, wird dies im Vollstreckungsverfahren gemäß § 459g Abs. 4 StPO zu be-rücksichtigen sein….“

Einziehung I: Der erlangte Vermögenswert, oder: Alles, nicht nur der Beuteanteil

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Zum 1.7.2017 ist das Recht der Vermögensabschöpfung in den §§ 73 ff. StGB grundlegend geändert worden. Stichwort: Verbrechen darf sich nicht lohnen. Seitdem ist ein deutliches Ansteigen der Entscheidungen der Obergerichte, die sich mit Einziehungsfragen befassen, festzustellen. Gefühlt vergeht fast kein Tag, an dem nicht auf der Homepage des BGH dazu etwas veröffentlicht wird. Das ist der Anlass heute mal einen „Einziehungstag“ zu machen, den ich dann – wegen der Vielzahl der Entscheidungen – in der nächsten Zeit in lockerer Folge fortsetzen werde.

Den Opener mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 05.06.2019 – 5 StR 670/18. Entschieden hat der BGH über eine Revision der Staatsanwaltschaft. Die hatte gegen ein Urteil, das den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Einziehung eines Geldbetrages von 4.250 € angeordnet hatte, Revisiom eingelegt. Mit ihrer auf die Einziehung beschränkten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe der gesamten Tatbeute (45.000 €) abzüglich eines dem Geschädigten erstatteten Betrages von 250 €. Die Revision hatte Erfolg:2

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ließ sich der Angeklagte auf den Vorschlag eines unbekannten Mittäters ein, sich durch einen so genannten „Rip-Deal“ Geld hinzuzuverdienen. Der Angeklagte und der Geschädigte vereinbarten, dass Letzterer für eine nicht festzustellende Gegenleistung 45.000 € in bar und gestückelt in 50- und 100-€-Scheinen an den Angeklagten entrichten solle. Gemäß dem mit dem Mittäter gefassten Tatplan war der Angeklagte jedoch nicht willens, die Gegenleistung zu erbringen.

Der Angeklagte und der Geschädigte trafen sich zur Übergabe in einem Restaurant. Das Geld befand sich in einem Stoffbeutel des Geschädigten. Auf Initiative des Angeklagten begaben sie sich vor das Restaurant. Dort sollte der Geschädigte das Geld dem im abfahrbereiten Auto wartenden Mittäter zeigen. Der Aufforderung des Geschädigten, den Motor auszustellen, kam der Mittäter nicht nach. Nun riss der Angeklagte an dem Beutel. „Er wollte das Geld, von dem er 10 % als Beuteanteil, mithin 4.500 €, erhalten sollte, für sich und den unbekannten Mittäter verwenden.“

Der Geschädigte hielt den Beutel fest. Um dessen Widerstand zu brechen, fuhr der Mittäter das Auto mehrfach ruckartig vor und zurück, wodurch die offene Beifahrertür wiederholt schmerzhaft gegen Arm und Schulter des Geschädigten schlug. Aufgrund dessen und weil er nicht von dem losfahrenden Auto mitgerissen werden wollte, ließ der Geschädigte schließlich los. Der Mittäter fuhr daraufhin gemeinsam mit dem Angeklagten mit Vollgas weg. Unter ungeklärten Umständen fielen Geldscheine der Tatbeute aus dem Fluchtfahrzeug, die von Passanten aufgesammelt wurden. Ein ehrlicher Passant lieferte 250 € bei der Polizei ab, die sie dem Geschädigten zurückgab.

2. Das Landgericht hat eine Wertersatzeinziehung nur in Höhe des Beuteanteils des Angeklagten von 10 % abzüglich erstatteten 250 € angeordnet. Der Angeklagte habe entsprechend der mit dem Mittäter getroffenen Abrede keinen ungehinderten Zugriff auf die gesamte Beute erlangt. Eine Mitverfügungsmacht habe er ausnahmsweise auch nicht durch die eigenhändige Wegnahme des Beutels begründet. Der transitorische kurzfristige Zugriff während der Fahrt mit dem Fluchtauto reiche hierfür nicht aus. Zudem sei der Angeklagte erkennbar von seinen Hintermännern gesteuert worden und habe auch deshalb keine Verfügungsgewalt über die gesamte Tatbeute innegehabt.

3. Diese Wertungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256; vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45 f.; vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17, jeweils mwN). Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den Vermögensgegenstand nehmen können. Faktische Mitverfügungsgewalt kann aber – jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, die Beute oder Teile davon in den Händen haltenden Mittäter – auch dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit „verfügt“ der Mittäter zu seinen oder der anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit Diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279 mwN).

b) So liegt der Fall auch hier. Der Angeklagte wollte das von ihm in Händen gehaltene Geld „für sich und den unbekannten Mittäter“ verwenden (UA S. 6). Damit hatte er die von ihm beanspruchte Verfügungsmacht inne. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beteiligte eine unmittelbar durch die Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, aaO, S. 46; vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17, aaO, jeweils mwN). Die vom Landgericht als maßgeblich erachtete Erwägung zu einer alleinigen Verfügungsgewalt der „Hintermänner“ des Angeklagten geht deshalb ebenso fehl wie die Annahme eines nur kurzfristigen oder transitorischen Erhalts der gesamten Tatbeute.

4. Der Senat bestimmt auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen und in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Wert des vom Angeklagten Erlangten selbst und ordnet insoweit dessen gesamtschuldnerische Haftung an (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17, aaO, mwN).“