Die 24. KW. eröffne ich mit einer Entscheidung aus dem Strafvollzug, und zwar mit dem OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.03.2018 – 2 Ws 47/18. Der nimmt Stellung zum Anwesenheitsrecht eines anwaltlichen Beistands bei der Anhörung in einem (strafvollstreckungsrechtlichen) Disziplinarverfahren. Gegen den Untergebrachten ist von der JVA Straubing, Einrichtung für Sicherungsverwahrung am 22.11.2017 nach vorheriger Anhörung, die entgegen dem Wunsch des Untergebrachten ohne seinen Rechtsanwalt durchgeführt wurde, wegen unerlaubten Besitzes eines scharfen Tafelmessers gemäß Art. 78 Abs. 3 Nr. 2 BaySvVollzG eine Disziplinarmaßnahme (Freizeitbeschränkung) verhängt worden.
Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der u.a. damit begründet worden ist, dass die Disziplinarmaßnahme wegen eines Verfahrensfehlers sei. Dem Antragsteller sei zu Unrecht die Anwesenheit seines Verteidigers im Anhörungstermin verweigert worden. Die StVK sieht die – stattgefundene – vorherige Konsultation eines Verteidigers als ausreichend an nund bezieht sich dazu auf Rechtsprechung des OLG Bamberg (NStZ-RR 2015, 93). Anders hatt vorher das OLG Nürnberg entschieden (StV 2012, 169). Dessen Auffassung überzeugte die StVK nicht.
Die Antwort hat es dann aus Nürnberg gegeben:
„2. Die Rechtsbeschwerde hat zumindest vorläufigen Erfolg, weil dem Disziplinarverfahren ein erheblicher Verfahrensfehler zugrunde liegt, dies zur – vorläufigen – Rechtswidrigkeit der verhängten Disziplinarmaßnahme führt und dies von der Strafvollstreckungskammer zu Unrecht verneint wurde.
Die Rechtsbeschwerde führt daher zur Teilaufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Aufhebung der am 22.11.2017 verhängten Disziplinarmaßnahme sowie zur Zurückverweisung der Sache an die Justizvollzugsanstalt Straubing – Einrichtung für Sicherungsverwahrung – zur erneuten Entscheidung über die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zum insoweit durchzuführenden Verfahren.
3. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung vom 06.07.2011 fest. Der Begründung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 09.10.2014 (NStZ-RR 2015, 93) folgt der Senat nicht. Das Oberlandesgericht Bamberg argumentiert insoweit, dass es unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes und damit auch des Rechtsstaatsprinzips als unbedenklich angesehen wird, dass ein Verteidiger an der ersten, polizeilichen Vernehmung eines Beschuldigten nicht teilnehmen darf. Nur bei einer richterlichen oder staatsanwaltlichen Vernehmung ergebe sich für das Ermittlungsverfahren aus den §§ 168c Abs. 1, 163a Abs. 3 Satz 2 StPO die Berechtigung des Verteidigers zur Teilnahme. Nichts anderes könne daher für einen Untersuchungsgefangenen in einem Disziplinarverfahren gelten. Das Oberlandesgericht Bamberg berücksichtigt insoweit allerdings nicht, dass der polizeilichen Vernehmung keine direkte Entscheidung über eine Sanktion folgt, der Anhörung im Disziplinarverfahren aber schon. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat – zunächst – auch keine aufschiebende Wirkung (§ 114 Abs. 1 StVollzG). Die Sanktion, das heißt die verhängte Disziplinarmaßnahme, wird in der Regel auch sofort vollzogen. Wegen dieser erheblichen Folgen eines Disziplinarverfahren ist, soweit die Vertretung durch einen Anwalt im Anhörungsverfahren ohne erhebliche Verzögerung möglich wäre, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 06.07.2011 bereits dargelegt hat, die Ermöglichung der Teilnahme eines Verteidigers bei der Anhörung eines Untergebrachten in einem Disziplinarverfahren verfassungsrechtlich geboten.“
Ist ja auch schon irgendwie mutig zu sagen „Was mein OLG sagt stimmt nicht, dass andere OLG ist besser.“ :-).
Das OLG Nürnberg hätte ergänzend darauf verweisen können, dass es seit September 2017 sehr wohl ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen gibt, was der Argumentation des OLG Bamberg in gewisser Weise die Grundlage entzieht.
Kleine Korrektur: Seit dem 24.08.2017.
Am 24.08.2017 war Verkündung, Inkrafttreten war am 05.09.2017. 🙂
Stimmt. Die Anwesenheitsrechte waren im „Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Straf-verfahren und zur Änderung des Schöffenrechts“ vom 27.8.2017 (BGBl I, S. 3295)“, das am 04.09.2017 verkündet und am 05.09.2017 in Kraft getreten ist.