Ablehnung wegen Befangenheit; oder: Schnell muss es gehen, auch wenn der Schöffe quatscht

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Für Verteidiger stellt sich immer wieder die Frage: Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit, ja oder nein? Ob eine Ablehnung Sinn macht, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Nur eins muss man als Verteidiger auf jeden Fall dabei beachten. In der Hauptverhandlung muss schnell gehen. Denn in § 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO heißt es „unverzüglich“ und das heißt nach § 122 BGB: Ohne schuldhaftes Zögern. Und das bedeutet: Lange warten darf man nicht.

Das folgt dann auch noch einmal aus dem OLG Hamm, Beschl. v. 08.06.2017 – 4 RVs 64/17. Das LG hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Dagegen hat der sich u.a. mit einer Verfahrensrüge gewandt und einen Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO geltend gemacht. Dazu das OLG:

c) Die Rüge der fehlerhaften Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs gegen den Schöffen M. (§ 338 Nr. 3 StPO) ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat überprüft diese Rüge nach Beschwerdegesichtspunkten.

Der Rüge liegt – soweit für die vorliegende Entscheidung relevant – folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der abgelehnte Schöffe hatte im Hauptverhandlungstermin vom 16.01.2017 aufgrund eines von ihm behaupteten beruflich bedingten Sachverstands zu technischen Fragen Stellung genommen. Nach einer Sitzungsunterbrechung wurde er hierauf von einem Zuhörer angesprochen, der die Richtigkeit der Ausführungen des Schöffen in Zweifel zog. Der Schöffe soll dann (u.a.) geäußert haben, dass es darauf nicht ankomme, „da man an den Feststellungen des Amtsgerichts festhalten wolle“. Nach Aufruf zu Beginn des Fortsetzungstermins am 06.02.2017 lehnte der Angeklagte daraufhin schriftlich diesen Schöffen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er brachte gleichzeitig eine eidesstattliche Versicherung des genannten Zuhörers vom 05.02.2017 bei. Nach Einholung einer Stellungnahme des Schöffen zum Ablehnungsgesuch wurde das Ablehnungsgesuch schließlich von der kleinen Strafkammer als unzulässig verworfen, weil es nicht unverzüglich angebracht worden sei. In der Revisionsbegründung trägt der Angeklagte dazu vor, dass der Zuhörer erst am 05.02.2017 zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung erreichbar gewesen sei.

Das Landgericht hat zu Recht dieses Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen, weil die Ablehnung entgegen § 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht unverzüglich geltend gemacht worden ist (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Ausgehend von dem Verwerfungsbeschluss des Landgerichts war dem Angeklagten der Ablehnungsgrund bereits seit dem 16.01.2017 bekannt. Gegen diese Feststellung hat der Angeklagte auch mit der Revision keine Einwände erhoben. Der Angeklagte hätte dann mit der Anbringung seines Ablehnungsgesuchs nicht knapp drei Wochen zuwarten dürfen, sondern sein Gesuch spätestens zum Beginn der auf den 16.01.2017 folgende Kalenderwoche außerhalb der Hauptverhandlung zu Protokoll der Geschäftsstelle anbringen müssen; diese Möglichkeit ist in § 26 Abs. 1 Halbsatz 2 StPO ausdrücklich vorgesehen. Dass er daran durch Umstände gehindert war, die ihm billigerweise nicht zur Last gelegt werden können, hat er in seinem Gesuch weder behauptet noch glaubhaft gemacht (§ 26 Abs. 2 Satz 1 StPO), was aber erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1967 – 4 StR 512/66 – juris Rdn. 26).

Hinzu kommt, dass auch für den Fall, dass der Angeklagte von dem Zuhörer tatsächlich erst am Vortag des Fortsetzungstermins eine eidesstattliche Versicherung hat erlangen können, ihn dies nicht entlasten kann. Das Gebot der Unverzüglichkeit geht dem Gebot der Glaubhaftmachung vor (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1967 – 4 StR 512/66 – juris Rdn. 33). Wenn dem Antragsteller die grundsätzlich notwendige Beibringung einer schriftlichen Erklärung des Zeugen (hier: des Zuhörers) nicht möglich ist, sei es, dass ihm der Zeuge die schriftliche Bestätigung verweigert, sei es, dass er ihn nicht unverzüglich erreichen kann und er wenigstens dies glaubhaft macht, genügt die Bezugnahme auf das Zeugnis (BGH a.a.O.). Der Angeklagte hätte danach sein Ablehnungsgesuch unter entsprechender Darlegung und Glaubhaftmachung auch ohne eine eidesstattliche Versicherung des Zuhörers früher anbringen können.“

Aufgehoben hat das OLG dann aber doch, und zwar wegen nicht ausreichender tatsächlicher Feststellungen. Dem Fahren ohne Fahrerlaubnis lag nämlich eine „Nachfahrenssituation“ zugrunde, zu der das LG nicht genügend Feststellungen getroffen hatte. Insoweit wendet das OLG die bußgeldrechtlichen Grundsätze zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren an.

Ein Gedanke zu „Ablehnung wegen Befangenheit; oder: Schnell muss es gehen, auch wenn der Schöffe quatscht

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