Archiv für den Monat: Juni 2017

Ich habe da mal eine Frage: Verzicht auf Einspruch – gibt es dafür die Befriedungsgebühr?

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Mich erreichen immer wieder Fragen zu den beiden Befriedungsgebühren/zuästzlichen Verfahrensgebühren Nr. 4141, 5115 VV RVG. Die spielt in der Praxis ersichtlich eine große Rolle, was sicherlich damit zu tun hat, dass es sich um „zusätzliche Gebühren“ handelt. Und wer (Staatskasse oder auch RSV) zahlt schon gerne eine zusätzliche Gebühr. Eien schon etwas ältere Anfrage zu der Thematik habe ich dann heute, und zwar:

„Lieber Herr Kollege Burhoff,

kurze Frage: reicht es für das Entstehen der Gebühr VV 5115 RVG aus, wenn – ohne zuvor Einspruch gegen den BG-Bescheid eingelegt zu haben – durch den Verteidiger auf dieses Rechtsmittel verzichtet wird, um sofortige Rechtskraft herbeizuführen?

Mit freundlichen und kollegialen Grüßen…“

Nun ja, müsste an sich zu lösen sein 🙂 .

Verteidiger aufgepasst bei den Rechtsmittelkosten, oder: Entscheidend ist, was hinten raus kommt

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Ich komme dann noch einmal auf die gestrige „Lasange-Entscheidung“ des OLG Celle zurück, also auf den OLG Celle, Beschl. v. 05.04.2017 – 1 Ss (OWi) 5/17 (dazu Sonntagsfahrverbot, oder: Ist „Fertiglasagne“ ein „frisches Fleicherzeugnis“?). Der enthält nämlich auch eine ganz interessante kostenrechtliche Aussage.

Das Verfahren war insgesamt drei mal beim OLG. Zweimal hatte die betroffene Verfallsbeteiligte mit seinen Rechtsbeschwerden Erfolg, und zwar sind zwei vorangegangene Urteile des AG jeweils auf die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten hin wegen Rechtsfehlern im Zusammenhang mit dem Einsatz eines Dolmetschers in der Hauptverhandlung aufgehoben worden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 22. Juli 2015 – 1 Ss (OWi) 118/15, NStZ 2015, 720;  OLG Celle, Beschluss vom 4. April 2016 – 1 Ss (OWi) 54/16, StV 2016, 806). Die dritte Entscheidung des AG hat nun (endlich) gehalten. In der letzten Kostenentscheidung hat das AG „die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahren“ der Verfallsbeteiligten auferlegt. Hiergegen hat die sich mit der Kostenbeschwerde gewandt. Und: Kein Erfolg. Das OLG hat im OLG Celle, Beschl. v. 05.04.2017 – 1 Ss (OWi) 5/17 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen:

„Die notwendigen Auslagen der Verfallsbeteiligten in den vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahren beziehungsweise Rechtsgängen sind entgegen der Rechtsauffassung der Verfallsbeteiligten nicht deshalb der Staatskasse aufzuerlegen, weil die vorangegangenen Rechtsbeschwerden jeweils zur Aufhebung der angefochtenen Urteile wegen durchgreifender Rechtsfehler und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht geführt haben. Von vornherein rechtlich nicht in Betracht kommt eine von der Verfallsbeteiligten erstrebte teilweise Auferlegung ihrer Auslagen auf Dritte (Dolmetscher), welche die Verfallsbeteiligte wegen fehlerhaften Agierens im Verfahren für die Aufhebung der vorangegangenen Urteile in vorliegender Sache auf ihre Rechtsbeschwerden hin verantwortlich macht.

Kostenrechtlich kommt es allein darauf an, ob ein Rechtsmittel im Ergebnis Erfolg hat. Abzustellen ist mithin nicht auf die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, sondern das letztendliche Verfahrensergebnis (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 4 StR 143/05, NStZ-RR 2006, 32; BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 – 3 StR 387/98, NStZ-RR 1999, 63; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 465 Rn. 3, § 473 Rn. 7 m.w.N.). Insofern hat die Verfallsbeteiligte zwar einen Teilerfolg erzielt, als der Verfallsbetrag gegenüber dem im ersten amtsrichterlichen Urteil festgesetzten Betrag reduziert worden ist, weil nunmehr nicht der gesamte Nettofrachterlös, sondern allein der auf die Fahrtstrecke in Deutschland bezogene Anteil für verfallen erklärt worden ist. Indes sind in Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO gleichwohl – wie dies das Amtsgericht im angefochtenen Urteil getan hat – die gesamten Verfahrenskosten der Verfallsbeteiligten aufzuerlegen, weil dies nicht unbillig ist. Denn das Vorbringen der Rechtsbeschwerdeführerin lässt erkennen, dass sie auch dann Rechtsbeschwerde eingelegt hätte, wenn schon im ersten amtsgerichtlichen Urteil ein Verfall in der Höhe angeordnet worden wäre, wie dies nunmehr der Fall ist. Denn die Verfallsbeteiligte hat durchgängig die Rechtsauffassung vertreten, dass eine Verfallsanordnung nicht statthaft sei, weil die verfahrensgegenständliche Fahrt ihrer Auffassung nach keinen Verstoß gegen das Sonn- und Feiertagsfahrverbot des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO darstellte (vgl. insofern Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 473 Rn. 26 m.w.N.).

Eine Anwendung des § 21 GKG ist nicht veranlasst; hinzu kommt, dass § 21 GKG eine Auflegung von notwendigen Auslagen eines Verfahrensbeteiligten auf die Staatskasse ohnehin nicht zulässt (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 24. Mai 2000 – 1 StR 80/00, NStZ 2000, 499; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 465 Rn. 11 m.w.N.).“

Entscheidend ist also, was hinten raus kommt. Das muss man als Verteidiger immer auch im Auge behalten, wenn es um die Beratung/Frage geht: Rechtsmittel ja oder nein.

Wenn der Mandant nicht so will wie der Rechtsanwalt, oder: BGH löst das Dilemma für die Vergütung

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In der Reihe der gebührenrechtlichen Entscheidungen heute zunächst eine zivilrechtliche Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag. Die hätte man auch im „RVG-Rätsel“ bringen können, aber wenn der der BGH die Frage schon entschieden hat, dann ist es doch zu einfach 🙂 .

Es geht um die Frage: Verliert der Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch, wenn er die Durchführung eines aussichtlosen Rechtsmittels ablehnt? Oder: Was ist mit dem Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts, wenn der Mandant nach einer Beratung auf der Durchführung des Verfahrens beharrt und der Rechtsanwalt deshalb das Mandat kündigt? Verliert der Rechtsanwalt dadurch seinen Vergütungsanspruch? Die Antwort gibt das BGH, Urt. v. 16.02.2017 – IX ZR 165/16, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Die Klägerin war Mandantin bei den Beklagten. Diese sind beim BGH zugelassene Rechtsanwälte. Die Klägerin hatte diese mit der Einlegung und Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil, durch das eine von der Klägerin erhobene Schadensersatzklage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen worden war, beauftragt. Die Beklagten haben Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Rechtsschutzversicherung der Klägerin zahlte gemäß der Kostenrechnung der Beklagten den Betrag von 1.868,30 EUR an die Beklagten. Diese erstatteten sodann ein 36 Seiten umfassendes Gutachten. Danach haben sie der Klägerin die Rücknahme des Rechtsmittels empfohlen; das Gutachten war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben würde. Da die Klägerin mit der Rücknahme des Rechtsmittels nicht einverstanden war, legten die Beklagten das Mandat nieder. Ein anderer beim BGH zugelassener Rechtsanwalt hat dann für die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde begründet. Der BGH hat die Beschwerde der Klägerin kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Klägerin nimmt nun aufgrund abgetretenen Rechts ihrer Rechtsschutzversicherung die Beklagten u.a. auf Erstattung des an sie gezahlten Honorars von 1.868,30 EUR in Anspruch.

AG und LG haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der BGH hat das LG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Der Leitsatz zu der BGH-Entscheidung:

Kündigt der Revisionsanwalt nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde das Mandat, weil er dem Rechtsmittel aufgrund einer inhaltlich zutreffenden Begutachtung keine Erfolgsaussichten beimisst und darum die von dem Mandanten gewünschte Begründung und Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde ablehnt, verliert er seinen Vergütungsanspruch gegen den Mandanten nicht.

Und aus der Entscheidung:

„(1) Gewinnt der Prozessbevollmächtigte nach gründlicher Prüfung die der Sach- und Rechtslage entsprechende Überzeugung der Aussichtslosigkeit eines Rechtsmittels, bringt ihn das Beharren des Mandanten auf Durchführung des Verfahrens in einen unauflöslichen Konflikt, weil die Befolgung der Weisung mit seiner Stellung als Organ der Rechtspflege (vgl. §§ 1, 3 Abs. 1 BRAO) unvereinbar ist. Der Anwalt ist nicht gehalten, einer Weisung des Mandanten zu folgen, die seinem wohl durchdachten Rat widerspricht und mit wirtschaftlichen Nachteilen für die vertretene Partei verbunden ist. Um die verfehlte Weisung des Mandanten, einen aussichtslosen Rechtsstreit fortzusetzen, zu erfüllen, müsste der Rechtsanwalt eine Klage oder ein Rechtsmittel mit Erwägungen begründen, die verfahrensrechtlich unerheblich sind oder materiell-rechtlich erkennbar nicht durchgreifen. Dies wäre weder mit seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege vereinbar noch ihm mit Rücksicht auf sein Ansehen zumutbar. Schließlich ist das unvernünftige Hinwegsetzen über den begründeten Vorschlag des Anwalts geeignet, die Vertrauensgrundlage des Mandatsverhältnisses nachhaltig zu erschüttern (BGH, Urteil vom 26. September 2013 – IX ZR 51/13, WM 2014, 89 Rn. 13; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1994, 1084, 1085; vgl. Staudinger/Preis, BGB, 2016, § 628 Rn. 26; Rinkler in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 1 Rn. 113; Erman/Belling, BGB, 14. Aufl., § 628 Rn. 12; Pabst, MDR 1978, 449, 451; a. A. MünchKomm-BGB/Henssler, 7. Aufl., § 628 Rn. 26).“

Der BGH hat allerdings nicht die Klage sofort abgewiesen, sondern hat an das OLG zurückverwiesen. Dort muss jetzt die entscheidungserhebliche Frage geprüft werden, ob der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin entgegen der Einschätzung der Beklagten – was die Klägerin behauptet hat – Erfolgsaussicht beizumessen waren. Insoweit muss – so der BGH – die für ihren Bereicherungsanspruch darlegungs- -und beweispflichtige Klägerin, unter Hinweis auf tatsächlich durchgreifende Zulassungsgründe durch eine substantiierte Darlegung Mängel der Rechtsansicht der Beklagten aufzeigen. Das dürfte ihr m.E. jedoch schwer fallen, nachdem der BGH die Nichtzulassungebeschwerde der neu beauftragten Kollegen ja zurückgewiesen hat.

Verfall des Transportlohns, oder: Ganz oder nur zum Teil – das war die Frage?

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Ich hoffe, der aufmerksame Leser hat es gemerkt. Der heutige Tag war bisher dem Verfall im Bußgeldverfahren gewidmet (§ 29a OWiG). Und daher will ich den (Verfalls)Tag dann auch mit einer Entscheidung zu der Problematik beenden. Es ist der BGH, Beschl. v. 10.04.2017 – 4 StR 299/16.

BGH zum Verfall im Bußgeldverfahren? Ja. Die Sache ist aufgrund einer Vorlage durch das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Beschl. v. 09.06.2016 – 2 Ss (OWi) 110/16 zum BGH gekommen. Die OLG haben nämlich darum gestritten, ob bei einem Verstoß eines Transportunternehmens gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften, zur Bestimmung des Erlangten i.S.d. § 29a Abs. 1 OWiG, auf den gesamten Transportlohn oder nur auf den sich ggf. rechnerisch für die inländische Fahrtstrecke ergebenden Transportlohn abzustellen ist. Das OLG Oldenburg wollte vom OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.12. 2015 (1 Ss (OWi) 165/15) abweichen, musste dafür aber vorher den BGH „fragen“. Der hat nach „Umformulierung und Präzisierung“ der Vorlegungsfrage – das freut das OLG immer sehr – geantwortet, und zwar mit folgendem Leitsatz:

„Bei einem unter Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften durchgeführten internationalen Transport kann – bei Vorliegen der sonstigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 29a OWiG – der Verfall in Höhe des gesamten Transportlohns angeordnet werden.“

Kann also ggf. teuer werden.

Zu der Entscheidung merke ich an: Sehr schön 🙂 die Hinweise in der BGH-Entscheidung auf „unser“/das „Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche Bußgeldverfahren“, 4. Aufl. Das steht also beim 4 Strafsenat. Das Buch < Werbemodus an> kommt übrigens im Herbst in der 5. Auflage neu. Vorbestellen kann man es hier <Werbemodus> aus. 🙂 🙂 .

Selbständige Verfallsanordnung, so gehts, oder: Aufgepasst, da steckt eine Menge Geld drin

entnommen openclipart.org

Im Lasagne-Posting von heute morgen (vgl. den OLG Celle, Beschl. v. 05.04.2017 – 1 Ss (OWi) 5/17 –  und dazu Sonntagsfahrverbot, oder: Ist „Fertiglasagne“ ein „frisches Fleicherzeugnis“?) war zwar auch eine Verfallsanordnung Gegenstand der amtsgerichtlichen Entscheidung. Das AG hatte insoweit aber alles richtig gemacht, so dass das OLG dazu nichts zu beanstanden hatte. Anders nun der OLG Koblenz, Beschl. v. 04.04.2017 – 2 Ss OWi 4 SsBs 82/16, der noch einmal zu den Anforderungen an eine selbständige Verfallsanordnung nach § 29a OWiG Stellung nimmt.

Getroffen worden war mit Bescheid der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz eine selbständige Verfallanordnung gegen die Betroffene als Drittbegünstigte mit Festsetzung des Verfalls eines Geldbetrages in Höhe von 36.841,- EUR. Grund: Bei der GmbH beschäftigte Kraftfahrer standen im Verdacht, im Zeitraum von September und No­vember 2014 als Fahrzeugführer mit Fahrzeugen, deren Halter die GmbH war, das zulässige Ge­samtgewicht in einer Vielzahl von Fällen überschritten zu haben. Während die zuständige Behör­de von der Verfolgung der Fahrzeugführer absah, wurde gegen die Betroffene die zuvor genannte Verfallanordnung getroffen. Hiergegen hat die Betroffene wirksam Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht hat den Verfall von insgesamt 11.101,- EUR gegen die Betroffene angeordnet.

Das OLG hat das Urteil aufgehoben und das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernis­ses (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.rn. § 206 a StPO). eingestellt. Mangels eines wirksamen Bußgeldbescheides fehle es an einer notwendigen Verfahrensvoraussetzung. Zur Begründung nimmt das OLG auf die Stellungnahme der GstA Bezug:

„In der Verfallanordnung wird davon ausgegangen, dass kein Verfahrenshindernis für ein selbständiges Verfallverfahren besteht, das nach § 29a Abs. 4 OWiG nur dann durchgeführt werden kann, wenn gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht einge­leitet oder eingestellt worden ist. Als Täter i. S. d. § 29a OWiG hat die Bußgeldbehör­de die Fahrer der Verfallbeteiligten, d. h. die Fahrzeugführer bei den überladenen Fahrten, angesehen. Von einem gegen diese gerichteten Verfahren hat die Bußgeld­behörde abgesehen (BI. 102 d. A.). Bereits in der Verfallanordnung ist jedoch auch aufgeführt, die Geschäftsführer hätten im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit Maßnah­men ergreifen müssen, um die Ordnungswidrigkeiten zu verhindern (BI. 101 d. A.), was nur in der Weise zu deuten ist, dass die Bußgeldbehörde bereits erkannt hatte, dass auch die Geschäftsführer gegenüber den von den Fahrzeugführern begange­nen eigenständige Ordnungswidrigkeiten verwirklichten und gegen diese vorgegan­gen werden könnte. In der Anordnung ist jedoch nicht ausgeführt, ob Verfahren gegen die Geschäftsführer oder auch ein Verfahren auf Festsetzung einer Verbands­geldbuße nach § 30 OWiG eingestellt oder erst gar nicht erst eingeleitet wurden. Ei­ne selbständige Verfallsentscheidung bei einer juristischen Person kommt nach § 30 Abs. 5 OWiG immer nur dann in Betracht, wenn eine Geldbuße mangels Ermittlung einer tatbestandsmäßig handelnden Leitungsperson nicht verhängt werden kann (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.09.2010 — 2 Ws 81/10). Zum Nichtvorliegen die­ses Verfahrenshindernisses enthält die Verfallanordnung keine Ausführungen.

Die Verfallanordnung wird zudem den Anforderungen, die sich §§ 87 Abs. 5, Abs. 3 Satz 2, 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG ergeben, nicht gerecht, weil sich aus ihr nicht in hinrei­chendem Maße ergibt, dass ein anderer eine mit Geldbuße bedrohte Handlung be­gangen hat. Eine mit Geldbuße bedrohte Handlung liegt nach der Begriffsbestim­mung des § 1 Abs. 2 OWiG vor, wenn die konkrete Handlung tatbestandsmäßig und rechtswidrig ist. Vorwerfbar braucht sie nicht zu sein. Eine nicht vorwerfbare Hand­lung muss aber den Tatbestand erfüllen. Ist nur vorsätzliches Handeln mit Geldbuße bedroht, so setzt die Tatbestandsverwirklichung voraus, dass der Täter zumindest mit natürlichem Vorsatz gehandelt hat. Ist auch fahrlässiges Handeln erfasst, so muss der Täter zumindest objektiv pflichtwidrig gehandelt haben (Göhler, OWiG, § 1, Rn. 8 m. w. N.). Eine solche mit Geldbuße bedrohte Handlung ist sowohl im Fall des § 29a Abs. 1 OWiG als auch im Fall der hier vorliegenden Anordnung gegen einen Dritten nach § 29a Abs. 2 OWiG Voraussetzung für den Verfall.

Die Bußgeldbehörde hat die mit Geldbuße bedrohte Handlung darin gesehen, dass ­- namentlich nicht benannte — bei der Verfallbeteiligten beschäftigte Personen bei be­trieblich veranlassten Fahrten Fahrzeuge der Verfallbeteiligten führten, die das zuläs­sige Gesamtgewicht überschritten. Zwar ergibt sich aus der Verfallanordnung, dass zwischen September 2014 und November 2014 mit Fahrzeugen, deren Halterin die Verfallbeteiligte ist, 91 Transporte von dem Bauprojekt pp., 53 Transporte vom Projekt pp. und 12 Transporte vom Projekt pp. jeweils zur Deponie pp. unter Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts von 40 Tonnen durchgeführt wurden. Dabei werden u. a. für jede Fahrt die Wiegescheinnummer, das Datum, die Uhrzeit, das Kennzeichen des ver­wendeten Fahrzeugs, das Bruttogewicht, die Überladung in Tonnen sowie in Prozent und das Nettogewicht aufgeführt. Es fehlt jedoch an Angaben, welche konkreten Per­sonen die einzelnen Fahrten vornahmen, und an Angaben, um welche Art von Fahr­zeugen es sich dabei handelte. Eine Überprüfung des zulässigen Gesamtgewichts durch das Rechtsbeschwerdegericht ist so bereits nicht möglich.

Zu den Handlungen der Geschäftsführer wird kursorisch ausgeführt, diese hätten die Einhaltung des zulässigen Gesamtgewichts überwachen und ihren Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß organisieren müssen (BI. 101 d. A.). Zur konkreten Ausgestaltung der Überwachung und Organisation des Geschäftsbetriebs durch die Geschäftsfüh­rer — oder zu deren Fehlen – werden keine Angaben gemacht. Wie die Geschäftsab­läufe der Verfallsbeteiligten zur Tatzeit organisiert waren, welche Funktion im Ge­schäftsbetrieb die beiden Geschäftsführer wahrnahmen, ob es sich um eine kleine Gesellschaft mit wenigen Mitarbeitern handelt, bei der jeder Auftrag, jeder Wiege-schein und jede Rechnung gleichsam „über den Schreibtisch“ der Geschäftsführer ging, oder ob es sich um ein großes Unternehmen mit einer Vielzahl von auf Hilfsper­sonen delegierten Aufgabenbereichen handelte, ob Aufsichtspersonen eingesetzt waren, ob und wie diese überwacht wurden, bleibt offen.

Die Verfallsanordnung grenzt den Tatvorwurf daher in sachlicher Hinsicht nicht aus­reichend von anderen prozessualen Sachverhalten ab. Es steht schon nicht zwei­felsfrei fest, welcher Lebensvorgang — Handlungen der Fahrzeugführer oder der Geschäftsführer – erfasst und geahndet wird. Dieser Mangel hat sich insofern fortge­setzt, dass das Gericht die Anknüpfungstaten, nämlich die Ordnungswidrigkeiten der Fahrzeugführer, im Urteil vom 11. August 2016 gegen die Ordnungswidrigkeiten der Geschäftsführer austauschte, und dies damit begründete, dass diese bereits in der Verfallanordnung enthalten seien und das Gericht daher nicht daran gehindert sei, nach eigenem Ermessen darüber zu bestimmen, ob Taten der Geschäftsführer oder der Fahrzeugführer zugrunde gelegt würden (UA, S. 14). Gerade im Hinblick darauf, dass eine selbständige Anordnung des Verfalls nach § 29a Abs. 4 OWiG nur mög­lich ist, wenn gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder eingestellt wurde, kann der Täter aber nicht beliebig austauschbar sein.“

So geht es also richtig. Sollte man als Verteidiger auf dem Schirm haben, denn es kann ja – wie die Entscheidung zeigt – bei der Mandantin um viel Geld gehen.