Archiv für den Monat: Juni 2017

Wochenspiegel für die 23. KW., das war(en) der böse Verteidiger, Knöllchen-Horst, Basar, pädophiler Arzt und die Clouddaten

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Heute geht eine interessante Woche zu Ende: Wahlen in Großbritannien, deren Ergebnis man mit dem Satz „Hochmut kommt vor den Fall“ kommentieren könnte, Anhörung des ehemaligen FBi-Direktors Comey in den USA und gestern dann die Eröffnung der Skulptur-Projekte 2017 in Münster – wahrscheinlich mindestens genauso interessant wie die Documenta in Kassel (meinte Staatsministerin Monika Grütters). Und natürlich auch eine Woche mit Blogbeiträge, auf die man hinweisen sollte/kann, nämlich auf:

  1. Du böser Verteidiger wirst nicht mehr beigeordnet – Wenn Verteidiger nicht die Hausaufgaben des Richters übernehmen,
  2. „Knöllchen-Horst“ darf nicht mehr filmen,
  3. OLG Karlsruhe: PoliScan Speed bei grö­ße­ren Messbereichsabweichungen doch nicht stan­dar­di­siert?
  4. Freiwilliger Datenverrat und Staatstrojaner,
  5. Basar,
  6. Der pädophile Arzt – und das strafrechtliche Berufsverbot,
  7. Schuld sind immer die anderen, zum Aktionsbüro-Mittelrhein Verfahren,
  8. Fahrgäste mit E-Scootern dürfen von der Beförderung ausgeschlossen werden,
  9. “Ich stech Dich ab” – Kündigung wegen Morddrohung,
  10. Strafverfolgungsbehörden: Bald direkter Zugriff auf europäische Clouddaten?

Reißverschlussverfahren II: Auffahren auf die BAB, oder: Stop-and-Go vs. Reißverschlussverfahren

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Urheber Rabensteiner

Die zweite Entscheidung (zur ersten siehe hier Reißverschlussverfahren I: Spurwechsel, oder: Es gilt der Anscheinsbeweis zum OLG München, Urt. v. 21.04.2017 – 10 U 4565/16), die sich mit dem Reißverschlussverfahren beschäftigt, ist das AG Essen, Urt. v. 20.03.2017 – 14 C 188/16, über das ja auch schon der Kollege Gratz in seinem Blog berichtet hat.

In ihm geht es um die grundsätzliche Frage, ob das Reißverschlussverfahren beim Auffahren auf die Autobahn gilt. Das AG Essen hat das verneint, und zwar auch für den sog. Stop-and-Go-Verkehr. Es ging um einen Auffahrunfall, dessen konkreter Hergang streitig war. Das AG kommt zu folgender Einschätzung:

Der Klägerin steht gegen die Beklagten aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfallgeschehens kein Schadensersatzanspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs.1 Nr.1 VVG zu.

Der streitgegenständliche Unfall stellte sich für keinen der Unfallbeteiligten als höhere Gewalt oder als nachweislich unabwendbares Ereignis dar, so dass sich der Umfang der Haftung danach richtet, inwieweit der Unfall vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 17 StVG).

Die vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge führt vorliegend dazu, dass die Klägerin den Unfall allein schuldhaft verursacht hat.

Der jeweilige Verursachungsbeitrag wird gebildet aus der Summe der Gefahren, die in der konkreten Unfallsituation von den beteiligten Kraftfahrzeugen ausgegangen sind, und die sich auf die Herbeiführung des Unfalls und die entstandenen Schäden ausgewirkt haben. Solche Gefahren ergeben sich zum einen aus der Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge, den von ihnen gefahrenen Geschwindigkeiten, den zum Zeitpunkt des Unfalls durchgeführten Fahrmanövern sowie dem konkreten Fahrverhalten und dabei insbesondere aus etwaigen Fahrfehlern oder Verkehrsverstoßen. Dabei sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die unstreitig oder beweisen sind, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden.

Für Verschuldensvermutungen ist hierbei kein Raum. Daraus folgt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen, das im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung jeweils der eine Halter die Umstände zu beweisen hat, die dem anderen zum Verschulden gereichen.

Auf Seiten der Klägerin ist im Rahmen dieser Abwägung zunächst die Betriebsgefahr in die Abwägung einzustellen.

Hinzu kommt, dass die Klägerin auf die Autobahn aufgefahren ist und dabei gegen § 18 Abs. 3 StVO verstoßen hat. Hierfür streitet schon der Beweis des ersten Anscheins.

Ein auf eine Autobahn einfahrender Verkehrsteilnehmer hat gemäß § 18 Absatz 3 StVO dem Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt zu gewähren. Er muss dazu den Verkehr auf der Autobahn beobachten und trägt das volle Risiko, wenn dieser auf seinen Vorrang vertraut. Kommt es in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit einer Vorfahrtsverletzung zu einem Unfall, hat der Wartepflichtige den Anschein schuldhafter Vorfahrtsverletzung gegen sich (vgl. nur Hentschel/ 41.Aufl. 2011 (König, aaO, StVO § 8 Rdnr. 68, 69).

Dabei ist § 18 Abs. 3 StVO nicht auf das Einfädeln bei fließendem Verkehr auf der Autobahn beschränkt. Auch bei zähfließendem Verkehr oder Stop-and-go-Verkehr – wie hier – gilt beim Einfahren auf die Autobahn nicht das Reißverschlussverfahren. Vielmehr hat der Verkehr auf den durchgehenden Fahrbahnen Vorrang mit der Folge, dass bei einem Unfall zwischen einem Verkehrsteilnehmer, der vom Beschleunigungsstreifen auf die Autobahn einfährt, und einem Fahrzeug auf der rechten Fahrspur dieser Autobahn ein Anscheinsbeweis für ein alleiniges Verschulden des Einfädelnden spricht (OLG Köln, Urteil vom 24. 10. 2005 – 16 U 24/05, NZV 2006, 420; LG Essen 15 S 48/13, Beschluss vom 08.04.2013).

Nur wenn der Einfahrende nachweisen kann, dass der Vorfahrtsberechtigte die Möglichkeit gehabt hätte, unfallverhindernd abzubremsen, trifft diesen eine Mitschuld (vgl. auch Hentschel/König 41.Aufl. 2011, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 18 StVO, Rdnr. 17 m.w. Nachw. zu den Pflichten beim Einfädeln oder KG NZV 2008, 244).

Eine solche Erkennbarkeit ihres Fahrstreifenwechsels für den Beklagten zu 1) hat die Klägerin jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können.

Zwar hat die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung (§ 141 ZPO) geschildert, dass sie in eine Lücke vor den Lkw des Beklagten zu 1) eingefahren sei und dort zwei Minuten 2-3 Meter vor dem Lkw gestanden habe.

Dem stehen jedoch bereits die glaubhaften Angaben des Zeugen … entgegen, wonach die Klägerin in eine sich vor dem Lkw des Beklagten zu 1) bildende Lücke hineingehuscht sei und dann wieder zum Stehen gekommen sei. Der bereits bei Vornahme des Fahrstreifenwechsels durch die Klägerin anfahrende Beklagte zu 1) sei sodann aufgefahren, wobei sich die Klägerin aus seiner Sicht im toten Winkel für den Beklagten zu 1) befunden habe.

Diese Angaben des Zeugen pp.. hält das Gericht insbesondere deshalb für glaubhaft, weil es sich bei diesem um einen am Verkehrsunfallgeschehen völlig unbeteiligten Zeugen handelte. Er schilderte das Geschehen nachvollziehbar schlüssig und blieb auch auf Nachfragen konstant in seiner Schilderung. Dabei waren auch einseitige Belastungstendenzen nicht erkennbar. Insbesondere räumte der Zeuge auch inzwischen bestehende Erinnerungslücken ein.

Dass der Fahrvorgang der Klägerin für den Beklagten zu 1) erkennbar gewesen ist, vermag das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls nicht festzustellen.

Eine Erkennbarkeit für den Beklagten zu 1) ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus dem bereits im Bußgeldverfahren eingeholten Sachverständigengutachten.

Danach konnte der Sachverständige zwar feststellen, dass die Klägerin mit ihrem Fahrzeug im Moment der Kollision stand. Dass dies aber längere Zeit der Fall gewesen wäre und damit eine Erkennbarkeit bestand vermochte der Sachverständige aber nicht festzustellen.

Im Übrigen muss danach der Pkw der Klägerin für den Beklagten zu 1) in der Annäherung nicht erkennbar gewesen sein und auch das Hineinfahren vor die Front des Lkw konnte dem Beklagten zu 1) verborgen bleiben. Denn das klägerische Fahrzeug war für den Beklagten zu 1) allein im Rampenspiegel verzerrt zu sehen.

Der Beklagte zu 1) war aber als Vorfahrtsberechtigter nicht dazu verpflichtet diesen Spiegel zu nutzen und den Verkehr auf der Einfädelungsspur ständig zu beobachten.“

Reißverschlussverfahren I: Spurwechsel, oder: Es gilt der Anscheinsbeweis

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Fotograf: Conrad Nutschan

Im „Kessel Buntes“ stelle ich heute dann zwei Entscheidungen zum sog. Reißverschlussverfahren vor. Da ist zunächst das OLG München, Urt. v. 21.04.2017 – 10 U 4565/16. Es ist ergangen zu einem Zusammenstoß zwischen einem Lkw, der vom Beklagten gesteuert wurde, und einem vom Klägr gesteuerten Pkw. Zum Zusammenstoß ist es nach einem Spurwechsel des Klägers gekommen, bei dem das sog. Reißverschlussverfahren galt. Das LG München II war von einer Haftungsverteilung von 50:50 ausgegangen. Es hatte keinen gegen den Kläger geltenden Anscheinsbeweis angenommen. Das OLG München sieht das anders. Nach seiner Auffassung ist der Anscheinsbeweis anwendbar. Es hat ihn angewendet und lässt auf der Grundlage den Kläger allein haften:

„bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es auch im Falle eines Spurwechsels im Reißverschlussverfahren regelmäßig nicht an der für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität (vgl. auch Eggert in Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 6. Aufl., § 2, Rdnr. 648 m.w.N.).

Keine einzige der von der Klägerin zitierten Entscheidungen besagt etwas anderes:

So hat das Kammergericht mit Beschluss (nicht „Urteil“) vom 19.10.2009, Az.: 12 U 227/08, juris, insb. Folgendes ausgeführt (vgl. bei juris Rdnr. 7 und 10): „Soweit der Kläger meint, der Anscheinsbeweis würde im Hinblick auf das „Reißverschlussverfahren“ nicht gelten, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. (…) Eine Mithaftung der Beklagten käme nur dann in Betracht, wenn feststünde, dass der Erstbeklagte die Gefahr der Kollision auf sich hätte zukommen sehen müssen, er also hätte erkennen müssen, dass die Zeugin B. ihm (…) den Vortritt nicht gewähren würde.“

Das AG Dortmund wiederum hat mit Urteil vom 23.02.2010, Az.: 423 C 12873/09, juris, insb. Folgendes ausgeführt (vgl. bei juris Rdnr. 24): „Bei der nach § 17 I StVG gebotenen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile am Unfallgeschehen ist zunächst zu berücksichtigen, dass gegen den Kläger der Beweis des ersten Anscheins einer schuldhaften Verletzung der Pflichten des Verkehrsteilnehmers beim Fahrspurwechsel streitet und daher davon auszugehen ist, dass der Kläger das Unfallgeschehen verursacht und verschuldet hat.“

Das LG Darmstadt schließlich hat mit Urteil vom 15.03.2001, Az.: 6 S 464/00, VRS, Bd. 100, S. 430/432, insb. Folgendes (vgl. S. 431) ausgeführt: „Der Fahrspurwechsel der Kl. war daher ersichtlich zum Zeitpunkt der Kollision nicht abgeschlossen; der Beweis des ersten Anscheins spricht deshalb bereits dafür, dass die Kl. den Unfall durch ihre Vorfahrtsverletzung sowie dadurch verursacht und verschuldet hat, dass jede Gefährdung anderer ausgeschlossen gewesen wäre.“

cc) Es bleibt dabei, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, den für einen Verstoß des Zeugen Dr. T. gegen 7 V 1 StVO sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern.

Soweit die Klägerin nunmehr – ohne nähere Erläuterung – behauptet, der Zeuge Dr. T. sei in einem ausreichend großen Abstand vor dem Beklagten-Lkw auf die rechte Spur gewechselt, widerspricht dies den – im Übrigen auch im Einklang mit der Protokollierung der Aussage des Zeugen in der erstinstanzlichen Sitzung vom 14.10.2016 (vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls = Bl. 22 d.A.) stehenden – Feststellungen des Erstgerichts, wonach der Zeuge Dr. T. nur bekundet hat, dass der vor ihm Fahrende etwa 3 bis 5 Meter entfernt gewesen sei, während er nichts dazu aussagen konnte, in welchem Abstand sich der Lkw zu seinem Pkw befand, als er den Spurwechsel einleitete.

Schließlich vermag auch der Umstand, dass der Fahrer des Beklagten-Lkws nach dem Unfall vor Ort die vom klägerischen Fahrer formulierte und von der Klägerin als Anlage K1 vorgelegte Sachverhaltsdarstellung unterzeichnet hat, wonach der Porsche vom Lkw „übersehen“ wurde, den Anscheinsbeweis nicht zu erschüttern. Denn das Wort „übersehen“ bedeutet, dass der Pkw für den Lkw-Fahrer rechtzeitig beim Spurwechsel zu erkennen gewesen wäre, aber nicht erkannt worden ist. Wenn der Lkw-Fahrer den Pkw aber nicht gesehen hat, dann kann er auch nicht beurteilen, ob er ihn rechtzeitig hätte erkennen können. Angemerkt sei im Übrigen, dass eine Vernehmung des Lkw-Fahrers seitens der Klägerin nicht beantragt worden war.

dd) Schließlich bleibt es auch dabei, dass hier nur eine Alleinhaftung der Klägerin in Betracht kommt.

Soweit die Klägerin ihre Ansicht, in Fällen des Reißverschlussverfahrens trete die allgemeine Betriebsgefahr des bevorrechtigten Fahrzeugs nicht unter dem Gesichtspunkt eines deutlich überwiegenden Verschuldens des Spurwechslers zurück, sondern nur dann, wenn seitens des Bevorrechtigten der Nachweis der Unvermeidbarkeit geführt worden ist, auf das o.g. Urteil des LG Darmstadt stützt, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Rechtsauffassung vom LG Darmstadt ausweislich der Entscheidungsgründe, soweit sie unter VRS Bd. 100, S. 431/432, abgedruckt sind, keineswegs vertreten wird. Vielmehr hat das LG lediglich darauf hingewiesen, dass die Klägerin, die Halterin des die Fahrspur wechselnden Pkws, mit den bereits gezahlten 50% „mehr als gut bedient“ sei.

Zwar vertritt das AG Dortmund in seinem o.g. Urteil vom 23.02.2010 (vgl. bei juris insb. die Rdnr. 30) tatsächlich die Meinung der Klägerin. Dies entspricht aber nicht der herrschenden und vorzugswürdigen Meinung, wonach, wie bereits oben ausgeführt, in Fällen des Verstoßes gegen äußerste Sorgfalt fordernde Vorschriften wie § 7 V StVO die allgemeine Betriebsgefahr regelmäßig zurücktritt. Auch wenn sich der Verstoß des Spurwechslers gegen § 7 V 1 StVO im Zusammenhang mit dem Reißverschlussverfahren ereignet, bleibt es bei einem Verstoß gegen diese äußerste Sorgfalt fordernde Vorschrift. Wie etwa vom Kammergericht mit dem o.g. Beschluss vom 19.10.2009 und in der Folge auch vom OLG Düsseldorf mit Urteil vom 22.07.2014, Az.: 1 U 152/13, juris, jeweils überzeugend ausgeführt, kommt eine Mithaftung des Bevorrechtigten zwar dann in Betracht, wenn er die Gefahr einer Kollision auf sich zukommen sehen musste und unfallverhütend hätte reagieren können. Die Beweislast trägt diesbezüglich aber der Spurwechsler; eine automatische Mithaftung in Höhe der allgemeinen Betriebsgefahr wird nicht vertreten.“

Zwei Punkte sind „schön“ an der Entscheidung:

Zunächst ist hinzuweisen auf die Zusammenstellung der Rechtsprechung des OLG zu der Frage.

Und: „Besonders schön“ ist das Zitat von/der Hinweis auf:“Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 6. Aufl.“. Kann man hier bestellen 🙂 🙂 🙂 . Gibt es im Moment als Mängelexemplar.

Ich habe da mal ein Frage: Werden auch Zahlungen der RSV angerechnet?

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Im Moment sieht es mit Fragen in meiner „RVG-Rätsel“-Datei etwas mau aus. Daher kam mir am Mittwoch die Frage eines Kollegen gerade recht. Er fragte:

„Guten Abend Herr Kollege Burhoff,

ich habe mal wieder eine kurze Frage in einer Gebührenfrage: 

Wenn man dem Opfer einer Straftat als Opferanwalt beigeordnet ist, kann man dann in der Sache auch noch mal parallel die Sache mit der Rechtsschutz abrechnen? Oder ist das wie beim Pflichtverteidiger, dass Zahlungen von Dritten (Rechtsschutz) bei der Abrechnung mit dem Staat angegeben werden müssen und angerechnet werden? 

Danke im Voraus für eine kurze Antwort und einen schönen und erholsamen Abend……“

Na, wer weiß es?

Pauschgebühr, nein? oder: Die Pauschgebühr ist keine Belohnung für Kosteneinsparungen beim Staat

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Als zweite gebührenrechtliche Entscheidung des heutigen Tages stelle ich den OLG Koblenz, Beschl. v. 13.02.2017 –  1 AR 110/16 – vor. Er behandelt einen Pauschgebührantrag. Der Verteidiger – es war der Kollege Siebers aus Braunschweig – hatte nach einem Berufungsverfahren eine Pauschgebühr beantragt. Zur Begründung hatte er vorgetragen, „der Angeklagte sei vom Amtsgericht „nach einer mehrtägi­gen aufwendigen Beweisaufnahme“ verurteilt worden: durch „intensives Aktenstudium und eine ausführliche Analyse“ sei er zu der dem Angeklagten ausführlich erläuterten Einschätzung gelangt, dass die Berufung kaum Aussicht auf Erfolg habe. Nach Erörterung der Sach- und Rechtlage zu Beginn der Hauptverhandlung habe er dem Angeklagten die Berufungsrückname nahegelegt.“

Das OLG hat abgelehnt und führt zur Begründung aus:

„2. Der Antrag ist unbegründet, weil weder dargelegt noch ersichtlich ist, dass und warum die Sache besonders umfangreich oder besonders schwierig gewesen sein könnte und die Regelvergütung in Höhe von 672 € für die Teilnahme an einer kurzen Hauptverhandlung und deren Vorbereitung unzumutbar wäre.

Es mag sein, dass der Verteidiger einen wesentlichen Beitrag dazu leistete, dass der Angeklagte seine Berufung zurücknahm. Das ist aber kein Grund für die Bewilligung einer Pauschvergütung. Wenn die Erfolgsaussichten gering waren – was nach Aktenlage zutrifft – hat der Antragsteller mit einer entsprechenden Beratung des Angeklagten genau das getan, was seine Aufgabe war. Die Pauschvergütung ist aber keine Belohnung für pflichtgemäßes Verhalten, und zwar auch dann nicht, wenn sich dies im Endeffekt auch für den Staat als kostensparend erweist.

Auch bei einem bestellten Verteidiger gehört ein sorgfältiges Aktenstudium zur Erarbeitung einer zielführenden Verfahrensstrategie zu den Aufgaben, die grundsätzlich durch die Regelgebühren abgegolten werden. Besondere Umstände. die eine Pauschvergütung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Es mag nicht ganz einfach gewesen sein, aus dem Aktenwust mit viel „Verfahrensbürokratie“ die (potentiell) relevanten Protokolle und Vermerke zu extrahieren. Der verfahrensrelevante Stoff selbst war aber nicht besonders umfangreich. Das, was für die Schuld des Angeklagten sprach, konnte man im Urteil des Amtsgerichts nachlesen: Entlastendes, das vom Amtsgericht übersehen worden sein könnte, war in den Akten nicht zu finden.“

Tja: Jetzt lassen wir mal die Frage dahingestellt, ob in dem Fall eine Pauschgebühr nach § 51 RVG festzusetzen war oder nicht. Jedenfalls hat der Kollege ja wohl zur Abkürzung des Verfahrens beigetragen, was andere OLG bei der Bewilligung einer Pauschgebühr berücksichtigen. Das aber wohl nicht beim OLG Koblenz. Das meint vielmehr den Kollege über seine Pflichten belehren zu müssen, was der Kollege sicherlich mit großer Dankbarkeit über die belehrenden Worte zur Kenntnis genommen haben wird 🙂 . Das hätte das OLG sich m.E. sparen können. Der Satz: „Die Pauschvergütung ist aber keine Belohnung für pflichtgemäßes Verhalten, und zwar auch dann nicht, wenn sich dies im Endeffekt auch für den Staat als kostensparend erweist.“ ist überflüssig. Es geht bei § 51 RVG nicht um pflichtgemäßes Verhalten des Verteidigers – wir können jetzt lange diskutieren, was das eigentlich ist – sondern nur darum, ob das Verfahren „besonders umfangreich“ oder „besonders schwierig“ war und die gesetzlichen Gebühren unzumutbar waren/sind. Mehr ist nicht gefragt.