Archiv für den Monat: März 2017

Ich habe da mal eine Frage: Nach Verbindung/Trennung ausscheidbare Terminsgebühr?

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Die mit Verbindung und/oder Trennung zusammenhängenden Fragen werfen in der Praxis immer wieder Probleme auf. Das merke ich auch daran, dass viel Anfragen, die mich erreichen, Fragen zu der Problematik enthalten. So auch die folgende:

„Sehr geehrter Herr Kollege Burhoff,

ich habe ein Abrechnungsproblem mit unserer Bezirksrevisorin hinsichtlich der Erstattung notwendiger Auslagen durch die Staatskasse. Vielleicht wissen Sie Rat?

2 Verfahren: Pflichtverteidigerbeiordnungen vom 30.3.15 (1) und 6.1.16 (2), verbunden durch Beschluss vom 19.3.16. Verhandelt am 12.1.17. Erstes Vf. wurde erneut abgetrennt. Zweites Vf. wurde auf Kosten der Staatskasse eingestellt. Ich habe 2. Vf. abgerechnet und bei den notw. Auslagen die Grund-, Vf. und Terminsgebühr mit der Differenz Pflicht-/Wahlvert.-Gebühren angesetzt. Die Bezirksrevisorin ist der Meinung, dass „auch für das weiter verfolgte Verfahren nur eine einheitliche Gebühr angefallen ist. Ausscheidbare notw. Ausl., die hinsichtlich der TG auf das ursprüngliche (2.) Vf. entfallen, bestehen nicht. Wir haben beide Vf. verhandelt, daher müsste ich doch m.E. auch die Differenz zu den Wahlanwaltskosten für die TG abrechnen können?“

Na, eine Lösung parat?

LG Landshut hat den Igel in der Tasche, oder: Nicht zur Nachahmung empfohlen

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Der Kollege Ziesche aus Bad Kötzting hat mir vor einiger Zeit den LG Landshut, Beschl. v. 20.01.2017 – 3 Qs 12/17 – übersandt. Es geht um die Gebührenfestsetzung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Ich habe mich über den Beschluss und die in ihm enthaltenen Aussagen der Kammer ziemlich geärgert. M.E. sind sie falsch. Daher hier nur die Leitsätze zu dem Beschluss, das „Werk“ mag jeder selber lesen. Es ist in meinen Augen eine dieser typischen: „Wir wissen es besser-Entscheidungen“. Hier die Leitsätze:

  1. Bei der gebührenmäßigen Bewertung einer Ordnungswidrigkeitensache ist zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus allen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten.
  2. In einem durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren ist der Ansatz der Mittelgebühr nicht gerechtfertigt.

Ich kann dazu nur anmerken: Wenn man den Beschluss gelesen hat,  ist man geneigt, ein Belegexemplar eines gängigen RVG-Kommentars einzupacken und dieses der Kammer kostenlos zur Verfügung zu stellen. Denn die Ausführungen der Kammer zur allgemeinen Bemessungsgrundlage der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren sind  unzutreffend. Zwar kann man den Ansatz der Kammer, dass bei der Bemessung der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren unterschieden werden müsse zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus allen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten noch nachvollziehen, wenn damit gemeint sein soll, dass es auf eine „verkehrsspezifische Sicht“ ankommen soll (vgl. zur Gebührenbemessung im Bußgeldverfahren eingehend Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 5 VV Rdn 58 ff. m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur). Unzutreffend ist es dann aber, wenn die Kammer meint, es sei nicht gerechtfertigt, für ein durchschnittliches Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren die allgemeine Mittelgebühr anzusetzen. Warum denn nicht bzw. warum soll offenbar im gesamten Bereich der Verkehrsordnungswirdrigkeitenverfahren der Ansatz der Mittelgebühr nicht gerechtfertigt sein? Und wo steht das bitte im RVG? In meinem steht es jedenfalls nicht. Vielmehr ist auch für das straßenverkehrsrechtliche Bußgeldverfahren davon auszugehen, dass grds. der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt und davon bei der Bemessung der konkreten Gebühr auszugehen ist (s. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 5 VV Rdn 59 m.w.N.; AnwKomm-RVG/N. Schneider, Vor VV Teil 5 Rn 54 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Aufl., VV Einl. Teil 5 Rn 19; Burhoff RVGreport 2007, 252; Jungbauer, DAR 2007, 56 ff.; dies., DAR 2014, 355, 356, die zutreffend darauf hinweist, dass der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien selbst bei Beispielen immer von der Mittelgebühr ausgeht). Jede andere Sicht verschiebt das Gebührengefüge des RVG zu Lasten der in Verkehrs-OWi tätigen Rechtsanwälte.

Auch der Bewertung der Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bei der konkreten Bemessung der Gebühren des Kollegen muss man m.E. widersprechen. Die Bewertung der Kammer krankt schon daran, dass das LG nicht von der zutreffenden Berechnungsgrundlage, nämlich der Mittelgebühr, ausgeht, was natürlich Folge der grundsätzlichen Sicht des LG ist. Man hat dann aber auch den Eindruck, dass das LG offenbar gebührenmindernd bewerten will, dass der Betroffene frei gesprochen worden ist. Auch ist es nicht nachvollziehbar, warum das Verfahren als einfach eingestuft wird. Denn immerhin ging es um die Verwertbarkeit einer Atemalkoholmessung und so ohne weiteres ist das AG ja zunächst auch dem Vortrag des Verteidigers eben nicht gefolgt. Und völlig daneben liegt die Bewertung der Bedeutung der Angelegenheit. Im Raum standen ein Fahrverbot und eine Geldbuße von 500,00 EUR, also schon mal nicht ganz unbedeutende Rechtsfolgen, die bei anderen Gerichten dazu führen, dass allein deshalb schon die Mittelgebühr als angemessen angesehen worden ist (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 5 VV Rdn 82). In dem Zusammenhang fehlt dann auch jede Auseinandersetzung der Kammer mit dem Vortrag des Verteidigers, dass sein Mandant auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist.

Fazit: Insgesamt eine unschöne Entscheidung. Nicht zur Nachahmung empfohlen.

Fischer geht?, oder: Beim BGH wird eine Stelle/ein Zimmer frei?

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Einer meiner Follower auf Twitter hat mich gerade auf den Bericht aus der FAZ „Richter Fischer geht in den vorzeitigen Ruhestand“ hingewiesen. Den Hinweis gebe ich dann hier mal weiter.

Nun man fragt sich, warum geht er, wenn er geht? Da gibt es sicherlich viele Erklärungen und Spekulationen. Aber vielleicht will er ja auch nur endlich den Roman schreiben, von dem er neulich in einem Interview – wenn ich micht richtig erinnere – gesprochen hat. Wir werden sicher noch von ihm hören ….

Nochmals kostenneutrale Umbeiordung, oder: Wie ist das mit den Mehrkosten?

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Ich hatte neulich über den LG Osnabrück, Beschl. v. 20.01.2017 – 6 Ks – 720 Js 38063/16 – 10/16 – berichtet. Da ging es um die kostenneutrale Umbeiordnung (vgl. Kostenneutrale Umbeiordnung, oder: Wie ist das dann mit Fahrtkosten usw.?). In dem Beschluss hatte das LG den OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.04.2015 – 1 Ws 170/15 – zitiert und als Beleg für seine Auffassung angeführt. Den Beschluss habe ich mir besorgt und stelle ihn hier dann heute vor, obwohl er schon ein wenig älter ist.

Das OLG macht in seiner Entscheidung ganz interessante Ausführungen zur Umbeiordnung und den ggf. entstehenden Mehrkosten, auf die man sich als Verteidiger in vergleichbaren Fällen berufen sollte/kann:

„Mit dem Verzicht von Rechtsanwältin B. auf die Mehrkosten ist zunächst klargestellt, dass die bei Rechtsanwalt D. angefallenen Gebühren nicht nochmals von ihr geltend gemacht werden sollen und sie auf diese verzichtet. Dass im Falle ihrer Beiordnung Mehrkosten dadurch entstehen, dass sie ihren Kanzleisitz in Hannover unterhält und daher – im Vergleich zu dem in Osnabrück ansässigen Rechtsanwalt D. – insbesondere höhere Reisekosten zur JVA in Vechta und zu späteren Hauptverhandlungsterminen in Os­nabrück anfallen, steht der Auswechselung des Verteidigers nicht entgegen, auch wenn Rechtsanwältin B. auf diese Mehrkosten nicht explizit verzichtet hat.

Denn durch die einvernehmliche Auswechselung des beigeordneten Verteidigers soll dem Wunsch des Beschuldigten Rechnung getragen werden, durch einen Verteidiger seines Vertrauens verteidigt zu werden, ohne dass es auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes für einen Wechsel ankommt. Mit dem Erfordernis, dass keine Mehrkosten entstehen dürfen, werden die Fiskalinteressen geschützt: Der Fiskus soll durch den Sinneswandel des Beschuldigten nicht belastet werden. Die so zu schützenden Fiskalinteressen reichen aber nicht weiter, als wenn der Beschuldigte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser hätte beigeordnet werden können.

Letzteres ist hier der Fall.

Nach der Neufassung des § 142 Abs. 1 StPO durch das 2. Opferrechtsreformgesetz ist der zu bestellende Verteidiger nicht mehr möglichst aus der Zahl der im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwälte auszuwählen. Nach der Gesetzesbegründung stellt die Überschreitung der Grenzen eines Gerichtsbezirks wegen der allgemein erhöhten Mobilität keinen tauglichen Anhaltspunkt mehr für zu erwartende Verfahrensverzögerungen dar und es sind bei der Auswahl des Verteidigers andere Faktoren mit zu berücksichtigen, die dem Kriterium der Gerichtsnähe mindestens gleichwertig erscheinen wie etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger, die Möglichkeit der Verständigung in der Muttersprache oder eine besondere Qualifikation; nur daneben sind auch die durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Mehrkosten bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen (BT-Drucksache 16/12098, S. 20).

Gemessen an diesen Maßstäben hätte Rechtsanwältin B. anstelle von Rechtsanwalt D. von vornherein beigeordnet werden können. Die Angeschuldigte legt ein Vertrauensverhältnis zu ihr dar und die Entfernungen von Hannover nach Osnabrück bzw. Vechta sind nicht größer als die, die auch innerhalb des Landgerichtsbezirks Osnabrück – etwa zwischen Papenburg und Osnabrück – möglich sind. Die mit einer Anreise innerhalb des Gerichtsbezirks verbundenen Verzögerungen müssen hingenommen werden, darüber hinausgehende Verfahrensverzögerungen sind bei einer Anreise vom Kanzleisitz in Hannover nicht zu besorgen. Für die zu erwartenden Reisekosten gilt entsprechendes; auch sie bewegen sich in einer Größenordnung, wie sie auch im Falle einer Beiordnung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Verteidigers entstanden wären.

Bei dieser Sachlage bedarf es daher keiner Entscheidung, welche Anforderungen an das zwischen Beschuldigtem und Verteidiger bestehende Vertrauensverhältnis und dessen Darlegung gegenüber dem Gericht zu stellen sind (siehe etwa die Zusammenstellung bei Lehmann, NStZ 2012, 188) und welches Gewicht den durch die Beiordnung eines auswärtigen Verteidigers entstehenden Mehrkosten im Rahmen der dem Gericht eröffneten Ermessensentscheidung beizulegen ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21.9.2010 – 2 Ws 594/10, juris; OLG Köln, Beschluss vom 29.6.2012 – 2 Ws 485/12, juris; gegen jedwede Relevanz von Kostengesichtspunkten nach der Neufassung: KMR/Haizmann, § 142 Rn 22; SK-StPO/Wohlers, 4. Aufl., § 142 Rn. 27).“

So ein OLG-Beschluss macht dann doch vielleicht noch ein wenig mehr her als „nur“ ein LG-Beschluss 🙂 .

Schilderwirrwarr, oder: Absehen vom Fahrverbot?

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Nimmt ein Kfz.-Führer ein Verkehrszeichen über die zulässige Höchstgeschwindigkeit (Zeichen 274) optisch war, ist er aber wegen eines darunter befindlichen Überholverbotszeichens (Zeichen 277) und hierzu angebrachter Zusatzschilder der Meinung, dies beziehe sich nicht auf ihn, unterliegt er keinem Tatbestandsirrtum gem. § 11 Abs. 1 OWiG, sondern einem Verbotsirrtum i.S.v. § 11 Abs. 2 OWiG. So das OLG Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 27.01.2017 – 3 Ss OWi 50/17, das damit seine Rechtsprechung u.a. aus dem OLG Bamberg, Beschl. v. 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 bestätigt.

Es stellt sich dann natürlich die Frage des Absehens von einem ggf. verwirkten Fahrverbot. Das AG hatte abgesehen. Das OLG sagt (ebenfalls noch einmal).  Der (vermeidbare) Verbotsirrtum führt nicht zwangsläufig zum Wegfall eines an sich verwirkten Regelfahrverbots. Vielmehr kommt dies – so das OLG – nur in Ausnahmefällen in Betracht, wobei auf den von der Rechtsprechung. entwickelten Rechtsgedanken des Augenblicksversagens zurückgegriffen werden kann:

„cc) Wegen der aus den genannten Gründen gebotenen Gleichbehandlung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bietet sich als taugliches Kriterium für ein Absehen vom Regelfahrverbot ein Rückgriff auf den von der höchstrichterlichen Rspr. entwickelten Rechtsgedanken des Augenblicksversagens an. Hat der (Verbots-)Irrtum hierin seine Ursache, so ist es gerechtfertigt, von dem an sich verwirkten Regelfahrverbot abzusehen. Ein Augenblicksversagen ist indes nur im Falle einer momentanen Unaufmerksamkeit bzw. eines kurzzeitiges Fehlverhaltens anzunehmen, wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann (BGH, Urt. v. 29.01.2003 – IV ZR 173/01 = NJW 2003, 1118 = VersR 2003, 364 = ZfS 2003, 242 = DAR 2003, 217 = VRS 105 [2003], 118 BGHR VVG § 61 Fahrlässigkeit, grobe 9 = Schaden-Praxis 2003, 173 = MDR 2003, 505), wobei schon begrifflich kennzeichnend ist, dass es sich um eine gleichsam spontane Fehlreaktion innerhalb eines Verkehrsgeschehens handelt (OLG Bamberg, Beschl. v. 04.01.2016 – 3 Ss OWi 1490/15 [bei juris]). Eine derartige Situation lag nach den tatrichterlichen Feststellungen aber gerade nicht vor. Der Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h im Bereich der Messstelle gingen weitere Geschwindigkeitsbeschränkungen auf zunächst 100 km/h und anschließend auf 80 km/h bei im Übrigen gleich gestalteter beidseitiger Wechselbeschilderung voraus, wobei überdies die Zeichen 274 (zulässige Höchstgeschwindigkeit) und 277 (Überholverbot) jeweils durch einen waagerechten Strich optisch voneinander getrennt waren. Schon im Hinblick darauf kann von einer lediglich spontanen Fehleinschätzung nicht die Rede sein. Hinzu kommt, dass sich jedem Kraftfahrzeugführer auch jenseits der genauen Kenntnis der Vorschriften über die höchstzulässige Geschwindigkeit für Omnibusse und Pkw mit Anhänger geradezu aufdrängen musste, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h für diese Kraftfahrzeuge keinen Sinn machen würde. Hieran ändert auch der Rekurs des Betr. auf Ziff. III. 11.a) VwV-StVO zu § 39 StVO, wonach an einem Pfosten oder sonst unmittelbar über- oder nebeneinander nicht mehr als 3 Verkehrszeichen anzubringen sind, nichts, zumal ein etwaiger Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift die Rechtswirksamkeit der verkehrsrechtlichen Anordnung, bei der es sich um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung i.S.d. Art. 35 S. 2 BayVwVfG handelt (vgl. nur BVerwG NJW 2016, 2353 = ZfS 2016, 474 = VM 2016, Nr. 39 = ACE-Verkehrsjurist 2016, 17 = DAR 2016, 598 = LKV 2016, 407 = NZV 2016, 539 = JA 2016, 957 = BayVBl 2016, 784 = NJ 2016, 519 = JuS 2017, 91 m.w.N.), nicht berührt.“

Nun, muss man nicht so sehen, geht m.E. auch anders. Aber: Wir sind beim OLG Bamberg….