Archiv für den Monat: November 2016

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es ein oder drei Längerzuschläge?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Zu der Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es ein oder drei Längerzuschläge? hat es eine ganze Reihe von Antworten gegeben, und zwar und auch bei Facebook. Alle Antwortenden waren sich einig: Es gibt nur einen Längenzuschlag. Und: Die Antwort ist richtig. In dem Sinne habe ich also auch dem fragenden Kollegen geantwortet.

Die Antwort hängt mit der allgemeinen Problematik der Verbindung von Verfahren und den Auswirkungen des § 15 RVG zusammen. Nach dem Sachverhalt sind die drei Verfahren in der Hauptverhandlung nach der Feststellungen zur Person verbunden worden. Bis dahin lagen drei selbständige Angelegenheiten vor, in der jeweils nach § 15 RVG eine Terminsgebühr entstehen konnte und auch entstanden ist. Ab Verbindung der Verfahren hat nur noch eine Angelegenheit vorgelegen. Ab diesem Zeitpunkt können die Gebühren nach § 15 Abs. 2 RVG nur noch einmal entstehen. Das bedeutet: Die (allgemeine) Terminsgebühr für das verbundene Verfahren ist/war bereits entstanden, sie entsteht also nicht noch einmal. Und: Der Längenzuschlag entsteht eben auch nur einmal. Die übrigen beiden Terminsgebühren bleiben dem Pflichtverteidiger aber erhalten. Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 RVG.

Wer Böller wirft, muss zahlen, oder: Wir greifen dem Randalierer in die Tasche

FootballDas ein oder andere ist nach meinem Urlaub noch aufzuarbeiten. Dazu gehört dann auch das BGH, Urt v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16, das während meines Urlaubs im Volltext veröffentlicht worden ist und auf das ich dann doch auch hier hinweisen möchte. Es handelt sich um die Entscheidung, die sich mit der Haftung des Zuschauers eines Fußballspiels für die den Verein treffende Verbandsstrafe nach dem Wurf eines Sprengkörpers während eines Fußballspiels befasst.

Geklagt hatte der 1. FC Köln. Er verlangte von dem Beklagten Schadens­ersatz in Höhe von 30.000 € wegen des Zündens eines Knallkörpers, der aufgrund seiner Sprengenergie dem SprengstoffG unterfiel, bei einem Heimspiel seiner Li­zenzspielermannschaft. Durch die Ex­plosion wurden sieben Zuschauer verletzt. Wegen dieses Vorfalls hatte das Sportgericht des DFB eine Verbandsstrafe gegen den 1. FC Köln verhängt. Der bezahlte die Geldstrafe und verlangte vom Beklagten Ersatz. Das OLG hatte die Klage abgewiesen und den Zurechnungszusammenhnag verneint. Der BGH bejaht die Haftung des Zuschauers.

Der BGH hat einen Anspruch bejaht und führt zur Bergründung aus:. Der Anspruch ergebe sich aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des abgeschlossenen Zuschauervertrags. Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass ein Zuschauervertrag zum Be­such eines Fußballspiels den Zuschauer, dessen einzige Hauptleistungspflicht in der Zahlung des Eintrittspreises besteht, daneben zur Rücksichtnahme auf das Interesse des Veranstalters an einem ungestörten Ablauf des Fußballspiels verpflichtet. Auch liege der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem geltend ge­machten Schaden und der Pflichtverletzung des Beklagten vor. Die der Klägerin auferlegte Verbandsstrafe stamme aus dem Bereich der Gefahren, zu deren Abwendung die verletzte Ver­tragspflicht besteht. Die von der Klägerin auf die gegen sie verhängte Verbandsstrafe ge­leistete Zahlung stehe in dem notwendigen inneren Zusammenhang mit der Stö­rung des Spielablaufs. Ihre Entscheidung zur Zahlung der Geldstrafe sei durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten heraus­gefordert worden und keine ungewöhnliche oder unsachgemäße Reaktion hierauf.

Der BGH hat zurückverwiesen. Das OLG Köln muss die weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs prüfen. Und zu den Fragen, die sich stellen wird sicherlich auch die gehören, ob die Verbanfsstrafe angemessen ist/war.

Fazit: Auf jeden Fall: „Finger von die Dinger“.

Totgesagte leben länger“, oder: Doch wieder die ungleichartige Wahlfeststellung beim Großen Senat für Strafsachen

© M. Schuppich - Fotolia.com

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Nun, so ganz passt der Ausspruch: „Totgesagte leben länger“, nicht, aber irgendwie geht er in die „richtige“ Richtung, was die Frage der ungleichartigen Wahlfeststellungen angeht. Dazu erinnere ich:

Es gab eine Vorlage des 2. Strafsenats des BGH an den Großen Senat für Strafsachen betreffend die ungleichartige Wahlfeststellung (vgl. BGH, Beschl. v. 11.03.2015 – 2 StR 495/12), die zurückgenommen worden ist (vgl. hier: „Die Vorlage wird zurückgenommen.“, oder: Entlastung). Danach hat der 5. Strafseant des BGH im BGH, Beschl. v. 16.08.2016 – 5 StR 182/16 entschieden, dass es die ungleichartige Wahlfeststellung „gibt“ (vgl. Ungleichartige Wahlfeststellung – es gibt sie doch noch/wieder …).

Und nun kann ich über den während meines Urlaubs bekannt gewordenen BGH, Beschl. 02.11.2016 – 2 StR 495/12 – berichten, mit dem der 2. Strafsenat die Rechtsfrage erneut auf den Weg zum großen Senat für Strafsachen gebracht hat. Dazu aus der PM Nr. 195/16 vom 3.11.2016:

„Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 2. November 2016 dem Großen Senat für Strafsachen erneut die Frage vorgelegt, ob Verurteilungen auf der Grundlage einer so genannten „Wahlfeststellung“ allgemein zulässig sind und ob sie im Einzelfall durch gesetzliche Regelungen verdrängt werden.

Zugrunde liegt ein Fall, in dem das Landgericht, weil der Sachverhalt insoweit unaufklärbar war, die Angeklagten „wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls oder (gewerbsmäßiger) Hehlerei“ verurteilt hatte. Eine solche wahldeutige Verurteilung ist nach seit langer Zeit bestehendem Richterrecht zulässig, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einer von zwei sich ausschließenden Tatbeständen sicher gegeben ist, jedoch offen bleibt, welcher Sachverhalt vorliegt. In Anwendung des Grundsatzes „im Zweifel für den Angeklagten“ müsste in solchen Fällen jeder Tatbestand gesondert geprüft und der Angeklagte freigesprochen werden, weil keine der beiden Taten zweifelsfrei bewiesen ist.

Die Rechtsprechung lässt in diesen Fällen eine „Wahlfeststellung“ zu, wenn eine dritte Möglichkeit ausgeschlossen ist und die beiden möglichen Taten „rechtsethisch und psychologisch vergleichbar“ sind. Die Strafe wird in diesem Fall aus dem milderen Strafrahmen festgesetzt. Das Verhältnis zwischen Diebstahl und Hehlerei ist der häufigste Fall der Wahlfeststellung; die Rechtsprechung hat sie aber auch für zahlreiche andere Konstellationen zugelassen.

Eine gesetzliche Grundlage für diese Ausnahme vom Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ besteht nicht; eine entsprechende Regelung des NS-Strafrechts wurde durch den Alliierten Kontrollrat im Jahr 1946 aufgehoben.

Der 2. Strafsenat hält die richterrechtliche Grundlage wegen Verstoßes gegen das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht (Artl. 103 Abs. 2 Grundgesetz) für verfassungswidrig und hatte diese Frage bereits im Jahr 2015 dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt, nachdem alle anderen Strafsenate seiner Ansicht entgegengetreten waren. Diese Vorlage hatte der 2. Strafsenat mit Beschluss vom 7. August 2016 zurückgenommen, weil im bisherigen Verfahren noch nicht geprüft worden war, ob die Anwendung der „Wahlfeststellung“ im konkreten Fall nicht schon deshalb ausscheidet, weil im Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) ein gesetzlicher Auffangtatbestand besteht, der als geschriebenes Recht eine entgegenstehende richterrechtliche Praxis ausschließt. Wegen Geldwäsche ist unter anderem strafbar, wer Gegenstände, die aus einem gewerbsmäßigen Diebstahl oder einer gewerbsmäßigen Hehlerei herrühren, sich oder einem Dritten verschafft.

Schon eine Woche nach dem Rücknahmebeschluss des 2. Strafsenats entschied der 5. Strafsenat, der Tatbestand der Geldwäsche verdränge die Wahlfeststellung zwischen einzelnen Tatbeständen aus dem gesetzlichen Katalog seiner Vortaten nicht (Beschluss vom 16. August 1016 – 5 StR 182/16 – zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen); es sei daher „wahldeutig“ zu verurteilen.

Der 2. Strafsenat hat nun – nach Durchführung einer erneuten Hauptverhandlung – entschieden, wegen grundsätzlicher Bedeutung wiederum den Großen Strafsenat mit der Frage zu befassen. Er hält weiterhin an seiner Ansicht fest, dass es für die „Wahlfeststellung“ einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, weil es sich nicht allein um eine prozessuale Entscheidungsregel, sondern um materielles Strafbegründungsrecht handele, das den Erfordernissen des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz unterfalle.

Überdies, so meint der 2. Strafsenat abweichend vom 5. Strafsenat, sei eine wahldeutige Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei ausgeschlossen, weil beide Alternativen Katalogtaten des § 261 (Geldwäsche) seien, so dass nach dessen eindeutigem Wortlaut – unabhängig vom möglichen subjektiven Willen des Gesetzgebers – dieser Tatbestand als Auffangtatbestand anzuwenden sei.“

Nun, warten wir dalso ab, was (noch alles) passiert.

Sonntagswitz: Heute dann mal wieder Juristen

© Teamarbeit - Fotolia.com

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Heute gibt es dann wieder einen Sonntagswitz, nachdem auch er in der vergangenen Woche den technischen Problemen zum Opfer gefallen ist. Ich bringe dann heute mal wieder Witze zu Juristen. Hatte ich – glaube ich – schon länger nicht mehr. Und da sind:

„Angeklagter, Sie können gegen das Urteil Berufung einlegen oder darauf verzichten.“
„Na gut, ich verzichte auf das Urteil.“


Als der Rechtsanwalt nach der Operation aufwacht, fragte er: „Warum sind alle Jalousien heruntergelassen?“
Die Krankenschwester antwortete: „Auf der anderen Straßenseite ist ein Feuer ausgebrochen, die Flammen schlagen lichterloh, und wir wollten verhindern, dass sie glauben, sie seien gestorben.“


„Hoffentlich habe ich Sie mit meinen Fragen nicht aus der Fassung gebracht“, entschuldigt sich der Vorsitzende Richter nach einer Vernehmung höflich bei der Zeugin.
„Nein, gar nicht, Herr Richter. Ich bin solche Fragen gewohnt. Ich bin nämlich Kindergärtnerin“.


Der Staatsanwalt während der Verhandlung zum Pflichtverteidiger: „Herr Verteidiger, das sind ganz billige Argumente!“
Darauf der Pflichtverteidiger: „Niemand bedauert das mehr als ich, glauben Sie mir, Herr Staatsanwalt!“

Immer wieder schön 🙂

Wochenspiegel für die 46. KW, das war der Betrug des Anwalts, die Kleidung des Anwalts und die RSV als Anwalts Ärgernis….

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

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So, das ist also dann wieder der sonntägliche aktuelle Wochenspiegel, nachdem er in der vorigen Woche aus technischen Gründen ausfallen musste und es die drei Wochen vorher wegen meines Urlaubs eine besondere Form des Wochenspiegels – einen Blick ganz weit zurück – gegeben hat. Jetzt also wieder „normal“, und zwar mit folgenden Themen der ablaufenden Woche:

  1. Be­trug eines An­walt­s durch Be­an­trag­ung eines Pfänd­ungs- und Über­weisungs­be­schluss­es?,
  2. Ein Wunderdings namens Zweitakte,
  3. Bernd Rüthers „Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat“,
  4. Das “Unbehagen” des AG Zeitz an der “Gewinnbeteiligung” pri­va­ter Messdienstleister,
  5. VerfG Brandenburg: Nach Verfahrensaussetzung sind Beweisanträge er­neut zu stel­len, sollte man als Verteidiger wissen,
  6. Rechtschutzversicherung – immer häufiger des Anwalts Ärgernis,
  7. Arbeitnehmer-Kündigung wegen Drogenkonsums,
  8. Nutzung von Dashcams im Straßenverkehr zur Dokumentation datenschutzrechtswidrig,
  9. und dann war da noch die Frage:Was zieh ich bloß an – Kleidung bei Gericht?, wozu passt: Unter den Talaren – Kleider machen Leute.
  10. und ganz zum Schluss: 37 Webseiten für Studenten, die du unbedingt kennen musst.

So ein richtiger „Knaller“ ist nicht dabei……