Archiv für den Monat: Februar 2016

Klageerzwingung II: Die Begründung der OLG-Entscheidung, oder: Muss man alles tun, was erlaubt ist?

© beermedia.de -Fotolia.com

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„Klageerzwingungsverfahren“ stecken häufig voller Emotionen der Antragsteller, die sich oder ihre Anträge nicht selten durch die Staatsanwaltschaft(en) nicht Ernst genommen fühlen. Das zeigt m.E. das dem VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30. 06. 2015 – VGH B 15/15 VGH A 16/15 – zugrunde liegenden Verfahren, das dann beim VerfGH Rheinland-Pfalz sein Ende gefunden hat. Ob ein glückliches, wage ich zu bezweifeln.

Der Antragsteller hatte einen Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage – hilfsweise auf Einleitung eines Ermittlungsverfahrens – gegen eine Richterin wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung gestellt. Der ist im Verfahren nach den § 172 ff. StPO als unbegründet zurückgewiesen worden. Das OLG hatte in seiner Entscheidung den Klageerzwingungsantrag ohne weitere eigene Sachausführungen „aus den zutreffenden Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft“ zurückgewiesen. U.a. das hatte der Antragsteller mit der Verfassungsbeschwerde beanstandet. Der VerfGH „deckt“ das OLG und meint dazu in seinen Leitsätzen u.a.:

„Stützt die Generalstaatsanwaltschaft in einem Klageerzwingungsverfahren wegen Rechtsbeugung ihren Gegenantrag unter Wiedergabe der Entscheidung BGH 2 StR 479/13 auf die ohne konkreten Fallbezug verlautbarte These, ein Zusammentreffen mehrerer gravierender Rechtsfehler sei „hier nicht ersichtlich“, ist es weder verfas­sungsrechtlich noch einfachgesetzlich zu beanstanden, wenn das Oberlandesgericht anschließend den Klageerzwingungsantrag ohne weitere eigene Sachausführungen „aus den zutreffenden Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft“ zurückweist, sofern die nachfolgend auf die Verfassungsbeschwerde vorgenommene materiell – rechtliche Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof ergibt, dass ein die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigender Anfangsverdacht in den Aus­gangsbescheiden der Strafverfolgungsbehörden zu Recht verneint wurde.“

Nun, zur Befriedung trägt das besteimmt nicht bei. In meinen Augen auch wenig egschickt, wenn das OLG in seiner Entscheidung auf die „zutreffende Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft“ Bezug nimmt. Dass das nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zulässig ist – ebenso wie im Revisionsverfahren bei der OU-Verwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO – ok, aber man muss ja nicht alles tun, was erlaubt ist.

Klageerzwingung I: Der Erbe als Antragsteller?

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In meinem Blogordner haben sich einige Entscheidungen zum sog. Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 ff. StPO) 2 angesammelt, die ich heute dann mal posten will. Zum Aufwärmen 🙂 zunächst der OLG Bamberg, Beschl. v. 17.12.2015 – 3 Ws 47/15, der sich zur Antragsbefugnis des Erben und Pflichtteilsberechtigten im Klageerzwingungsverfahren verhält. Dazu schreibt das OLG die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung in der Frage noch eimal fest, was es in folgenden Leitsätzen festgehalten hat:

  1. Als zur Antragstellung berechtigter „Verletzter“ i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO kann nur derjenige angesehen werden, der durch die behauptete Straftat – ihre Begehung unterstellt – in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen unmittelbar beeinträchtigt ist (u.a. Festhaltung an OLG Bamberg, Beschl. v. 07.10.2008 – 3 Ws 60/08 = OLGSt StPO § 172 Nr. 47 und OLG Stuttgart Justiz 2010, 309).
  2. Der Erbe eines durch ein Vermögens- oder Eigentumsdelikt Geschädigten ist weder unmittelbar Verletzter i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO noch geht das höchstpersönliche Antragsrecht nach § 172 II StPO durch Erbfall auf ihn über. Dies gilt erst recht für den Inhaber eines lediglich schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem Erben (u.a. Anschluss an OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.12.2008 – 1 Ws 208/08 und v. 30.09.2008 – 1 WS 147/08 [bei juris]; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.05.2006 – 2 Ws 155/06 = SchlHA 2007, 286 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.1994 – 2 Ws 396/93 = wistra 1994, 155).

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren als Pflichtverteidiger nach Zurückverweisung?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Dann hier die Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren als Pflichtverteidiger nach Zurückverweisung? – gepostet am 29.06.2016. Leicht „peinlich“ die Frage, denn die hatte ich schon mal in einem RVG-Rätsel gestellt, und zwar am 18.07.2o14 unter Ich habe da mal eine Frage: Altes/neues Recht nach Zurückverweisung?. Ich hatte es nicht gemerkt – ich entschuldige mich mit dem Hinweis auf inzwischen über 150 RVG-Rätsel. Aber ein aufmerksamer Kollege hat es gemerkt und dadrauf hingewiesen.

Nun, einen Vorteil hat die Doppelung, ich kann es mir mit der Antwort einfach machen und aus der Antwort von Sommer 2014 kopieren, und zwar wie folgt aus unserem RVG-Kommentar. Da heißt es bei Herrn Volpert in Teil A: Übergangsvorschriften (§§ 60 f.), Rn. 1986 f.:

„1986
Nach § 21 Abs. 1 ist im Fall der Zurückverweisung einer Sache an ein untergeordnetes Gericht das weitere Verfahren vor diesem Gericht als neuer Rechtszug anzusehen. § 60 Abs. 1 Satz 2 regelt die Vergütung in den weiteren Rechtszügen, wenn der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung bereits tätig ist. Zu diesen weiteren Rechtszügen gehört auch eine »zweite« erste Instanz nach einer Zurückverweisung (so schon zur BRAGO OLG Zweibrücken, AGS 2000, 170; OLG Düsseldorf, Rpfleger 1988, 337 = JurBüro 1988, 1352; OLG Stuttgart, JurBüro 1989, 1404). Erfolgt diese Zurückverweisung somit nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung, bestimmen sich die erneut anfallenden Gebühren des Rechtsanwalts nach dem neuen Recht (KG, AGS 2005, 449 = RVGreport 2005, 343 = RVGprofessionell 2005, 178). Das gilt auch für die nach der Zurückverweisung erneut anfallenden Gebühren des vor dem Stichtag bestellten Pflichtverteidigers (KG, AGS 2005, 44 = RVGreport 2005, 343 = RVGprofessionell 2005, 178).

1987
Im Fall der Zurückverweisung der Sache vor dem Stichtag und der erstmaligen Beauftragung eines neuen Rechtsanwalts für das zurückverwiesene Verfahren nach diesem Zeitpunkt gilt der Grundsatz des § 60 Abs. 1 Satz 1. Da der Auftrag nach dem Stichtag erteilt worden ist, findet neues Recht Anwendung.“

Ich nutze den FauxPas dann aber mal gleich für Werbung 🙂 : Dre RVG-Kommentar war nämlich ausverkauft, er ist jetzt aber wieder lieferbar. Wir haben nachgedruckt. Das freut den Herausgeber natürlich sehr.

Verquere Beweiswürdigung?

© Dan Race Fotolia .com

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Der BGH greift in der letzten Zeit m.E. häufiger als früher in die tatrichterliche Beweiswürdigung ein (oder ist es nur der 2. Strafsenat 🙂 ). Zu den Entscheidungen gehört dann auch das BGH, Urt. v. 21.10.2015 – 2 StR 119/15 – mit einer auch in meinen Augen etwas verqueren tatrichterlichen Beweiswürdigung, so weit man das nach den Urteilsgründen beurteilen kann.

Das LG hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung verurteilt. Nach den langerichtlichen „geriet der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 14. Dezember 2013 mit dem Geschädigten in Streit. Er forderte die Herausgabe von 50 Euro. Die Gründe für diese Geldforderungen ließen sich nicht aufklären. Nicht auszuschließen war, dass der Angeklagte kurz zuvor von dem Geschädigten „Crack“ hatte kaufen wollen, ihm dafür 50 Euro übergeben und eine Plombe erhalten hatte, in der sich nichts befand. Da der Geschädigte die geforderten 50 Euro nicht herausgeben wollte, schlug der Angeklagte auf den Geschädigten ein, um ihn zur Herausgabe zu zwingen. Dabei wusste er, dass er seinen Anspruch nicht mit Gewalt durchsetzen durfte.

Die Mitangeklagte G. beteiligte sich an dem Geschehen, in dem sie mehrfach „Dineiro, Dineiro“ rief und schließlich mit einem Messer auf den Geschädigten einstach. Ihr Stich traf den Geschädigten im Bereich des linken Schulterblatts und führte zu einem Pneumothorax. Der Geschädigte blieb zu-nächst handlungsfähig und kämpfte weiter mit dem Angeklagten. Kurz darauf wurde die Mitangeklagte G. von Passanten umstellt. Der Angeklagte wurde festgenommen.

Das Landgericht hat den Messerstich durch die Mitangeklagte dem An-geklagten nicht zugerechnet. Für eine vorsätzliche Körperverletzung fehle es an der Prozessvoraussetzung eines Strafantrags oder der Bejahung des besonde-ren öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft. Es verbleibe der Vorwurf der versuchten Nötigung.

Der BGH beanstandet die Beweiswürdigung des LG:

„Wie sich der Tatrichter die Überzeugung vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der von ihm angewendeten Strafvorschriften verschafft, unterliegt seiner freien Beweiswürdigung, die er ausschließlich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung, nicht aus den Akten, zu schöpfen hat (§ 261 StPO). Der Tatrichter muss sich aber eine sichere Überzeugung von allen Tatsachen verschaffen, die er zu Lasten eines Angeklagten bewertet. In den Urteilsgründen hat er nachvollziehbar darzulegen, auf welcher Grundlage er sich diese Überzeugung gebildet hat. Dem werden die Gründe des angefochtenen Urteils nicht gerecht.

Das Landgericht hat angemerkt: „Insbesondere blieb die Vorgeschichte des Tatgeschehens vollkommen offen“. Danach hat es ausgeführt, den Angaben des Geschädigten könne nicht gefolgt werden. Ein potenzielles Tatgeschehen im Sinne des weiter gehenden Anklagevorwurfs sei zwar „nach Aktenlage“ als „plausibel“ erschienen; es habe sich aber „nicht verifizieren“ lassen. Die Beobachtungen von Tatzeugen seien nicht geeignet, die Angaben der Angeklagten, die unterschiedliche Sachdarstellungen abgegeben hatten, zu widerlegen. Soweit der Zeuge Y. angegeben habe, der Geschädigte habe versucht, dem Angeklagten Geld aus der Hand zu reißen und anschließend den Angeklagten angegriffen, sei „die Belastbarkeit der Angaben unsicher“. Möglicherweise habe eine Personenverwechslung vorgelegen. „Nach allem ließen sich letztlich die Angaben der Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit widerlegen“.

Das reicht als Grundlage der Verurteilung nicht aus. Unwiderlegte Angaben von Angeklagten sind nicht gleichbedeutend mit Feststellungen, die aufgrund richterlicher Überzeugungsbildung getroffen werden.“

Sorry, ich verstehe irgendwie die Beweiswürdigung nicht: „Nach allem ließen sich letztlich die Angaben der Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit widerlegen“? Wie passt das denn? Für mich gar nicht. Es sei denn, das LG wollte damit zum Ausdruck bringen, dass es nicht „für mehr“ als eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung „gereicht“ hat. Immerhin war die Sache beim Schwurgericht angeklagt.

Kann ein Polizeibeamter das „Recht beugen“, oder: Amtsträger?

© rcx - Fotolia.com

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Für mich gehört der Fall, auf den mich in der vergangenen Woche der Kollege, der den Beschuldigten verteidigt hat, aufmerksam gemacht hat, in die Rubrik der Kuriositäten. Jedenfalls m.E. außergewöhnlich, was sich die Staatsanwaltschaft da überlegt und zur Anklage gebracht hatte. Ich nehme dann mal den Anklagesatz der Anklageschrift vom 23.11.2015 – 105 Js 24586/15 -, in dem es heißt:

Die Staatsanwaltschaft legt aufgrund ihrer Ermittlungen dem Angeschuldigten folgen­den Sachverhalt zur Last:

Am 13.06.2015 ereignete sich zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor 12 Uhr auf der Bun­desstraße 20, Abschnitt 2330 – km 0.100, auf Höhe des Deschlbergtunnels, 93473 Arnschwang, ein Verkehrsunfall. PPPP. kam mit seinem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen PPPPP. mit Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen PPPPP. von der Fahrband ab und durchbrach die Leitplanke. Während der Aufnahme des Unfalls kam der Angeschuldigte zu PHM PPPP. und bat diesen den Sachverhalt so aufzunehmen, dass Fahrer des Wagens nicht PPPPP., sondern sein Bruder ist. Der Grund dafür war, dass der Bruder eine Versi­cherung für diese Art von Unfällen habe. Der Angeschuldigte wollte durch seine Einwirkung PHM PPPPP. dazu bewegen, dass er die Unfallanzeige entsprechend aufnimmt. PHM PPPPP. änder­te den Sachverhalt nicht ab.

Der Angeschuldigte wird daher beschuldigt,

einen anderen Amtsträger dazu zu bestimmen versucht zu haben, sich bei der Leitung oder Ent­scheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig zu machen

strafbar als versuchte Anstiftung zur Rechtsbeugung gern. §§ 339, 30 Abs. 1, 26 StGB.“

Ja, da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich: Versuchte Anstriftung zur Rechtsbeugung? Ja ist der Polizeibeamte denn „Amtsträger“ i.S. des § 339 StGB. Nun, das hat dann auch das zuständige AG Cham im Eröffnungsverfahren geprüft und das m.E. richtige Ergebnis gefunden. Das hat dann zum AG Cham, Beschl. v. 21.01.2016 – 2 Ds 105 3s 24586/15 – geführt, in dem es nur ganz kurz heißt:

In dem Strafverfahren

gegen pp.

wegen Rechtsbeugung

erlässt das Amtsgericht Cham durch den Richter am Amtsgericht am 22.01.2016 folgenden

Beschluss

  1. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird aus rechtlichen Gründen abgelehnt.
  2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt die Staats-kasse.

Gründe:

Dem Angeschuldigten wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 23.11.2015 eine versuchte Anstiftung zur Rechtsbeugung gemäß §§ 339, 30 I, 26 StGB zur Last gelegt. Auf die Anklageschrift wird insoweit Bezug genommen.

Der Polizeibeamte PHM PPPP. wurde im vorliegenden Fall nicht im Rahmen der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache tätig. Er ist somit kein geeigneter Täter einer Rechtsbeugung. Entsprechend scheidet auch eine versuchte Anstiftung seitens des Angeschuldigten aus. Im Hinblick auf einen denkbaren Versuch des Versicherungsbetrugs handelt es sich bei der tatgegenständlichen Bitte des Angeschuldigten, der Zeuge PHM PPPP. solle den Sachverhalt so aufnehmen, dass der Fahrer des Wagens sein Bruder sei, allenfalls um eine straflose Vorbereitungshandlung. Das Versuchsstadium war insoweit noch nicht erreicht.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens war daher abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.“

Für mich: Ohne Worte bzw. nur: Vielleicht doch mal einen Blick in den Kommentar? Ich habe jedenfalls nichts gefunden, was die Ansicht der Anklage stützen könnte. Der Amtsrichter wohl auch nicht.