Verquere Beweiswürdigung?

© Dan Race Fotolia .com

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Der BGH greift in der letzten Zeit m.E. häufiger als früher in die tatrichterliche Beweiswürdigung ein (oder ist es nur der 2. Strafsenat 🙂 ). Zu den Entscheidungen gehört dann auch das BGH, Urt. v. 21.10.2015 – 2 StR 119/15 – mit einer auch in meinen Augen etwas verqueren tatrichterlichen Beweiswürdigung, so weit man das nach den Urteilsgründen beurteilen kann.

Das LG hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung verurteilt. Nach den langerichtlichen „geriet der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 14. Dezember 2013 mit dem Geschädigten in Streit. Er forderte die Herausgabe von 50 Euro. Die Gründe für diese Geldforderungen ließen sich nicht aufklären. Nicht auszuschließen war, dass der Angeklagte kurz zuvor von dem Geschädigten „Crack“ hatte kaufen wollen, ihm dafür 50 Euro übergeben und eine Plombe erhalten hatte, in der sich nichts befand. Da der Geschädigte die geforderten 50 Euro nicht herausgeben wollte, schlug der Angeklagte auf den Geschädigten ein, um ihn zur Herausgabe zu zwingen. Dabei wusste er, dass er seinen Anspruch nicht mit Gewalt durchsetzen durfte.

Die Mitangeklagte G. beteiligte sich an dem Geschehen, in dem sie mehrfach „Dineiro, Dineiro“ rief und schließlich mit einem Messer auf den Geschädigten einstach. Ihr Stich traf den Geschädigten im Bereich des linken Schulterblatts und führte zu einem Pneumothorax. Der Geschädigte blieb zu-nächst handlungsfähig und kämpfte weiter mit dem Angeklagten. Kurz darauf wurde die Mitangeklagte G. von Passanten umstellt. Der Angeklagte wurde festgenommen.

Das Landgericht hat den Messerstich durch die Mitangeklagte dem An-geklagten nicht zugerechnet. Für eine vorsätzliche Körperverletzung fehle es an der Prozessvoraussetzung eines Strafantrags oder der Bejahung des besonde-ren öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft. Es verbleibe der Vorwurf der versuchten Nötigung.

Der BGH beanstandet die Beweiswürdigung des LG:

„Wie sich der Tatrichter die Überzeugung vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der von ihm angewendeten Strafvorschriften verschafft, unterliegt seiner freien Beweiswürdigung, die er ausschließlich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung, nicht aus den Akten, zu schöpfen hat (§ 261 StPO). Der Tatrichter muss sich aber eine sichere Überzeugung von allen Tatsachen verschaffen, die er zu Lasten eines Angeklagten bewertet. In den Urteilsgründen hat er nachvollziehbar darzulegen, auf welcher Grundlage er sich diese Überzeugung gebildet hat. Dem werden die Gründe des angefochtenen Urteils nicht gerecht.

Das Landgericht hat angemerkt: „Insbesondere blieb die Vorgeschichte des Tatgeschehens vollkommen offen“. Danach hat es ausgeführt, den Angaben des Geschädigten könne nicht gefolgt werden. Ein potenzielles Tatgeschehen im Sinne des weiter gehenden Anklagevorwurfs sei zwar „nach Aktenlage“ als „plausibel“ erschienen; es habe sich aber „nicht verifizieren“ lassen. Die Beobachtungen von Tatzeugen seien nicht geeignet, die Angaben der Angeklagten, die unterschiedliche Sachdarstellungen abgegeben hatten, zu widerlegen. Soweit der Zeuge Y. angegeben habe, der Geschädigte habe versucht, dem Angeklagten Geld aus der Hand zu reißen und anschließend den Angeklagten angegriffen, sei „die Belastbarkeit der Angaben unsicher“. Möglicherweise habe eine Personenverwechslung vorgelegen. „Nach allem ließen sich letztlich die Angaben der Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit widerlegen“.

Das reicht als Grundlage der Verurteilung nicht aus. Unwiderlegte Angaben von Angeklagten sind nicht gleichbedeutend mit Feststellungen, die aufgrund richterlicher Überzeugungsbildung getroffen werden.“

Sorry, ich verstehe irgendwie die Beweiswürdigung nicht: „Nach allem ließen sich letztlich die Angaben der Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit widerlegen“? Wie passt das denn? Für mich gar nicht. Es sei denn, das LG wollte damit zum Ausdruck bringen, dass es nicht „für mehr“ als eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung „gereicht“ hat. Immerhin war die Sache beim Schwurgericht angeklagt.

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