Archiv für den Monat: Januar 2016

Das OLG kennt sich mit Drogen aus …..

© macrovector - Fotolia.com

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Einer meiner Lieblingsentscheidungslieferanten hat mich vor einigen Tagen auf den OLG Naumburg, Beschl. v. 10.02.2015 – 2 Rv 16/15 – hingewiesen. Der Beschluss ist – wie man sieht – schon etwas älter, aber erst jetzt veröffentlicht worden. Es geht um den unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln sowie den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in einem Verfahren, das bereits seit 2013 anhängig war. Der Angeklagte ist vom AG zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das OLG hat das Verfahren dann in der Revisionsinstanz nach § 153 StPO eingestellt, und zwar mit folgender Begründung:

„Die zulässige (Sprung-)Revision dürfte in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg haben. Der Revisionsführer weist zu Recht darauf hin, dass sich das schriftliche Urteil nicht zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels verhält. Dahingehende Feststellungen sind grundsätzlich nicht entbehrlich. Die Cannabisblütenqualität liegt zwar zumeist auf hohem Niveau, kann aber gleichwohl auch von schlechterer Qualität sein. Bei Cannabisblüten dürfte sich der durchschnittliche Wirkstoffgehalt um 10 % bewegen (vgl. zum Ganzen: Patzak/Goldhausen in : NStZ 2011, 76, 77; Weber, BtMG, 3. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 837). Auch wenn aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein Gutachten nicht erstellt wurde, so hat das Gericht von einem Wirkstoffgehalt auszugehen, der nach den Umständen in Betracht kommt. Die gebotene Feststellung dazu fehlt. Darauf beruht das angefochtene Urteil, sodass es grundsätzlich einer Aufhebung zugänglich ist.

Es sind weitere Umstände zu beachten, die zugunsten des Angeklagten wirken. Im Falle der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache wäre ein erheblicher Zeitablauf zu beobachten; bereits jetzt sind seit der Tat mehr als 1 Jahr und 8 Monate vergangen. Die Tatrichterin hat ihren Feststellungen die Einlassung des Angeklagten zugrunde gelegt und ist davon ausgegangen, der Angeklagte habe das Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch und zum Zwecke der Schmerzlinderung angebaut bzw. hergestellt. Dass Cannabisprodukte eine schmerzlindernde Wirkung haben, ist seit langem bekannt.“

Aus den genannten Gründen, die nach Auffassung des Senats sämtlich zutreffen, hat die Generalstaatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO beantragt. Dies erscheint angesichts der überlangen Verfahrensdauer, insbesondere aber angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel zum Zwecke der Schmerzlinderung für sich selbst angebaut hat, vernünftig. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Bundesregierung Schmerzpatienten den legalen Zugang zu Cannabis demnächst erleichtern will, eventuell sollen sogar Krankenkassen die Kosten für Cannabis-Therapien übernehmen. Dem Senat ist bekannt, dass Cannabis zur Schmerzlinderung in vielen Fällen wirksamer ist als Medikamente, die der Arzt verschreiben kann, dabei hat es häufig weniger schädliche Nebenwirkungen als verschreibungspflichtige Medikamente. Dies ändert zwar nichts an der Strafbarkeit der abgeurteilten Taten, führt aber dazu, dass der Senat eine strafrechtliche Ahndung in Übereinstimmung mit der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht als geboten ansieht.“

Der Senat hatte wahrscheinlich die FAZ gelesen, die kurz vor dem Beschluss berichtet hatte: Gesetzentwurf geplant Cannabis zur Schmerztherapie.

Ein wenig Zeit ist dann aber doch noch ins Land gegangen. Inzwischen gibt es aber den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zum „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften„. Schauen wir mal, ob die Bundesregierung das in dieser Legislaturperiode noch auf die Reihe bekommt. Dem Angeklagten aus dem o.a. Verfahren ist das sicherlich egal. Den eingestellt ist eingestellt.

Misslungene Zustellung, oder: Manche Verwaltungsbehörden lernen es eben nie

© Alex White - Fotolia-com

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Über den IWW-Verlag ist mir der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 06.01.2016 – 1 Ss 1 OWi Bs 9/15 – zugegangen. Nach der Lektüre habe ich angesichts der misslungenen Zustellung des Bußgeldbescheides und des darauf beruhenden Eintritts der Verfolgungsverjährung nur gedacht: Manche Verwaltungsbehörden lernen es eben (nie). Und das hat hier gar nichts mit „Vollmachtstricks“ – was immer das ist/sein soll – oder der (berüchtigten) Verjährungsfalle zu tun. Sondern es ist/war ein alter Hut, was das OLG da entschieden hat, nämlich:

Im Bußgeldverfahren wird die Vollmacht Rechtsanwalt S. erteilt, der Mitglied der Rechtanwaltskanzlei „Rechtsanwälte R. S. E.“ ist. Zugestellt wird der Bußgeldbescheid dann an die „Rechtsanwälte R. S. E.“. Und das war es dann. Die Zustellung ist unwirksam und damit die Verjährung nicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden. Denn, wenn nur ein bestimmter Rechtsanwalt aus einer Kanzlei als Verteidiger mandatiert ist, ist die ausdrücklich an die Kanzlei als solche gerichtete und ohne jeden namentlichen Hinweis auf den bevollmächtigten Verteidiger versehene Zustellung unwirksam. Dies gilt nach Auffassung des OLG auch dann, wenn der Name des bevollmächtigten Verteidigers in der Bezeichnung der Kanzlei vorkommt. Und das ist nichts Neues, sondern das hat vor einiger das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 30.08.2011 – 311 SsRs 126/11 – ebenso gesehen (Mit der Vollmacht kann man verteidigen).

Das OLG hat sich dann noch redlich bemüht, ggf. über §§ 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG, Abs. 1 LVwZG, 8 VwZG eine Heilung der misslungenen Zustellung zu erreichen. Aber auch das hat nichts geklappt. Dazu das OLG: Für eine Heilung einer fehlerhaften Zustellung durch tatsächlichen Zugang reicht einerseits nicht aus, dass der Verteidiger erfahren hat, dass gegen seinen Mandanten ein Bußgeldbescheid erlassen wurde; denn er muss von dem Inhalt des Bußgeldbescheids Kenntnis nehmen können. Andererseits muss ihm der Bußgeldbescheid nicht vorgelegt worden sein. Ihm muss vielmehr bekannt sein, dass sich der Bußgeldbescheid in seiner Kanzlei befindet und er deshalb Zugriff auf das Dokument hat.

Tja, mit der Vollmacht kann man eben verteidigen, bzw.: Das Recht ist für die Hellen 🙂 .

Ist der 5. Strafsenat des BGH ordnungsgemäß besetzt?

entnommen wikimedia.org Urheber ComQuat

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Ich erinnere: Nach dem Ärger um die Besetzung des 2. Strafsenats (vgl. u.a. Stellenbesetzung am BGH: Fischer : Tolksdorf – (vorläufig) 2 : 0 und Was lange währt, wird endlich gut – Fischer wird Vorsitzender beim BGH) hat es beim BGH ja neuen/weiteren Ärger um die Besetzung der Vorsitzendenstelle im 5. Strafsenat gegeben, die seit November 2014 nach dem Ausscheiden des damaligen Vorsitzenden C.Basdorf vakant ist (vgl. dazu Schon wieder (Besetzungs)Ärger beim BGH, oder: Auch Präsidentinnen können nicht alles). Das Besetzungsverfahren ist noch immer nicht erledigt/entschieden.

Inzwischen gibt es dazu Rechtsprechung des 5. Strafsenats.Bei dem ist nämlich in einem Revisionsverfahren die ordnungsgemäße Besetzung des Senats gerügt worden. Dazu verhält sich dann der BGH, Beschl. v. 10.11.2015 – 5 StR 420/15. Ergebnis/Fazit: Natürlich ordnungsgemäß besetzt:

b) Auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2013 – 4 StR 556/12, BGHR GVG § 21f Vorsitzender 2 mit zahlreichen Nachweisen) ist der 5. Strafsenat ordnungsgemäß besetzt.

Das Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden Richters ist im Juni 2014 mit dem Interessebekundungsverfahren eingeleitet worden. Der Besetzungsvorschlag der Präsidentin des Bundesgerichtshofs an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz zur Neubesetzung der Stelle erfolgte nach den erforderlichen Beteiligungen am 28. Oktober 2014. Am 6. Februar 2015 teilte der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz dem Bundespräsidenten seinen Besetzungsvorschlag mit. Das Verfahren konn-te jedoch nicht abgeschlossen werden, weil der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 12. August 2015 der Bundesrepublik Deutschland in einem Konkurrentenstreitverfahren durch einstweilige Anordnung untersagt hat, die beabsichtigte Ernennung auszusprechen, bevor über die Bewerbung des klagenden Konkurrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist (Beschluss vom 12. August 2015 – 4 S 1405/15). Im Verfahren müssen die grundsätzlichen Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs zum Beurteilungswesen nach den erforderlichen verwaltungsinternen Abstimmungen umgesetzt werden.

Das Beförderungsverfahren ist demgemäß frühzeitig eingeleitet worden und wird mit der gebotenen Zügigkeit betrieben. Im Blick darauf liegen besondere Umstände vor, die es jedenfalls derzeit rechtfertigen, dass der 5. Strafsenat durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird. Die in der Beschwerdeschrift des Angeklagten N. M. angesprochene Einrichtung eines „Doppelvorsitzes“ ist im Präsidium neben anderen Möglichkeiten in der Sitzung vom 15. September 2015 eingehend erörtert worden. Jedoch kommt ein „Doppelvorsitz“ schon aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht in Betracht (vgl. hierzu und zum Ganzen BGH, Beschluss vom 26. März 2013 – 4 StR 556/12 aaO; zur gebotenen Einzelfallprüfung siehe auch BGH, Urteil vom 12. März 2015 – VII ZR 173/13, NJW 2015, 1685 Rn. 36; je-weils mwN).

Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des 5. Strafsenats ist im Übrigen im Rahmen der gegenwärtigen Organisation jedenfalls nicht weniger effektiv gewährleistet als – mit der dadurch jeweils bedingten Einarbeitungszeit – bei Übernahme eines Doppelvorsitzes durch einen Vorsitzenden Richter eines anderen Strafsenats oder der kurzfristigen Übernahme des Vorsitzes des 5. Straf-senats durch einen solchen. Der stellvertretende Vorsitzende ist seit Februar 2013 Mitglied des 5. Strafsenats und vermag dessen Rechtsprechung sowie die anhängigen Verfahren und deren Stand deshalb zu überblicken. Er leitet sämtliche Beratungen des Senats. Die Gefahr eines Divergierens der Judikatur ist ferner wegen der personellen Überschneidungen in den vorhandenen drei Sitzgruppen denkbar gering…..“

Und wenn man mal in den Geschäftsverteilungsplan 2016 schaut (vgl. hier): Geändert hat sich nichts….Die „erforderlichen verwaltungsinternen Abstimmungen“ sind eben noch nicht umgesetzt.

Für die Revision/Rechtsbeschwerde: Wir üben die „Inbegriffsrüge“

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Wir üben dann heute mal für die Revision/Rechtsbeschwerde, und zwar die Begründung der sog. Inbegriffsrüge. Diese Inbegriffsrüge, mit der ein Verstoß gegen § 261 StPO geltend gemacht wird, ist eine Verfahrensrüge. Für sie gelten also die strengen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Das bedeutet, dass zu dem geltend gemachten Verfahrensfehler – Verletzung des § 261 StPO – so vorgetragen werden muss, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aus diesem Vortrag entnehmen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensverstoß vorliegt.

Das hatte ein Kollege aus Berlin übersehen und hat sich deshalb die Zurückweisung seines Rechtsmittels durch das KG im KG, Beschl. v. 08.01.2016 – 3 Ws (B) 650/15 – 122 Ss 170/15 340 OWi 282/15 – „eingefangen“. Denn hat er mir übersandt, aber, weil ihm das Versehen peinlich ist, gebeten, beim Einstellen seinen Namen nicht zu nennen. Tue ich dann und verschließe ihn in meinem Herzen.

Das KG führt in der Entscheidung aus, dass er zur Zulässigkeit der sog. Inbegriffsrüge (§ 261 StPO), die auf den Umstand gestützt wird, das Gericht habe ein Privatgutachten nicht in seine Beweiswürdigung eingestellt, gehört, dass der Angeklagte/Betroffene bei der Begründung seiner Verfahrensrüge mitteilt, dass und ggf. in welcher Form dieses Gutachten prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Allein der Umstand, dass er es dem Gericht vorgelegt hat, erfüllt die Anforderungen nicht. Weil der Betroffene/Verteidiger diese Anforderungen bei der Begründung seiner Rechtsbeschwerde nicht erfüllt hatte, hat das KG seine Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.

Richterbestechung, oder: Wenn der eine Schöffe mit dem anderen Schöffen mauscheln will…

© Smileus - Fotolia.com

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Filmreif? Nun ja, nicht ganz, aber zumindest doch mal nichts Alltägliches, was das BGH, Urt. v. 23.11.2015 – 5 StR 352/15 behandelt. Sondern es steht mal die Vorschrift des § 332 Abs. 2 StGB im Focus. Der ein oder andere wird vielleicht erst nachschauen müssen (?). Ja, geregelt ist in § 332 StGB die Bestechlichkeit und in Abs. 2 die „Richterbestechlichkeit“. Und um die geht es. Und das Ganze bei einem Sachverhalt, den man sich so schnell nicht ausdenken kann, sondern den das Leben schreibt bzw. geschrieben hat. Dazu aus dem BGH-Urt.:

„Der Angeklagte wurde als Schöffe zur Teilnahme an einer Hauptverhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer unter anderem gegen den dortigen Angeklagten Br. berufen. Weiterer Schöffe war der Zeuge H. . Vor Beginn des 2. Hauptverhandlungstages kam der Angeklagte mit Br. ins Gespräch. Er gab vor, Br. für unschuldig zu halten, und berichtete ihm vom Inhalt der Beratungen der Strafkammer, was sich wiederholte. Vor dem 3. oder 4. Verhandlungstag behauptete er wahrheitswidrig, der Vorsitzende habe den Schöffen verboten, in der Hauptverhandlung Fragen zu stellen. Dies nutzte der durch Br. unterrichtete Verteidiger, Rechtsanwalt He. , zu einem Befangenheitsantrag namentlich gegen den Vorsitzenden. Dass die Information vom Angeklagten stammte, teilte er nicht mit. Der Vorsitzende stellte das Frageverbot in einer dienstlichen Stellungnahme in Abrede. In einem Gespräch nach Bescheidung des Befangenheitsantrags befragte er die beiden Schöffen, ob sie etwa das Beratungsgeheimnis gebrochen hätten, was diese verneinten.

Bestärkt durch das Verhalten Br. s und seines Verteidigers fasste der Angeklagte spätestens jetzt den Entschluss, für eine Unterstützung Br. s Geld zu verlangen. In der „vorläufigen Schlussberatung“ der Strafkammer am 16. Juni 2014 benannten die Berufsrichter ihre Strafvorstellungen. Der Angeklagte erhob keine Einwände. Er erkundigte sich aber beim Vorsitzenden über die Details der Sperrminorität der Schöffen in Bezug auf den Schuldspruch, von deren Existenz er durch das Plädoyer einer Verteidigerin erfahren hatte. Der Vorsitzende erläuterte ihm den Begriff. Der Angeklagte sah nun eine echte Chance, einen Freispruch Br. s herbeiführen zu können. Er hoffte nämlich, den Schöffen H. wegen dessen schlechter finanzieller Situation dazu bringen zu können, für einen Freispruch zu stimmen. Überraschend behauptete er nun erstmals, dass er Br. für unschuldig halte.

Am Abend desselben Tages begab sich der Angeklagte zu Br. s Wohnung. Auf sein Klingeln kam dieser nach unten. Der Angeklagte teilte ihm mit, dass er in der Beratung vergeblich versucht habe, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Auf die Frage Br. s, was der Schöffe H. denke, teilte der Angeklagte mit, dass H. von „Hartz IV“ lebe. Dies verstand Br. wie vom Angeklagten beabsichtigt. Er fragte, ob H. Geld benötige. Der Angeklagte bejahte und fragte, welche Summe sich Br. vorstellen könne. Br. bot je 20.000 € für den Angeklagten und H. an. Ob er nur zum Schein auf das Angebot einging, konnte nicht festgestellt werden.

Der Angeklagte erklärte sich einverstanden. Er brachte zum Ausdruck, dass er den Schöffen H. mit 20.000 € dazu bewegen könne, für einen Freispruch zu stimmen. Dabei behauptete er wahrheitswidrig, dass für den 18. Juni 2014 die Schlussberatung geplant sei und er bis dahin zumindest das Geld für H. benötige. Auf seinen eigenen Anteil könne er noch ein wenig warten. Er überreichte Br. seine Visitenkarte und forderte ihn auf, den Kontakt nur über Dritte herzustellen. Darüber hinaus solle Br. die Anschrift des H. ermitteln, damit er diesen vor der Schlussberatung in den Plan einweihen könne.

Br. unterrichtete seinen Verteidiger von dem Vorgefallenen. Am 19. Juni 2014 übermittelte der Verteidiger dem Gericht einen Befangenheitsantrag gegen den Angeklagten, in dem die Vorfälle vom 16. Juni 2014 aufgeführt waren. Auch die gleichfalls unterrichtete Verteidigerin eines Mitangeklagten stellte Befangenheitsanträge. Der Vorsitzende leitete die Anträge an die Staatsanwaltschaft weiter.

Ein für den 20. Juni 2014 durch die Polizei inszenierter Termin für eine vorgebliche Geldübergabe an den Angeklagten am Hamburger Hauptbahnhof verlief ergebnislos, weil der Angeklagte misstrauisch geworden war. Am 23. Juni 2014 wurden die Befangenheitsanträge gegen den Angeklagten für begründet erachtet und die Hauptverhandlung ausgesetzt.“

Das LG hat in der Zahlungsvereinbarung des Angeklagten mit Br. über eine Zuwendung von 20.000 € als Gegenleistung für ein Stimmen des Angeklagten für einen Freispruch eine Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB gesehen. Demgegenüber bestehe keine Konnexität zwischen dem Vorteil in gleicher Höhe für den Schöffen H. und einer eigenen richterlichen Handlung des Angeklagten, weswegen § 332 Abs. 2 Satz 1 StGB insoweit nicht eingreife. Eine Straftat nach § 353b StGB hat das Landgericht mangels Verfolgungsermächtigung nicht ahnden können. Die Strafe hat das Landgericht dem Strafrahmen des § 332 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommen. Ein besonders schwerer Fall nach § 335 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB liege u.a. im Blick auf eine angesichts der hohen Strafdrohung gebotene restriktive Interpretation der Vorschrift nicht vor. Andererseits sei auch ein minder schwerer Fall gemäß § 332 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht gegeben.

Der BGH hebt auf und sagt – so meine Leitsätze:

Erbietet sich ein Schöffe, den zweiten Schöffen zu bestechen, damit dieser für einen Freispruch des Angeklagten stimmt, liegt hierin – neben der eigenen Bestechlichkeit – zwar keine versuchte Beteiligung (§ 30 Abs. 2 StGB) an einer „Richterbestechlichkeit“ (§ 332 Abs. 2 Satz 1 StGB) des zweiten Schöffen, wohl aber wegen der erklärten Bereitschaft, den zweiten Schöffen zu einer Rechtsbeugung anzustiften, eine Strafbarkeit des Schöffen nach § 30 Abs. 2, § 339 StGB.

Ein besonders schwerer Fall i.S. des § 335 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB liegt bei einem gezahlten Bestechungsgeld in Höhe von 50.000 € vor.