Die Verurteilung wegen Vorsatzes bei der Geschwindigkeitsüberschreitung ist gefährlich für den Betroffenen, weil sie id.R. ein Absehen vom Fahrverbot mit der auf § 1 Abs. 1 BKatV gründenden Erst-Recht-Argumentation“ – schon bei Fahrlässigkeit ist ein Fahrverbot vorgesehen, dann ist bei Vorsatz erst Recht eins zu verhängen – sperrt. Andererseits gelingt den AG häufig nicht, die Verurteilung wegen Vorsatzes so zu begründen, dass sie beim OLG Bestand hat. Das zeigt dann mal wieder der OLG Celle, Beschl. v- 26.01.2015 – 321 SsBs 176 u. 177/14, der erst jetzt vom OLG veröffentlicht worden ist.
a) Soweit das Amtsgericht davon ausgeht, ordnungsgemäß aufgestellte Verkehrszeichen würden von Verkehrsteilnehmern in aller Regel wahrgenommen, steht dies im Einklang mit der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Celle Nds. RPfl. 2014,189). Es kann jedoch tatsächlich nur für den Regelfall gelten, also jedenfalls dann nicht, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer darauf beruft, das geschwindigkeitsbeschränkende Schild nicht gesehen zu haben. So liegt es hier. Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, zwar die Beschränkungen auf 120 km/h und auf 100 km/h, nicht aber die Beschränkung auf 80 km/h gesehen zu haben. Er sei entweder durch die unübersichtliche Verkehrslage abgelenkt oder das Verkehrszeichen sei durch andere Fahrzeuge verdeckt gewesen. Da es sich zudem um die erste Beschränkung auf 80 km/h handelte und der Betroffene nicht mehrere Schilderpaare mit dieser Beschränkung passiert hatte, kann ohne weiteres nicht davon ausgegangen werden, der Betroffene müsse die Beschränkung zwangsläufig wahrgenommen haben.
b) Damit steht lediglich fest, dass der Betroffene die Beschränkung auf 100 km/h erkannt hatte. Bei einer Geschwindigkeit von 126 km/h und einer Überschreitung um 26 % ist ein Schluss dahingehend, er habe diese Geschwindigkeitsüberschreitung bemerkt, allerdings noch nicht ohne weiteres zulässig, wie es etwa bei Überschreitungen über 40 % regelmäßig der Fall sein wird (vgl. dazu OLG Celle a. a. O. m. weit. Nachw.). Die äußeren Umstände, die bei solch hohen oder noch höheren Überschreitung zu dem Schluss drängen, diese Überschreitung müsse ein Autofahrer schon wegen äußerer Umstände wie Fahrgeräusche, Fahrverhalten seines Fahrzeuges u. a. wahrnehmen, lassen sich auf eine Überschreitung von 26 % nicht ohne weiteres übertragen (OLG Celle a. a. O.).
c) Soweit das Amtsgericht auf einen Eventualvorsatz schließt, weil der Betroffene sich in einem Geschwindigkeitstrichter befand, nach zwei Beschränkungen mit einer weiteren Beschränkung rechnen musste und deshalb billigend in Kauf genommen habe, diese dritte Beschränkung zu übersehen, drängt sich bereits die Grundannahme nicht auf, dass nach zwei Geschwindigkeitsbeschränkungen zwangsläufig eine dritte Beschränkung folgt.
Ergebnis: Aufhebung und neu machen.
Anmerkung: Was ganz interessant ist, dass auch die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich gegen das Absehen vom Fahrverbot geichtet hat, Erfolg hatte. Was mich in dem Zusammenhang erstaunt, dass das OLG mit keinem Wort darauf eingeht, dass wir es – zumindest beim AG – mit einem vorsätzlichen Verstoß zu tun hatten und so an sich die „Vorsatz-Sperre“ eine Rolle spielt. Dafür längere Ausführungen zu den beruflichen Härten mit dem Hinweis für die neue Hauptverhandlung:
„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es sich aufdrängen könnte, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzverlust des Betroffenen zusammenhängenden Fragen durch Vernehmung von Beauftragten seiner Arbeitgeberin zu klären.“
Ein deutlicher Hinweis, dass man dem Betroffenen und vorgelegten Bescheinigungen so einfach nicht glaubt.