Archiv für den Monat: Juni 2015

Bande? Ja, auch wenn man aus einem Vorrat klaut

© Dan Race Fotolia .com

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Das LG stellt zu einer „Diebstahlsserie“ fest:

Nach den den Einzelfällen vorangestellten Feststellungen kam der Angeklagte spätestens im November 2013 „u.a. mit Z. , dessen Bru der E. , K. und G. überein, zukünftig fortlaufend in einer Vielzahl von Fällen durch ein defektes Fenster in das – nicht mehr in Betrieb befindliche, sondern zum Abriss bestimmte – Schalthaus der Firma St. Go. an der W. Straße in Ge. einzudringen, um dort Kupfer zu stehlen und sich aus dessen Verkauf eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen“.

und geht auf der Grundlage von einer „Bande“ aus und verurteilt wegen Bandendiebstahls. Die Revision beim BGH hat keinen Erfolg. Der geht im BGH, Beschl. v. 03.06.2015 – 4 StR 193/15 – ebenfalls von einer „Bande“ aus.

b) Zwar richtete sich danach die Abrede der Beteiligten auf den Diebstahl von Kupfer aus einem feststehenden und begrenzten Vorrat. Gleichwohl sind die Begriffsmerkmale der Bande im Sinne des § 244a Abs. 1 StGB erfüllt:

aa) Eine Bande im Sinne der §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1 StGB ist der Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Diebes- oder Raubtaten zu begehen (BGH – Großer Senat –, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 244 Rn. 34 ff.). Erforderlich ist eine – ausdrücklich oder konkludent getroffene – Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun (BGH, Urteil vom 14. April 2011 – 4 StR 571/10). Dabei genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich die Bandenmitglieder für einen überschaubaren Zeitraum von nur wenigen Tagen zur „fortgesetzten“ Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1992 – 3 StR 431/92, BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Bande 1). Daraus ergibt sich zugleich, dass es weder einer „gewissen Regelmäßigkeit“ noch der Absprache einer „zeitlichen Dauer“ der zu begehenden Straftaten bedarf (BGH, Urteil vom 11. September 1996 – 3 StR 252/96, NStZ 1997, 90, 91). Die Beschränkung auf eine bestimmte Begehungsart (BGH, Urteil vom 18. April 1978 – 1 StR 815/77, bei Holtz, MDR 1978, 624) gegen denselben Gewahrsamsinhaber (RG, Urteil vom 18. Dezember 1923 – 4 D 875/23, JW 1924, 816 f.; NK-StGB/Kindhäuser, 4. Aufl., § 244 Rn. 39) oder nach Zeit, Ort und zu erbeutenden Gegenständen (BGH, Urteil vom 29. August 1973 – 2 StR 250/73, GA 1974, 308; Fischer, aaO, § 244 Rn. 40) steht der bandenmäßigen Begehung nicht entgegen.

bb) Danach unterfällt die hier von den Beteiligten getroffene Abrede dem Begriff der Bande. Durch die wiederholte Wegnahme des in dem zum Abriss bestimmten Schalthauses befindlichen Kupfers in der Zeit vom 30. November 2013 bis zum 8. Januar 2014 begingen der Angeklagte und seine Tatgenossen jeweils selbständige Diebstahlstaten, die untereinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehen; für die Annahme natürlicher Handlungseinheit bieten die Feststellungen keinen Anhaltspunkt. Eine Beschränkung auf wenige, von vornherein – d.h. im Zeitpunkt der Bandenabrede – individuell bestimmte Taten ist den Feststellungen nicht zu entnehmen; im Gegenteil richtete sich die Abrede auf eine „Vielzahl“ entsprechender Diebstahlstaten, die als „dauerhafte Einnahmequelle“ geplant waren. Damit ist auch der Grund für die Strafschärfung des Bandendiebstahls gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1955 – 3 StR 279/55, BGHSt 8, 205, 209; Beschluss vom 3. April 1970 – 2 StR 419/69, BGHSt 23, 239, 240; Kindhäuser, aaO, § 244 Rn. 34).“

NSU-Verfahren: Nach „Sturm, Stahl, Heer“ kommt jetzt die „Heßstraße“?

© Corgarashu – Fotolia.com

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Von einem Kollegen bin ich auf den Beitrag bei SPON gestoßen (worden), in dem über den Plan des OLG-Senats im NSU-Verfahren berichtet wird, B. Zschäpe einen vierten Pflichtverteidiger zu bestellen (vgl. hier: NSU-Prozess: Zschäpe könnte weiteren Anwalt bekommen.

Tja, was soll man dazu denn nun sagen, wenn man liest:

„Grasel ist ein noch sehr junger Strafverteidiger. Er wurde 2011 als Rechtsanwalt zugelassen und hat erst 2013 einen Lehrgang als Fachanwalt für Strafrecht absolviert. Um sich Fachanwalt nennen zu dürfen, muss er jedoch eine bestimmte Zahl an Fällen nachweisen können, in denen er als Strafverteidiger aufgetreten ist. Soweit ist er noch nicht. Man tritt Grasel mit der Vermutung sicher nicht zu nahe, seine Erfahrung als Strafverteidiger eher begrenzt zu nennen.

Wie die drei bisherigen Verteidiger ist er kein Szeneanwalt, also keiner, der spezialisiert ist auf die Verteidigung rechtsgesinnter Straftäter. Ob Zschäpe hofft, dass er sich ihren Wünschen nachgiebiger zeigt als die im Vergleich zu Grasel erprobten Strafverteidiger Sturm, Stahl und Heer?

Viele offene Fragen

Falls Grasel vom Senat bestellt werden sollte, und daran gibt es kaum einen Zweifel, geschieht dies im Einvernehmen mit Zschäpe. In München verlautete, er habe die Angeklagte schon bei der Abfassung des letzten Antrags zur Entlassung von Sturm beraten. Tatsächlich sind in dem handgeschriebenen Dokument Formulierungen enthalten, die auf anwaltliche Beratung schließen lassen.

Fraglich bleibt allerdings, wie Grasel künftig in die Verteidigung eingebunden werden soll. Das schon seit Mai 2013 laufende Strafverfahren, in dem es immerhin um Mittäterschaft bei zehn Morden, einer Vielzahl von versuchten Morden, 15 Raubüberfällen und schwere Brandstiftung sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung geht, hat er nicht miterlebt.

Wird er Zschäpes mutmaßlichen Wunsch, „etwas zu sagen“, unterstützen? Und wenn ja, wie soll das geschehen? Wie werden die bisherigen Verteidiger reagieren, wenn ihnen ein Kollege vor die Nase gesetzt wird, der zwar Zschäpes Vertrauen genießen mag, sonst aber ein ziemlich unbeschriebenes Blatt ist?

Die Prozessbeteiligten haben bis Mittwoch, 12 Uhr, Zeit, Stellung zu der Überlegung des Senats zu beziehen. Um des zügigen Fortgangs des Verfahrens willen dürfte zumindest die Bundesanwaltschaft nichts dagegen haben.“

In meinen Augen ganz schön mutig von dem Kollegen, mit der Erfahrung – wenn es denn stimmt, was da steht – nach mehr als 200 Verhandlungstagen in ein solches Verfahren einzusteigen. Kennt er das Verfahren? Wahrscheinlich eher nicht. Wie will man dann verteidigen? Oder kommt jetzt der Antrag, das Verfahren auszusetzen, damit sich der (neue) Verteidiger vorbereiten kann? Dann wäre der Senat mutig (gewesen) und hätte ggf. einen „Nebenkriegsschauplatz“ eröffnet.

Ach so: Die Kanzlei des potentiellen Pflichtverteidigers sitzt in München auf der „Heßstraße “ sagt Google. 🙂 Das passt, will man da sagen. Aber sicher genauso ein Zufall wie „Sturm, Stahl, Heer“.

 

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren sind im Strafbefehlsverfahren entstanden?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Die Frage zu den Gebühren im Strafbefehlsverfahren – vgl. hier: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren sind im Strafbefehlsverfahren entstanden? – löst sich m.E. ganz einfach. Also:

Entstanden sind die Nr. 4100, 4104 VV RVG und ggf. die Nr. 4106 VV RVG, wenn der Kollege nach Eingang des Strafbefehlsantrag beim AG noch tätig geworden ist, wovon ich ausgehe. In dem Zusammenhang: Tätigkeiten gegenüber dem Mandanten reichen (also z.B. eine Beratung!!!), es muss für den Anfall einer Verfahrensgebühr keine Tätigkeit gegenüber dem (Amts)Gericht vorliegen.

Und auch die Nr. 4141 VV RVG ist m.E. entstanden, analog Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 2 VV RVG. Ich würde sie also geltend machen und darauf hinweisen, dass offenbar die fundierte Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft/Polizei fortgewirkt hat (Fortwirkung der Mirwirkung aus einem früheren Verfahrensstadium reicht aus, müsste BGH VRR 2008, 438 = RVGprofessionell 2008, 205 = AGS 2008, 491 = RVGreport 2008, 431 = zfs 2008, 709 = JurBüro 2008, 639 = DAR 2009, 56 m. Anm. N. Schneider = StRR 2009, 77 und KG JurBüro 2012, 466 = StRR 2011, 438 = VRR 2011, 438 = RVGprofessionell 2011, 210 gewesen sein).  Der Anfall der Nr. 4141 VV RVG  bei Ablehnung des Erlasses eines Strafbefehls nach § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO ist zwar vor kurzem vom AG Rosenheim abgelehnt worden, aber die Entscheidung ist falsch. Dazu: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es dafür keine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG?.

Pflichtverteidiger aus dem Internet? – Ortsansässiger Fachanwalt reicht

© G.G. Lattek - Fotolia.com

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Um die Frage, ob der Bestellung eines auswärtigen Pflichtverteidiger ein i.S. des § 142 Abs. 2 Satz 2 StPO „wichtiger Grund“ entgegensteht, ist vor einiger Zeit mal wieder beim OLG Jena gestritten worden. Als „wichtiger Grund“ war vom LG Mülhausen die sog. Ortferne“ angeführt worden, dass der Kanzleisitz des in Aussicht genommenen Plfichtverteidigers lag 450 km vom LG entfernt.

Das OLG Jena sagt im OLG Jena, Beschl. v. 10.10.2014 – 1 Ws 453/14 – „zu weit“, worüber man m.E. in Zeiten der digitalen Kommunikation grundsätzlich streiten kann. Aber es kam/kommt hinzu: Das OLG stellt weiter darauf ab: Auch kein besonderes Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu dem in Aussicht genommenen Pflichtverteidiger, denn:

Hiervon ausgehend rechtfertigen auch im vorliegenden Fall die von dem Kammervorsitzenden dargelegten Umstände in ihrer Gesamtheit die Ablehnung der Beiordnung des von dem Angeschuldigten benannten Verteidigers Rechtsanwalt Dr. B. Insbesondere ist die Erwägung zutreffend, dass ein besonderes Vertrauensverhältnis des Angeschuldigten zu Rechtsanwalt Dr. B. weder plausibel dargelegt ist noch sonst angenommen werden kann. Dies gilt uneingeschränkt auch für den Zeitpunkt der Antragstellung vom 28./29.07.2014, auf welchen nach Auffassung des Senats abzustellen ist. Aus dem eigenen Vorbringen des Angeschuldigten ergibt sich vielmehr, dass er – nach am 25.07.2014 erfolgter Zustellung der Anklage mit der Aufforderung, einen Verteidiger zu benennen – durch eine Internet-Recherche auf die unter www…de auftretende Kanzlei S. & Partner und hier auf Rechtsanwalt Dr. B. aufmerksam geworden sei. Die Auswahl beruhte mithin offensichtlich auf einer bloßen, für den Angeschuldigten inhaltlich schwerlich überprüfbaren und insgesamt kanzleibezogenen Werbeaussage. Das Mandatsverhältnis wurde ausweislich der vorgelegten Vollmachtsurkunde am 25.07.2014, dem Tag der Zustellung der Anklage, begründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rechtsanwalt Dr. B– allenfalls Kenntnis von der Anklageschrift. Dafür, dass es bereits zuvor ein „vertrauensbegründendes“ Mandatsverhältnis (auch in anderer Sache) gab oder dass es bis zu dem erläuternden Schreiben des Angeschuldigten vom 07.08.2014 einen persönlichen Kontakt zum Verteidiger – etwa in Form eines persönlichen Beratungsgesprächs – gegeben hat, ist nichts ersichtlich; dies wurde weder von dem Angeschuldigten noch von Rechtsanwalt Dr. B., der im Übrigen erst nach Zusendung der am 05.08.2014 in seiner Kanzlei eingegangenen Akten Einsicht in diese nehmen konnte – substantiiert vorgetragen.

Auch der von dem Angeschuldigten hervorgehobene Aspekt der – allerdings mit dem Beschwerdevorbringen nicht näher belegten – besonderen Spezialisierung der Kanzlei des Verteidigers auf Sexualstraftaten gebietet ungeachtet der Schwere der Schuldvorwürfe nicht die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B. Vielmehr sind Verfahren mit entsprechenden Tatvorwürfen – Sexualstraftaten gegenüber Kindern – (bedauerlicher Weise) in großer Zahl vor den Landgerichten in der Bundesrepublik Deutschland zu verhandeln. Die Bewertung der Kammer, dass weder die materiell-rechtliche Problematik dieser Delikte noch die besondere prozessuale Situation der Beurteilung von Kinderaussagen Besonderheiten darstellen, die nur von einer ca. 450 Kilometer entfernten Kanzlei sachgerecht bewältigt werden könnten, und dass die Verteidigungsrechte des Beschuldigten auch durch im näheren Umkreis zu findende versierte Fachanwälte für Strafrecht ordnungsgemäß gewahrt werden können, ist zutreffend.

Nur ergänzend sei angemerkt, dass Rechtsanwalt Dr. B in der Internetpräsentation der Rechtsanwaltskanzlei pp. & Partner gerade nicht mit dem ausdrücklichen Tätigkeitsschwerpunkt Sexualstrafrecht, sondern als „erfahrener Strafverteidiger und promovierter Verfassungsrechtler mit Spezialisierung auf die Überprüfung erstinstanzlicher Urteile“ und als „Experte auf dem Gebiet des Betäubungsmittelstrafrechtes“ vorgestellt wird.

Und das war es dann. Im Übrigen hält auch das OLG offenbar, viel von den ortsansässigen Fachanwälten für Strafrecht:

„Die Bewertung der Kammer, dass weder die materiell-rechtliche Problematik dieser Delikte noch die besondere prozessuale Situation der Beurteilung von Kinderaussagen Besonderheiten darstellen, die nur von einer ca. 450 Kilometer entfernten Kanzlei sachgerecht bewältigt werden könnten, und dass die Verteidigungsrechte des Beschuldigten auch durch im näheren Umkreis zu findende versierte Fachanwälte für Strafrecht ordnungsgemäß gewahrt werden können, ist zutreffend.“

Selbstmordgefahr ist kein Grund, die Strafvollstreckung aufzuschieben

 © jtanki - Fotolia.com

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Die mit einem Strafaufschub zusammenhängenden Fragen sind in § 455 StPO geregelt. Danach ist nach § 455 Abs. 2 StPO die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe aufzuschieben, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt; dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist. Mit der Frage, ob eine Selbstmordgefahr bei einem Verurteilten einen Strafaufschub rechtfertigt, hat sich nun der OLG Koblenz, Beschl. v. 21.04.2015 – 2 Ws 122/15 – befasst und die Frage – im entschiedenen Fall – verneint:

„Diese Abwägung muss vorliegend dazu führen, dass die gesundheitlichen Belange der Verurteilten zurückzustehen haben.
Dabei sieht der Senat durchaus, dass nach der Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Kreisverwaltung B. vom 9. Januar 2015 mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Verurteilte erneute Suizidversuche begehen könnte, wenn sie die Haftstrafe antreten muss (Bl. 8 d. Stellungnahme, Bl. 230 Rücks. d.A.). Dies wiegt umso schwerer, als sie schon einmal – am 29. September 2014 – einen Selbstmordversuch unternommen hat, um sich der drohenden Strafvollstreckung zu entziehen. Einzustellen in die Abwägung ist auch, dass nach der Stellungnahme der Universitätsmedizin M. vom 3. Februar 2015 zur Stabilisierung des Zustands der Angeklagten – auch im Hinblick auf die Behandlung der mittelgradigen depressiven Episode – der stationäre Aufenthalt in der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsklinik M. empfohlen wird.

Den Interessen der Verurteilten stehen jedoch gewichtige öffentliche Belange gegenüber, denen hier der Vorrang einzuräumen ist. Der Strafvollzug ist kein Selbstzweck, sondern dient der Resozialisierung des Täters und damit auch dem Ziel, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten eines rechtskräftig Verurteilten zu schützen. Darüber hinaus gebieten das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, und das Gebot der Gerechtigkeit, dem die Verfassung und mit ihr die gesamte Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, dass rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafen grundsätzlich auch zu vollstrecken sind, um die Gleichbehandlung aller verurteilten Straftäter zu gewährleisten (Art. 3 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, 2 BvR 1007/03 v. 27.6.2003 – NStZ-RR 2003, 345 <Rn. 2 n. […]>; BVerfGE 51, 324 [BVerfG 19.06.1979 – 2 BvR 1060/78] <343 f.>).

In Rechtsprechung und Schrifttum ist deshalb übereinstimmend anerkannt, dass Selbstmordgefahr grundsätzlich auch dann kein Grund ist, die Strafvollstreckung aufzuschieben, wenn sie – wie vorliegend – ernsthaft geäußert wird (vgl. OLG Hamm, 2 Ws 211/09 v. 13.8.2009 – NStZ-RR 2010, 191; OLG Schleswig, 2 Ws 436/06 v. 12.11.2006 – SchlHA 2007, 292; OLG Köln, 2 Ws 623/03 v. 25.11.2003; KG, 5 Ws 4/94 v. 5.1.1994 – NStZ 1994, 255; KK-Appl, § 455 Rn. 7; Graalmann-Scheerer in: LR-StPO, § 455 Rn. 10; Klein in: BeckOK StPO § 455 Rn. 3). Denn in der Regel kann dieser Gefahr durch entsprechende Behandlungs- und Sicherungsmaßnahmen im Strafvollzug wirksam begegnet werden (vgl. für den Strafvollzug in Rheinland-Pfalz: § 88 LJVollzG). Darüber hinaus darf es der rechtskräftig Verurteilte nicht in der Hand haben, sich durch Suiziddrohungen der Strafvollstreckung zu entziehen (OLG Hamm aaO.). Von einem Täter, dessen Schuld rechtskräftig festgestellt ist, muss daher grundsätzlich erwartet werden, dass er sich den mit der strafrechtlichen Sanktion verbundenen negativen Folgen seiner Taten stellt….“

Also ganz wohl ist mir bei der Entscheidung nicht. Und ein Hinweis: Die Leitsätze zu dem eingestelltem Volltext sind übrigens „amtlich“.