So häufig, wie man meint, sind im Verkehrsstrafrecht die Entscheidungen, die sich mit § 315c StGB – Straßenverkehrsgefährdung – befassen, nicht. Und meist behandeln sie dann die Problematik der nicht ausreichenden Feststellungen im subjektiven Bereich. So auch der OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.04.2014 – 1 Ss 542/14:
„Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs i. S. v. § 315c Abs. 1 Nr. 2 a), Abs. 3 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter grob verkehrswidrig und rücksichtslos die Vorfahrt nicht beachtet hat. Das Merkmal der groben Verkehrswidrigkeit stellt mehr auf die objektive, dasjenige der Rücksichtslosigkeit mehr auf die subjektive Seite ab (Fischer, StGB, 61. Aufl., § 315c Rn. 12). Rücksichtslos handelt, wer sich aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt. Bei bewusster grober Verkehrswidrigkeit ist Rücksichtslosigkeit in der Regel gegeben. Bei fahrlässigem Verhalten ist sie nicht ausgeschlossen, bei einem Augenblicksversagen liegt sie nicht vor. Das äußere Tatgeschehen reicht zur Beurteilung von Rücksichtslosigkeit nicht aus; es kommt vielmehr auf die konkrete Verkehrssituation unter Einschluss der Vorstellungs-und Motivlage des Täters an. Formelhafte Bezeichnungen der Motivation können eine konkrete Feststellung nicht ersetzen (Fischer, a. a. O., Rn. 14, 14a m. w. N.).
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es geht zwar in nicht zu beanstandender Weise von grober Verkehrswidrigkeit aus, enthält aber keine konkreten Feststellungen zur Vorstellungs- und Motivlage des Angeklagten, die den Schluss auf Rücksichtslosigkeit erlauben würden. Solche Feststellungen wären indes erforderlich, da das Amtsgericht nicht von bewusster grober Verkehrswidrigkeit, sondern von fahrlässigem Verhalten des Angeklagten ausgeht.“
Aber nicht deshalb fand ich den Beschluss so interessant, dass ich ihn hier vorstelle. Sonder wegen der Segelanweisung:
„Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – das im Übrigen keine ausreichenden Feststellungen dazu trifft, dass der Gegenverkehr für den Angeklagten schon „von dem Moment an, als er auf die Abbiegespur auffuhr,“ sichtbar gewesen wäre – ein Augenblicksversagen im oben genannten Sinne auch mehrere Sekunden lang anhalten kann und keine „sekundenschnell getroffene Fehlentscheidung“ erfordert.“
Also: Augenblicksversagen dauert nicht unbedingt nur einen Augenblick = eine Sekunde (?), sondern kann auch mehrere Sekunden dauern. Interessant wäre es zu erfahren, ob das OLG das auch im OWi-Verfahren beim sog. „Augenblicksversagen“ meint. Das würde da an mancher Stelle Auswirkungen haben.
Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…