Archiv für den Monat: Juni 2014

Bedingter Vorsatz – bewusste Fahrlässigkeit? Die Abgrenzung ist nicht so ganz einfach.

© M. Schuppich - Fotolia.com

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Der BGH, Beschl. v. 30.04.2013 – 2 StR 383/13 – zeigt mal wieder, wie nahe die Grenze zwischen „bedingtem Vorsatz“ und „bewusster Fahrlässigkeit“ zu ziehen ist. So nah, dass auch „ausgewachsene“ Strafkammer an der Stelle Fehler machen können, die der BGH dann korrigiert. Zugrunde lag dem Beschluss ein Kampfgeschehen, in dem der Angeklagte einen Geschädigten G mit einem Taschenmesser verletzt hat. In das Geschehen hatte sich ein weiterer Geschädigter E beschwichtigend eingemischt. Auch der wurde verletzt. Das LG hat auch insoweit Vorsatz angenommen, weil: „Auch hinsichtlich des Zeugen E. sei von vorsätzlichem Handeln auszugehen. Dass er diesen nicht habe verletzten wollen, ändere nichts daran, dass er dessen Einschreiten bemerkt und dennoch weiter unkontrolliert mit dem Messer zugeschlagen habe. Er habe dadurch einen Treffer des Zeugen jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen.“  Der BGH sieht das anders bzw. vermisst weitere/nähere Feststellungen zum (bedingten) Vorsatz:

b) Das Landgericht ist jedenfalls ohne genügende Begründung davon ausgegangen, dass der Angeklagte den eingetretenen Erfolg auch „billigend in Kauf“ genommen hat. Dass bei dem Angeklagten auch hinsichtlich einer Körperverletzung des Zeugen E. das voluntative Vorsatzelement gegeben ist, versteht sich bei der vom Landgericht geschilderten Tatsituation, die auf den Kampf gegen den Zeugen G. ausgerichtet war, auch nicht von selbst (vgl. BGH, NStZ 2008, 451).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit handelt der Täter vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgs-eintritt an sich unerwünscht sein; bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. Da die Grenzen dieser beiden Schuldformen eng beieinander liegen, müssen die Merkmale der inneren Tatseite in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Insbesondere die Würdigung zum voluntativen Vorsatzelement muss sich mit den Feststellungen des Urteils zur Persönlichkeit des Täters auseinandersetzen und auch die zum Tatgeschehen bedeutsamen Um-stände mit in Betracht ziehen. Geboten ist somit eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände. Hierbei können je nach der Eigenart des Falles unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen. Aus dem Vorleben des Täters sowie aus seinen Äußerungen vor, bei oder nach der Tat können sich Hinweise auf seine Einstellung zu den geschützten Rechtsgütern ergeben. Für den Nachweis bedingten Vorsatzes kann insbesondere „an die vom Täter erkannte objektive Größe und Nähe der Gefahr“ angeknüpft wer-den (BGHSt 36, 1, 9 f. mwN). An einer solchen Gesamtschau fehlt es hier.

Das Landgericht hat sich – ohne nähere Begründung – allein auf die Feststellung beschränkt, eine billigende Inkaufnahme liege vor. Dies genügt nicht, zumal sich dem Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass der Angeklagte eher auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut haben könnte, als ihn etwa gleichgültig hinzunehmen. Der Angeklagte war mit dem Zeugen E. freundschaftlich verbunden; dessen Verletzung war Anlass, das Kampf-geschehen abzubrechen, ihm zu folgen und sich sofort bei ihm zu entschuldigen. Mögen diese Umstände den Körperverletzungsvorsatz im Zeitpunkt der Ausholbewegung mit dem Messer zwar nicht grundsätzlich ausschließen, hätte sich doch der Tatrichter mit ihnen auseinandersetzen müssen, bevor er von einem billigenden Inkaufnehmen ausgeht.

War schon immer schwer, wenigstens für mich und wird oft auch falsch gemacht.

Sonntagswitz: Heute natürlich zu Pfingsten und was damit zu tun hat

© Teamarbeit – Fotolia.com

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Zum heutigen Pfingstsonntag einige „Pfingstwitze“ bzw. solche, die mit Pfingsten und dem heiligen Geist zu tun haben, nämlich:

Im Himmel wird der diesjährige Betriebsausflug geplant. Man weiß aber nicht so recht, wohin man fahren soll.
Erste Idee: Bethlehem. Maria ist aber dagegen. Mit Bethlehem hat sie schlechte Erfahrungen gemacht: Kein Hotelzimmer und so. Nein, kommt nicht in Frage.
Nächster Vorschlag: Jerusalem. Das lehnt Jesus aber ab. Ganz schlechte Erfahrungen mit Jerusalem!!
Nächster Vorschlag: Rom. Die allgemeine Zustimmung hält sich in Grenzen, nur der Heilige Geist ist begeistert: „Oh toll, Rom! Da war ich noch nie!“

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Eine junge Lehrerin gibt im Religionsunterricht in der ersten Klasse einer ländlichen Grundschule. Es ist kurz nach Christi-Himmelfahrt und auf dem Lehrplan steht das Thema Pfingsten.

Am Anfang der Stunde stellt die Lehrerin die Frage: „Was fällt euch ein, wenn ich „Pfingsten“ sage?
Sonntag, schulfrei, spielen, mit den Eltern spazieren fahren, waren die Antworten der Kinder. 

Die Lehrerin ist natürlich nicht zufrieden. Sie wollte wissen, was denn wohl an christlich-religiösem Gedanken vorhanden war.  Sie meinte dann,  ganz geschickt vorzugehen mit folgender Frage: „Was passierte Weihnachten, wer kommt da? „
Hier bekam sie sehr schnell die Antwort: „Das Christkind !“
„Na, und  was feiert man  Ostern?“
Das war schon schwieriger. Aber einige  Kinder sprechen von der Kreuzigung Jesu und seiner Auferstehung.
Nun in der Hoffnung, den Gedankenkreis Pfingsten genügend vorbereitet zu haben, fragte sie: „Und wer kommt Pfingsten?“
Stille, alle denken gespannt nach  Endlich meldet sich ein Kind. Glücklich, dass es ein Kind  zu wissen schien, ruft die Lehrerin es auf.
Das Kind erhebt sich stolz:. „Der Pfingstochse!“ sagte es laut.

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Fritzchen hat wieder mal seine liebe Not mit den Schularbeiten.
„Papa, schreibt man „Gewehr“ e oder mit ä?“
Papa nach kurzem Überlegen: „Ist doch einfach, schreibt „Flinte“, mit  V wie Pfingsten!“

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und dann war da noch:

Ist’s an Ostern schön und warm, kommt die Verwandtschaft und frisst dich arm.
Ist’s an Pfingsten schön und heiter, kommt sie wieder und frisst weiter.

Wochenspiegel für die 23. KW., das war(en) NSU, pädophile Erzieher, ein altes Nacktfoto und der Sado-Maso-Urlaub

entnommen wikimedia.org Urheber Tropenmuseum

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Zunächst allen Lesern ein schönes – vielleicht doch nicht zu warmes – Pfingstwochenende. Die kommende Woche bringt uns dann den Start der Fußball-WM in Brasilien und dann vier Wochen Fußball – für die, die es mögen sicherlich eine „heiße“ Zeit, für alle anderen etwas mühsam, aber manchmal steckt die Euphorie, wenn es es denn eine gibt, ja auch an. Zunächst aber noch der Rückblick auf die 23. KW. mit folgenden Themen/Postings:

  1. auf: NSU – Aktuelle Zeugenladungen: Oma, V-Mann, Bruder
  2. Examensbetrug mit System – ein alter Hut
  3. Die acht goldenen Regeln der allgemeinen Vernehmungslehre,
  4. Erzieher unter Generalverdacht,
  5. auf ein jahrzehntesaltes Nacktfoto,
  6. auf den Sado-Maso-Urlaub und die Steuerbegünstigung,
  7. auf Tattoos, aber nicht für Sträflinge,
  8. für die ggf. mitlesenden Referendare: NRW: Das wird teuer! Beihilfenachzahlungen an Referendare,
  9. die Frage, ob ein Kieferbruch zu einem Verfahren gegen einen Polizisten führt, oder auch nicht,
  10. und dann war da noch das, was Juristen in der 23. KW. erheiterte.

Bin drin – der Online-Check-In und seine Folgen

entnommen wikimedia.org Urheber Mtcv

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Urheber Mtcv

Wir allen kennen den Online-Check-In und haben ganz vergessen, was es früher für ein Problem war, bei einer Flugreise einzuchecken. Heute ist man via Internet „schnell drin“. Was ich mich in dem Zusammenhang aber immer auch frage: Was ist denn nun eigentlich, wenn mir nach dem (Vorabend)Online-Check-In noch etwas dazwischen kommt mit der Folge, dass ich die Reise dann doch nicht antreten kann. Also, z.B., krank werde. Kann ich dann noch zurücktreten?

Dazu gibt es jetzt – nun ja schon etwas länger, aber ist erst jetzt veröffentlicht worden – eine Entscheidung des AG München. Das hat im AG München, Urt. v. 30.10.13 – 171 C 18960/13 (hier die PM) entschieden, dass der Versicherungsschutz einer Reiserücktrittsversicherung nicht beim Online Check-In ende, da damit die Reise noch nicht angetreten ist. Dazu aus der PM:

Am 3.4.13 buchte ein Düsseldorfer Kläger eine Flugreise vom 28.4.13 bis 17.5.13 von Frankfurt nach Santo Domingo. Gleichzeitig hat er eine Reiserücktrittsversicherung bei einer Münchener Versicherung abgeschlossen. Am Vormittag des 28.4.13 nutzte er das Angebot der Fluggesellschaft zum sogenannten Online Check-In. Kurz nachdem er eingecheckt hatte, erkrankte er so schwer, dass er nicht mehr flugfähig war und stornierte den Flug bei der Fluggesellschaft.

Nach den Versicherungsbedingungen der Reiserücktrittsversicherung beginnt der Versicherungsschutz mit der Buchung der Reise und er endet mit dem Antritt der Reise. Der Düsseldorfer Kläger verlangt nun von der Versicherung die Reisekosten erstattet. Er argumentiert, dass er den Flug aus medizinischen Gründen nicht angetreten habe. Die Versicherung weigert sich zu zahlen. Sie ist der Meinung, dass mit dem Einchecken die Flugreise angetreten wurde und damit der Versicherungsschutz geendet hat.

Der Richter gab dem Düsseldorfer Kläger Recht:
Das klassische Check-In-Verfahren am Flugschalter im Abfertigungsgebäude eines Flughafens diene der Kontrolle von Unterlagen, wie zum Beispiel Pass oder Visum, jedoch vorrangig der Gepäckaufgabe und der Übergabe der Bordkarte.

Das Online Check-In-Verfahren diene maßgeblich den wirtschaftlichen Interessen der Fluggesellschaften. Diese könnten Personal einsparen, wenn die Reisenden den Vorgang des Eincheckens in Eigenregie durchführen. Mit dem Online Check-In erkläre der Reisende der Fluggesellschaft gegenüber, dass er beabsichtigt, die vertraglich vereinbarte Beförderung durch die Fluggesellschaft abzurufen. Dieser Zeitpunkt ist aber noch nicht der faktische Reiseantritt. Das Gericht ist der Meinung, dass für den Reiseantritt der Reisende zumindest auch faktisch Leistungen der Fluggesellschaft in Anspruch nehmen muss, die unmittelbar mit der Beförderung verbunden sind. So nehme ein Reisender mit der Aufgabe von Gepäck am Flughafenschalter eine solche Leistung in Anspruch, da dieses Gepäck zum Zweck der Beförderung in den Frachtraum transportiert wird. Weiterhin könne man von einem Reiseantritt ausgehen, wenn der Reisende unter Vorlage seiner Bordkarte den Flugsteig passiert, um das Flugzeug betreten zu können. Das Gericht hat offen gelassen, ob durch die Vorlage der Bordkarte bei der Sicherheitskontrolle im Abflugbereich ein Reiseantritt erfolgt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Bahn macht mobil/muss aktiv werden – Nachrüsten bei der Bahn

entnommen wikimedia.org  Urheber Sebastian Terfloth User:Sese_Ingolstadt

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Urheber Sebastian Terfloth User:Sese_Ingolstadt

Etwas verspätet, auch bei uns der Hinweis auf das OVG Münster, Urt. v. 16 A 494/13, über das ja auch schon anderen Stellen berichtet worden ist. Ich denke, die Sektkorken werden bei der Deutschen Bahn nicht geknallt haben vor lauter Freude über die Entscheidung. Denn danach müssen auf allen Bahnhöfen und Stationen Fahrgäste über Zugausfälle und Verspätungen „aktiv“ informiert werden. Es ist nicht ausreichend, wenn Aushänge nur auf die Telefonnummer einer Service-Hotline hinweisen.

Eine entsprechende Anordnung hatte das Eisenbahnbundesamt gegenüber der Klägerin, die ungefähr 5.500 Bahnhöfe und Stationen betreibt, erlassen. Die dagegen gerichtete Klage blieb schon in erster Instanz vor dem VG Köln ohne Erfolg. Das OVG Münster hat nunmehr die Berufung gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Begründung: Die Pflicht zur Information an Bahnhöfen folge aus Art. 18 Abs. 1 der Fahrgastrechte-Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 . Danach seien die Fahrgäste über Verspätungen „zu unterrichten“ und nicht lediglich darüber zu informieren, wo die Informationen für sie bereitgestellt würden. Die Informationspflicht bestehe nicht nur im Rahmen vorhandener Ressourcen. Ggf. habe die Klägerin Investitionen zu tätigen, um ihrer Informationspflicht nachzukommen.

Nun ja: Also Nachrüsten? Es aber nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das OVG hat die Revision zum BVerwG zugelassen. Und bevor man da nicht entschieden hat, wird die Bahn nichts tun.