Archiv für den Monat: April 2014

„Gekotzt“ wird auf dem Seitenstreifen, oder: Brechtüten in die/der Taxe?

man_vomitingManchmal ist zu einer bestimmten Problematik monate-/jahrelang Ruhe. Und dann gibt es auf einmal dazu Entscheidungen. So im Moment zum rechtfertigenden Notstand bei der Geschwindigkeitsüberschreitung. Nach dem Stuhldrang beim AG Lüdinghausen  (vgl. “ein drückendes Problem” – das AG Lüdinghausen und der Stuhldrang) nun das befürchtete Erbrechen beim OLG Bamberg. Da war es ein Taxifahrer, den das AG frei gesprochen hatte. Es war der Einlassung des Taxifahrers gefolgt, wonach dieser zwei betrunkene Fahrgäste befördert und deswegen auf einer BAB die Geschwindigkeit überschritten hatte, um die nächste Ausfahrt zu erreichen. Er habe damit verhindern wollen, dass einer der Fahrgäste sich im Fahrzeug übergeben müsse und sein Fahrzeug mit Erbrochenem verunreinige. Das OLG Bamberg hebt im OLG Bamberg, Beschl. v. 04.09.2013 – 3 Ss OWi 1130/13 – erst jetzt bekannt geworden – auf:, und zwar weil:

  • das amtsgerichtliche Urteil legt nicht dar,  wieweit das Taxi von der nächsten Ausfahrt oder einem Parkplatz entfernt war. Deshalb könne nicht nachvollzogen werden, ob der Betroffene berechtigter Weise annehmen durfte, er könnte durch schnelles Fahren die bevorstehende Verunreinigung seines Fahrzeugs durch Erbrochenes verhindern.
  • dem Urteil lässt sich nicht entnehmen lässt, inwiefern – abgesehen von einem Anhalten auf dem Seitenstreifen – andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um die Gefahr der Verunreinigung des Taxis abzuwehren. Es liege in jeder Hinsicht nahe, dass in Taxis sog. Brechtüten, wie dies in Flugzeugen üblich ist, mitgeführt werden.
  • es kann nicht von einem Überwiegen der Interessen des Betroffenen ausgegangen werden.

Nicht nachvollziehen kann ich das Argument mit den Brechtüten. Liegt es wirklich „in jeder Hinsicht nahe, dass in Taxis sog. Brechtüten, wie dies in Flugzeugen üblich ist, mitgeführt werden„? Da muss dich dann demnächst doch mal nachfragen.

Tragen eines FDJ-Hemdes, strafbar oder nur geschmacklos?

entnommen wikimedia.org Urheber Original uploaded by Appaloosa (Transferred by Minderbinder)

entnommen wikimedia.org
Urheber Original uploaded by Appaloosa (Transferred by Minderbinder)

Ich hatte gerade die Anfrage eines Autors für den StRR, ob wir dort nicht über das Thema „Strafbarkeit des Tragens eines FDJ-Hemdes“ berichten wollen. Ich räume ein, die Frage hatte ich nun wirklich „nicht auf dem Schirm“, sie hat aber gerade erst ein Berliner AG beschäftigt. Das hat das öffentliche Tragen eines Emblems der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ) als straffrei – kein Verstoß gegen § 86a StGB – angesehen. Es sei zwar eine Geschmacklosigkeit, am Rande einer Gedenkveranstaltung zum Tag des Mauerbaus mit einem solchen Hemd aufzutreten. Weiter heißt es: „Doch seit 1990 falle einem bei den blauen Hemden mit dem Sonnen-Symbol nur die FDJ-Ost ein, sagte der Richter. Anders als die FDJ-West sei der frühere Staatsjugendverband der DDR aber nicht verboten. Daher wurden die Angeklagten freigesprochen.“

Mehr dazu hier bei NTV, bei der Berliner Morgenpost oder beim Tagesspiegel. Und demnächst dann wahrscheinlich im StRR. Ist mal was anderes als die 85. Ableitung des BGH zur Untreue.

Welche Gebühren verdient der Terminsvertreter? – Alle!!!

© fotomek - Fotolia.com

© fotomek – Fotolia.com

Nach dem „schlechten“ OLG Celle, Beschl. v. 12.03.2014 – 1 Ws 84/14 (vgl. dazu das Posting: Bekommt der Pflichtverteidiger eine Mittagspause bezahlt?) vor Beginn der Arbeitswoche am Osterdienstag dann ein erfreulicher Beschluss aus dem Süden, nämlich der OLG München, Beschl. v. 27.02.2014 – 4c Ws 2/14. Auch er behandelt ein in Rechtsprechung und Literatur umstrittenes Thema, nämlich die Frage, welche Gebühren der sog. Terminsvertreter des Pflichtverteidigers verdient. Und da trifft das OLG die „richtige“ Entscheidung. Dazu die Leitsätze des OLG:

„1. Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger beigeordnet worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.
2. Die Grundgebühr entsteht nach dem gesetzlichen Wortlaut Nr. 4100 Abs. 1 RVG-VV neben der Verfahrensgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt. Somit wird mit der Grundgebühr das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen abgegolten. Spätere sich anschließende Gespräche, die z.B. dem konkreten Aufbau der Verteidigungsstrategie dienen, werden nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der neben der Grundgebühr entstehenden Verfahrensgebühr umfasst.
3. Von der Terminsgebühr wird umfasst die gesamte Tätigkeit des Pflichtverteidigers im Hauptverhandlungstermin. Erfasst wird auch die Vorbereitung des konkreten Hauptverhandlungstermins, nicht jedoch die allgemeine Vorbereitung der Hauptverhandlung. Die insoweit erbrachten Tätigkeiten werden von der Verfahrensgebühr abgegolten.“

Dazu kurz:

1. Dass der Verteidiger, der in der Hauptverhandlung den Pflichtverteidiger „vertritt“ voller Verteidiger i.S. von Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG ist, ist weitgehend unbestritten. Geht man jedoch davon aus, dann stehen ihm auch alle Gebühren und nicht etwa nur die Terminsgebühr zu. Auf die Begründung des OLG München kann verwiesen werden.
2. Auch die Ausführungen des OLG zum Abgeltungsbereich der drei Gebühren: Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr sind zutreffend. Das OLG hat die erbrachten Tätigkeiten richtig den unterschiedlichen Abgeltungsbereichen der drei  Gebühren zugeordnet. Wegen weiterer Nachweise kann auf die vom OLG angeführte Literatur verwiesen werden. Dass das OLG zum Verhältnis Grundgebühr/Verfahrensgebühr offenbar auf den durch das 2. KostRMoG v. 23.07.2013 (BGBl 2013, S. 2586) geänderten Wortlaut der Anmerkung 1 zu Nr. 4100 VV RVG abstellt, obwohl es sich um einen so. Altfall gehandelt, hat, ändert an der Richtigkeit der Entscheidung nichts.

 

Bekommt der Pflichtverteidiger eine Mittagspause bezahlt?

Geld MünzenBringen wir dann heute am Ostermontag noch zwei Gebührenentscheidungen: Eine „gute“, und eine „schlechte“. Die „schlechte“ zuerst. Es handelt sich um den OLG Celle, Beschl. v. 12.03.2014 – 1 Ws 84/14 -, der die in Rechtsprechung und Literatur heftig umstrittene Frage behandelt, ob der Pflichtverteidiger im Rahmen des sog. Längenzuschlags eine Mittagspause bezahlt bekommt oder nicht. Das OLG Celle ist da ganz rigoros und sagt: Nein:  Die Zeit der Mittagspause ist unabhängig von ihrer Länge grundsätzlich und regelmäßig in vollem Umfang von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen. Das sehen andere OLG anders (vgl. zuletzt das Posting Ich habe da mal eine Frage: Bekommt der Pflichtverteidiger die Mittagspause bezahlt? zum OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.10.2013 – 1 Ws 166/12 ). Kann man drum streiten und auch dazu schreiben, warum es nicht richtig ist. Es bringt aber letztlich nichts mehr, da die OLG von ihren einmal gefundenen Positionen nicht abweichen.

Zutreffend ist allerdings der Hinweis des OLG:

„Es ist zwar misslich, dass der Gesetzgeber trotz des nunmehr schon mehrjährigen Streits über diese Frage bislang eine Klärung nicht herbeigeführt hat. Dies hat aber nicht automatisch zur Folge, dass der Ansicht des Beschwerdeführers zu folgen ist. Der Gesetzgeber hat die Regelungen über Längenzuschläge für bestellte Verteidiger in das RVG aufgenommen, um diesen den besonderen Zeitaufwand für anwaltliche Tätigkeit angemessen zu honorieren und sie nicht mehr auf die Möglichkeit der Bewilligung einer Pauschvergütung zu verweisen. Diesem gesetzgeberischen Willen lässt sich weder für noch gegen die Anrechnung der Mittagspause etwas entnehmen. Zwar hat der Gesetzgeber an die obergerichtliche Rechtsprechung zur Annahme eines besonders umfangreichen Verfahrens im Rahmen der Prüfung einer Pauschvergütung angeknüpft, als er die Zeitrahmen für die Längenzuschläge festsetzte. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Mittagspause bei der Bestimmung des Verfahrensumfangs bestand aber bereits damals keine einheitliche Rechtsprechung (vgl. OLG Celle aaO; OLG Oldenburg aaO jew. mwN).“

Das Ganze ist sicherlich ein Punkt, den man in einem 3. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz regeln sollte. 🙂

Gesponserte Weihnachtsfeier beim Amt – daraus wird dann eine Vorteilsannahme

© by-studio – Fotolia.com

© by-studio – Fotolia.com

Passt nicht ganz zum heutigen Ostermontag, aber bis Weihnachten wollte ich nicht mit dem Hinweis auf den OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.04.2014 – (1) 53 Ss 39/14 (21/14) – warten. Thematisch geht es nämlich um eine gesponserte Weihnachtsfeier eines Amtes in Brandenburg. Die hat der Amtsdirektorin dann eine Verurteilung wegen Vorteilsannahme gebracht, die jetzt rechtskräftig geworden ist. 

Der Amtsdirektorin Gudrun L. war vorgeworfen worden, sich als Amtsträgerin der Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB schuldig gemacht zu haben, indem sie eine Weihnachtsfeier ihres Amtes von einem Unternehmer finanzieren ließ, der an der Vergabe weiterer Aufträge zur Sanierung von Mülldeponien interessiert war. Das AG Brandenburg an der Havel hatte die Angeklagte deshalb mit Urt. v. 07. 09. 2010 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100,00 € verurteilt, die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Potsdam zurückgewiesen. Jetzt hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen OLG dann auch noch die Revision der Angeklagten als unbegründet verworfen. In der PM heißt es: Danach steht fest, dass die Angeklagte für sich und weitere Mitarbeiter des Amtes einen Vorteil im Zusammenhang mit einer Dienstausübung angenommen hat, da der Unternehmer die Finanzierung der Weihnachtsfeier nur deshalb anboten hatte, um bei der Vergabe noch ausstehender Aufträge berücksichtigt zu werden. Die Kosten in Höhe von 750,00 EUR für die Feier in einer Gaststätte mit kabarettistischem Rahmenprogramm waren absprachegemäß von dem Unternehmer beglichen worden.“

Quelle: PM des OLG Brandenburg vom 14.04.2014 – Volltext interessiert mich. Mal sehen, wann der kommt.