Archiv für den Monat: Juli 2013

„…dein Bruder ist Polizeibeamter…“ – deshalb höhere Strafe?

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Ich hatte ja heute Morgen schon über den verfahrensrechtlichen Teil des BGH, Beschl. v. 14.05.2013 – 1 StR 122/13, berichtet unter dem Posting: Saalräumung und “Abriegelung” des Sitzungssaals – da muss man als Verteidiger handeln. Der  BGH, Beschl. v. 14.05.2013 – 1 StR 122/13 ist aber auch noch wegen einer materiellen rechtlichen Frage, die die Strafzumessung betrifft ganz interessant.

Das LG hat den Angeklagten wegen von ihm als Teilnehmer an einer Demonstration begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Landfriedensbruch und versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen – zum Nachteil von zwei Polizeibeamten – zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Bei der Bemessung der Jugendstrafe hat das LG zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass sein Bruder Polizeibeamter sei und „von daher hätte erwartet werden können, dass der Angeklagte für andere Polizeibeamte, die pflichtgemäß das tun, was ihnen befohlen wird, etwas Verständnis aufbringt“.

Diese Erwägung hat der BGH beanstandet und den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben:

„..Diese Erwägung erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass der Bruder des Angeklagten ebenso Polizeibeamter ist wie die vom Angeklagten angegriffenen Geschädigten, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben und sich dieser daher auf das Maß der der Tat innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 371/10, NStZ-RR 2011, 5)….

Es ist vollbracht – RiBGH Thomas Fischer jetzt VorRiBGH

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RiBGH war Prof. Dr. Thomas Fischer ja schon länger, VorsRiBGH sollte er werden, dann wollte aber der Präsident des BGH nicht mehr. Der Streit um die Besetzung der Strafsenate hat dann nicht nur das VG Karlsruhe, sondern im Grunde auch das BVerfG – wegen der Auswirkungen – beschäftigt. Und natürlich auch die Blogs. Nun hat das Hin und Her ein Ende. Der BGH meldet mit seiner PM Nr. 108 v. 01.07.2013: “

„Neue Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof und neue Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof

Der Bundespräsident hat Richterin am Bundesgerichtshof Beate Sost-Scheible zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Thomas Fischer und Dr. Rolf Raum zu Vorsitzenden Richtern am Bundesgerichtshof ernannt….
….

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Thomas Fischer ist 60 Jahre alt. Nach dem Abschluss seiner juristischen Ausbildung trat er im Jahr 1988 in den höheren Justizdienst des Landes Bayern ein. Dort wurde er zunächst beim Landgericht Ansbach und bei den Amtsgerichten Ansbach und Weißenburg i. Bay. eingesetzt. Im Jahr 1991 wurde er zum Staatsanwalt ernannt und gleichzeitig für zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Bundesgerichtshof abgeordnet. Anschließend wechselte er zum Landgericht Leipzig, wo er im Jahr 1993 zum Richter am Landgericht und im Jahr 1994 zum Vorsitzenden Richter am Landgericht ernannt wurde. In der Zeit von 1996 bis 2000 war er als Ministerialrat im Sächsischen Staatsministerium für Justiz tätig. Am 1. Juli 2000 erfolgte seine Ernennung zum Richter am Bundesgerichtshof. Seitdem gehört er dem 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs an, seit 2008 als dessen stellvertretender Vorsitzender. Im Zeitraum von Januar 2003 bis Mai 2005 war er neben seiner Senatstätigkeit als Ermittlungsrichter eingesetzt. Außerdem war er ab 2007 mehrere Jahre lang ständiger Beisitzer im Dienstgericht des Bundes.

Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat Herrn Prof. Dr. Fischer den Vorsitz im 2. Strafsenat übertragen.
……“

Was lange währt….

Saalräumung und „Abriegelung“ des Sitzungssaals – da muss man als Verteidiger handeln

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In einem Verfahren beim LG Nürnberg-Fürth kommt es in der Hauptverhandlung zu Störungen durch Zuhörer und später zu „lautstarken gruppendynamischen Prozessen“, offenbar haben auch die Saaltüren geknallt.  Hintergrund bzw. Verfahrensgeschehen? Der Vorsitzende lässt aufgrund von und der Störungen sämtliche Zuhörer mit Ausnahme der Pressevertreter aus dem Saal entfernen. Das wird mit der Revision als „Ausschluss der Öffentlichkeit“ beanstandet. Aber erfolglos, denn der Verteidiger hat im Verfahren nicht bzw. nicht richtig reagiert. Dazu der BGH, Beschl. v. 14.05.2013 – 1 StR 122/13, in dem der 1. Strafsenat zu den vom Verteidiger erhobenen Verfahrensrügen Stellung genommen hat:

Zur Saalräumung:

„Soweit die Revision die sitzungspolizeilich angeordnete Entfernung sämtlicher Zuhörer mit Ausnahme der Pressevertreter als Ausschluss der Öffentlichkeit beanstandet, da insoweit auch „Nichtstörer“ von der Räumung betroffen gewesen seien, stellt dies wegen der Berührung des Grundsatzes der Öffentlichkeit eine sachleitende Maßnahme im Sinne des § 238 Abs. 2 StPO dar (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 – 4 StR 46/08, NStZ 2008, 582; Schneider in KK StPO, 6. Aufl., § 238 Rn. 14; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 238 Rn. 21). Die Verteidigung wäre daher gehalten gewesen, die Anordnungen des Vorsitzenden zu beanstanden und eine Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO herbeizuführen. Indem sie dies auch in Bezug auf die Entfernung der Mutter des Angeklagten unterlassen hat, hat sie sich insoweit der Rügemöglichkeit begeben….“

Zur Abriegelung:

Soweit die Revision jedoch die behauptete faktische Versagung des Zugangs zum Sitzungssaal für potentielle „neue Zuhörer“ angreift, wird entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO schon nicht vorgetragen, dass diese von der Räumung zu differenzierende „Abriegelung“ vom Gericht oder vom Vorsitzenden zu vertreten oder ihnen überhaupt bekannt war (vgl. zur dahingehenden Vortrags-flicht Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 113, 139 mwN). Allein der Vortrag, es habe „lautstarke gruppendynamische Prozesse“ gegeben, genügt hierfür nicht, da dies auch im Zusammenhang mit der Räumung gestanden haben kann. Soweit die Revision nunmehr vorträgt, das Gericht hätte das laute mechanische Schließgeräusch der Tür wahrnehmen müssen, erfolgte dieser Vortrag – ungeachtet seiner Erweisbarkeit – schon nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO, in der die den geltend gemachten Mangel begründenden Tatsachen angegeben werden müssen.::“

Nachtrag um 17.30 Uhr: zum materiell-rechtlichen Teil der Entscheidung vgl: “…dein Bruder ist Polizeibeamter…” – deshalb höhere Strafe?

Lesetipp: Abrechnung im Bußgeldverfahren im Kampf um die Akteneinsicht

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Zum Wochenanfang einen Lesetipp, nämlich der Hinweis auf den in der letzten Woche auf meiner Homepage eingestellten Beitrag aus VRR 2013, 213 „Abrechnung im Bußgeldverfahren: Verfahren wegen Akteneinsicht und einem damit verbundenen Rechtsmittels“ Der Beitrag enthält eine Darstellung der Abrechnung der Rechtsbehelfe in Zusammenhang mit dem Kampf um Akteneinsicht/die Bedienungsanleitung. Gute Arbeit, gute Lohn? Leider nicht so ganz, aber selbst lesen…..