Archiv für den Monat: Oktober 2012

35 Minuten – dafür gibt es auf jeden maximal Fall 137 € – der Hafttermin

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Das RVG sieht in der Nr. 4102, 4103 VV RVG eine sog. (Vernehmungs)Terminsgebühr für einige außerhalb der Hauptverhandlung stattfindende Termine vor. Letztlich sind die Gebühren nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft, ausreichend ist – wie bei anderen Terminsgebühren auch – letztlich die Teilnahme des Rechtsanwalts an dem jeweils genannten Termin. Nur bei der Nr. 4203 Ziff. 3 VV RVG muss zusätzlich hinzukommen, dass in dem Hafttermin, um den es da geht , auch „verhandelt“ worden sein muss. Und um die Frage, wann denn „verhandelt“ worden ist bzw. was „Verhandlung“ bedeutet, gibt es immer wieder Streit.

Ausgehen muss man bei der Auslegung der Vorschrift von ihrem Sinn und Zweck. Der Begriff „Verhandeln“ soll verhindern, dass auch bloß kurzfristige Haftbefehlseröffnungen zu einer Terminsgebühr führen. Der Gesetzgeber ist wohl davon ausgegangen, dass Verteidiger nichts anderes zu tun haben, als ggf. an Haftbefehlseröffnungen teilzunehmen, um als Pflichtverteidiger dann später ggf. die Gebühr Nr. 4102, 4103 VV RVG mit einem Festbetrag von max. 137 € (für bis zu drei Termine!!!)  abrechnen zu können. Deshalb entsteht die Gebühr nicht, wenn im Termin lediglich eine Aushändigung und Bekanntgabe, also die Verkündung eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO, stattfindet. Alles, was darüber hinaus passiert, wird aber i.d.R. zu der Gebühr N.r 4102, 4103 VV RVG führen

So auch der LG Traunstein, Beschl. v.  20.09.2012 – 1 Ks 201 Js. 3874/1 . Da hatte der Termin 35 Minuten gedauert und es ist auch einiges „passiert“ mit der Folge, dass die Gebühr gewährt worden ist.

Insgesamt dauerte der Termin vor der Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Rosenheim 35 Minuten. Schon aufgrund des dargestellten Ablaufs und der Dauer dieses Termins steht für die Strafkammer hier außer Frage, dass ein ‚Verhandeln“ stattfand, das Grundlage für den Erlass des Haftbefehls und für den Beschluss über die Pflichtverteidigerbestellung war. Es fand nicht nur die bloße Aushändigung oder Bekanntgabe eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO statt, sondern eine Verhandlung mit Anhörung und Antragstellung, deren Ergebnis der Erlass des Haftbefehls (ohne Außervollzugsetzung), also eine Entscheidung über Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft war. Ein stärker belastendes und bindendes Ergebnis dieser „Verhandlung“ vor der Ermittlungsrichterin ist kaum denkbar.

Insoweit an sich nichts Besonderes. Aber: Das LG setzt sich dann auch noch mit der Frage auseinander, wie es mit mit dem Anfall der Gebühr aussieht, wenn der Beschuldigte im Termin schweigt/sich nicht einlässt. Und die Ausführungen bieten Argumentationshilfe in anderen Fällen:

Der Beschuldigte hatte nach Eröffnung des Tatvorwurfs und nach Belehrung über seine Verfahrensrechte über seinen Verteidiger nicht bloß geschwiegen, sondern die ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass er derzeit keine weiteren Angaben mache; damit hat er von einer ihm zuvor eröffneten Möglichkeit, nämlich inhaltlich sich nicht zur Sache zu äußern, Gebrauch gemacht; prozessual hat er sich aber insoweit geäußert,

 Würde an diese dem Beschuldigten frei zur Auswahl stehende Wahlmöglichkeit nachträglich im Wege des Kostenrechts die Folge geknüpft, dass der Verteidiger für die Teilnahme an dem Termin keine Gebühr erhielte, so würde über den Umweg des Kostenrechts Druck auf den Beschuldigten ausgeübt und er in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, weil ihm wegen der kostenrechtlich nachteiligen Folgen für seinen Verteidiger es zweckmäßiger erscheinen könnte und müsste, sich Inhaltlich zur Sache zu äußern, damit sein Verteidiger keinen Gebührennachteil erleidet Dies würde aber im Widerspruch zu der dem Beschuldigten vorher eröffneten Wahlfreiheit stehen, sich inhaltlich zur Sache zu äußern oder nicht, und dieses Verfahrensgrundrecht („nemo tenetur se ipsum accusare“) aushöhlen.

Handydaten in Berlin – Rot-Schwarz will Funkzellenabfrage konkretisieren

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„Handydaten in Berlin Rot-Schwarz will Funkzellenabfrage konkretisieren“ so hieß es vor einigen Tagen bei LTO. Berichtet wurde über die „Fortschritte“ bei der politisch umstrittenen Funkzellenabfrage. In der Meldung heißt es dann weiter:

„Die Berliner Regierungskoalition will an der umstrittenen Funkzellenabfrage für die Verbrecherjagd festhalten und dafür die Rahmenbedingungen konkretisieren. SPD und CDU einigten sich am Mittwoch darauf, die Maßnahme über eine Bundesratsinitiative gesetzlich auf schwere Straftaten beschränken zu wollen. Zudem sollen die Bürger über mögliche Erfassungen besser informiert werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Mittwoch.

Die massenhaften Überprüfung von Handydaten ist umstritten, da vor allem Unbeteiligte betroffen sind. Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix kritisierte jüngst erhebliche Mängel. So sei das „letzte Mittel bei der Polizeiarbeit“ zur Alltagsmaßnahme geworden. Oft fehle eine Begründung für den Einsatz. Betroffene seien nicht wie vorgeschrieben informiert und unnötige Daten gelöscht worden.

Die Rechtspolitiker Sven Kohlmeier (SPD) und Sven Rissmann (CDU) erklärten, im „Herbst der Entscheidungen“ würden „Grundrechtsschutz und Strafverfolgungsinteresse“ in Ausgleich gebracht. „Vorstellbar ist es, Betroffene über eine Internetseite zu informieren“, sagte Rissmann. Der technische und finanzielle Aufwand müsse nun geprüft werden. Dass Betroffene grundsätzlich einzeln informiert werden wollten, glaube er nicht. „Das würde sie nur unnötig beunruhigen.“

Grüne wollen Abfrage nur als letztes Mittel

Die Piraten kritisierten den SPD/CDU-Vorstoß als „Nullnummer“. „Seit Februar fordern wir eine restriktivere Handhabung“, sagte Fraktionschef Christopher Lauer. Dazu reiche eine entsprechende Dienstanweisung des Justizsenators an die Staatsanwaltschaft, den Einsatz künftig genau zu begründen. „Es ist lächerlich, dass sich Betroffene nun im Internet selbst schlaumachen sollen“, sagte Lauer weiter. „Die Bringschuld liegt beim Staat, das ist Gesetz.“

Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux forderte, die Abfrage nur als letztes Mittel zuzulassen. „Bislang reicht es, wenn die Ermittlungen sonst ‚wesentlich erschwert‘ sind – das ist ein sehr dehnbarer Begriff.“ Es sei zudem nicht erwiesen, dass die Maßnahme überhaupt im Verhältnis zum Erfolg stehe.

6,5 Millionen Datensätzen angefallen

Bei der Abfrage werden anonyme Daten von Mobilfunknutzern in einem bestimmten Gebiet und Zeitraum erhoben. Dazu zählen etwa Rufnummer, Anfangs- und Endzeit von Gesprächen sowie der ungefähre Standort. Die Anschlussinhaber werden erst nach weiteren Anhaltspunkten ermittelt. Laut Polizei ist dies in weniger als einem Prozent der Fall.

Zwischen 2009 und Ende Juli 2012 wurde die Funkzellenabfrage in Berlin in 1.109 Verfahren eingesetzt. In 116 Fällen wurden neue Ermittlungsanhalte gewonnen – ob damit Täter überführt werden konnten, ist jedoch unklar. Insgesamt fielen mehr als 6,5 Millionen Datensätze an.

 

Sonntagswitz: Dämliche Diebe XV

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Aus der Serie „Dämliche Diebe“ (eine Sammlung u.a. auch hier).

Drei Männer wollten 1975 den Safe einer Bank in Schottland leeren, blieben aber schon bei ihrer Ankunft in der Drehtür stecken. Bedienstete befreiten sie, die Männer dankten und gingen, kamen aber zurück, schafften diesmal die Drehtür und forderten vom Kassierer 5000 Pfund. Der Angestellte lachte sie aus, ein Räuber setzte wutentbrannt zum Sprung über den Tresen an, brach sich dabei aber den Knöchel. Die beiden anderen wollten fliehen, blieben jedoch in der Drehtür stecken.

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Der Polizei leicht gemacht haben es zwei Schüler aus Toisdorf bei Siegburg, die in einem unbewachten Moment in eine Schreibtischschublade einer Fahrschule griffen und mit mehreren hundert Mark blitzschnell verschwanden.
Die beiden Burschen sind am Abend für einen Vortest für die Mofa-Prüfbescheinigung in die Fahrschule gekommen. Nachdem sie sich mit dem Geld aus dem Staub machten, verfolgte sie der 55jährige Fahrlehrer, verlor aber im Dunkeln ihre Spur. Dies war aber nicht weiter tragisch, da die beiden Nachwuchsganoven vor ihrer Tat brav ihre Adressen in die Prüfbogen eingetragen hatten. Noch am gleichen Abend konnten die beiden 15jährigen Diebe ermittelt werden.

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Und LTO hat nicht über einen „dämlichen Dieb“, sondern über einen „bekehrten Dieb“ berichtet, der sein Herz für Kinder entdeckt hat:

Anfang der Woche war der Mann am Abend in ein Einfamilienhaus eingedrungen. Nach verschiedenen Medienberichten bedrohte er zunächst den Babysitter der Kinder mit einer Pistole, bis auch die Kleinen ihn entdeckten. Daraufhin holten sie ihr Erspartes hervor und boten es dem Räuber an. Offenbar war dieser von der Offerte der Kinder so gerührt, dass er die Pistole wieder einsteckte und sein Vorhaben daraufhin unmittelbar abbrach. Er verliess das Haus ohne Beute gemacht zu haben.

 

Wochenspiegel für die 41 KW., das war der Facebook-Eintrag und die MPU, das Kachelmann-Buch und 12.534 € Minus auf dem Konto

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Aus der 41 KW. ist berichtenswert bzw. wir berichten über:

  1. natürlich das „Kachelmann-Buch, vgl. auch hier, hier und hier,
  2. die Frau, der wegen eines Facebook-Eintrags mit einer MPU gedroht wurde, auch hier noch,
  3. die Frage, ob ehemalige Richter die besseren Rechtsanwälte sind, – m.E. übrigens nein: Warum sollte das der Fall sein,
  4. über einen Streit im Steuerstreit,
  5. eine weitere ESO 3.0 Messung, die verworfen worden ist,
  6. nochmals das Kölner Beschneidungsurteil, Teil 2 dann hier,
  7. über die Terminsnachricht des BVerfG zur Verhandlung über die Verhandlung/den Deal,
  8. den Abschluss des Verfahrens Gaefgen beim OLG Frankfurt, vgl. auch hier,
  9. über eine Fahrtenbuchauflage bei einer GmbH,
  10. und dann war da noch einer, der mit 12.534 € Minus auf dem Konto für ein paar Tage nach Sylt gefahren ist.

 

Um den Hund gekommen

Eher in die Rubrik Kurioses/Außergewöhnliches gehört die Entscheidung , über die die PM 50/2012 des AG München v. 08.10.2012 berichtet. LTO titelt dazu: „Entführter Hund kein Grund für einstweilige Verfügung“. Man könnte aber eben auch sagen „Um den Hund gekommen“.

In der Sache geht es um die Rückgabe eines „entliehenden Hundes“ an dessen Eigentümerin. Zur Geschichte heißt es dann in der PM:

„Eine Münchnerin brachte Anfang 2012 ihren Hund zu ihrem Vater, da sie kurz zuvor ein Kind zur Welt gebracht hatte. Dort sah ihn eine Bekannte. Diese meldete sich bei der Hundebesitzerin und bot an, den Hund bei sich aufzunehmen. Diese war damit einverstanden, dass der Hund für 14 Tage bei der Bekannten untergebracht wurde. Als sie dann den Hund wieder zurückhaben wollte, um zu testen, ob dieser sich mit dem Säugling verträgt, gab die Bekannte den Hund nicht mehr heraus. Ja, sie gab sogar an, nach Berlin ziehen zu wollen und den Hund mitzunehmen. Darauf hin beantragte die Hundebesitzerin beim Amtsgericht München eine einstweilige Verfügung. Es müsse schnell gehandelt werden, da nicht klar sei, wo in Berlin die Bekannte sich aufhalten werde. Außerdem sei das Hundewohl gefährdet. Die derzeitige Hundebetreuerin habe psychische Probleme und trinke Alkohol.

Der zuständige Amtsrichter lehnte den Erlass der einstweiligen Verfügung allerdings ab: Eine Dringlichkeit liege nicht vor. Die Antragstellerin begehre den Erlass einer Leistungsverfügung. Eine solche könne nur ergehen, wenn die Antragstellerin auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen sei, dass sie ein ordentliches Verfahren nicht abwarten könne, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu erleiden. Solche wesentliche Nachteile lägen hier nicht vor. Die erhöhte Schwierigkeit einer gerichtlichen Geltendmachung nach einem geplanten Umzug genüge hierfür nicht. Die begehrte Verfügung käme einer vollständigen Vorwegnahme der Hauptsache gleich. Eine solche sei nur in extremen Ausnahmefällen möglich. Ein solcher sei hier nicht gegeben. Auch das Wohl des Hundes sei kein Kriterium. Sofern eine artgerechte Haltung des Hundes nicht gewährleistet sei, sei für entsprechende Maßnahmen die untere Tierschutzbehörde der Landeshauptstadt München zuständig.“

Und strafrechtlich? Da fällt mir spontan Unterschlagung (§ 246 StGB) ein. Aber, um das abschließend beruteilen zu können, müsste man ein paar Einzelheiten kennen.