Archiv für den Monat: August 2012

Gewerbsmäßige Hilfe zur Selbsttötung – demnächst unter Strafe

© Marcito – Fotolia.com

Am 29.08.2012 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, wonach demnächst  die gewerbsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe gestellt wird. dazu heißt es in der PM des BMJ

Das Bundeskabinett hat am 29.08.2012 einen Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin verabschiedet, der die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Konkret wird die „gewerbsmäßige“, also mit Gewinnerzielungsabsicht und auf Wiederholung ausgerichtete Förderung der Selbsttötung in Form des Gewährens, Verschaffens oder Vermittelns einer Gelegenheit zur Selbsttötung kriminalisiert. Damit wird eine Vereinbarung aus dem 2009 geschlossenen Koalitionsvertrag 1:1 umgesetzt.

Nach der geltenden Rechtslage sind die eigenverantwortliche Selbsttötung und die Beihilfe zu ihr straflos. Dieses Regelungskonzept hat sich grundsätzlich bewährt. Es bedarf jedoch dort einer Korrektur, wo eine kommerzialisierte Suizidhilfe dazu führen kann, dass sich Sterbehilfe als normale Dienstleistung darstellt, die Menschen dazu verleiten kann, sich das Leben zu nehmen, obwohl sie dies ohne das kommerzielle Angebot nicht getan hätten.

Der vorgelegte Gesetzentwurf will die Folgen der Kommerzialisierung verhindern, indem er die gewerbsmäßige Suizidhilfe unter Strafe stellt. Damit wird ein Teilausschnitt der Sterbehilfe nunmehr erstmalig unter Strafe gestellt und gerade nicht für bestimmte Berufsgruppen – wie etwa die Ärzte – legalisiert. Neues Strafrecht wird geschaffen, nicht eingeschränkt.

Gleichzeitig stellt der Entwurf sicher, dass der gerechtfertigte Behandlungsabbruch (früher oftmals bezeichnet als „passive Sterbehilfe“), bei dem entsprechend dem freiverantwortlichen Willen des Patienten eine medizinische Behandlung unterlassen oder beendet wird, um dem Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen, obwohl dies zum Tode führt, straffrei bleibt. Ebenfalls straffrei bleibt eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation bei einem Sterbenden, die als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigt (sogenannte „indirekte Strebehilfe“).

Darüber hinaus soll durch die Regelungen in dem Entwurf nicht diejenige Suizidhilfe kriminalisiert werden, die zum Beispiel im engsten Familienkreis in einer schwierigen und existentiellen Konfliktsituation aus rein altruistischen Gründen gewährt wird. Daher werden Personen, die zugunsten eines Angehörigen oder einer anderen ihnen nahestehenden Person an der Tat des Suizidhelfers teilnehmen, ohne selbst gewerbsmäßig zu handeln, ausdrücklich straffrei gestellt. Ehe- und Lebenspartner, die nach jahrzehntelangem Zusammenleben den geliebten, todkranken und schwer leidenden Partner zum gewerblich handelnden Sterbehelfer fahren, sollen nach wie vor nicht bestraft werden. Denn ihr Verhalten basiert in dieser extremen Konfliktsituation in der Regel auf – wenn auch von Verzweiflung geprägter – Liebe und Zuneigung und ist Ausdruck einer intimen zwischenmenschlichen Verbindung, in der der Staat nichts zu suchen hat. Dies soll auch für andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen gelten, deren auf Dauer angelegte zwischenmenschliche Beziehung ähnliche Solidaritätsgefühle wie unter Angehörigen hervorruft und bei denen deshalb der Suizidwunsch des anderen zu einer vergleichbaren emotionalen Zwangslage führt.

Den Gesetzesentwurf der Bundesregierung finden Sie im Internetangebot des Bundesministeriums der Justiz:: (PDF)

 

32.601 Dateien mit kinderpornografischem Inhalt – Unterbringung droht

© FotoSasch – Fotolia.de

Nach den Kinderpornos auf dem privaten Rechner und den Auswirkungen auf die Beamtenpension (vgl. hier) bin ich noch auf eine BGH-Entscheidung gestoßen, die sich u.a. auch mit den Auswirkungen des Besitzes von kinderpornografischen Schriften befasst. Das LG hatte den Angeklagten wegen Urkundenfälschung, versuchten Betruges, Besitzes kinderpornographischer Schriften und falscher Verdächtigung schuldig verurteilt, eine Unterbringung des Angeklagten, der an einer fixierten Pädophilie im Sinne einer sog. Kernpädophilie sowie an einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie erkrankt ist, jedoch abgelehnt. Das hatte die Strafkammer u.a. damit begründet, dass vom Angeklagten eher geringfügige Straftaten zu erwarten seien, die sich noch nicht im Bereich der mittleren Kriminalität bewegten.

Das BGH, Urt. v. 26.06.2012, 1 StR 163/12 – sieht das anders.

Das Landgericht hält es in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen für wahrscheinlich, dass der Angeklagte weitere mit den An-lasstaten vergleichbare Taten begehen wird, sich also auch wieder kinderpornographische Schriften in Form von Dateien verschaffen wird, die den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB zum Gegenstand haben. Gleichwohl ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den Anlasstaten um eher geringfügige Taten handele, die sich noch nicht im Bereich der mittleren Kriminalität bewegten. Dabei hat das Landgericht die Anlasstat des Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b StGB, deren Wiederholung es für wahrscheinlich hält, von vornherein als unerheblich für die Frage der Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB angesehen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landge-richt hat sich damit den Blick für die Prüfung verstellt, ob sich aus den Umständen des Einzelfalls die Erheblichkeit solcher Taten ableiten lässt.

(1) Vorliegend hatte der Angeklagte nicht etwa nur eine Datei mit kinderpornographischem Inhalt, sondern insgesamt 41 CD-ROMs mit mindestens 317 Videodateien und 32.601 Bilddateien in seinem Besitz (UA S. 9). Der Inhalt dieser Dateien betrifft erhebliche sexuelle Handlungen, die auch mit dem Eindringen in den Körper der Kinder verbunden sind, wie etwa das Eindringen des erigierten Penis eines erwachsenen Mannes in den Anus eines höchstens einjährigen Jungen oder in den Mund eines in einem Autokindersitz sitzenden Säuglings (UA S. 10). Sie erfüllen damit den Straftatbestand des § 176a Abs. 2 StGB, der hierfür eine Mindeststrafe von zwei Jahren vorsieht. Wie der Vertreter der Bundesanwaltschaft bereits in seinem Terminsantrag zutreffend ausgeführt hat, ist damit schon mit Blick auf den hier vorliegenden Umfang und die Verletzungstiefe allein der Besitz kinderpornographischer Dateien geeignet, eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens darzustellen.gesprochen….“

Der BGH weist zudem ausdrücklich darauf hin, das dem nicht entgegengehalten werde kannn, dass der bloße Besitz solcher Dateien keine Außenwirkung habe, weil der Täter selbst nicht in Kontakt mit den dort abgebildeten Kindern komme.

 

Falsche Chronologie der Ereignisse – kein Schreibversehen

© a_korn – Fotolia.com

Die sog. Nämlichkeit der Tat wird nicht nur durch das eigentliche Tatgeschehen, sondern maßgeblich auch durch den Tatzeitpunkt bestimmt. Gerade eher grenzt die Tat von anderen Taten ab und verhindert eine Doppelbestrafung. Deshalb muss der Tatrichter besonderes Augenmerk auf die zeitliche Einordnung des Tatgeschehens richten. Das hat gerade (auch) bei Tatserien Bedeutung. Die Bedeutung dieses Umstandes zeigt sich sehr schön im BGH, Urt. v. 11.07.2012 – 2 StR 546/11.

Dem Angeklagten werden sexuelle Übergriffe auf Firmenmitarbeiterinnen, darunter auch Vergewaltigungen zur Last gelegt. Die Strafkammer datiert den beginn der Übergriff auf Sommer 2009, die erste Vergewaltigung zum Nachteil einer Mitarbeiterin wird dann aber für Februar 2009 festgestellt. Der BGH merkt diesen Widerspruch und fragt sich: Schreib- bzw. Fassungsversehen oder unlösbarer Widerspruch, der dann zur Teilaufhebung führen muss. Er entscheidet sich für Letzteres und begründet das mit der vom der Strafkammer dargelegten Chronologie der Ereignisse, die nach seiner Auffassung gegen ein Fassungsversehen spricht. Der Widerspruch kann – so der BGh – auch nicht dahinstehen. Denn:

Der festgestellte Widerspruch kann auch nicht dahinstehen, da die Näm-lichkeit der Tat auch durch die Tatzeit bestimmt ist und der Angeklagte im Falle Der festgestellte Widerspruch kann auch nicht dahinstehen, da die Nämlichkeit der Tat auch durch die Tatzeit bestimmt ist und der Angeklagte im Falle der Begehung der Tat im Februar 2010 Gefahr laufen könnte, insoweit erneut der Strafverfolgung unterzogen zu werden. Hinzu kommt, dass die Strafkammer bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu Lasten des Angeklagten von einem (längeren) Tatzeitraum von rund einem Jahr ausgegangen ist und dies – wie dargelegt – bei einer Tatbegehung im Februar nicht zuträfe.

 

Auch frühere Landtagsabgeordnete müssen in Strafhaft…

© gunnar3000 – Fotolia.com

Der 1. Strafsenat des OLG Saarbrücken hat mit Beschluss v. 23.08.2012 – 1 ws 204/12 – den Eilantrag eines wegen Betruges pp. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilten früheren Landtagsabgeordneten und Facharztes zurückgewiesen, ihm kurzfristig – bis zur Entscheidung des OLG über ein Rechtsmittel – Vollstreckungsaufschub zu gewähren.

Der Beschwerdeführer hat gegen seine Verurteilung durch das LG Saarbrücken das Bundesverfassungsgericht angerufen. Zugleich hat er bei der Staatsanwaltschaft erfolglos beantragt, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Annahme der Verfassungsbeschwerde aufzuschieben. Gegen die Ablehnung seines Antrags hat der Verurteilte Rechtsmittel eingelegt, über welches der 1. Strafsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts nach Einholung einer Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft entscheiden wird.

Den hiermit verbundenen Eilantrag des Verurteilten, mit dem dieser einen Haftaufschub zumindest bis zur Entscheidung des OLG über sein Rechtsmittel erreichen wollte, hat der Strafsenat mit folgender Begründung zurückgewiesen: Das Rechtsmittel des Verurteilten habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Erhebliche Nachteile familiärer oder sonstiger Art, die über den Charakter des Strafvollzugs selbst hinausgingen, habe der Verurteilte nicht darlegen können. Deshalb verdiene das öffentliche Interesse an der Vollstreckung der Freiheitsstrafe den Vorzug. Die Entscheidung des Senats ist nicht anfechtbar.

Quelle:Pressemitteilung des OLG Saarland vom 24.08.2012

Unterbringung – Grenzfall

© Dan Race – Fotolia.com

Die Unterbringung nach § 63 StGB ist ein scharfes Schwert. Das hat zur Folge, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders beachtet werden muss, und zwar um so mehr desto geringer das Gewicht der Anlasstaten ist. Das macht der BGH, Beschl. v. 04.07.2012 – 4 StR 224/12 – deutlich, in dem der BGH eine durch das LG angeordnete Unterbrinung aufgehoben hat:

Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Ver-hältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74).

b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Landgericht seine Überzeu-gung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht tragfähig begründet….“