Archiv für den Monat: März 2012

LG Bonn: Speichelprobe auch beim Wohnungseinbruchsdiebstahl

Und noch mal LG Bonn, und zwar zur Entnahme von Körperzellen in Form der Entnahme einer Speichelprobe, im LG Bonn, Beschl. v. 14.03.2012 . 22 Qs 15/12. Der Beschluss behandelt die sich häufig in Zusammenhang mit der Entnahme von Körperzellen stellenden Fragen. Zulässig ist die Anordnung auch im Fall der Verurteilung wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls.

Die umgeschriebene falsche ausländische Fahrerlaubnis…, oder die „Kettenumschreibung“

Immer wieder tauchen Entscheidungen zur ausländischen Fahrerlaubnis auf, so auch der OLG Stuttgart, Beschl. v.06.02.2012 – 6 Ss 605/11, in dem es um die Umschreibung eines falschen ukrainischen Führerscheins in einen ungarischen Führerschein und dessen Gültigkeit im Bundesgebiet ging. Muss man ja auch erst mal drauf kommen. auf so eine „Kettenumschreibung“. Und sie ist, wie die Leitsätze des Beschlusses zeigen, nicht ungefährlich, denn:

1. a) Wer in einem EU-Mitgliedstaat (Ungarn) einen total gefälschten Führerschein zum Zwecke der Umschreibung der angeblich bestehenden (ukrainischen) Fahrerlaubnis vorlegt und anschließend einen echten ungarischen Führerschein entgegennimmt, macht von einer unechten Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr Gebrauch (§ 267 Abs. 1 StGB).

b) Handelt es sich dabei um einen Deutschen, gilt deutsches Strafrecht (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB), da eine solche Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist (§ 274 des Gesetzes Nr. IV von 1978 über das [ungarische] Strafgesetzbuch).

2. Benutzt der Täter den Führerschein in Deutschland, fährt er ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG).

 

„Wunderbare Brotvermehrung“; oder was? – ein Schreiben 12-mal Gebühren?

Aus dem Neuen Testament kennen wir die wunderbare Brotvermehrung (vgl. Matthäus Kapitel 14, Verse 15 bis 21). Nun, ganz so ist es mit dem gebührenrechtlichen Fall, den das LG Bonn im LG Bonn, Beschl. v. 01.03.2012 – 22 Qs 71/11 entschieden nun doch nicht, aber immerhin:

Folgender Sachverhalt: Gegen den Betroffene wurden von der Verwaltungsbehörde in zwölf Bußgeldverfahren Bußgeldbescheide erlassen. Der Verteidiger legitimierte sich und legte gegen die zwölf Bußgeldbescheide Einspruch ein. Dieser Schriftsatz und alle weiteren an die Verwaltungsbehörde gerichteten Schriftsätze des wiesen jeweils die Aktenzeichen aller Bußgeldverfahren auf. Es wurde dabei jeweils nur ein einheitlicher Schriftsatz verfasst. Von der Verwaltungsbehörde wurde im Laufe des Verfahrens alle Bußgeldbescheide zurückgenommen und die Verfahren gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a StPO wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung eingestellt. Der Rechtsanwalt hat gegenüber der Verwaltungsbehörde in allen zwölf Bußgeldverfahren die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG und die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG, jeweils auf der Grundlage der hälftigen Mittelgebühr geltend gemacht. Von der Verwaltungsbehörde sind nur die Gebühren für ein Verfahren festgesetzt worden. Sie ist von nur einer Angelegenheit ausgegangen.

Der LG Bonn, Beschl. sagt: Falsch. Die Abrechnung des Rechtsanwalts ist richtig. Denn: Wird ein Rechtsanwalt in mehreren gleichartigen Bußgeldverfahren für einen Betroffenen tätig, so handelt es bei jedem Verfahren um eine gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, so dass in jedem Verfahren Gebühren und Auslagenpauschale gesondert entstehen. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt jeweils nur ein einziges Schreiben verfasst, in dem er auf alle Verfahren einheitlich Bezug nimmt.

Die Auffassung ist zutreffend und entspricht der h.M. Als kein „wunderbare Brotvermehrung“, sondern Ausfluss der gesetzlichen Regelung in § 15 RVG.

Eine Fundgrube an nicht erfolgreichen Verfahrensrügen… heute I: Alternatives Verfahrensgeschehen

ist der BGH, Beschl, v. 12.01.2012 – 1 StR 373/11. Damit ist der Beschluss sicherlich auch eine Anleitung zur Verfahrensrüge, vor allem, was an der ein oder anderen Stelle vorgetragen werden muss . Hier will ich heute gleich die erste Rüge heraus greifen. Mit der war ein Verstoß gegen § 229 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 StPO geltend gemacht worden. Sie hatte keinen Erfolg:

a) Die Revision macht einen Verstoß gegen § 229 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 StPO geltend, der darin liege, dass „die dort gesetzlich vorgeschriebenen Fristen nicht eingehalten“ worden seien. Gegenstand der Rüge ist eine Unterbrechung der Hauptverhandlung wegen einer vom Angeklagten behaupteten Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die Revision stützt den von ihr angenommenen Verstoß auf einen Alternativsachverhalt. Entweder sei der Angeklagte zum Zeitpunkt der Fortsetzung der Hauptverhandlung noch nicht gesund oder aber sei er gar nicht krank gewesen, und habe seine Krankheit nur vorgetäuscht (RB S. 267).

b) Die Rüge entspricht nicht den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb bereits unzulässig, denn mit ihr wird kein bestimmter Verfahrensverstoß behauptet. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, schließen sich beide Sachverhaltsvarianten gegenseitig aus. Letztlich wird das Revisionsgericht lediglich aufgefordert zu prüfen, ob in irgendeiner Richtung ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 229 StPO vorliege. Damit lässt das Revisionsvorbringen eine bestimmte Angriffsrichtung nicht erkennen.

Der Angeklagte war auch in der Lage, klar anzugeben, ob er seine Krankheit lediglich vorgetäuscht hatte oder nicht. Er wusste selbst am besten, welche Krankheitssymptome er verspürte, als er – wie im Observationsbericht und im daraufhin gegen ihn ergangenen Haftbefehl festgestellt – Müllsäcke mit einem Gewicht von 25 kg eine Treppe hinuntertrug, Einkaufs-, Schul- und Sporttaschen zwischen Auto und Haus hin- und herschleppte, täglich mit einem Porsche Carrera am Straßenverkehr teilnahm und über drei Stunden in gebückter Haltung den Garagenvorplatz reinigte.“

Also: Behauptet werden muss ein „bestimmter Verfahrensstoß“. Das Vortragen alternativen Verfahrensgeschehens ist schädlich.

Frist kürzer als beantragt – deshalb befangen?

Das OLG Frankfurt befasst sich in OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.01.2012 – 2 Ws 166/11 mit einer „Befangenheitsfrage“. Der Verteidiger hatte eine Stellungnahmefrist beantragt, die ihm auch gewährt worden ist, jedoch kürzer bemessen als der Verteidiger beantragt hatte. Darauf hatte der Verteidiger dann ein Ablehnungsgesuch gestützt.

Das OLG hat in der „kurzen Frist“ keinen „Ablehnungsgrund“ gesehen. Die kürzer als beantragt gewährte Fristverlängerung vermöge nicht den Eindruck der Befangenheit zu begründen. Die Mitwirkung an einer Zwischenentscheidung in einem anhängigen Verfahren rechtfertige eine Ablehnung nur dann, wenn eine solche Entscheidung nicht lediglich auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhe, sondern diese vielmehr völlig abwegig seioder den Anschein der Willkür erwecke (vgl. BGH, Beschl. v. 10.09.2002, Az. 1 StR 169/02, und BVerfG, Beschl v. 26.06.2008, Az. 2 BvR 2067/07, juris).

Das Verhalten der abgelehnten Vorsitzenden Richterin lässt bereits keine unzutreffende Rechtsauffassung erkennen. Dabei sind im vorliegenden Fall insbesondere die Gegebenheiten des Klageerzwingungsverfahrens in Betracht zu ziehen. In diesem Verfahren müssen innerhalb der Monatsfrist des § 172 Abs. 2 S. 1 StPO dem Oberlandesgericht alle Tatsachen, die die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und alle Beweismittel vorgetragen werden. Das Oberlandesgericht muss durch den Vortrag in der Antragsschrift in die Lage versetzt werden, eine Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Akten vorzunehmen. Deshalb ist die Schilderung einer in sich geschlossenen und aus sich heraus verständliche Darstellung des Sachverhalts zur objektiven und subjektiven Tatseite erforderlich, aus dem sich der dem Beschuldigten jeweils zur Last gelegte Straftatbestand ergibt und der bei Unterstellung hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigen würde (vgl. Meyer-Goßner, aaO., § 172 Rdn. 27a). Die – im vorliegenden Fall bereits abgelaufene – Antragsfrist kann nicht verlängert werden. Mithin ermöglicht dem Antragsteller die ihm eingeräumte Fristverlängerung nicht, seinen Antrag mit weiterem Sachvortrag auszufüllen. Bereits vor diesem Hintergrund vermag die Verfügung der Vorsitzenden Richterin, im Hinblick auf das strafprozessuale Beschleunigungsgebot dem Antragsteller nur eine eingeschränkte Fristverlängerung zu gewähren, keinen Eindruck der Befangenheit zu erwecken.“

Der Verteidiger hatte im Übrigen dann auch keinen Erfolg damit, dass er sein Ablehungsgesuchdarauf gestützt hat, dass ihm die zur Entscheidung über sein Gesuch berufenen Richter nicht namhaft gemacht worden seien. Dazu das OLG:

„Sinn und Zweck einer Namhaftmachung der zur Entscheidung berufenen Richter kann es nur sein, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, etwaige – aus seiner Sicht – bestehende Vorbelastungen der Richter erkennen und entsprechende Anträge stellen zu können. Dem wird ein Blick in die Geschäftsverteilung, aus der sich auch die potentiellen Vertreter ergeben, weitaus mehr gerecht, als die Mitteilung einer konkreten Gerichtsbesetzung, die sich bis zum Tage der Entscheidungsfindung durch unvorhergesehene Umstände – Krankheit, kurzfristige Heranziehung zu Spruchrichtertätigkeit etc. – jederzeit ändern kann.