Archiv für den Monat: Februar 2012

Reichen „Mumpitz“ und „Unfug“ für die Besorgnis der Befangenheit?

Der BGH, Beschl. v.21.12.2011 – 4 StR 404/11 – lässt mich ein wenig ratlos zurück, und zwar wegen der vom BGH behandelten „Ablehnungsfrage“. Der BGH führt aus:

Zu der Rüge, an dem angefochtenen Urteil habe ein Richter mitgewirkt, gegen den ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit zu Unrecht verworfen worden sei (§§ 338 Nr. 3, 24 Abs. 2 StPO), bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts:

1. Die in der Hauptverhandlung vom 14. Februar 2011 vom Vorsitzenden der Strafkammer während einer Erörterung mit dem Verteidiger verwendete Formulierung, nach seiner Einschätzung solle mit den soeben gestellten Beweisanträgen belegt werden, die Ausführungen der zuvor gehörten medizinischen Sachverständigen seien „Mumpitz“ oder „Unfug“, vermag für sich genommen bei verständiger Würdigung die Besorgnis der Befangenheit noch nicht zu begründen. Dies ergibt sich jedenfalls aus der – insoweit unwidersprochen gebliebenen – dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters, wonach der Verteidiger selbst – ungeachtet fortbestehender Differenzen in der Sache – die Wortwahl des Vorsitzenden lediglich dahin bewertete, sie sei ihm „etwas zu salopp“.

2. Die im Ablehnungsantrag wiedergegebenen weiteren Äußerungen des Vorsitzenden rechtfertigen keine andere Beurteilung. Unter den gegebenen Umständen sind sie als nachvollziehbare, momentane Unmutsaufwallung in Reaktion auf das vorherige Verhalten des Verteidigers anzusehen.

llerdings sind auch Unmutsäußerungen von Mitgliedern des erkennen-den Gerichts als Reaktion auf das Verhalten anderer Verfahrensbeteiligter Grenzen gesetzt, die – je nach den Umständen des Einzelfalles – dann überschritten sein können, wenn sie in der Form überzogen sind oder in der Sache – immer bei der gebotenen verständigen Würdigung aus Sicht des Angeklagten – bei diesem die Befürchtung von Voreingenommenheit aufkommen lassen können (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. März 1993 – 1 StR 895/92, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8; Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 14). Dies wäre im vorliegenden Fall unter Umständen dann zu bejahen gewesen, wenn die Äußerungen des Vorsitzenden aus Sicht eines verständigen Angeklagten nur dahin hätten verstanden werden können, er, der Vorsitzende, sei von vornherein nicht gewillt, die vom Verteidiger soeben gestellten Beweisanträge als ernsthaften Beitrag zur Wahrheitsfindung aufzufassen. In einem solchen Fall könnte beim Angeklagten die berechtigte Befürchtung aufkommen, der betreffende Richter nehme sein Verteidigungsvorbringen nicht mit der erforderlichen abwägenden Distanziertheit zur Kenntnis und habe sich in seinem Urteil – und sei es auch nur hin-sichtlich einer einzelnen Beweisfrage – bereits festgelegt. So liegt der Fall hier nicht. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten wurde von Beginn an durch Meinungsverschiedenheiten zwischen Gericht und Verteidigung darüber geprägt, ob die Geschädigte durch eine psychische Erkrankung in ihrer Zeugentüchtigkeit beeinträchtigt war. Die Verteidigung hatte die Stellung entsprechender Beweisanträge angekündigt. Gleichwohl nahm die Verteidigung die daraufhin von Amts wegen anberaumte Einvernahme zweier medizinischer Sachverständiger zu dieser Frage nicht zum Anlass für deren ausführliche Befragung. Statt dessen stellte sie im Fortgang der Beweisaufnahme einen Antrag auf Vernehmung eines (weiteren) medizinischen Sachverständigen, der unter anderem darauf gestützt war, die von Amts wegen gehörten Sachverständigen  verfügten nicht über die erforderliche Sachkunde. Die daraufhin vom Vorsitzenden gemachten Bemerkungen bezogen sich als momentane, verständliche Unmutsäußerung ersichtlich auf dieses Procedere der Verteidigung und konnten auch aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht dahin verstanden werden, der nunmehr gestellte Beweisantrag werde vom Gericht nicht ernstgenommen.“

Na ja, mich überzeugt das nicht so ganz. Der Angeklagte soll nach den Äußerungen tatsächlich noch glauben, das Gericht nehme seinen Beweisantrag ernst. Ich weiß nicht, oder?

Es meldet sich im „Besetzungschaos“ beim BGH der 4. Strafsenat – Wir sind richtig besetzt

Ist es eine Meldung wert? Nun ja, zur Abrundung: Im Besetzungsstreit/-chaos beim BG hat sich nun auch der 4. Strafsenat gemeldet. Er stellt im BGH, Beschl. v. 11.01.2012 – 4 StR 523/11 – ergänzend fest: Wir sind richtig besetzt:

1. Der Senat ist mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer und Bender vorschriftsmäßig besetzt. Das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Absatz 1 Satz 2 GG) ist gewahrt.
Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat in Wahrnehmung der ihm nach § 21e Absatz 1 Satz 1 GVG obliegenden Aufgabe dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann – zusätzlich zum Vorsitz im 4. Strafsenat – den Vorsitz im 2. Strafsenat zugewiesen und bestimmt, dass im Kollisionsfall die Tätigkeit im 2. Strafsenat vorgeht. Es hat diese Regelung in willkürfreier Auslegung des § 21f Absatz 2 Satz 1 GVG und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154; BSG, Beschluss vom 29. November 2006 – B 6 KA 34/06 B, NJW 2007, 2717; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 – 3 C 4/85, NJW 1986, 1366) getroffen. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann nimmt die Aufgabe als Vorsitzender des 4. Strafsenats weiterhin in dem vom Gesetz vorausgesetzten und in der Sache gebotenen Umfang wahr. Nach der senatsinternen Geschäftsverteilung des 4. Strafsenats steht er allen Spruchgruppen als Vorsitzender vor. Im Übrigen ergibt sich die Besetzung mit der Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer und Bender aus Nr. 7 der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 27. Dezember 2011 in Verbindung mit der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 14. Dezember 2010.
Ein Fall der Divergenz zu der Entscheidung des 2. Strafsenats vom 11. Januar 2012 – 2 StR 346/11 – liegt nicht vor, weil der 2. Strafsenat in einem späteren Urteil vom vom gleichen Tag – 2 StR 482/11 – diese Rechtsprechung aufgegeben hat.“

Klingt so ein bisschen wie das Flöten im Walde….

Was hat Karneval mit einer „fern-östlichen-Kampfkunst-Show“ zu tun?

Ich habe mal ein wenig gesucht nach „Karnevalsentscheidungen“, um dazu – dem Tag angemessen, denn es ist ja im Rheinland schließlich „Weiberfastnacht“ – bloggen zu können. Dabei stellte sich dann die Frage: Was hat Karneval mit einer „fern-östlichen-Kampfkunst-Show“ zu tun? Nun, auf den ersten Blick ist man geneigt zu sagen: Gar nichts. Dann aber:

Mit der Frage hat sich bereits der BFH (ja, richtig, kein Schreibfehler“) im BFH, Beschl. v. 28.12.2010 – XI B 60/10 – befasst. Da heißt es im Leitsatz:

Die Würdigung der vom FG festgestellten Umstände im Einzelfall dahingehend, die gesellig geprägte Karnevalsveranstaltung stelle keine Theateraufführung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dar, begründet keine Divergenz zu einer Entscheidung über fernöstliche Kampfkünste.

Und in den Gründen:

Bei den Karnevalsveranstaltungen des Klägers habe es sich um gesellige Veranstaltungen gehandelt, bei denen der gesellige Zweck prägend gewesen sei. Dies ist eine Würdigung der vom FG festgestellten Umstände im Einzelfall dahingehend, dass die Veranstaltung keine Theateraufführung darstellt. Dadurch ist die Rechtseinheit nicht gefährdet. Nur die Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. Mai 2008 III B 37/07, BFH/NV 2008, 1533, m.w.N.; vom 17. Februar 2005 X B 185/03, BFH/NV 2005, 1060, m.w.N.).

Ferner sind die Entscheidungen nicht zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen. Der BFH hatte in der Divergenzentscheidung über eine Darbietung fernöstlicher Kampfkünste im Rahmen einer Kampf-Kunst-Show zu entscheiden, während das FG Karnevalsveranstaltungen zu beurteilen hatte.“

Das LG war zu milde….bzw. hatte den falschen Strafrahmen….

Das LG war zu milde, so könnte man auch über den BGH, Urt. v. 12.01.2012 – 4 StR 290/11 – schreiben, in dem der BGH die landgerichtliche Strafzumessung beanstandet:

a) Das Landgericht ist sowohl bei der Strafrahmenwahl (§ 250 Abs. 3 StGB) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 4 StR 455/11). Es hat nicht bedacht, dass die Angeklagten – neben der Erfüllung der Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB – auch die Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verwirklicht haben. Dieser Qualifikationstatbestand setzt voraus, dass mindestens zwei Personen bei der Körperverletzung bewusst zusammenwirken. Nicht erforderlich ist die eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv – physisch oder psychisch – unterstützt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. September 2002 – 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383, 386 f.; Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195; Urteil vom 22. Dezem-ber 2005 – 4 StR 347/05, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 gemeinschaftlich 3). So verhält es sich hier. Die Angeklagte F. befand sich im unmittelbaren Tatortbereich. Sie hat mit der Angeklagten C. , die auf Grund des zuvor gefass-ten gemeinsamen Tatplans das Messer gegen die Nebenklägerin einsetzte und diese damit verletzte, täterschaftlich zusammengewirkt, indem sie das Tatobjekt durch ständige Beobachtung absicherte, durch verbale Ausrufe mit ihrer Tatge-nossin kommunizierte und nach der Tat das Fluchtfahrzeug steuerte; auch teilten die Angeklagten die Beute anschließend hälftig unter sich auf.

Unbestimmtes Rechtsmittel – aufgepasst bei der „Begründung“….

Der dem OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.01.2012 6 Ss 741/11 zugrunde liegende Sachverhalt veranlasst zu dem Rat: Aufgepasst beim unbestimmten Rechtsmittel mit den Formulierungen.

Der Verteidiger hatte dort gegen ein amtsgerichtliches Urteil „Rechtsmittel“ eingelegt und im zugehörigen Schriftsatz ausgeführt:

„Die Begründung der Revision folgt ggf. in einem weiteren Schriftsatz.“

Das LG hatte deshalb das Rechtsmittel als Revision angesehen und das Verfahren an das OLG abgegeben. Das OLG hat das anders gesehen:

Eine Erklärung des Angeklagten, die eine wirksame Benennung und bindende Wahl des Rechtsmittels als (Sprung-) Revision begründen könnte, liegt nicht vor. Auch die bezeichnete Formulierung, zur „Begründung der Revision“ im Verteidigerschriftsatz vom 25. Juli 2011 rechtfertigt eine derartige Festlegung nicht. Der in diesem Zusammen­hang explizit erklärte Vorbehalt, dass entsprechende Darlegungen nur gegebe­nenfalls („ggf.“) erfolgen werden, lässt vielmehr darauf schließen, dass der Beschwerdeführer eine endgültige (Rechtsmittel-) Wahl zum damaligen Zeitpunkt noch nicht getroffen hatte bzw. vornehmen wollte. Mangels Vorliegen einer ein­deutigen Erklärung ist das Rechtsmittel – nachdem der Beschwerdeführer auch bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keine Fixierung seiner Zielsetzung(en) vorgenommen hat – somit als Berufung zu behandeln (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 335 Rdnr. 5 m.w.N.).