Archiv für den Monat: November 2010

Immer wieder: Umfang der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren

Wir haben ja schon einige Male über die amtsgerichtliche Rechtssprechung zum Umfang der Akteneinsicht im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren berichtet. Ganz unstreitig ist die Frage nicht, vor allem, wenn es darum geht, wie und wo die AE gewährt wird.

Dazu hat sich jetzt das AG Gelnhausen noch einmal geäußert. Dieses geht in seinem Beschl. v. 14.09.2010 – 44 OWI 2945 Js 13251/10 davon aus, dass der Verteidiger des Betroffenen im Rahmen des Bußgeldverfahrens, das eine Geschwindig­keitsüberschreitung zum Gegenstand hat, ein Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen hat, die auch dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden – insoweit h.M. Die Akteneinsicht sei aber in den Räumen der Verwaltungsbehörde zu gewähren. Dem stehe nicht entgegen, dass der Verteidiger nicht ortsansässig sei. Der Fertigung von Kopien derselben würden urheberrechtliche Bestimmungen zum Schutz dieser Aufzeichnungen entgegenstehen. Insoweit also einschränkend. Die Frage des „Wie“ wird in Rechtsprechung auch – zutreffend – anders gesehen; z.T. wird ein Anspruch auf Kopien bejaht und  werden die Urheberrechte hintan gestellt.

Zu der Problematik auch AG Schwelm und AG Erfurt.

Verfahren nach § 35 BtMG – wonach verdient man in denen sein Geld?

Die Abrechnung von Strafvollstreckung und die Abrechnung von Strafvollzugsverfahren ist in der Praxis nicht einfach. Die einen gehen nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG, die anderen nach Teil 3 VV RVG (ja, das ist richtig; man schaue sich nur die Überschrift von Teil 3 VV RVG an).

An der Schnittstelle liegen die Verfahren nach § 35 BtMG, die mit einem Antrag bei der StA anfangen und dann, wenn der keinen Erfolg hat, in das Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG übergeht. Und: Genauso wird man m.E. auch abrechnen müssen. Für das Verfahren bei der StA gilt die Nr. 4204 VV RVG, denn das ist Strafvollstreckung, und für das gerichtliche Verfahren gilt dann die Nr. 3100 VV RVG, denn die Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG sind „ähnliche Verfahren“ i.S. des Teil 3 Vv RVG.

Alles nachzulesen in dem zutreffenden Beschl. des OLG Zweibrücken v. 29. 09.2010 – 1 VAs 1/10.

Strafuntergrenze/Strafobergrenze bei der Absprache: Alternativ oder immer kumulativ

Der gerade veröffentlichte Beschluss des BGH v. 08.10.2010 – 1 StR 347/1 – beschäftigt sich mit der Strafunter- und Strafobergrenze in § 257c Abs. 3 S. 1 StPO. Der BGH führt dazu aus:

„Nach dieser Vorschrift kann das Gericht – im Rahmen seiner Pflicht zur Bekanntgabe des Inhalts einer möglichen Verständigung (§ 257c Abs. 3 Satz 1 StPO) – unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Vereinbarung einer bestimmten Strafe (sog. Punktstrafe; vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 22. August 2006 – 1 StR 293/06, BGHSt 51, 84, 86) bleibt damit nach der gesetzlichen Neuregelung des Verständigungsverfahrens nach wie vor unzulässig (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 – 1 StR 345/10). Ob allerdings nach dieser Regelung das Gericht bei der Bekanntgabe des möglichen Verfahrensergebnisses zwingend auch einen Strafrahmen an-zugeben hat oder ob – im Hinblick auf die Ausgestaltung als „Kann-Vorschrift“ – die isolierte Angabe einer Strafober- oder Strafuntergrenze ausreicht, wird unterschiedlich beurteilt (letzteres bejahend: Niemöller in N/Sch/W, VerstG, § 257c Rn. 46; SK-StPO/Velten, § 257c Rn. 21; Bittmann, wistra 2009, 415; verneinend Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 257c Rn. 20; vgl. auch Senat, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152). Angesichts des Wortlauts der Vorschrift („Ober- und Untergrenze der Strafe“; „der in Aussicht gestellte Strafrahmen [§ 257c Abs. 4 Satz 1]“) und der Gesetzesmateria-lien (BT-Drucks. 16/13095 S. 3 [Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses]: „wobei das Gericht eine […] tat- und schuldangemessene Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben hat„) sprechen gewichtige Gründe dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das Gericht nach fallbezogener Verengung des gesetzlichen Strafrahmens stets einen konkreten Rahmen für die schuldangemessene Strafe, bestehend aus einer Strafober- und einer Strafuntergrenze, anzugeben hat.“

Der BGH hat die Frage aber letztlich offen gelassen, weil der Angeklagte nicht beschwert sei. Die Strafuntergrenze sei im Interesse der Staatsanwaltschaft eingeführt worden. Fehle es an der Angabe einer Strafuntergrenze durch das Gericht, könne dies in der Regel nur von der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Revision zum Nachteil des Angeklagten beanstandet werden.

Strafunter-/Strafobergrenze: Kumulativ oder alternativ?

Der BGH erörtert in seinem Beschl. v. 08.10.2010 – 1 StR 347/10 eine Frage, die in der Literatur umstritten, nämlich, ob nach § 257c Abs. 3 StPO das Gericht bei der Bekanntgabe des möglichen Verfahrensergebnisses zwingend auch einen Strafrahmen anzugeben hat oder ob – im Hinblick auf die Ausgestaltung als „Kann-Vorschrift“ – die isolierte Angabe einer Strafober- oder Strafuntergrenze ausreiche.

Dazu hat der BGH in seinem Beschl. Stellung genommen und ausgeführt, dass angesichts des Wortlauts der Vorschrift („Ober- und Untergrenze der Strafe“; „der in Aussicht gestellte Strafrahmen [§ 257c Abs. 4 Satz 1]“) und der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 16/13095 S. 3 [Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses]: „wobei das Gericht eine […] tat- und schuldangemessene Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben hat“) gewichtige Gründe dafür sprechen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das Gericht nach fallbezogener Verengung des gesetzlichen Strafrahmens stets einen konkreten Rahmen für die schuldangemessene Strafe, bestehend aus einer Strafober- und einer Strafuntergrenze, anzugeben hat.

Entschieden hat der BGH die Frage aber nicht, da nach seiner Auffassung der Angeklagte nicht beschwert sei. Der Gesetzgeber sei mit der Regelung in § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO einer Forderung der Generalstaatsanwälte nachgekommen, die in der Festlegung einer unteren Strafgrenze ein legitimes Anliegen der Staatsanwaltschaft gesehen hätten, ihre Vorstellung von einem gerechten Schuldausgleich nicht nur nach oben, sondern auch nach unten abgesichert zu sehen[2]. Die Benennung einer Strafuntergrenze trage daher vordringlich den Interessen der Staatsanwaltschaft Rechnung, deren Zustimmung für das Zustandekommen einer Verständigung im Unterschied zu der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des § 257c StPO nunmehr unerlässlich ist. Fehle es an der Angabe einer Strafuntergrenze durch das Gericht, könne dies i.d.R. nur von der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Revision zum Nachteil des Angeklagten beanstandet werden.

In der offen gelassenen Frage: Strafunter-/Strafobergrenze kumulativ oder alternativ lässt die Entscheidung aber m.E. dennoch deutlich erkennen, wohin der BGH tendiert. Das lässt sich nicht nur aus dieser Entscheidung ableiten, sondern auch aus seinem Beschl. v. 4. 2. 2010 (StRR 2010, 162), auf den er ausdrücklich verweist. Da hatte es auch schon geheißen: „Benennung einer Ober- und einer Untergrenze“.

Bielefelder Blitzer aus dem Urlaub zurück – also Achtung auf der A 2

Der Bielefelder Stadtkämmerer wird sich freuen. Seit gestern ist der Blitzer am Bielefelder Berg wieder aus dem Urlaub zurück (vgl. hier), wie die Tageszeitungen heute berichten (vgl. hier und hier). Der wohl „umsatzstärkste“ Blitzer Deutschlands (vgl. hier) nimmt damit seine Arbeit wieder auf. Also Vorsicht am Bielefelder Berg.