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Verkehrsrecht II: Anordnung der Blutentnahme/-probe, oder: Anforderungen an den Anfangsverdacht

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Vor einiger Zeit haben die mit der Anordnung der Entnahme einer Blutprobe (§ 81a StPO) zusammenhängenden Fragen die Praxis beschäftigt. Dabei ging es insbesondere meist um die Frage des so. Richtervorbehalts. Die Problematik hat sich dann durch die Änderungen durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.8.17 (BGBl. I S. 3202) weitgehend erledigt.

Sie hat nun aber dann doch noch mal ein AG beschäftigt, und zwar das AG Ratzeburg im AG Ratzebuug, Beschl. v. 22.12.2023 – 31a OWi 46/23 jug. Sachverhalt und Gründe dann hier:

„Am 2. Juli 2023 gegen 15:29 Uhr führte der Polizeibeamte und Zeuge PK pp. im Rahmen einer Standkontrolle auf dem Rastplatz Gudow an der Bundesautobahn 24 in Fahrtrichtung Hamburg eine Kontrolle des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen pp. durch, dessen Fahrer der Betroffene war. Der Betroffene händigte dem Zeugen seinen Führerschein, Personalausweis und die Zulassungsbescheinigung Teil 1 aus. Im Rahmen der Kontrolle nahm der Zeuge wahr, dass der Betroffene sehr nervös wirkte. Der Betroffene konnte nicht stillstehen und hatte deutlich zitternde Hände. Ebenso führte der Betroffene häufig seine Hände an verschiedene Körperstellen, einmal zum Kratzen am Hals, einmal um in seine Hosentaschen zu greifen oder der Betroffene wedelte damit herum. Zudem war der Betroffene redselig und aus Sicht des Zeugen unangepasst euphorisch. Aus diesen Beobachtungen leitete der Zeuge den Verdacht ab, dass der Betroffene eine bußgeldbewährte Tat gemäß § 24a StVG begangen haben könnte. Nach entsprechender Belehrung gab der Betroffene an, keine Drogen konsumiert zu haben, er sei lediglich sehr müde. Die Durchführung eines Urintests lehnte der Betroffene unter Hinweis darauf ab, dass er nicht urinieren müsse. Daraufhin ordnete der Zeuge eine Blutprobe an. Diese wurde um 15:40 Uhr durch einen Arzt an der Kontrollstelle durchgeführt. Nach dem Ergebnis des Untersuchungsberichts des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vom 26. September 2023 befanden sich im Blut des Betroffenen 3,9 ng/ml THC.

Der Verteidiger trug mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2023, eingegangen bei der Bußgeldbehörde am 4. Dezember 2023, auf gerichtliche Entscheidung mit der Begründung an, dass die Anordnung der Blutprobe unzulässig gewesen sei. Dies führe aus Sicht des Verteidigers zu einem Beweisverwertungsverbot.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere statthaft. Mit dem Wegfall des Richtervorbehalts und Normierung der Anordnungskompetenz für Blutproben auf die zuständige Verwaltungsbehörde und — gleichrangig — auf deren Ermittlungsbeamte (§ 53 Abs. 2 OWiG) hat die Frage des dagegen zulässigen Rechtsbehelfs an Bedeutung gewonnen. Die Anordnung einer Blutprobe im Bußgeldverfahren ist eine Maßnahme nach § 62 OWiG und als solche grundsätzlich mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbar. Soweit – wie hier – ein Polizeibeamter als originär zuständige Verwaltungsbehörde die Anordnung trifft, ist dies soweit ersichtlich unbestritten (KK-OWiG/Lampe, 5. Auflage, § 46, Rn.41).

Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 46 Abs.4 S.1 OWiG ist § 81a Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO mit der Einschränkung anzuwenden, dass zwar nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind, aber die Entnahme einer Blutprobe abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 StPO keiner richterlichen Anordnung bedarf, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist nach den §§ 24a und 24c StVG.

Der Gesetzeswortlaut fordert eine „einfachen“ Verdacht, also keinen hinreichenden oder gar dringenden Tatverdacht. Ein solcher Anfangsverdacht setzt nur voraus, dass zureichende, über bloße Vermutungen hinausreichende, tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat (hier: Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG) vorliegen (vgl. BGH BeckRS 2021, 3096; BGH NStZ2016, 370; 551; OLG Koblenz BeckRS 2021; 13791; KK-StPO/Weingarten, 9. Aufl. 2023, StPO § 160. Rn. 7).

Vorliegend ist dem Verteidiger einzugestehen, dass die vom Zeugen PK pp. geschilderten Umstände isoliert betrachtet den Verdacht einer Tat gemäß § 24a StVG nicht begründen könnten. Entscheidend ist Überzeugung des Gerichts indessen, dass eine Vielzahl von Besonderheiten beim Betroffenen vorlag, die eben diesen Verdacht begründen. Mag man durch die Situation der polizeilichen Kontrolle noch die Nervosität des Betroffenen erklären können, so gilt dies nicht für das Hinzutreten zitternder Hände sowie einer in der Situation unangemessenen Euphorie. Derartige kumulative, situationsuntypische Reaktionen sind gerade durch die Einnahme von Betäubungsmittel zu erklären. Aufgrund dieser Kumulation der Umstände hat der Polizeibeamte zur Überzeugung des Gerichts zu Recht die Entnahme der Blutprobe angeordnet. Die weitere Frage, ob aus einem etwaigen Beweiserhebungsverbot ein Beweisverwertungsverbot folgen würde, kann deshalb in diesem Fall dahinstehen.“

Na ja. Es gibt AG-Rechtsprechung, wonach die (allein) „Nervosität“ nicht reicht …..

BVerfG II: Blutentnahme unter Missachtung des Richtervorbehalts, oder: Körperverletzung im Amt?

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Bei der zweiten Entscheidung , die ich heute vorstelle, handelt es sich um den BVerfG, Beschl. v. 29.05.2019 – 2 BvR 2630/18. Mit im wird ein so.g Klageerzwingungsverfahren (§172 StPO) abgeschlossen, dem folgendes Geschehen/verfahren zugrunde gelegen hat:.

Am 06.04.2017 gegen 13:15 Uhr geriet der Beschwerdeführer als Fahrer eines PKW in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Hierbei gab er gegenüber dem kontrollierenden Polizeiobermeister, dem Beschuldigten, an, am 04.04. 2017 gegen 23:00 Uhr einen Joint geraucht zu haben. Der mit Zustimmung des Beschwerdeführers durchgeführte Urintest reagierte positiv auf THC. Daraufhin ordnete der Beschuldigte um 13:30 Uhr gegen den Willen des Beschwerdeführers eine Blutentnahme an, ohne zuvor versucht zu haben, einen Richter oder Staatsanwalt zu erreichen. Die Blutentnahme wurde kurz darauf im Krankenhaus P. durchgeführt.

Ein gegen den Beschwerdeführer eingeleitetes Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, da angesichts des willkürlichen Handelns bei der Entnahme der Blutprobe ein schwerer Verfahrensverstoß vorliege.

Das aufgrund der Strafanzeige des Beschwerdeführers eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen Körperverletzung im Amt stellte die Staatsanwaltschaft Bayreuth mit Verfügung vom 23.07. 2018 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Ein Tatnachweis sei nicht zu führen, da das Vorliegen der Voraussetzungen für eine polizeiliche Anordnungskompetenz aufgrund von Gefahr im Verzug nicht auszuschließen sei. Unter Bezugnahme auf diese Einstellungsverfügung lehnte es das Polizeipräsidium Oberfranken sodann mit Schreiben vom 23.08.2018 ab, vom Beschwerdeführer geltend gemachte Amtshaftungsansprüche zu erfüllen.

Der vom Beschwerdeführer hatte weder mit seiner Beschwerde gegen die Verfügung vom 23.07.2018 noch beim OLG Bamberg mit seinem Antrag auf egrichtliche Entscheidung gegen die Entscheidung der GStA Erfolg. Das OLG hat sich darauf zurückgezogen, das die Anordnung der Blutentnahme jedenfalls nach der seit dem 24.08.2017 geltenden Rechtslage rechtmäßig und deshalb materiell-rechtlich gerechtfertigt sei. Der Richtervorbehalt für die Anordnung einer Blutentnahme bei Verdacht einer Ordnungswidrigkeit sei zwischenzeitlich entfallen (vgl. § 46 Abs. 4 Satz 2 OWiG und § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG). Im Übrigen sei gemäß § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das bei Beendigung der Tat geltende Gesetz vor der Entscheidung geändert werde.

Die dagegen gerichtete Verfassungbeschwerde hatte dann ebenfalls keinen Erfolg. Begründung u.a.:

„b) Die Begründung des Oberlandesgerichts begegnet im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

aa) Zwar dürfte die Erwägung, bei der Blutentnahme fehle es bereits an einer tatbestandlichen Körperverletzung im Sinne des § 340 Abs. 1 StGB, weil es dabei nicht um eine üble und unangemessene Behandlung gehe, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtige (vgl. etwa Paeffgen/Zabel, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 228 Rn. 58), nicht mehr vertretbar und daher willkürlich sein.

bb) Das kann jedoch dahinstehen, weil das Oberlandesgericht den Beschuldigten jedenfalls als gerechtfertigt angesehen hat.

Wie das Oberlandesgericht in nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat, kann eine tatbestandliche Körperverletzung bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 81a Abs. 1 StPO prinzipiell gerechtfertigt sein (vgl. Grünewald, in: Leipziger Kommentar, StGB, Bd. 7/1, 12. Aufl. 2018, § 223 Rn. 41; Lilie, in: Leipziger Kommentar, StGB, Bd. 13, 12. Aufl. 2009, § 340 Rn. 14; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 223 Rn. 14 f.; Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 4. Aufl. 2019, § 340 Rn. 12).

Da der Beschwerdeführer den Konsum von Cannabis eingeräumt und der Urintest positiv auf THC reagiert hatte, konnte wegen des Anfangsverdachts zumindest einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG eine Blutentnahme angeordnet werden (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 81a Abs. 1 StPO). Dafür bedurfte es nach der seit dem 24. August 2017 geltenden Fassung des § 46 Abs. 4 Satz 2 OWiG keiner richterlichen Anordnung mehr.

Dieser Rechtfertigungsgrund kommt dem Beschuldigten auch zugute. Zwar erlaubte § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 81a Abs. 2 StPO in der zum Zeitpunkt der Tat anwendbaren Fassung eine Blutentnahme nur bei Vorliegen einer richterlichen Anordnung oder bei Gefahr im Verzug. Gemäß § 2 Abs. 3 StGB ist jedoch das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das bei Beendigung der Tat anwendbare Gesetz vor der Entscheidung geändert wird.

Welches Gesetz das mildeste ist, beurteilt sich nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Fachgerichte unter Einbeziehung aller die Strafbarkeitsvoraussetzungen und die angedrohte Strafe beeinflussenden Faktoren, mithin nach dem gesamten sachlich-rechtlichen Rechtszustand (vgl. BGHSt 37, 320 <322>; BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 167/14 -, Rn. 30; Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 StR 314/13 -, NStZ 2014, S. 586 <587 Rn. 13>; Fischer, in: ders., StGB, 66. Aufl. 2019, § 2 Rn. 8; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 2 Rn. 4). Zu berücksichtigen sind insoweit nicht nur bestimmte Tatbestände des Besonderen Strafrechts, sondern auch Bestimmungen des Allgemeinen Strafrechts, insbesondere Rechtfertigungsgründe (vgl. BGHSt 26, 167 <171>; Hassemer/Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 2 Rn. 24a; Satzger, in: ders./Schluckebier/Widmaier, StGB, 4. Aufl. 2019, § 2 Rn. 22).

Zugunsten des Beschuldigten war demnach die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Anordnungsbefugnis des § 46 Abs. 4 Satz 2 OWiG in der Fassung vom 24. August 2017 anzuwenden. Dies hat das Oberlandesgericht getan.

cc) Dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Amtshaftungsansprüche unter Verweis auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens abgelehnt worden sind, führt insoweit zu keiner abweichenden Beurteilung. Der Beschwerdeführer kann zur Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen nicht von Verfassungs wegen die strafrechtliche Verfolgung des Beschuldigten verlangen. Vielmehr enthalten das Straf- und das Staatshaftungsrecht voneinander unabhängige Regelungsregime mit unterschiedlichen Regelungszwecken.“

 

StPO III: Wegfall des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme, oder: Altes oder neues Recht

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Bei der dritten Entscheidung handelt es sich um den OLG Bamberg, Beschl. v. 26.10.2018 – 3 Ss OWi 1410/18. Er behandelt auch eine Problematik, die auf dem 2017er-Neuregelungsmarathon des Gesetzgebers beruht, nämlich der Änderung des § 81 Abs. 2 StPO – Stichwort: Teilweiser Wegfall des Richtervorbehalts bei der Anordnung einer Blutentnahme. In dem Zusammenhang hatte sich ja die Frage gestellt: Welches Recht ist in den „Altfällen“ anwendbar? das bis zum 24.08.2017 geltende oder das neue Recht. Dazu hatte sich ja bereits das OLG Rostock im OLG Rostock, Beschl. v. 03.11.2017 – 20 RR 85/17 geäußert und gemeint: Neues Recht.

Dem hat sich das OLG Bamberg in seinem Beschluss angeschlossen:

„Die Rüge, das Ergebnis der Blutentnahme hätte nicht verwertet werden dürfen, weil die Rechtsbeschwerde einen Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a II StPO i.V.m. § 46 IV OWiG erkennen will, dringt nicht durch. Aufgrund der Neufassung des § 46 IV 2 OWiG mit Wirkung vom 24.08.2017 ist der Richtervorbehalt bei Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG gestrichen worden. Der Umstand, dass die Maßnahme vor Inkrafttreten dieser Novellierung getroffen worden war, ist ohne Bedeutung. Da es sich um eine Vorschrift des Prozessrechts handelt, kommt es allein auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Hauptverhandlung an (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2008 – 3 StR 342/08 = BGHSt 53, 64 = NJW 2009, 791 = NStZ 2009, 224 = wistra 2009, 196 = BGHR StPO § 100a Verwertbarkeit 2 = StV 2009, 398 = JR 2010, 493; OLG Rostock, Beschl. v. 03.11.2017 – 20 RR 85/17 = Blutalkohol 55 [2018], 75 = NStZ-RR 2018, 114 = NZV 2018, 196 = DAR 2018, 391, jeweils m.w.N.). „

Und auch die Problematik ist in den beiden Neuauflagen von „Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren“, und „Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung“ behandelt. Hier dann nochmals der Link zur Bestellseite.

Nr. 4500 – Gefahr im Verzug, oder: Wenn die BtM aus dem Fenster fliegen, und: Zu spät angerufen

Heute dann mal drei LG-Entscheidungen. Zunächst den LG, Limburg, Beschl. v. 09.04.2018 – 1 Qs 21/18 u. 38/18 u. Qs 39/18. Es geht um das Vorliegen von Gefahr im Verzug bei Durchsuchung und Anordnung einer Blutentnahme, also um den Richtervorbehalt. Grundlage der Entscheidung ist folgender Sachverhalt:

Am 16.01.2018 gegen 11.20 Uhr suchten ein POK P. und zwei weitere Polizeibeamte die Wohnanschrift des Beschuldigten auf. Hintergrund war eine Ordnungswidrigkeit in anderer Sache. Als sich die Beamten auf das Wohnhaus zu bewegten, wurden aus einem Fenster im Dachgeschoss zwei Tüten in den Garten geworfen. Da nach deren Durchsicht die Beamten Amphetamin und Marihuana zu erkennen glaubten, forderte POK P. über Funk Verstärkung an. Noch vor einem Läuten traten der Beschuldigte und zwei männliche Personen aus dem Wohnhaus heraus.

POK P. eröffnete ihnen die vorläufige Festnahme unter Hinweis auf die aufgefundenen Drogen und ordnete die sofortige Durchsuchung des Hauses wegen Gefahr in Verzug an. Der Beschuldigte und seine männlichen Begleiter wurden unter Gegenwehr gefesselt und in den Streifenwagen verbracht. Nachdem um 11.50 Uhr angeforderte Unterstützung eingetroffen war, wurde der Beschuldigte zur Abklärung der Wohnverhältnisse in den 1. Stock des Wohnhauses geführt, in dem sich noch eine männliche Person befand. Im Zuge dessen kam es u.a. zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und einem Beamten. Die Durchsuchung endete gegen 12.45 Uhr. Der Beschuldigte wurde im Anschuss auf die Polizeidienststelle verbracht und in der Zeit von 14.30 Uhr bis 14.40 Uhr vernommen. Um 15.40 Uhr wurde die StA zwecks Vorführung des Beschuldigten und Anordnung einer Blutentnahme im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte kontaktiert.

Die zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft teilte der Polizeidienststelle um 16.20 Uhr mit, sie werde eine Anordnung der Blutentnahme bei dem zuständigen Ermittlungsrichter beantragen. Um 16.30 Uhr ordnete sie selbst die sodann von einem Arzt durchgeführte Blutentnahme an, nachdem sie den Ermittlungsrichter nicht erreicht hatte. Das AG hat die Anordnungen der Durchsuchung und der Blutentnahme als rechtmäßig bestätigt (§ 98 Abs. 2 StPO analog). Das Rechtsmittel des Beschuldigten hatte teilweise Erfolg. Und zwar zweigeteilt:

So weit es die Rechtsmäßigkeit der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten betrifft, hat das LG die als als rechtmäßig angesehen. Dazu der Leitsatz des LG:

Gefahr in Verzug für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung liegt vor, wenn Polizeibeamten in nicht vorhersehbarer Weise mit einer neuen Verdachtssituation konfrontiert werden und die Beweismittelvernichtung bereits begonnen hat.

Hinsichtlich der Blutentnahme – es ist kein Fall des neunen § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO – hat das LG „Gefahr im Verzug“ verneint. Dazu der Leitsatz:

Demgegenüber ist die Annahme von Gefahr in Verzug für die Anordnung einer Blutentnahme nicht gerechtfertigt, wenn der 10-minütige Versuch, einen Ermittlungsrichter zu erreichen, erst mehrere Stunden nach der Festnahme erfolgt.

Die Entscheidung ist, was die Anordnung der Blutentnahme angeht (§ 81a Abs. 2 Satz 1 StPO) zutreffend. Hinsichtlich der Durchsuchung kann man m.E. Zweifel anmelden. Denn mir erschließt sich nicht, warum man die Zeit zwischen dem Eintreffen an der Wohnung des Beschuldigten und dem Beginn der Durchsuchung um 11.50 Uhr nicht genutzt hat, um doch noch eine richterliche Anordnung der Durchsuchungsmaßnahme – ggf. auch mündlich – zu erlangen. Denn wenn man das Eintreffen der Verstärkung abwarten konnte, dann konnte man auch den Versuch der Kontaktaufnahme zum Ermittlungsrichter unternehmen. Das lässt m.E. entgegen der Ansicht des LG den „zeitlichen Zusammenhang“ entfallen. So eilig war es dann mit der Durchsuchung wohl doch nicht.

Das war übrigens die 4.500-Entscheidung, die ich auf meiner HP – außer den Beschlüssen des OLG Hamm – eingestellt habe.

Dreimal KG, oder: Einwilligung in die Blutentnahme/Verfahrensrüge, BAK von 3,64 Promille und Strafzumessung,

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Und zum Abschluss des Tages des Verkehrsstrafrechts 🙂 eine Entscheidung des KG, und zwar das KG, Urt. v. 20.12.2016 – (3) 121 Ss 163/16 (111/16). Es geht auch um eine Verurteilung wegen einer Straßenverkehrsgefährdung. Im Verfahren haben die mit der Verletzung des Richtervorbehalts nach § 81a StPO zusammenhängenden Fragen eine Rolle gespielt. Ich stelle die Entscheidung hier heute deshalb vor, weil das KG zu der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge Ausführungen macht, die man als Verteidiger im Hinblick auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO beachten sollte.

Dazu sagt das KG (noch einmal): Wird mit der Verfahrensrüge die Unverwertbarkeit des Ergebnisses einer Blutprobe gemacht, ist die Rüge nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt, wenn auch die durch die polizeilichen Zeugen gefertigte Dokumentation zur Belehrung über die Freiwilligkeit der Blutentnahme und die Einwilligung des Angeklagten dargelegt wird.

Das hatte der Kollege nicht getan und deshalb hat das KG seine Rüge als unzulässig angesehen. Vielleicht hat ihn ja ein wenig getröstet, dass das KG seine Rüge dann aber auch als unbegründet angesehen hat. Nun ja, wahrscheinlich nicht 🙂 . Jedenfalls sollte man den Punkt auf der Liste haben.

Im Übrigen ist das Urteil auch noch aus zwei weiteren Gründen von Interesse. Denn das KG hat die Annahme (nur) verminderter Schuldfähigkeit durch den Tatrichter bei einer Tatzeit-BAK von 3,64 Promille „gehalten“. Bei der Höhe der BAK m.E. schon beachtlich.

Aufgehoben hat das KG dann aber den Rechtsfolgenausspruch:

„Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht davon abgesehen hat, den Strafrahmen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, sind unzutreffend. Im Urteil heißt es, von der Milderungsmöglichkeit sei kein Gebrauch gemacht worden, „da es sich vorliegend um eine Verkehrsstrafsache handelt“ (UA S. 6). Eine derartig verkürzte Regel, der zufolge die hohe Alkoholisierung bei Verkehrsvergehen nicht berücksichtigt werden darf, besteht nicht (vgl. OLG Karlsruhe VRS 81, 19). Vielmehr sind keine bestimmten Deliktsarten von der Möglichkeit der Strafmilderung ausgenommen (vgl. BGH NJW 1953, 1760). Dies gilt auch für die Verkehrsvergehen (vgl. LK-Schöch, StGB 12. Aufl., § 21 Rn. 61 m.w.N.; Schönke/Schröder/Perron/Weißer, StGB 29. Aufl., § 21 Rn. 22).“

Auch die beiden Punkte sollte man „auf dem Schirm haben.“