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StPO I: Wiedererkennen des Angeklagten durch Zeugen, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

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Und heute dann noch einmal StPO-Entscheidungen, und zwar dreimal BGH (davon habe ich im Moment einiges)

Hier kommt dann zunächst der BGH, Beschl. v. 12.09.2023 – 4 StR 142/23 – zu den Anforderungen an die Urteilsgründe beim Wiedererkennen.

Das hat hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit zweifacher gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hatte Erfolg:

„Nach den getroffenen Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und dem ihm unbekannten Geschädigten K. am Busbahnhof in M. zu einem Streit. In dessen Verlauf brachte der Angeklagte den Geschädigten auf dem Rücken zu Boden. Er kniete sich auf ihn und hielt ihn fest. Spätestens jetzt entschloss sich der Angeklagte im Einvernehmen mit seinen zwei Begleitern, dem Geschädigten die Geldbörse zu entwenden. Hierzu sprühte er ihm Pfefferspray in das Gesicht, um erwarteten Widerstand zu verhindern. Währenddessen bewegte sich der bis dahin unbeteiligte Geschädigte Me. auf den Angeklagten zu. Der dies wahrnehmende Angeklagte richtete nun den Strahl des Pfeffersprays auf den Herannahenden. Wie von ihm beabsichtigt, hielt der Geschädigte Me. inne und griff nicht in das Geschehen ein, nachdem er Pfefferspray in sein Auge bekommen hatte. Sodann drehte der Angeklagte den durch den Einsatz des Pfeffersprays eingeschüchterten Geschädigten K. am Boden zur Seite, sodass sein Begleiter die Geldbörse aus der Gesäßtasche greifen und an sich nehmen konnte. Anschließend entfernten sich der Angeklagte und seine Begleiter vom Tatort.

II.

1. Die Verurteilung des Angeklagten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie einer tragfähigen Beweiswürdigung entbehrt.

a) Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten darauf gestützt, dass der Zeuge Kr.   den ihm unbekannten Angeklagten im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage bei der Polizei zu 100% und abermals in der Hauptverhandlung sicher wiedererkannte.

b) Diese Ausführungen genügen nicht den besonderen Darlegungsanforderungen in Fällen, in denen – wie vorliegend – der Tatnachweis auf einem Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Tatzeugen beruht. Danach ist das Tatgericht aus sachlich-rechtlichen Gründen regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben und diese sodann zum Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung in Beziehung zu setzen. Zudem sind in den Urteilsgründen diejenigen Gesichtspunkte darzulegen, auf denen die Folgerung des Tatgerichts beruht, dass insoweit tatsächlich Übereinstimmung besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2023 – 6 StR 516/22 Rn. 5 mwN; Beschluss vom 17. Februar 2016 – 4 StR 412/15 Rn. 3 mwN). Darüber hinaus bedarf es einer Mitteilung der Umstände, die zur Identifizierung des Angeklagten durch den Zeugen geführt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2023 aaO mwN). Bei einem wiederholten Wiedererkennen in einer Hauptverhandlung ist außerdem zu beachten, dass eine verstärkte Suggestibilität der Identifizierungssituation besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2017 – 4 StR 468/17 Rn. 4; Beschluss vom 29. November 2016 – 2 StR 472/16 Rn. 5 mwN).

c) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Den Urteilsgründen lässt sich schon nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten äußeren Merkmale der Zeuge den Angeklagten wiedererkannte. Ferner fehlt es an einer Darlegung der Gesichtspunkte, die für die Folgerung der Strafkammer maßgebend waren, es liege tatsächlich eine Übereinstimmung vor. Schließlich hat sie nicht erkennbar bedacht, dass dem – wiederholten – Wiedererkennen des Angeklagten in der Hauptverhandlung durch den Zeugen ein allenfalls geringer Beweiswert zukam.“

StPO II: Wiedererkennen eines Unbekannten, oder: Schwierig, daher vertiefte Urteilsbegründung?

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Und im zweiten Posting dann zwei BGH-Entscheidungen zum „Wiedererkennen“, also Beweiswürdigungsfragen.

Zunächst der recht aktuelle BGH, Beschl. v. 25.05.2023 – 5 StR 483/22. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Mengeverurteilt. Dagegen die Revision, die erfolgreich war:

„2. Die Verurteilung in den Fällen II.1 und II.2 hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt, der Angeklagte habe an zwei nicht näher bestimmbaren Tagen im Zeitraum vom 18. August bis 2. Oktober 2018 an den gesondert verfolgten Gr. im Stadtgebiet von D.     im ersten Fall (II.1) mindestens 100 Gramm Crystal zum Preis von 4.500 Euro und im zweiten Fall (II.2) ein Kilogramm Marihuana zum Preis von 3.000 Euro sowie 150 Gramm Crystal zum Preis von 6.000 Euro verkauft und übergeben. Die Betäubungsmittel hatten einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 65 Prozent S-Methamphetamin-Base (Crystal) und 4 Prozent THC (Marihuana).

b) Das Landgericht hat die Feststellungen zum Tathergang und seine Überzeugung von der Täterschaft des – hierzu schweigenden – Angeklagten maßgeblich auf die Angaben des Zeugen K. gestützt. Allein dieser Zeuge hatte den Angeklagten als Täter identifiziert, allerdings nur anlässlich seiner eigenen polizeilichen Beschuldigtenvernehmung in einem Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Zeuge hatte bekundet, im Tatzeitraum gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Gr.         mit Betäubungsmitteln Handel getrieben zu haben. In diesem Rahmen sei es bei zwei Gelegenheiten zur Übergabe größerer Betäubungsmittelmengen (wie festgestellt) durch „Tschetschenen“, darunter den Angeklagten, gekommen. Der Zeuge habe den gesondert Verfolgten mit dem Pkw zum Übergabeort, einem Hinterhof in D. gefahren. Dort habe er aus kurzer Entfernung beobachtet, wie drei „Tschetschenen“ zur Abwicklung des Geschäfts in einen dort stehenden Pkw BMW mit B.-er Kennzeichen eingestiegen seien. Der gesondert Verfolgte habe die Betäubungsmittel vom „Hauptakteur“ überreicht bekommen. Diesen habe der Zeuge später bei der Polizei „anhand der Lichtbildmappe“ als den Angeklagten identifiziert. Die weiteren Ermittlungen der Polizei ergaben, dass ein Pkw mit B.er Kennzeichen auf den Angeklagten zugelassen gewesen war und dieser, so wie vom Zeugen K.  in Bezug auf den „Verkäufer“ berichtet worden war, „etwas, mit Boxen“ „zu tun“ gehabt habe.

c) Die Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 6. August 2020 – 1 StR 178/20, NStZ 2021, 184, 185 mwN) als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

aa) In schwierigen Beweislagen, zu denen Konstellationen zählen, in denen – wie hier – der Tatnachweis im Wesentlichen auf dem Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Tatzeugen beruht, ist das Tatgericht aus sachlich-rechtlichen Gründen regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. April 2003 – 2 BvR 2045/02, NJW 2003, 2444, 2445; BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2023 – 6 StR 516/22, NStZ 2023, 250; vom 3. März 2021 – 2 StR 11/21, vom 29. November 2016 – 2 StR 472/16, NStZ-RR 2017, 90 f; vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 439/08, NStZ 2009, 283). Um die tatgerichtliche Würdigung nachvollziehen zu können, bedarf es zudem eines Abgleichs der Beschreibung des Zeugen mit dem Erscheinungsbild des Angeklagten (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 – 5 StR 593/05, NStZ-RR 2006, 212). Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung nicht gerecht.

bb) Im Urteil fehlen jegliche Angaben dazu, welche Merkmale oder Ausprägungen der Erscheinung des Angeklagten den Zeugen K. im Zeitpunkt seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung in die Lage versetzt haben sollen, ihn „anhand einer Lichtbildmappe“ wiederzuerkennen.Darüber hinaus gibt es im Urteil keine Täterbeschreibung. Schon aus diesen Gründen leidet die Beweiswürdigung unter erheblichen Lücken. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge den Angeklagten in der Hauptverhandlung „nicht direkt als den von ihm identifizierten Täter benennen“ „wollte“. Besondere Anforderungen an die Darlegungen des Identifizierungsvorgangs ergaben sich hier aber auch zusätzlich daraus, dass der Zeuge den Angeklagten vor den festgestellten Betäubungsmittelübergaben nicht kannte. Dies folgt aus seinem Bekunden, wonach ihm der gesondert Verfolgte die „Tschetschenen“ als „neue Geschäftspartner“ präsentiert habe, bevor es zu dem Treffen auf einem D.er Hinterhof kam. Für derartige Identifizierungsleistungen gilt: Konnte ein Zeuge eine ihm zuvor unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich das Tatgericht nicht ohne Weiteres auf dessen subjektive Gewissheit beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2023 – 6 StR 516/22, NStZ 2023, 250; vom 3. März 2021 – 2 StR 11/21, vom 29. November 2016 – 2 StR 472/16, NStZ-RR 2017, 90 f; vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 439/08, NStZ 2009, 283).

Diese Anforderungen erfüllt das Urteil nicht. Zur konkreten Wahrnehmungssituation des Zeugen bei der jeweiligen Betäubungsmittelübergabe, insbesondere dazu, ob er den Angeklagten hierbei längere Zeit beobachten oder nur kurzzeitig sehen konnte, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Es kann nicht nachvollzogen werden, wie der Zeuge von seiner Position heraus den Angeklagten als „Fahrer“ und „Hauptakteur“, welcher „etwas mit Boxen zu tun“ habe, ausmachen konnte. Die Wahrnehmung solch markanter Eigenschaften erscheint angesichts dessen, dass die „Tschetschenen“ in einen parkenden Pkw stiegen, ungewöhnlich; erst recht mit Blick darauf, dass die polizeiliche Sachbearbeiterin die Angaben des Zeugen zu diesen Vorfällen als eine „absolute Randnotiz“ bezeichnete. Aufgrund der aufgezeigten Erörterungsmängel entbehrt die Schlussfolgerung des Landgerichts, der Zeuge habe den Angeklagten „eindeutig“ „anhand der Lichtbildmappe“ identifiziert – ungeachtet dessen, dass auch hier erforderliche Ausführungen zur konkreten Durchführung der Lichtbildvorlage bei der Polizei fehlen (dazu vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2023 – 6 StR 110/23) – jeder Grundlage.

d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Mit der Aufhebung der Schuldsprüche entfallen die in den Fällen II.1 und II.2 verhängten Einzelstrafen.“

Und dann weise ich in dem Zusammenhang noch hin auf den BGH, Beschl. v. 04.04.2023 – 6 StR 110/23. Auch in der Entscheidung hat der BGH die Urteilsgründe zum Wiedererkennen als nicht ausreichend beanstandet – siehe oben 🙂 .

StPO III: Urteilsgründe beim „Wiedererkennen“, oder: Wenn der Angeklagte in der HV eine Maske trägt

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Und dann zum Schluss noch der BGH, Beschl. v. 08.02.2023 – 6 StR 516/22 – der – noch einmal zu den Anforderungen an die Urteilsgründe in den Fällen Stellung nimmt, in denen der Verurteilung eine Wahllichtbildvorlage zugrunde liegt.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen räuberischer Erpressung verurteilt. Dagegen die Revision, die Erfolg hatte:

„1. Die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung im Fall II.1 hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.

Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich darauf gestützt, dass die Nebenklägerin ihn bei einer Wahllichtbildvorlage und erneut in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat. Den hieraus folgenden besonderen Darlegungsanforderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2016 – 2 StR 472/16, NStZ-RR 2017, 90 f.) ist es nicht gerecht geworden.

Den Urteilsgründen kann schon nicht entnommen werden, aufgrund welcher konkreten äußeren Merkmale die Nebenklägerin den Angeklagten als einen der Täter erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 439/08, NStZ 2009, 283; vom 17. Februar 2016 – 4 StR 412/15, StV 2018, 791). Hierzu bestand umso mehr Veranlassung, als die Strafkammer ausgeführt hat, dass bei Betrachtung der nach Angaben der Nebenklägerin gefertigten Phantombilder optische Abweichungen zum Angeklagten aufgefallen seien und es kleinere Unstimmigkeiten bei der Zuordnung der Beschreibungsmerkmale gegeben habe.

Zudem ist zu besorgen, dass die Strafkammer der subjektiven Gewissheit der Nebenklägerin beim Wiedererkennen („sehr eindeutig“, „mit großer Überzeugung“, „keinerlei Zweifel“) ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich das Tatgericht nicht ohne Weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 2 StR 480/16; vom 3. März 2021 – 2 StR 11/21, StV 2021, 792). Daran fehlt es.

Darüber hinaus wird nicht erörtert, warum der Nebenklägerin ein Wiedererkennen des Angeklagten in der Hauptverhandlung möglich war, obwohl dieser eine Mund-Nasen-Bedeckung trug und seit dem Geschehen mehr als fünf Jahre vergangen sind. Diesbezüglich wird zudem nicht deutlich, ob sich die Strafkammer des geringeren Beweiswerts des wiederholten Erkennens in der Hauptverhandlung bewusst war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2016 – 2 StR 472/16, aaO; vom 22. November 2017 – 4 StR 468/17)…..“

„Der war es, ich erkenne ihn wieder“, oder: Das Wiedererkennen im Strafverfahren

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Wer kennt nicht aus diversen Krimis im Fernsehen und in Spielfilmen die Gegenüberstellung und oder Lichtbildvorlagen. Wenn man es manchmal sieht, möchte man sich die Haare raufen. So viele Fehler werden da häufig gemacht. Und Fehler hatte auch eine Strafkammer des LG Erfurt in einem Verfahren wegen Diebstahls gemacht. Einer – letztlich der massivste – hat dann zur Aufhebung durch den BGH im BGH, Beschl. v. 08.12.2016 – 2 StR 480/16 – geführt.

Folgender Sachverhalt: Einbruch in eine Postfiliale,  den man den drei Angeklagten zur Last legt. Das LG verurteilt sie auf folgender Beweisgrundlage:  Das LG sieht einen der Angeklagten auf Grund der Aussagen von zwei Zeuginnen für überführt. Beide Zeuginnen hatten zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe zum Tatort drei männliche Personen beobachtet und auf einem um 20.32 Uhr anlässlich der Geschwindigkeitsüberwachung gefertigten, ihnen von der Polizei vorgelegten Lichtbild den einen Angeklagten wiedererkannt. Die Zeuginnen hatten dies auf Vorhalt in der Hauptverhandlung bestätigt; die einen Zeugin hatte den Angeklagten auch in der Hauptverhandlung wiedererkannt. Das LG hat dann zwar „nicht übersehen, dass das Bild des Angeklagten B. A. den Zeuginnen von den Ermittlungsbeamten nicht zusammen mit Bildern anderer Personen, sondern als Einzelbild vorgelegt wurde, so dass dem Ergebnis ein wesentlich geringerer Beweiswert zukommt als dem einer vorschriftsmäßigen Wahllichtbildvorlage. Es hat die Verurteilung gleichwohl auch auf die Aussage der Zeuginnen gestützt, da weitere gewichtige Indizien für die Täterschaft des Angeklagten B. A. sprächen. Insbesondere stehe aufgrund des vorgenannten um 20.32 Uhr gefertigten Fotos fest, dass alle drei Angeklagten von W. in Richtung D. gefahren seien, denn die Angeklagten seien auf dem Foto von der Polizeibeamtin Br. , die sie aus mehreren Ermittlungsverfahren im Großraum B. kenne, ebenso wie durch den Zeugen A. M. , der die Vermietung des auf dem Lichtbild abgebildeten Audi A8 abgewickelt habe, bei polizeilichen Lichtbildvorlagen wiedererkannt worden.“

Dem BGH genügt das -m.E. zu Recht – nicht:

„Diese Beweiswürdigung trägt die Verurteilung nicht. Denn das Wiedererkennen des Angeklagten B. A. auf dem um 20.32 Uhr gefertigten Bild begegnet nicht nur im Hinblick auf die fehlende Wahllichtbildvorlage Bedenken. Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich der Tatrichter nicht ohne weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 439/08, NStZ 2009, 283 Rn. 7). Dies hat das Landgericht vorliegend nicht getan. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, anhand welcher Merkmale die Zeuginnen K. und We. den Angeklagten auf dem um 20.32 Uhr gefertigten Bild, anhand dessen der anthropologische Sachverständige die Identität mit dem Angeklagten B. A. gerade nicht feststellen konnte (UA S. 24), wiedererkannt haben.

Die Beweiswürdigung ist überdies auch deshalb lückenhaft, weil das Urteil nicht erkennen lässt, ob sich das Landgericht mit dem eingeschränkten Beweiswert des wiederholten Wiedererkennens – nach fehlerhafter Lichtbildvorlage – durch die Zeugin K. in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. November 1997 – 2 StR 470/97, BGHR StPO Identifizierung 13).

Ebenso wenig tragfähig ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Feststellung, der Angeklagte B. A. sei um 20.32 Uhr auf der Bundesautobahn in einem grauen Audi A8 zusammen mit den beiden Mitangeklagten von W. kommend unterwegs gewesen. Nach den Urteilsgründen konnte der anthropologische Sachverständige die Identität des Angeklagten auf dem Foto nicht positiv feststellen (UA S. 24). Die Erwägungen des Landgerichts zum Wiedererkennen durch die Zeugen Br. und A. M. bilden keine hinreichende Nachprüfungsgrundlage für das Revisionsgericht. Insoweit fehlt es bereits an einer konkreten Darlegung dazu, wann, wie oft, wie lange und in welchem zeitlichen Abstand zur Identifizierung die Zeugen den Angeklagten gesehen hatten. Eine Beurteilung der Fähigkeit der Zeugen, den Angeklagten zu identifizieren, ist dem Revisionsgericht vor diesem Hintergrund nicht möglich. Überdies werden auch hier äußere Merkmale des Angeklagten, anhand derer die Zeugen ihn auf dem Foto wiedererkennen konnten, nicht mitgeteilt.

Weiteren vom Landgericht als indiziell angenommenen Umständen – etwa der Vorstrafe des Angeklagten und dem opus moderandi – kommt angesichts dessen kein objektiver Beweiswert zu.“

Zutreffend und: Bei der Beweissituation muss man schon viel schreiben, um das „Wiedererkennen“ „revisionssicher“ zu machen. Was man schreiben muss, kann man überall nachlesen, steht in jedem Kommentar. Und jetzt hat man ja auch noch diesen BGH-Beschluss und dann gleich auch noch einen weiteren, nämlich den BGH, Beschl. v. 29.11.2016 – 2 StR 472/16. Das sollte ja vorerst mal wieder reichen.

Ach so: „Opus moderandi“ muss wohl „opus operandi“ heißen 🙂 .

Täteridentifizierung/Wiedererkennen, oder: Die zu knappen Urteilsgründe

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Ich habe den Eindruck, dass die Entscheidungen des BGH, in denen die Senate die tatrichterlichen Beweiswürdigungen als unzureichend beanstanden, zunehmen, aber vielleicht ist das auch nur „gefühlt“. Und es ist nicht nur der 2. Strafsenat, der die Zügel anzuziehen scheint, sondern die anderen Senate beanstanden auch. So im BGH, Beschl. v. 17.02.2016 – 4 StR 412/15 -, der 4. Strafsenat in Zusammenhang mit der Verurteilung eines Angeklagten wegen besonders schweren Raubes durch das LG Arnsberg. Da sind/waren dem BGH die Ausführungen zur Täteridentifizierung zu knapp:

„Der Generalbundesanwalt hält die Beweiswürdigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe für durchgreifend rechtsfehlerhaft; die Darstellung und Auseinandersetzung mit den den Angeklagten belastenden Indizien im Zusammenhang mit seiner Identifizierung durch den Geschädigten seien lückenhaft (§ 261 StPO). Dem kann sich der Senat – jedenfalls im Ergebnis – nicht verschließen.

Ob die Annahme einer hinreichend sicheren Identifizierung vor dem Hin-tergrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe schon deshalb einer tragfähigen Grundlage entbehrt, weil sich der Geschädigte bei der Wahllicht-bildvorlage lediglich zu 60% sicher war, kann letztlich dahinstehen. Entsprechendes gilt, soweit der Generalbundesanwalt die Erwägungen der Strafkammer zum Beweiswert des wiederholten Wiedererkennens als unzureichend beanstandet. Jedenfalls lassen die Urteilsgründe, soweit der Zeuge zur Begründung der Wiedererkennung auf die markante Augenpartie des Angeklagten verwiesen hat, eine genauere Wiedergabe seiner Bekundungen vermissen, ferner eine Darlegung der Gesichtspunkte, die für die Folgerung des Landgerichts maßgebend waren, es liege diesbezüglich tatsächlich eine Übereinstimmung vor. Bei der Würdigung einer zusammenfassenden Wertung eines Zeugen, wie sie das Landgericht hier in Bezug auf die Identifizierung des Angeklagten vorgenommen hat, kommt es auch auf die dieser Wertung zugrundeliegenden, von dem Zeugen mehr oder weniger substantiierten Tatsachen an, hier also darauf, welche äußeren Merkmale für das Wiedererkennen maßgebend waren (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 – 3 StR 178/91). Dies wäre hier umso mehr erforderlich gewesen, als der von dem Geschädigten beobachtete, hier in Betracht kommende Täter eine Kappe trug und sich ein Tuch vor den Mund ge-bunden hatte. Die Urteilsgründe sind auch deshalb lückenhaft, weil nicht mitgeteilt wird, ob und gegebenenfalls welche Angaben der Zeuge zu der festgestellten Fehlstellung der Nase des Angeklagten gemacht hat.