Die zweite Entscheidung am heutigen Samstag kommt vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Im Hess.VGH, Beschl. v. 11.10.2018 – 2 B 1543/18 – ergangen in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO – geht es mal wieder um die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Cannabiskonsum.
Der Antragsteller ist am 27.09.2017 erstmalig im Rahmen einer Polizeikontrolle angetroffen, als er unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führte. Die durch das rechtsmedizinische Instituts der Universität Frankfurt durchgeführte Untersuchung der entnommenen Blutprobe ergab folgende Werte: Tetrahydrocannabinol (THC): 3,5 ng/ml, Hydroxy-THC: 1,4 ng/ml sowie Carbonsäure (THCOOH): 38 ng/ml. Wegen dieses Vorfalls wurden gegen den Antragsteller ein einmonatiges Fahrverbot sowie eine Geldbuße verhängt. Im Rahmen einer weiteren Polizeikontrolle am 06.12.2017 wurde beim Antragsteller eine ebenfalls eine Blutprobe entnommen Die Analyse dieser Blutprobe ergab dass THC und Hydroxy-THC im Blut nicht nachweisbar waren und lediglich das THC-Abbauprodukt Carbonsäure in einer geringen Konzentration von 4,7 ng/ml festgestellt werden konnte. Aus diesen beiden Vorfällen schloss der Antragsgegner, dass der Antragsteller als gelegentlicher Konsument von Cannabis anzusehen sei und dass es bei ihm an dem nach der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der FeV erforderlichen Trennungsvermögen fehle.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem Argument, dass bezüglich des Trennungsvermögens nicht auf den ersten Vorfall abgestellt werden dürfe, da erst mit dem Vorfall am 06.12.2017 von einem „gelegentlichen“ Konsum auszugehen sei, wohingegen es sich bei dem Vorfall vom 27.092017 noch um einen einmaligen Konsumvorgang gehandelt habe. Das Ergebnis der Blutuntersuchung der Blutprobe vom 06.12.2017 zeige, dass der Antragsteller nicht unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug geführt habe und daher zwischen den Konsum der Droge und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trenne.
Der VGH sieht das anders:
„Dem Antragsteller ist zunächst zuzustimmen, dass es für die Beurteilung, ob er als gelegentlicher Konsument von Cannabis anzusehen ist, entgegen den Ausführungen des Antragsgegners im streitgegenständlichen Bescheid und auch des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss nicht auf die Feststellungen bei der Kontrolle am 6. Dezember 2017 ankommen kann, zumal entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts (S. 4 des amtlichen Umdrucks des Beschlusses vom 9. Juli 2018, Zeilen 1 – 4) bei der Fahrt am 6. Dezember 2017 aufgrund der festgestellten Blutwerte gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hat. Richtig ist, dass ein fehlendes Trennungsvermögen einem Fahrerlaubnisinhaber erst ab dem Zeitpunkt entgegengehalten werden kann, in dem auch feststeht, dass er mindestens gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Der Rückschluss auf einen feststehenden mindestens zweimaligen und damit gelegentlichen Konsum lässt sich hier jedoch aus den Ergebnissen der Analyse der beim Antragsteller am 25. September 2018 entnommenen Blutprobe (vgl. Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Frankfurt vom 11. Oktober 2017) und den eigenen Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei zu seinem Cannabiskonsum ziehen.
Wie der Antragsteller selbst angegeben hat, fand am 23. September 2018 eine Feier anlässlich der Geburt seines Sohnes statt. Zu dieser Feier habe, so der Antragsteller, ein Besucher „Gras“ mitgebracht. Man habe ein bis zwei Joints gedreht und durch die Runde gereicht. Er, der Antragsteller, habe einige Züge genommen. Damit steht nach den eigenen Angaben des Antragstellers ein Konsumakt am 23. September 2018 fest. Die in der Blutprobe vom 25. September 2018 festgestellten Werte in Bezug auf THC und Hydroxy-THC lassen indessen nur den Schluss zu, dass der Antragsteller kurzfristig vor der Polizeikontrolle am 25. September 2018 ein weiteres Mal Cannabis konsumiert haben muss. Dies ergibt sich daraus, dass nach den dem Beschwerdegericht zugänglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp: Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Feststellung einer mangelhaften Trennung von Cannabiskonsum und Fahren anhand der Konzentration von Tetracannabinol (THC) im Blutserum, Blutalkohol, Bd. 53 (2016), S. 409ff.), insbesondere ein THC-Wert in der beim Antragsteller festgestellten Höhe nur erklärbar ist, wenn wenige Stunden zuvor ein weiterer Konsumakt stattgefunden hat. Wie entsprechende Untersuchungen ergeben haben, beträgt die Wirkungsdauer von Cannabis nur wenige Stunden. Bei einer nach allgemeiner Praxiserfahrung realistischen Konsumeinheit (d.h. 35 mg THC bezogen auf 70 Kg Körpergewicht) hat sich in einer Auswertung kontrollierter Studien ergeben, dass bei einer Mehrzahl der Probanden bereits nach 6 Stunden die festgestellten THC-Werte deutlich unter 1,0 ng/ml lagen. In 95 % der Fälle lagen die Werte unter 1,5 ng/ml. Aus einer an zahlreichen Studienergebnissen überprüften Regressionsformel ergibt sich, dass eine Konzentration von 0,5 ng/ml einem Konsumzeitpunkt von maximal 17,5 Stunden (oberes 95 % Konfidenzintervall) entspricht (vgl. Tönnes /Auwärter/Knoche/Skopp a. a. O. S. 411; in die gleiche Richtung gehend unter Heranziehung weiterer Quellen: Hess. VGH, Beschlüsse vom 17. August 2017 – 2 B 1213/17 –; vom 27. April 2015 – 2 B 223/15 – sowie vom 4. September 2014 – 2 B 1182/14 -). Zwar ist es in seltenen Fällen möglich, dass bei einer als gelegentlich einzustufenden Konsumhäufigkeit auch noch mehr als 24 Stunden nach dem letzten Konsumakt noch THC-Konzentrationen von mehr als 1,0 ng/ml festgestellt werden können, hinreichend wahrscheinlich ist dies jedoch nicht. Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausnahmefalls mit der Höhe der THC-Konzentration im entsprechenden zeitlichen Abstand zum Konsumakt weiter ab. Ein THC-Wert von 3,5 ng/ml, wie er hier in Rede steht, ist schlechterdings zwei Tage nach dem letzten Konsumakt kaum noch vorstellbar. Demgegenüber wurden derartige THC-Konzentrationen von 1,0 ng/ml und darüber nach dem letzten Konsumakt in mehreren Studien bei Personen festgestellt, die regelmäßig Cannabis konsumiert haben (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp a. a. O.). Zugunsten des Antragstellers geht das Beschwerdegericht davon aus, dass dies auf den Antragsteller nicht zutrifft, da ansonsten unabhängig von der Frage, ob er zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuge zu trennen vermag, nach der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der FeV bereits von seiner fehlenden Fahreignung auszugehen wäre.
Ist somit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der aufgrund der Blutprobe vom 25. September 2017 ermittelte THC-Wert von 3,5 ng/ml von einem weiteren, nach dem 23. September 2017 liegenden Konsumakt herrühren muss, steht einerseits fest, dass der Antragsteller bereits zu diesem Zeitpunkt gelegentlicher Cannabiskonsument gewesen sein muss, andererseits zeigt die Höhe der THC-Konzentration zugleich, dass es der Antragsteller an dem nach der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der FeV erforderlichen Vermögen, zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr zu trennen, fehlen lässt.“
Der Antragsteller hätte besser den Mund gehalten….